Der Datendandy
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Der Datendandy sammelt Information nur, um damit zu prahlen, und nicht, um sie zu übertragen. Er ist sehr gut, vielleicht ein bißchen zu gut oder sogar übertrieben gut informiert. Auf zweckgerichtete Fragen treffen ungewünschte Antworten ein. Er kommt ständig mit etwas anderem an. Dem Phänotypus des Datendandys begegnet man mit dem gleichen Schrecken wie seinem historischen Vorgänger, dem Straße und Salon als Spielraum dienten. Die elegante Extravaganz, mit der das detaillierteste Konversationswissen zur Schau gestellt wird, schockiert die zielbewußten Medienbenutzer. Der Datendandy spottet über die maßvolle Konsumption und die dosierte Einnahme geläufiger Nachrichten und Unterhaltung, und läßt sich nicht von Übermaß oder Overload spezialisierten Wissens aus der Ruhe bringen. Seinem sorgfältig zusammengestellten Informations-Portefeuille ist keine konstruktive Motivation zu entnehmen. Er setzt so hoch wie möglich, um so arbitrair wie möglich rüberzukommen. Die Frage ist: "Warum will der Datenfatzke das alles wissen?" Er zappt nicht aus Langeweile, sondern aus einem Widerwillen, auf der Höhe der laufenden Ereignisse und der neuesten Beschäftigungen Dritter zu bleiben. Im Zeitalter der multimedialen Masseninformation kann man keinen Unterschied mehr zwischen Ein- und Vielförmigkeit machen. Weder der große Überblick noch das erklärende Detail können die Geistesverwirrung mindern. Vor diesem Hintergrund beweist der Datendandy, was jeder schon weiß, nämlich, daß Information zwar allgegenwärtig, aber nicht ohne weiteres verfügbar ist. Bestimmte Fakten sind besonders schmückend und dafür muß man eine feine Nase entwickeln. Anders als dem Datensammler geht es besagtem Dandy nicht um die Obsession für einen kompletten Bestand, sondern um die Anhäufung von soviel immateriellem Kleinkram wie möglich. Während der Otaku nach innen gekehrt ist und nie die Grenze seiner einsilbingen Kultivierungen überschreitet, sucht der Datendandy genau die am meisten extravertierten newsgroups auf, um seine unproduktiven Beiträge zu lancieren. Was der Datendandy abstaubt, um es anderswo zu präsentieren, ist latent wichtig, wäre nicht die Präsentation so indiskret. Seine launenhafte Spitzfindigkeit lenkt die Aufmerksamkeit von den täglichen Items ab. Die bon mots haben eine Genialitätsdauer von 30 Sekunden, danach verschwinden sie genauso plötzlich wieder vom Bildschirm. Unser Datendandy ist ein Makler in Gigaware, in dem Sinne, daß Ihr Abfall sein make-up ist, und seine Substanz Ihr Fluidum. Der Bildschirm ist der Spiegel, vor dem er seine Toilette macht. Das button/unbutton des textilen Dandyismus hat sein Equivalent im Kanalsurfen der on/off-Dekadenz gefunden. Umhüllt von feinsten Fakten und unsinnigsten gadgets bringt er die Zeitökonomie der Information=Geld-Manager durcheinander. Den größten Teil seiner Computerzeit verbringt er mit der schwungvollen Einrichtung seiner Festplatte und dem Anbringen raffinierter Schaltungen zwischen tausendfältigem heterogenen Software-Nippes. Das Powerbook als Schmuckstück ist der Stolz manches Salondigitalisten. Dieser verhöhnt mit Aktualität, Hype und Mode: kurz erscheint ein Ich, welches sich als sein eigener Anchorman anbietet. Der Datendandy betrachtet sein Atavar im Cyberspace als das Zentrum des digitalen Weltalls. Er weiß, daß er diese Position nur der Gunst der offenen Einrichtung des Computernetzes verdankt. Seine lästigen Interventionen haben als Daseinberechtigung den public access, den sie nicht als Mittel auffassen, die non-virtuelle Welt zu veränderen. Er durchschaut das Netz als einen Raum, in dem man sich zur Schau stellen kann, und nicht als Raum zur Kommunikation. Die Simulation ist das Fundament seiner 'General Principles of Digital Elegance', die von den Essentialisten, die noch an den Unterschied echt - unecht glauben, als 'Lust am Untergang' oder 'reiner Hedonismus' abgelehnt werden. Der Datendandy ist ein Geheimdemokrat, der einen relaxten Kampf für die grenzenlose Ausdehnung der digitalen Menschenrechte führt. Denn wenn der Stecker aus dem Netz gezogen wird, verflüchtigt sich seine Persönlichkeit. Der Datendandy zeigt eine beunruhigende Verwandtschaft mit dem Politiker,
der sich uns ebenfalls mit nichtssagenden Aussagen aufdrängt und
einfach nicht weichen will. Nun, da die politischen Klassen in ihrem Todeskampf
die Medien entdeckt haben, sind sie nicht mehr daraus wegzubekommen und
entwickeln dandyistische Züge. Der Datendandy taucht in der Leere
der Politik auf, die zurückgeblieben ist, seit die Gegenkultur sich
in einer dialektischen Synthese mit dem System aufgelöst hat. Dort
entpuppt er sich als ein ebenso liebenswerter wie falscher Gegner, zur
großen Wut von Politikern, die ihren jung-pragmatischen Dandyismus
als ein publizistisches Mittel betrachten und nicht per se als persönliches
Ziel. Sie kühlen ihre Wut an Journalisten, Sachverständigen
und Persönlichkeiten, welche die zufällige Diskussionsrunde
auf der Studiofläche bilden, wo die Weisungsbefugnis über die
Regie der einzige Gesprächsgegenstand ist. Doch sie haben die größte
Mühe mit dem Datendandy, der kein fairer Gegenspieler sein will und
es versäumt, hübsch kritische Fragen zu stellen. Unser bon viveur
erfreut sich an aller zur Schau getragenen Banalität und nimmt absolut
keinen Anstoß am undefinierbaren Bestreben. Die absolute Untätigkeit des Datendandys ähnelt der erhabenen
Faulheit von Couplands Generation X. Slackers, MacJobbers, Bilwet und
Butheadfans oder Vaguers erweisen sich als schicksalhaft verwachsen mit
den Medien und verwehren sich gegen die historische Aufgabe, Subjekte
der technologischen Umwälzungen zu sein. Sie amüsieren sich
über die Vorstellung, die Maus, der Joy Stick und die Fernbedienung
seien revolutionäre Werkzeuge für eine neue, schöpferische
Produktivität. Das kreative Potential der neuen Medien liegt vor
allem in ihrer Möglichkeit zum vielversprechenden Betrug, mit dem
nur wenige Geld machen. Die coolen Produkte werden von den Xers ironisch
und frei von Illusionen konsumiert. Ihre Lust am selbstreferentiellen
Charakter der Medien trägt keine Früchte. Hier wird nicht an
der Mannigfaltigkeit der techné gebastelt. Die Garagenromantik
der achtziger Jahren ist längst ausgeträumt. Die Digitalisierung
verläuft in den Neunzigern unter subproletarischen Arbeitsbedingungen,
jenseits des abgebauten Öko-Sozialstaates. Geräteherstellung
und Datenverarbeitung geschehen heutzutage global und werden, telematisch
gesteuert, in die Karibik, China, Indien oder Osteuropa ausgelagert. Das
Netz als das Nirwana der verschwundenen Arbeitsplätze, dient vor
allem dazu, sich über die armselige und holprige Kommunikationsextase
Anderer lustig zu machen. Was die metropolitane Straße für den historischen, ist das
Netz für den elektronischen Dandy. Das Flanieren längs der Datenboulevards
kann nicht verboten werden und verstopft schließlich die gesamte
Bandbreite. Das allzu kultivierte Gespräch während eines Rendezvous
rührt einige unangebrachte und irritante Daten auf, aber mündet
nie in Dissidenz. Das mutwillig verkehrte Navigieren und elegante joy
riding innerhalb anderer Leute Elektro-Umgebung will Bewunderung, Neid
und Verwirrung hervorrufen und steuert selbstbewußt auf einen gestylten
Unbegriff zu. Der Dandy mißt die Schönheit seiner virtuellen
Erscheinung an der moralischen Empörung und Lachlust der plugged-in
civilians. Es ist eine natürliche Eigenschaft des Stutzers, den Schock
des Künstli-chen zu genießen. Darum fühlt er sich so Zuhause
im Cyberspace mit all seinen Attributen. Das Riechwasser und die rosa
Strümpfe sind hier lediglich ersetzt durch kostbare Intels, zarte
datagloves und mit Rubinen besetzte Datenbrillen und an seinen Augenbrauen
und Nasenflügeln sitzen Sensoren. Weg mit der bäurischen NASA-Ästhetik
der Cybernauten! Wir haben das Stadium der Pioniere weit hinter uns gelassen,
nun geht es um die Grazie der medialen Geste. Das einzige im Netz, was die Eigenschaften einer Masse zeigt, sind jedoch
nicht die Benutzer, sondern die Information selbst. Sobald ein neues Wissensgebietchen
gefunden ist, spaltet und verzweigt es sich, sodaß endlos viel Information
ein- und ausströmt. Was heute ein neues Thema ist, sind morgen 23
newsgroups. Will der Datendandy als reelle Gestalt ankommen, dann geht
das nur in der Form von Dandydaten. Diese sind queer: wo die heteroinformativen
Daten der Normalos auf Qualifikation, Assoziation und Reproduktion aus
sind, sodaß sie verwehen und die Desintegration weiter anfachen,
sind die homoinformativen Daten der Dandys zwar exzentrisch, aber nicht
speziell. Homodaten verbinden sich nicht mit anderen und sind in sich
selbst versunken. Sie ziehen, ebenso wie die VANs, etwa gleichgetönte
Infos an und erreichen eine unbekümmerte Konzentration innerhalb
des Informationsfeldes, wo die Show beginnen kann. Zwar ist die Rede von
einem Schein von Begegnung oder einer Konfrontation mit dem System, aber
der Kontakt hat keinen produktiven Moment, keine Ursache oder Folge. Dandydaten
sind rein situationell, parasitär par excellence. Was sie hinterlassen
ist die starke Geschichte, Brennstoff aller Medien und die Hoffnung der
Theorie. |
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Bei der gegenwaertigen Diskussion um linke Gegenoeffentlichkeit und Gegenmacht
werden unseres Erachtens zwei historisch unterschiedliche linke Medienkonzepte
staendig durcheinandergeworfen. In Anlehnung an Geert Lovink (Agentur
Bilwet, Amsterdam) gehen wir davon aus, dass es Sinn macht, die Medien
der linken Gegenoeffentlichkeit hinsichtlich ihrer Funktion idealtypisch
in 'alternative' und 'eigene' Medien zu unterscheiden. 'Alternative' Medien
spiegeln sich vornehmlich an den buergerlichen Medien, indem sie bestaendig
eine inhaltlich korrigierende und das bestehende Informationsspektrum
ergaenzende Aufgabe wahrnehmen. Dabei kam den 'alternativen' Medien vor
allem bei der Bereitstellung abweichender Lesarten sozialer und politischer
Widersprueche in den 70er/80er Jahren eine wichtige Funktion fuer die
Konstitution einer 'liberalen' Oeffentlichkeit zu. Davon zu unterscheiden
ist die Herausbildung 'eigener' Medien, die nicht mehr so sehr auf die
Bewusstwerdung der anderen, sprich auf eine direkte Beeinflussung bis
Bereicherung der allgemeinen 'Oeffentlichen Meinung' setzen. Der eigentliche
Unterschied zu den 'alternativen' Medien besteht dabei in der Art und
Weise der Selbstpositionierung auf politischem Terrain, die sich nicht
nur inhaltlich in explizit linken Stellungnahmen und Diskussionen aeussert,
sondern auch ueber das Aufgreifen subkultureller Themen und Codes. Auf
Szenen und subkulturelle Orte bezogen stellen 'eigene' Medien gewissermassen
Orientierungspunkte der dortigen sozialen Praxis bereit. Dabei kommt ihnen
primaer eine Identitaeten und Binnendiskurse stabilisierende Funktion
zu. Zwar bewegen sich die 'eigenen' Medien in einem durch Slang und Gangart
ihrer subkulturellen Basis eng begrenzten Raum, doch funktioniert hier
der Austausch zwischen Publikum und Macherinnen noch am besten. |
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