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Online seit:
Mon Feb 19 19:13:41 1996
 

Stellungnahme von Yok Quetschenpaua zu "Heiter bis Wolkig" und der damit zusammenhaengenden Debatte ueber Sexismus und politisch/kulturelle Verantwortung. (Richtet sich NICHT gegen das Gruppenmitglied Wolli, der ganz offensichtlich ner andere Position vertritt als der Rest der Gruppe und diese Position auch oeffentlich gemacht hat).

MOTIVATION: Ich kenne die Leute von Heiter bis Wolkig seit ca. 4-5 Jahren, zum Teil persoenlich, aber eigentlich nicht besonders gut. In dieser Zeit kam es hin und wieder zu Begegnungen, Gespraechen und auch schriftlichen Auseinandersetzungen und Kritiken bezueglich der Kultur, die wir so machen. Das Ganze passierte auf einer Ebene von gegenseitiger Sympathie und Akzeptanz (bei aller auch vehementer Kritik), das hat sich nun von meiner Seite aus veraendert, nicht etwa, weil diese Gruppe fette Fehler gemacht hat und sich zum Teil superscheisse (nicht)verhalten hat, sondern weil sie offensichtlich immer noch der Meinung sind, das ihr aktuelles Verhalten, ihr Programm und alles was da so dranhaengt, im Grossen und Ganzen, auch nach allem was passiert ist, voll korrekt ist. Vorlaeufiger Endpunkt meiner Auseinandersetzung mit HbW war ein persoenliches Gespraech am 27.4.94 vor ihrem Auftritt in der Hamburger Markthalle. Aus diesem Gespraech bin ich wuetend und enttaeuscht rausgegagen. Dieses Papier soll keine persoenliche Abrechnung sein, sondern eine weitere Offenlegung dieser Auseinandersetzung aus einem wieder anderen Blickwinkel, denn ich weiss, dass das Konzertpublikum von HbW und mir z.T. identisch ist und lege Wert darauf, dass moeglichst viele Leute schnallen, was da eigentlich schraeg laeuft. Dass ich keinen Bock mehr auf gemeinsame Auftritte mit HbW habe, versteht sich nach diesem Papier hoffentlich von selbst.

GRUNDSAETZLICHE KRITIK: Was mir an HbW nie gepasst hat ist, dass sie eine Radikalitaet von der Buehne senden, von der sie erstens oft keine Ahnung haben, weil sie naemlich kaum oder gar nicht in entsprechenden Strukturen drin stecken und zweitens die Sachen wenig auf Aussage und Wirkung hin ueberpruefen. Klar, und wenn das so ist, ist es ueberhaupt nicht verwunderlich, wenn eigentlich fast nix so richtig Tiefgang hat, bzw als platt empfunden wird. Der Trick ist dann aber immer gewesen, dass es alles immer ziemlich fetzig praesentiert wird (Musik, Outfit, Tempo, Choreographie), ein paar flache Pointen beigemengt und den Rest besorgt in der Regel die Pyro- oder Lightshow. Daraus ist im Laufe der Zeit so ne Art Konzept geworden, linkes Entertainment, was faelschlicherweise nach "autonom" oder "linxradikal" aussieht, und (und das laesst sich garnicht bestreiten) genau in dieser Szene auch ziemlich gut ankommt (yedenfalls war das in der Anfangszeit mal so). Logo, und dann ist es ja auch nur konsequent, wenn sich das Programm tatsaechlich da abspielt, wo solche Leute auch gerne hingehen: autonome Zentren, entsprechende Open-Airs, besetzte Haeuser usw... Nun waechst aber, meiner Meinung nach, mit steigendem Bekanntkeitsgrad auch die Verantwortung einer solchen Gruppe und damit sind wir wieder bei Aussage und Wirkung. Ploetzlich kommen naemlich noch ganz andere Leute zu den Konzerten als "gestandene Autonome" oder "ueberzeugte Linkxradikale". Kurzes Beispiel (will mich jetzt auch nicht zu sehr verzetteln) Zehn kleine Nazischweine: Dieses Stueck gabs schon einmal von HbW als Zehn kleine Bullenschweine zu einer Zeit als die Schuesse an der Startbahn grosse Diskussionen ausloesten und hatte damals schon den Anschein von "das ist autonome Politik", schon damals habe ich darueber gekotzt. Heute, in einer Zeit, wo militante Auseinandersetzungen mit Nazis und Faschisten bitterer Ernst und oft Alltag sind (und das ist uebrigens ueberhaupt nicht lustig!!!), wird dann also propagiert, diese zu toeten ...ohne Zusatzkommentar ... ohne wenn und aber .. Hauptsache is lustig ... ey, geht doch kacken mit der Verbreitung von solchen "politischen Inhalten", wenn ihr das ganze Drumherum nicht thematisieren wollt, dann lasst die Finger davon oder ist es Euch wirklich entgangen, dass Leute im Knast sizten, weil ihnen Mord und Mordversuch an Faschisten vorgeworfen wird. Niemand erwartet von Euch, dass ihr zum ernsthaften Kabarett avanciert, aber es gibt Themen, die erfordern einen sehr genauen Umgang und keine scheinbaren AgitProp-Lieder, die nur verschleiern, dass alles garnicht so klar und einfach ist, wie ihr es darstellt. Meines Erachtens unterschaetzt Ihr staendig die Wirkung von dem, was Ihr da verbratet.

KONKRETE KRITIK WEGEN SEXISMUS
Bevor ich Euer Papier auseinandernehme (HbW, April 1994, SIE ANTEN, WIR FRAGWORTEN), muss ich mal sagen, dass ich ueberhaupt nicht begreifen kann, was Euch unklar daran ist, dass Ihr Euch in der ganzen Situation in der Flora scheisse verhalten habt. Grosses grosses Kopfschuetteln. Was da aus dem Publikum an dem besagten Tag an frauenfeindlichen Spruechen gekommen ist, laesst sich eigentlich kaum noch ueberbieten. In Eurem Papier ist das bezeichnenderweise nicht einmal Wert, erwaehnt zu werden.

Da ist dann zuerst die Rede von Eurer politischen Vergangenheit, die Euch ueberhaupt niemand absprechen will, darum gehts nicht! Ein "merkwuerdiges Bild" sei von Euch entstanden auf Grund "dieses unsaeglichen Sexismusvorwurfes" und anstatt Stellung zu beziehen, bietet Ihr den Verkauf Eures Videos an... das faellt Euch wahrscheinlich auch nicht auf, dass das voll komisch kommt.

Auf die gesamte Kritik reagiert ihr ausschliesslich mit "das ham wir alles garnicht so gemeint, wie die Leute das verstanden haben und deshalb ist das gar nicht unser Problem und deshalb koennen wir ya auch gar keine Fehler haben" (war yetzt kein Zitat sondern ne freie Uebersetzung). Auf direktes Nachfragen am 27.4.94 kommen dann richtig die dicken Klopper, von wegen, dass das fuer Euch (speziell fuer einen von Euch) sowieso alles garnicht relevant ist oder ihr haettet sowieso keinen Einfluss darauf, was die Leute bei Euren Konzerten machen bzw rufen. Auf meine Nachfrage, wie Ihr denn z.B. auf ein "Sieg Heil" aus dem Publikum reagieren wuerdet, heisst es, dass da ne Grenze ist. Okay, dass ist dann ya deutlich: Sieg-Heil is Grenze, aber Scheiss-Emanzen ist erlaubt bei HbW. Oder wie sonst ist das zu verstehen, dass Ihr Euch nicht mit einem Wort in eurem einzigen Papier gegen diese Arschloecher, die das gerufen haben, richtet ??

Wie koennt Ihr Euch darauf zurueckziehen, dass ihr das nicht zu verantworten habt?? Wie koennt Ihr Euch darauf zurueckziehen, dass die besagte Szene keine Vergewaltigungsszene ist, obwohl sie ya offensichtlich von vielen so verstanden wurde??? Habt ihr ueberhaupt schon mal darueber nachgedacht, dass Frauen euer Programm na klar anders reinkriegen als Maenner... dass ihr mit Euren Darstellungen auch verletzend sein koenntet... dass nicht nur Euer Typenhirn der Massstab sein kann, was ihr wie meint und darstellt, sondern auch die Reaktionen und Empfindungen eines "gemischten Publikums"?? Dass ihr offensichtlich Arschloecher in ihrem Verhalten bestaerkt habt, anstatt zu signalisieren, dass die sich verpissen sollen? Wo sind wir hier eigentlich ? Seit wann ist sowas nicht mehr relevant, Marco? Wenn ihr als linke Maenner mit euren z.T. dubiosen und undurchdachten platten "Sketchen" zum Thema Sexismus vor allem bei Leuten auflauft, die sich damit schon beschaeftigt haben, bzw wenns vor allem Frauen stoert, was Ihr da zum Thema bringt, weil sie diese Scheisse naemlich yeden Tag mehr oder weniger abkriegen, dann muss das fuer Euch meinetwegen auch nicht relevant sein, richtig, aber das hat dann auch endgueltig Konsequenzen und darueber braucht Ihr Euch ueberhaupt nicht so zu empoeren, wie ihr es in Eurem Papier tut, denn dann ist das "merkwuerdige Bild", was von Euch enstanden ist, ein richtiges Bild und ihr braucht auch nix mehr gerade zu ruecken !

Ihr schreibt auch noch, dass Ihr als Linke von der Szene angegriffen werdet in einem Stil, der sonst den Schweinen und dem Staat gegenueber angewandt wird. Was soll das nun wieder ? Habt ihr was in die Fresse gekriegt ? Nee!! Ist Euer Auto abgefackelt worden? Nee!! Klar, die Leute ham ueber Euch geredet, zum Teil auch mit Euch, aber was erwartet Ihr denn? Im Laufe der Yahre ist auch immer wieder diese oder yene Kritik bezueglich Eurer Programme an Euch persoenlich ragetragen worden, von Leuten, die Euch mochten, dass wisst Ihr und dass weiss ich, aber ind er Regel ist so ne Krtik versandet oder nicht ernst genommen worden, was weiss ich. Versuche gabs yedenfalls. Yetzt macht Ihr Euch da zum Opfer, als haettet Ihr mit dem ganzen Hassel nichts zu tun. Und die TaeterInnen sind dann auch noch die "Hueter autonomer Wahrheit", wie Ihr sie so schoen nennt. Was soll das sagen? Sollen wir alle so'n bisschen toleranter werden? Sollen wir usn das, was wir empfinden, mal eben wegluegen, damit sich die Stumpfmacher ind Idioten in Eurem Programm wieder wohler fuehlen?? Scheisse! Ich bin stinksauer und das kommt hoffentlich auch reichlich rueber, soll auch rueberkommen. Nach alledem, was Ihr gesagt und geschrieben habt, solltet Ihr jetzt auch endlich die Konsequenzen ziehen und der Szene, der Ihr Euch zugehoerig gefuehlt habt, "Tschuess" sagen, denn dazugehoeren heisst immer auch, Auseinandersetzungen INNERHALB einer solchen Szene zu fuehren und fuehren zu wollen. Ihr steht immer noch auf Eurem Sockel, redet von Freiheit der Kunst und viele gucken Euch mittlerweile an und denken laut, dass Ihr da was nicht begriffen habt.

Ich denke, das war's!
YOK 4.5.94