+++Untergang
des deutschen Kaiserreichs+++ Hitler-Putsch+++antisemitische Pogrome
und schließlich Maueröffnung der DDR+++
All
das geschah an 9. Novembern des 20. Jahrhunderts, ein geschichtsträchtiges
Datum also. An der herrschenden Lesart dieser Ereignisse sowie aktuellen
Entwicklungen in Staat und Gesellschaft gibt es einiges zu verändern.
Im Rahmen eines antifaschistischen Stadtrundgangs wollen wir (nicht
nur) historische Orte aufsuchen und dort über Tatsachen wie "Arisierungen",
Gedenken an reaktionäre Traditionen und den Aufbau der Überwachungsgesellschaft
sprechen.
Wer sich heute
zum 9.November äußert, muß etwas zur gesellschaftlichen Diskussion
um den rechten Terror sagen. Jahrelang wurde in der BRD die Existenz
eines Neonazi-Problems, das im Gefolge des nationalen Wiedervereinigungstaumels
starken Aufschwung erfahren hatte, ignoriert. Im Jahr 2000 soll
der Welt ein Standort Deutschland ohne Nazis, faschistische Aufmärsche
und offen zu Tage tretenden Antisemitismus präsentiert werden. Ganz
plötzlich betreiben Politik und Medien einen unglaublichen Wirbel.
Ganz so, als gäbe es nicht besonders im Osten seit Jahren jene braune
Zonen, in denen die Nazis ungehindert ihren Terror gegen Menschen,
die nicht in ihr Weltbild passen, ausüben könnten.
Dieselben Politiker, die 1993 maßgeblich an der Abschaffung des
Asylrechts beteiligt waren und seitdem eine rassistische Kampagne
seit 1945 nicht dagewesenen Ausmaßes in die Welt gesetzt haben ("Das
Boot ist voll!"), sehen sich heute als "antifaschistische" VorkämpferInnen.
Im Jahr 2000 stehen die Nazis der Durchsetzung eines modernen Rassismus
(siehe "Greencard"), der sich nicht länger nur an der Hautfarbe,
sondern stärker an der Verwertbarkeit orientiert, sogar eher im
Wege. Die Binsenweisheit, daß Verwertbarkeit keine Frage der Hautfarbe
ist, hat sich mittlerweile auch bis in die Chefetagen der Unternehmen
herumgesprochen. Die dort sitzen haben erkannt, daß es für sie ein
"Standortnachteil" ist, wenn qualifizierte Kräfte nicht hier her
kommen, weil sie rassistische Übergriffe befürchten müssen.
Weil die Politik schon immer die Funktion gehabt hat, der Wirtschaft
optimale Profite zu organisieren - und genau deshalb - plustern
sich heute all die Scharpings, Schröders und Fischers als "Antifaschisten"
auf.
Anders als in weiten Teilen der BRD konnte in Göttingen während
der letzten zehn Jahre keine Neonaziszene Fuß fassen: Anfang der
Neunziger, als Faschisten dem entsprechende Versuche unternahmen,
gelang es mit entschlossenen Aktionen antifaschistischer Selbsthilfe,
die Stadt zur No-Go-Area für Nazis zu machen. Auch der gesamtgesellschaftliche
Marsch nach rechts konnte in Göttingen durch eine starke antifaschistische
Bewegung zumindest verlangsamt werden. Im antifaschistischen Stadtrundgang
werden wir Orte aufsuchen, an denen sich der linke Widerstand der
letzten Jahre manifestiert hat. Aber auch Orte, die für gesellschaftliche
Rechtsentwicklung stehen, etwa im Bereich Innere Sicherheit oder
staatlicher Rassismus.
-Wie konnte es kommen, daß faschistische Kräfte in Göttingen bereits
in den 20er Jahren die Oberhand gewinnen konnten?
-Weshalb wird der kommunistische Widerstand gegen den NS- Faschismus
bis heute konsequent verschwiegen?
-Welche Parallelen und Kontinuitäten bestehen zwischen der gleichgeschalteten
Gesellschaft des 3.Reichs und der weiter sich im Aufbau befindenden
Überwachungsgesellschaft heute?
-Warum wird noch heute Soldaten gedacht, die für deutsche Großmachtinteressen
gemordet haben? Um diese und andere Fragen wird es im Rundgang gehen.
Anhand einiger konkreter Beispiele wie Zwangsarbeit und "Arisierungen"
wollen wir auf den geschichtlichen Zusammenhang von Faschismus und
bürgerlicher Gesellschaft zu sprechen kommen. Klar, daß es dabei
nicht nur um eine scheinbar neutrale Bestandsaufnahme gehen wird,
sondern ganz klar eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen mitgemeint
ist.
"Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll auch vom Faschismus
schweigen!" Dieser Satz von Horkheimer ist nicht nur den Heuchlern
der angeblich "antifaschistischen" Bundesregierung entgegenzuhalten.
Letztlich sind Kapitalismus und Faschismus nur verschiedene Formen
bürgerlicher Herrschaft. Keine kapitalistische Gesellschaft ist
vor Krisen sicher, die das parlamentarische System nicht mehr verwalten
kann. Damit sich an der gesellschaftlichen Rolle der Reichen und
Mächtigen nichts ändert, waren diese schon immer bereit, jede Schweinerei
in Kauf zu nehmen, einschließlich der Übergabe der Macht an die
Faschisten wie 1933.
Sich erinnern
heißt Partei ergreifen!
Gegen Rassismus und Faschismus vorgehen!
Die revolutionäre antifaschistische Linke aufbauen!
Autonome
Antifa [M] - Oktober 2000-
...Der
9.November Am 9. November 1918 sorgten Aufstände, Streiks und Meutereien
nicht nur dafür, daß der reaktionäre Kaiser Wilhelm im längst verlorenen
1.Weltkrieg endgültig die Kapitulation Deutschlands aussprechen
muß, sondern zwingen die Monarchie insgesamt in die Knie. Am 9.November
wird die Republik gleich zweimal ausgrufen, Während die KPD unter
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht das klare Ziel des Aufbaus einer
kommunistischen Räterepublik verfolgt, ebnete die Republikausrufung
Nr.2 durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann den Weg für
eine Politik, die die deutschen Konzerne und das deutsche Weltmachtstreben
unangetastet ließ. Die KommunistInnen dagegen, wurden von rechten
Freicorps mit denen sich die SPD verbündet hatte, blutig bekämpft.
Den 9.November 1923 wählen sich Generalfeldmarschall a.D. Ludendorff,
Adolf Hitler und andere, die nach den Schrecken des 1.Weltkriegs
immer noch nicht genug von deutschen Großmachtideen hatten und den
9.November als "Schanddatum" empfanden, zum Tag eines Putschversuchs
nach dem Schema des italienischen Faschistenführers Mussolini. Im
Gegensatz zu letzterem scheiterten sie dabei jedoch schon auf der
ersten Etappe, dem sogenannten "Marsch auf die Feldherrenhalle"
in München.
Am 9.November 1938 führen die Nazis antisemitische Pogrome durch.
Die Nazi-Truppen erhielten am Vorabend des 9.November die Anweisung,
anti-jüdische Demonstrationen zu inszenieren, in deren Verlauf tausende
jüdische Synagogen und Geschäfte geplündert und zerstört, ca 100
Juden ermordet und etwa 30.000 in KZs verschleppt wurden. Der 9.November
1938 kann als das Datum angesehen werden, an dem die gezielte Vernichtung
jüdischer Menschen begann.
Am 9.November 1989 fand die Maueröffnung der DDR statt, Kristallisationspunkt
für den Zusammenbruch des realexistierenden Sozialismus insgesamt.
Hier liegt der Ausgangspunkt für den Anschluß der DDR an den Westen
und die Propagierung eines wiedererwachenden deutschen Nationalismus.
10 Jahre nach der "Einheit" gibt es statt der versprochenen "blühenden
Landschaften" für die meisten Menschen aus der ehemaligen DDR nur
weniger Lebensstandard und mehr Armut.
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