Doku: Artikel aus der jungle world zur "Antiglob"-Bewegung

4 Artikel aus der jungle world

An dieser Stelle dokumentieren wir die Artikel

Ideologisches Tuttifrutti ,
Globale Hexenmeister
und -neu-
Pardon gibt es nicht
EU begrenzt Reisefreiheit

aus den jungle world Ausgaben der letzten Wochen, s
owie einen Artikel zur Haftsituation der (deutschen) Gefangenen.


Ideologisches Tuttifrutti

Die Medien haben aus den harmlosen Summit-Hoppern kriminelle Polit-Hooligans gemacht. Ein Sondertreffen der EU-Innenminister soll die Kriminalisierung der Gipfel-Gegner institutionalisieren.
von verena herzog und stefanie kron

Europa rüstet sich für einen heißen Sommer. Glaubt man den Massenmedien und den europäischen Regierungen, bedroht ein neuer Typus des Terroristen die EU: der "grenzüberschreitende, kriminelle Polit-Hooligan". So titelte die Wiener Zeitung am vergangenen Montag nach dem EU-Gipfel in Göteborg: "EU sucht Auswege gegen Gewalt".
Mit einer Bilanz von drei angeschossenen Jugendlichen, über 550 Festnahmen, zehn Abschiebungen per Charterflugzeug nach Hamburg und 51 in Untersuchungshaft genommenen Demonstranten wurden neue Standards für das Konzept der Inneren Sicherheit auf europäischer Ebene gesetzt.

Entgegen den Darstellungen der schwedischen Polizei, die behauptet, während der Proteste in Göteborg aus Notwehr geschossen zu haben, erklären EU-kritische Gruppierungen wie die Stockholmer Antifa AFA, die Sicherheitskräfte hätten ohne Anlass das Feuer auf die Demonstranten eröffnet. Außerdem seien die meisten Festnahmen schon vor den geplanten Gegenaktionen erfolgt. Auch der Berliner Rechtsanwalt Volker Ratzmann, der die sechs Berliner Aktivisten unter den Inhaftierten vertritt, gegen die unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt wird, ist der Meinung, dass die Beweise gegen seine Mandanten "eher dünn" seien. Ein erster Haftprüfungstermin ist für den 29. Juni angesetzt.

Für viele Gipfel-Gegner aus EU-Staaten war die Reise allerdings schon kurz vor Göteborg beendet. Der deutsche BGS habe seinen schwedischen Kollegen "detaillierte Informationen" über sie zukommen lassen, die sie als bekannte Gewalttäter auswiesen, berichteten zehn nach Hamburg Abgeschobene. Zudem wurden vor allem Akten von Personen, deren Verfahren schon vor langer Zeit eingestellt worden waren oder mit einem Freispruch geendet hatten, an die schwedischen Behörden gesandt.
Die Reaktionen zahlreicher europäischer Regierungen auf die Ereignisse während des EU-Gipfels legen indes die Vermutung nahe, dass sie lediglich einen willkommenen Anlass boten, um sich, wie die Wiener Zeitung schreibt, "auf die Suche nach einer gemeinsamen Strategie gegen herumreisende Gewalttäter" zu begeben. Schweden und Österreich wollen das Demonstrationsrecht einschränken.

Am 13. Juli wird eine Sondersitzung der EU-Innenminister stattfinden, bei der es vor allem darum gehen soll, wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei verbessert und die Einreise von militanten Demonstranten verhindert werden kann.
Schließlich war Göteborg nur der Auftakt zu einer regelrechten Gipfelserie in Europa. "Zünden sie jetzt Salzburg an?" fragte besorgt die Welt am Sonntag. Denn am Wochenende tagt das Weltwirtschaftsforum Osteuropa, ein Ableger des Davoser Weltwirtschaftsforums, in der österreichischen Stadt.

Auch das Treffen der G 8 am 20. bis 22. Juli im norditalienischen Genua rückt näher. Deshalb nimmt man, um die Demonstranten fernzuhalten, inzwischen sogar Einbußen beim sommerlichen Tourismusgeschäft in Kauf. Mit dem Beginn der ersten großen Reisewelle aus Deutschland am Montag dieser Woche hat die österreichische Regierung für sieben Tage die Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt und lässt an den Grenzen zu Italien und der Bundesrepblik wieder Kontrollen durchführen. Dies sei "zwangsläufig Folge des linksextremistischen grenzüberschreitenden Gewalttourismus", stimmte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) der Entscheidung in Wien zu. In Salzburg selbst sind bis auf eine Demonstration am Samstag alle Kundgebungen verboten worden. Zudem denkt man laut darüber nach, die Polizei wie in Göteborg mit scharfer Munition auszurüsten.

Nicht nur die deutsche, sondern auch die spanische und die italienische Regierung begrüßten den ungewöhnlichen Umgang mit den Schengener Abkommen. Die Spanier, die erst Anfang 2002 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen werden, verkündeten, dass auch sie während des EU-Gipfels wieder die Ausweispapiere der Einreisenden verlangen werden. Ganz besonders interessiert an den Erfahrungen der österreichischen Behörden mit den temporären Grenzkontrollen ist jedoch Italien. Am Montag nach dem Gipfel in Schweden überlegte die neue Regierung von Silvio Berlusconi sogar kurzzeitig, den bevorstehenden G 8-Gipfel auf einem Militärstützpunkt stattfinden zu lassen oder die Teilnehmer auf einem Luxusdampfer übers Mittelmeer zu schippern.
Die italienischen Behörden jedenfalls rechnen mit dem Schlimmsten. So berichtet die Welt am Sonntag von angeblichen Erkenntnissen des italienischen Geheimdienstes, dass "die Politik-Hooligans sogar einzelne Polizisten als Geiseln nehmen wollen", um sie anschließend als "menschliche Schutzschilde" einzusetzen. Und nach Angaben der genuesischen Zeitung Secolo XIX wurden im Rahmen der Gipfelvorbereitungen 200 so genannte Body Bags bestellt, und ein 500 Quadratmeter großer Kühlraum wurde als Leichenhalle angemietet.

Man wolle sich doch nicht durch ein "ideologisches Tuttifrutti" die Arbeit "eines ganzen Jahres und Investitionen von 100 Millionen Euro zerstören" lassen, polterte Genuas Bürgermeister, Giuseppe Pericu. Vor allem aber möchte sich Berlusconi bei der Zusammenkunft der G 8-Regierungschefs im barocken Pallazzo Ducale im historischen Zentrum von Genua seinen glamourösen ersten Auftritt auf dem internationalen politischen Parkett nicht nehmen lassen.
Das Treffen werde um jeden Preis in Genua stattfinden, versicherte Innenminister Claudio Scajola, und zwar unterm Einsatz von
20 000 Polizisten, 15 Armeehubschraubern, vier Militärflugzeugen und sieben Schiffen der Marine. Für gewöhnliche Reisende wird die Stadt nahezu hermetisch abgeriegelt sein.

Was Pericu despektierlich als ideologischen Fruchtsalat bezeichnet, ist tatsächlich eine äußerst heterogene Sammlung von Globalisierungsgegnern. Und nur zaghaft beginnt sich auch in Deutschland eine Debatte über die politischen Differenzen zu entwickeln. Denn während die einen den Neoliberalismus nur als eine Variante der grundsätzlich in Frage zu stellenden kapitalistischen Herrschaftsform betrachten, geht es den anderen um mehr oder weniger radikale Reformen am bestehenden System.
Stellvertretend für diese zweite Gruppe steht das von linkskeynesianistischen Intellektuellen ins Leben gerufene und inzwischen auch in der Bundesrepublik aktive europäische Netzwerk Attac.

Um die weltweit wachsende soziale Ungleichheit zu bekämpfen, soll nach Meinung von Attac der Nationalstaat als politisches Regulativ gegenüber den internationalen Finanzmärkten gestärkt werden.
Eine anti-institutionalistische und staatskritische Strömung, zu deren bekanntesten Vertretern das Nord-Süd-Netzwerk People Globals Action (PGA) zählt, macht sich hingegen für die weltweite Vernetzung lokaler Kämpfe stark. Auch die Berliner Gruppen Fels oder Schall & Rauch fassen ihre Kritik weiter als Attac. Sie sehen das neoliberale Projekt als eine umfassende kapitalistische Inwertsetzung aller Lebensbereiche. Zudem will man den Widerstand gegen die vorherrschende Politik um eine grundsätzliche Auseinandersetzung über das Verhältnis von Staat und Ökonomie erweitern.

Die hysterische Mobilmachung gegen das Bedrohungsszenario "krimineller Extremisten, die politische Gipfeltreffen für ihre Verbrechen" nutzen, wie Beckstein meint, beschränkt sich unterdessen nicht mehr auf die so genannten Summit-Hopper. Nachdem der Bundesnachrichtendienst (BND) die groteske Vermutung äußerte, der Islamist Ussama Bin Laden unterstütze europäische Neonazi- und Skinheadgruppen, damit diese Anschläge in Genua ausführen, kündigte das US-amerikanische Verteidigungsministerium an, "jeden Pflasterstein in Genua mit eigenen Militärsatelliten zu überwachen".

Im Netz:

http://www.genua-g8.org
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/fels
http://www.euromarches.org
http://www.attac.org
http://www.euromarches.org

Globale Hexenmeister

WEF, IWF und Weltbank sind nicht zu dämonisieren, sondern als der Wertvergesellschaftung adäquate Institutionen zu kritisieren. Und "ungleicher Tausch" ist nicht der Grund für das Elend in der Welt, sondern eine problematische Kategorie.
von stephan grigat

Vom 1. bis 3. Juli werden sich in Salzburg Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum World Economic Forum treffen. Bereits seit geraumer Zeit mobilisieren Linke aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern gegen dieses Meeting und hoffen, an die Proteste von Seattle, Prag, Davos und Göteborg anknüpfen zu können.
Bei aller Richtigkeit und Notwendigkeit der Schelte von personalisierender Kapitalismuskritik, die fast immer dazu tendiert, Kritik in Ressentiment aufzulösen und nicht selten in die Nähe antisemitischer Projektionen gerät, liegt man nicht völlig falsch, wenn man jene Eliten, die sich in Salzburg versammeln werden, für das Elend dieser Welt mitverantwortlich macht.
Zwar ist es wahr, dass die warenproduzierende Gesellschaft von subjektloser Herrschaft geprägt ist und Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse über weite Strecken keine unmittelbaren, sondern dinglich vermittelte, keine personalen, sondern sachliche sind. Aber richtig ist es doch auch, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Exponenten des WEF oder auch des IWF und der Weltbank mit ihrem Handeln ziemlich unmittelbar den Tod von unzähligen Menschen verursachen.
Auch wenn sie mit ihrer Tätigkeit nur Systemimperative erfüllen, selbst keineswegs autonom Handelnde sind, sondern sowohl in ihrem Tun als auch in ihrem Denken dem automatischen Subjekt Kapital und seiner staatlichen Organisation nicht nur verpflichtet, sondern geradezu untergeordnet sind, sind solche Leute keineswegs von der Kritik auszunehmen. Jemandem in einer Gesellschaft, die auf Geld und Tausch basiert und deshalb auch Kapital und Staat kennt, vorzuwerfen, dass er oder sie mit Geld in irgendeiner Form umgeht, wie es einigen Ökos und Subsistenzbauern und -bäuerinnen immer mal wieder einfällt, ist lächerlich. Aber niemand ist gezwungen, seine Unterschrift unter Beschlüsse zu setzen, die im Rahmen wertvermittelter Gesellschaften den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Dass er es dennoch tut, unterscheidet den Funktionär des Kapitals und des Staates in der Regel vom Gesellschaftskritiker.
Das heißt aber überhaupt nichts. Solch eine Selbstverständlichkeit kann nicht zur Grundlage der Kritik werden. Wer an Tausch, Geld, Kapital und Staat nichts auszusetzen hat, der braucht auch nicht gegen Treffen wie in Salzburg und auch nicht gegen den IWF oder die Weltbank anzuschreien. Diese Institutionen sind der weltweiten staatlich organisierten und wertvermittelten, sich hinter dem Rücken der Menschen und doch mit ihrem Handeln durchsetzenden, fetischistischen wie ruinösen Vergesellschaftung adäquat. Deshalb sind sie anzugreifen.
Einigen Linken geht es aber offensichtlich um etwas ganz anderes. Menschen, die sich selbst Kommunisten nennen, wettern in Aufrufen mit auf Anschlussfähigkeit bedachten Titeln wie "Nein zur Globalisierung" gegen die "großen Hexenmeister", schwafeln von einem "drogenbetäubten Frieden", der nun endgültig vorüber sei und glücklicherweise durch einen "instinktiven, ursprünglichen Antikapitalismus" ersetzt werde, der sich gegen den "politisch-kulturellen Amerikanismus, der Europa und Japan erwürgt" richtet und sich folgerichtig die Frage stellt: "Wie dem sinnlosen Chaos einen Sinn geben?"
Nun haben nicht alle Gruppen eine derart nazikompatible Diktion drauf wie die vor allem in Österreich aktive Revolutionäre Kommunistische Liga, die diesen Anti-Globalisierungsaufruf bereits im letzten Jahr veröffentlichte. Die Antiimperialistische Koordination aus Wien, zu der auch die RKL gehört, sagt zum Salzburger Treffen auch der EU den Kampf an. Das aber nur, um ein Bündnis mit all jenen zu propagieren, die den "kapitalistischen Weltherrschern" einen "ernsthaften Widerstand" entgegensetzen und daher angeblich "Interventionen - siehe Irak, Palästina, Jugoslawien oder auch Kolumbien -, die man nur als Völkermord bezeichnen kann", unterzogen werden.
Man weiß nicht recht, welche "völkermörderische Intervention" die "kapitalistischen Weltherrscher" gerade in "Palästina" durchführen, kann sich das Bündnis der antiimperialistischen Freunde unterdrückter Völker mit bekannten Globalisierungskritikern wie Saddam Hussein oder der Hisbollah jedoch lebhaft vorstellen.
Aber auch bei anderen Aktivisten und Aktivistinnen finden sich zahlreiche Ungereimtheiten. Zwar gibt es seit den siebziger Jahren eine imperialismustheoretische Debatte, in der versucht wird, befreit von den Dogmen Lenins und seiner Epigonen die empirische Ebene, also die Fixierung auf die an der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaften erscheinenden Phänomene, hinter sich zu lassen und die Durchsetzung des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt zu analysieren, um die Modifizierungen aufzuzeigen, die dieses allgemeine Gesetz kapitalistischer Warenproduktion dabei erfährt.
Dennoch bewegen sich die meisten der heutigen Diskussionen auf dem Niveau von entwicklungspolitischen Foren auf Kirchentagen. Vielen Aktivisten und Aktivistinnen gilt es als gesicherte Wahrheit und zugleich als moralische Legitimation des eigenen politischen Handelns, dass zwischen den Ländern der "Ersten" und der "Dritten" Welt ein "ungleicher Tausch" und daher ein Werttransfer stattfindet, woraus dann die Forderung nach "fairen Preisen", "gerechtem Tausch", "alternativem Handel" und ähnlichem entsteht. Man kennt das aus jeder Werbebroschüre von Dritte-Welt-Läden.
Hinter dem Gerede vom "ungleichen Tausch" verbirgt sich einer der Grundfehler von Weltmarktanalysen, die im wertfetischistischen Bewusstsein verhaftet bleiben. Unabhängig davon, dass es "faire Preise" ohnehin nicht geben kann, da der Preis nicht der Ausdruck moralischen Wollens, sondern ökonomischen Zwangs ist, müssen gegen die Behauptung vom "ungleichen Tausch" ganz prinzipielle Einwände erhoben werden.
In einer Hinsicht ist Tausch immer ungleich. Nämlich deshalb, weil beim Tauschakt zwei stofflich-sinnlich völlig unterschiedliche Dinge aufeinander bezogen werden; zwei unterschiedliche, ungleiche Gebrauchswerte werden getauscht.
Die These vom ungleichen Tausch bezieht sich aber gerade nicht auf die stoffliche, die Gebrauchswertseite des Austauschs, sondern auf die Wertseite. Auf den ersten Blick scheint es auch so, als wenn da irgendetwas ungleich wäre. Auf der Wertebene ist es das aber nicht. In der Tat erhält das weniger produktive Land nie den Gegenwert für die real aufgewendete Arbeitszeit.
Aber sobald für den Weltmarkt produziert wird, schafft die im Land verausgabte Arbeit, die über dem gesellschaftlich notwendigen Durchschnitt im globalen Maßstab liegt, keinen Wert. Waren, die auf dem Weltmarkt als gleich getauscht werden, mögen zwar die Vergegenständlichung unterschiedlicher nationaler Arbeitsquanten sein, auf dem Weltmarkt haben sie dennoch den gleichen Wert, da sie in ein anderes Bezugssystem eintreten, in dem ein anderes Wertniveau gilt. So kommt es zwar auf der stofflichen Seite zu einem Güter- oder Ressourcentransfer, aber nicht zu einem Werttransfer. Auf der Wertebene herrschen Gerechtigkeit und Gleichheit.
Seit der endgültigen Internationalisierung des Kapitalverhältnisses - euphemistisch Globalisierung genannt - werden die bis Mitte der siebziger Jahre existierenden unterschiedlichen Wertniveaus, die mittels staatlicher Gewalt zum Teil noch aufrechterhalten werden können, nivelliert, und es kommt zur Herausbildung eines einheitlichen globalen Wertniveaus.
Die Differenz zwischen nationalem Warenwert und Weltmarktwarenwert, die vorher zwar auch nicht als materielles Substrat, sondern eben als Nicht-Wert existierte, aber doch analytisch aufgezeigt werden konnte, verschwindet. War der Weltmarkt im Sinne des Wertgesetzes schon immer gerechter, als seine idealistischen Kritiker und Kritikerinnen meinten, so kann man, um dem Zynismus der Sache gerecht zu werden, sagen, dass von jenen Entwicklungen, die als Globalisierung bezeichnet werden, und die damit einhergehenden Deregulierungen, die sich u. a. gegen bestimmte Formen staatlichen Protektionismus richten, die eine Möglichkeit zur Aufrechterhaltung unterschiedlicher Wertniveaus waren, die Gerechtigkeit des Weltmarkts endgültig vollstreckt wird.
Wer sich an dem Elend in der Welt stört, sollte nach wie vor für die herrschaftsfreie klassen- und staatenlose Weltgesellschaft eintreten und nicht, wie es zahlreiche linke und auch linksradikale Gruppierungen in sozialdemokratischer Pfaffenmanier tun, für Schuldenstreichungen.
Im übrigen bieten Kampagnen gegen den IWF und die Weltbank oder Proteste gegen das World Economic Forum in Salzburg, auf dem auch eine nochmalige Rehabilitation der österreichischen Bundesregierung auf internationalem Parkett zu erwarten ist, zahlreichen Gruppen in der BRD und in Österreich einen willkommenen Anlass, noch mehr über Neoliberalismus, Sozialraub und die Knechtung der Völker zu schwadronieren und in letzter Konsequenz auch das eigene Volk endlich wieder vorbehaltlos als Opfer neoliberaler Couponschneider darzustellen, anstatt den rassistischen und antisemitischen Normalzustand hierzulande anzugreifen.

Pardon gibt es nicht

Die nach dem EU-Gipfel in Göteborg inhaftierten Demonstranten sind Haftbedingungen ausgesetzt, die an die siebziger Jahre in Deutschland erinnern.
von kerstin eschrich und verena herzog

Für die inhaftierten Globalisierungsgegner gibt es kein Pardon.
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete sie nach dem EU-Gipfel in Göteborg als Verbrecher, die mit der ganzen Härte der Gesetze zu rechnen hätten. Entsprechend verhalten sich jetzt die schwedischen Behörden. Von den sieben nach einem Terroristenparagraphen des Ausländergesetzes verhafteten Deutschen sind immer noch fünf unter verschärften Bedingungen inhaftiert.
Sie sitzen isoliert in sechs Quadratmeter großen Zellen und konnten bisher nur mit ihren schwedischen Pflichtverteidigern kommunizieren. Kontakte zu deutschen Anwälten und den Angehörigen sind ihnen nicht erlaubt. Eine Stunde Einzelhofgang pro Tag und die Erlaubnis, gelegentlich fernzusehen und Radio zu hören, stellen die Lockerung der Haftbedingungen nach drei Wochen dar.

Was den Gefangenen im Einzelnen vorgeworfen wird, wissen sie nicht. "Eine solche Behandlung von Häftlingen kenne ich nur aus der Zeit der Terroristenprozesse in den siebziger Jahren in Deutschland", sagte Volker Ratzmann, der deutsche Anwalt eines Inhaftierten, in der Berliner Zeitung.

Auch Christian Ströbele, Mitglied des Bundestages für die Grünen, ist überzeugt, dass diese Behandlung den europäischen Mindeststandards nicht entspricht. "Wenn weder die Angehörigen noch die deutschen Anwälte Zugang zu den Verhafteten haben, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem auch von Schweden anerkannten Menschenrecht auf ein faires Verfahren nicht zu vereinbaren", erklärte er der Jungle World. Ebenso bedenklich erscheint es ihm, dass den Verhafteten bisher nicht mitgeteilt wurde, was ihnen konkret vorgeworfen wird.
Auch nach den Haftprüfungsterminen bleibt die schwedische Staatsanwaltschaft bei der allgemeinen Formulierung "gewaltsamer Aufruhr" und Landfriedensbruch. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Bis auf einen Demonstranten, der durch einen Schuss ins Bein verletzt wurde, verhaftete die Polizei die Verdächtigen in Situationen, die nichts mit den gewaltsamen Ausschreitungen zu tun hatten.

Einer wurde auf dem Heimweg in sein Hotel festgenommen, andere auf dem Weg zu einer Bushaltestelle. Trotzdem werden sie seit Wochen wie Schwerverbrecher behandelt. Im deutschen Auswärtigen Amt hat man dagegen keine Probleme mit der Vorgehensweise der schwedischen Behörden.
"Die schwedischen Haftbedingungen entsprechen mindestens deutschen Anforderungen"
, meint ein Pressesprecher des Amtes. Es sei doch versucht worden, über die Pflichtverteidiger einen indirekten Kontakt mit den Angehörigen herzustellen, so die Argumentation. Auch seien alle Angehörigen über die Verhaftungen rechtzeitig informiert worden und hätten die Möglichkeit, die Gefangenen zu besuchen. Der Widerspruch, dass auch drei Wochen nach der Inhaftierung noch nicht allen Gefangenen der Kontakt zu den Eltern gewährt wurde, scheint da nicht weiter zu stören. Für die Verwandten der Inhaftierten sind die schwedischen Haftbedingungen nicht hinnehmbar. Erst in der letzten Woche verweigerte die schwedische Behörde einer Mutter die Besuchserlaubnis. Telefongespräche waren bisher nicht möglich, Briefe an die Verhafteten sollen nicht angekommen sein.
Eine Mutter berichtet, dass sie erst fünf Tage nach der Verhaftung ihres Sohnes von den schwedischen Behörden davon in Kenntnis gesetzt wurde.

Besonders beunruhigend sind auch die ersten Nachrichten von den Inhaftierten. In den Briefen, die letzte Woche bei Angehörigen ankamen, klagen die Gefangenen über psychische und physische Probleme, was bei diesen Haftbedingungen nicht verwundert. Die Vorsitzende des Jugendvorstandes von verdi Berlin-Brandenburg, Kati Becker, verlangt daher, dass die Situation der Gefangenen, von denen einige Mitglieder der IG-Medien sind, sofort verbessert werden muss, "um ihre Gesundheit nicht weiter zu gefährden".
Diese Forderung wird auch unter anderen von den Bundestagsabgeordneten Heidi Lippmann (PDS) und Annelie Buntenbach (Grüne) unterstützt. Die Göteborger Staatsanwaltschaft ist dagegen von der Rechtmäßigkeit des Verfahrens überzeugt.

Bis zur ersten Gerichtsverhandlung sei eine Kontaktsperre in Schweden durchaus üblich. Von den negativen Folgen der strikten Isolation sei nichts bekannt. "Und wenn es Probleme gäbe, sind Ärzte im Gefängnis vorhanden", erklärt Magnus Bohlin, der zuständige Staatsanwalt, lapidar. Für Freitag dieser Woche ist der nächste Haftprüfungstermin festgesetzt, sieben Tage später sollen die Prozesse beginnen. Bis dahin werden konkrete Anklagepunkte nicht veröffentlicht. Zum Beweis für die Anschuldigungen des "gewaltsamen Aufruhrs" und des Landfriedensbruchs sollen Videoaufnahmen und Polizeizeugen dienen.

Wobei dann schon als "sichere Identifizierung" gelten muss, dass ein Beschuldigter angeblich auf einem Polizeivideo erkannt wurde, weil er als einziger eine kurze Hose getragen haben soll. Außerdem seien Beweismittel im Eigentum der Verhafteten gefunden wurden, wie der leitende Staatsanwalt Tomas Eliasson erklärte. Seiner Meinung nach haben die Festgenommenen schwere Verbrechen begangen. Ihnen droht nun eine Höchststrafe von 10 Jahren.
In Schweden sind die Haftbedingungen derzeit kein Thema. Stattdessen werden die Ausschreitungen zum Anlass genommen, um die Einschränkungen des Demonstrationsrechts weiter voranzutreiben. Nachgedacht wird auch über ein Vermummungsverbot, wie es in Deutschland bereits besteht. Gegen die insgesamt 48 nach den Protesten in Göteborg Inhaftierten, darunter neben Schweden und Dänen auch Russen und Briten, ermittelt eine Spezialtruppe aus über 60 Polizeibeamten und neun Staatsanwälten, die auch von deutschen Behörden durch den Transfer von Akten und personenbezogenen Daten tatkräftige Unterstützung erhält.

EU begrenzt Reisefreiheit
Besuch von der Exekutive
von amon brandt

Kurz vor dem erwarteten Showdown beim G8-Gipfel in Genua treffen sich am Freitag dieser Woche die EU-Innenminister, um gemeinsam die Strategie zur Bekämpfung so genannter Polit-Randalierer festzulegen.

Die deutschen und österreichischen Behörden gaben bereits beim World Economic Forum (WEF) Anfang Juli in Salzburg die Richtung vor. Die im Schengener Vertrag garantierte Bewegungsfreiheit innerhalb Europas soll weiter eingeschränkt werden. Was bislang nur für Hooligans galt, wird seit Salzburg auch auf politische Aktivisten angewandt. Die Polizei kann missliebigen Personen die Ausweispapiere abnehmen und sie so an der Ausreise hindern.
Dabei wird auf eine Methode zurückgegriffen, die sich im Vorjahr während der Fußball-EM in Belgien und Holland gegen Hooligans bewährt hatte. Dafür hat Bundesinnenminister Otto Schily im April letzten Jahres ein entsprechendes Gesetz im Eilverfahren durchgesetzt. Damals wurde eine Kartei "Gewalttäter Sport" eingerichtet.
Ein Jahr später gefährden die Gegner der wirtschaftlichen Grenzenlosigkeit "die innere und äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland", wie es im Passgesetz dazu heißt. Das Bundeskriminalamt ist nun dabei, eine Kartei "Landfriedensbruch" einzurichten, in der die Daten potenzieller gewalttätiger Aktivisten gesammelt werden soll.

Momentan werden fleißig Angaben von allen Personen zusammengetragen, die bisher bei Anti-Globalisierungsaktionen aufgefallen sind. Das geschieht vor allem an den nationalen Grenzposten, die wie zuletzt beim Salzburger WEF bedarfsweise wieder installiert werden. Wer in diese Datei aufgenommen wird, hat gute Chancen, dass er vor dem nächsten Gipfel Besuch von der Exekutive bekommt.

Dabei können die Beamten nicht nur die Ausweispapiere abnehmen. Wer gegen das Ausreiseverbot verstößt, begeht eine Straftat und kann zu einem Jahr Haft verurteilt werden.
Besonders eifrig ist Bayern. So wurden Anfang Juli mindestens vier Personen in München festgesetzt, von denen das Polizeipräsidium Oberbayern annahm, dass sie eine Reise zu den Protesten in Salzburg planten. Gleichzeitig hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein rund 1 000 Beamte für die Grenzkontrollen eingesetzt.
Spätestens hier war für viele Verdächtige die Reise zu Ende. Wer rechtzeitig von der so genannten "Passentsagung" erfährt, kann noch vor Gericht per Eilantrag die Aufhebung beantragen. An der Grenze erreicht einen die Nachricht allerdings zu spät. Auch im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen und in Sachsen melden sich Betroffene. Brandenburg und Berlin wollen nun vor der Gipfelkonferenz von Genua ebensolche Maßnahmen ergreifen. Nach einer Verfügung des Potsdamer Innenministeriums wird die Polizei an 15 potenzielle "Störer" herantreten.

Anm.d. Red. Uns sind allein aus Potsdam, Berlin, München und Lüdenscheid Fälle von Reiseverboten bekannt. Laßt Euch nicht einschüchtern...