Expertenstreit um Brandherd
Lübecker Prozeß: Feuerwehrleute machen unterschiedliche Aussagen
DW Lübeck - Im Prozeß um den Brand in einem Lübecker Ausländerwohnheim ist gestern noch nicht über die Befangenheitsanträge gegen den Frankfurter Brandsachverständigen Ernst Achilles entschieden worden. Der achte Verhandlungstag wurde mit der Vernehmung von Feuerwehrleuten fortgesetzt. Sie machten unterschiedliche Aussagen zu der Frage, ob der Vorbau im Erdgeschoß des Hauses bereits bei ihren Eintreffen gebrannt habe. Die bislang umstrittene Frage, wo und wann die Flammen am 18. Januar zuerst in dem Asylbewerberheim aufgelodert sind, könnte Aufschluß darüber geben, ob das Feuer von außen oder innen gelegt wurde.
Ein Berufsfeuerwehrmann sagte aus, er habe bei seinem Eintreffen "heißen, weißen Qualm" aus dem Vorbau quellen sehen. Deshalb habe er damit gerechnet, daß auch dort bald offene Flammen ausbrechen würden. Etwa zehn Minuten später habe der Holzbau in Flammen gestanden. Ähnlich äußerte sich auch ein Feuerwehranwärter. Auf Nachfragen der Verteidigung räumte der Zeuge allerdings ein, sich nicht mehr genau erinnern zu können. Möglicherweise habe er auch schon früher dort Flammen gesehen.
Übereinstimmend berichteten alle Zeugen, das Feuer habe eine auffallende Intensität gehabt. Alles sei rot gewesen, so etwas habe er noch nie gesehen, erklärte ein Beamter der Berufsfeuerwehr. Die Aussagen der Zeugen sollen Hinweise auf den Ort des Brandausbruchs geben. Brandschutzexperte Achilles hält eine Brandentstehung im Erdgeschoß und einen Brandanschlag von außen für wahrscheinlich. Gutachter des Landes- und des Bundeskriminalamtes gehen dagegen bislang davon aus, daß das Feuer im ersten Stock gelegt wurde.
Deren Expertise belastet den ehemaligen Hausbewohner Safwan Eid. Der Libanese muß sich seit dem 16. September vor der Jugendstrafkammer des Lübecker Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Eid vor, das Feuer gelegt zu haben, bei dem am 18. Januar dieses Jahres zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden.
Copyright: DIE WELT, 10.10.1996
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