22.12.2000 - Massaker an politischen Gefangenen in der Türkei

Unterstützt die Gefangenenkämpfe in der Türkei!

Blutige Einführung von Isolationsknästen kostet bislang über 50 politische Gefangene das Leben.
>>>weitere aktuelle Informationen und Artikel folgen<<<

Neuste News:

-Die Zahl der Toten hat sich weiter erhöht, vor einigen Tagen starb der 20. Gefangene im Todesfasten.
- Der Widerstand in den Gefängnissen geht weiter, weiterhin befinden sich mehrere hundert revolutionäre Gefangene im Todesfasten, weitere hundert im Solidaritätshungerstreik.
Werdet aktiv gegen das Massaker!

Unterstützt die politischen Gefangenen!
Kampf dem Staatsterrorismus!

[Artikel] zur Praxis der Isolation aus evremsel 16/5/2001

[Artikel] zur Änderung des Antiterrorgesetzes aus özgür politica 21/4/01

Hoch die internationale Solidarität!

Aktionschronologie in Göttingen:

22.12.2000: Kundgebung gegen das Massaker in den Knästen
22.03.2001: Veranstaltung mit der Angehörigen Organsation TAYAD im Theaterkeller/ Göttingen
18.04.2001: Besetzung des NDR-Büros in Göttingen zur Unterstützung der revolutionären Gefangenen.
Ab Anfang April: Ausstellung der Gruppe Libertad! in Theaterkeller in Göttingen



Flugblatt der Autonomen Antifa [M] zur Kundgebung am 22. Dezember 2000

Blutige Inbetriebnahme von Isolationsknästen -
Polizei und Militär ermorden mindestens 30 politische Gefangene in türkischen Gefängnissen!

In der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember 2000 stürmten Armee und Polizei 20 türkische Gefängnisse, in denen sich über 1000 linke politische Gefangene seit mehreren Monaten an unbefristeten Hungerstreiks beteiligt hatten, um die Einführung von Isolations- (sog. "F-Typ"-) Gefängnissen zu verhindern.
Polizeiangriffe auf Angehörige der GefangenenÜber 200 von ihnen befanden sich zu diesem Zeitpunkt seit 61 Tagen im Todesfasten. Bei dem militärischen Großangriff wurden mindestens 30 Gefangene getötet und mehrere Hundert verletzt - genaue Angaben sind aufgrund einer schon Tage zuvor verhängten Pressezensur nicht zu erhalten. Schwerverletzte Gefangene berichteten davon, daß sie von türkischen Sicherheitskräften mit Benzin übergossen und angezündet wurden. Etwa 300 Gefangene wurden zwangsweise in Krankenhäuser verlegt, sie verweigern dort aber weiterhin Nahrung und medizinische Behandlung.

Die Durchsetzung der sogenannten "Sarggefängnisse" war seit dem Militärputsch 1980 immer wieder durch den Widerstand der Gefangenen verhindert worden; im Zuge des Angriffs vom Dienstag wurde jedoch mit der Verlegung in die "F-Typ"-Gefängnisse begonnen.

Stammheim am Bosporus!?
Die Gefangenenkollektive in den bisher üblichen Großraumzellen mit bis zu 60 Gefangenen bieten einen gewissen Schutz vor Angriffen und Folter durch die Aufseher und haben es den revolutionären Gefangenen in den vergangenen Jahrzehnten ermöglicht, den politischen Kampf auch in den Gefängnissen fortzusetzen. Die Zerschlagung der Gefangenenkollektive ist daher ein Hauptziel
Gefangener mit schweren Brandverletzungendes türkischen Staates, das mit dem Massaker vom 19. Dezember durchgesetzt werden soll. Die Einzel- und Kleinstzellen mit höchstens drei InsassInnen stellen geradezu eine Einladung an die Willkür der Aufseher dar. Ihre Konstruktion ist darauf angelegt, die politische, psychische und physische Existenz der Gefangenen zu vernichten.
Die körperlich und geistig zerstörenden Auswirkungen von Isolationshaft, die von Menschenrechtsorganisationen als "weiße" (da keine unmittelbaren Spuren hinterlassend) Folter definiert wird, sind hinlänglich bekannt - in der brd nicht zuletzt durch die Gefangenen aus der RAF.
Es verwundert daher nicht, dass sich die türkischen "F-Typ"-Gefängnisse an Vorbildern wie z.B. dem Knast Stuttgart-Stammheim orientieren und ihre Durchsetzung als "Einführung europäischer Standards" angepriesen und von der EU auch als solche angesehen wird.

Der Kampf um Befreiung ist international!
Wir verurteilen das Massaker vom 19. Dezember aufs Schärfste, und wir müssen einmal mehr sagen: Glaubt den Lügen der Mörder nicht !!! Die "Argumente" der türkischen Verantwortlichen, mit denen sie versuchen, Isolationsfolter als "humanitäre Verbesserung" und den Mord an mindestens 30 Menschen als "Rettungsaktion" der Hungerstreikenden aus der "Gewalt" ihrer Organisationen darzustellen, sind an Zynismus nicht zu übertreffen, und als Mitschuldige sind auch die Regierungen der EU zu nennen, die sich dieser Argumentation angeschlossen und damit den militärischen Großangriff im Namen "europäischer Standards" mehr als billigend in Kauf genommen haben.


Unsere Solidarität gilt dem Widerstand der Gefangenen und ihrer Angehörigen.

Wir werden die Toten vom 19. Dezember nicht vergessen!
19 Aralik sehitlerini unutmayacagiz!

Isohaft ist Folter!
Hücre iskencedir!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Tüm devrimci tutsaklara özgürlük!

20. dezember 2000
autonome antifa [M]


...für weitere Informationen zu den F-Typ Knästen siehe auch www.sooderso.de der Gruppe libertad!

Artikel aus der Evremsel vom 16. Mai 2001

Isolation wird zum Dauerzustand gemacht
Gemeinschaftseinrichtungen dürfen von höchstens drei Personen gleichzeitig genutzt werden

Statt eine Lösung in der Frage des Todesfastens hervorzubringen, hält das Justizministerium an der Irreführung der Öffentlichkeit fest. Auch die Behauptung, daß mit der Änderung des Antiterrorgesetzes gemeinsame Lebensbereiche genutzt werden könnten, bleibt durch unglaubliche Massnahmen unerfüllt.

ANKARA Während das Justizministerium weiterhin behauptet, die Änderung des §16 des Antiterrorgesetzes hebe "die Isolation in den F-Typ-Gefängnissen auf", durften lediglich drei Gefangene die Sporthalle betreten, die im F-Typ-Gefängnis Sincan eröffnet wurde. Anwälte wiesen darauf in, daß bei jeder Durchsuchung selbst die Verteidigungsunterlagen der Untersuchungsgefangenen beschlagnahmt würden, und erklärten, daß die Isolation mit der Änderung des §16 zum Dauerzustand werde.
Der Vorsitzende der Anwaltskammer Ankara, Sadik Erdogan, sagte gegenüber unserer Zeitung, daß in der Änderung des §16 des Antiterrorgesetzes weiterhin Unklarheiten bestünden, und daß es unannehmbar sei, die Nutzung der Gemeinschaftsbereiche von Vorbedingungen abhängig zu machen. "Die Bildungsprogramme dürfen nicht in einer Form stattfinden, den Gefangenen etwas Bestimmtes einzuimpfen.", sagte Erdogan und erklärte, die in den Gefängnissen angewandten Methoden entsprächen nicht den Rechtsnormen. Harte Bedingungen Die Anwältin Filiz Kalayici betonte, daß die Gefangenen eine an Bedingungen geknüpfte Alternative von Gemeinschaftsaktivitäten nicht akzeptierten, und erklärte, daß das Gemeinschaftsleben ein Recht sei, das nicht der Willkür der Verwaltung überlassen werden dürfe. Im F-Typ-Gefängnis von Sincan sei zwar die Sporthalle eröffnet worden, es seien aber lediglich drei Gefangene in die Halle gelassen worden. "Das Justizministerium zeigt keinerlei Aufrichtigkeit. Man versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen", sagte Kalayici. Sie betonte, daß die angewandten Maßnahmen internationalen Abkommen zuwiderliefen und daß die Verteidigungsunterlagen ihrer Mandanten bei jeder Durchsuchung beschlagnahmt würden. "Bei den Durchsuchungen werden Tagebücher und Schriftstücke der Untersuchungsgefangenen beschlagnahmt. Auf diese Weise kann keine Verteidigung aufgebaut werden, diese Maßnahme ist eine offene Verletzung des Rechts auf Verteidigung", sagte sie. Auch Angehörige von Gefangenen, die erklärten, bei Besuchen Zeuge von Schlägen und Folter geworden zu sein, berichteten, die Sporthalle sei in Form eines Schaumodells eröffnet worden. Die Angehörigen, die erklärten, daß im Gefängnis Bekanntmachungen in der Form öffentlich gemacht würden wie "wer an Kursen in Religionswissenschaft teilnehmen will, soll einen Antrag an die Verwaltung stellen" wurden mit Verweis " dass 3 Leute in die Sprthalle gebravcht wurden" abgewiesen.

Diese Maßnahmen werden das Todesfasten nicht beenden."

Artikel aus özgür politica vom 21. April 2001

Erklärungen des Innenministers Hikmet Sami Türk zur geplanten Änderung des die Gefängnisse betreffenden §16 des Antiterrorgesetzes

- Mit dem im Kabinett zur Unterzeichnung vorgelegten Entwurf zum Gesetz über die Zuständigkeit für den Strafvollzug werden alle Maßnahmen in den Gefängnissen der Kontrolle der Judikative unterstellt.
- Durch die Schaffung von Kommissionen zur Beobachtung der Strafvollzugsanstalten stehen die Gefängnisse auch der zivilen Kontrolle offen. Diese Kommissionen haben jederzeit Zutritt zu den Gefängnissen und können Untersuchungen durchführen.
-In den nächsten Tagen wird die Änderung der Vorschriften, die für die Untersuchungs- und Strafgefangenen die Möglichkeit eines telefonischen Kontakts mit ihren Angehörigen gewährleistet, mit der Unterschrift des Ministerpräsidenten Bülent Ecevit veröffentlicht werden. Telefongespräche werden mittels Karten geführt werden können, die in den Kantinen zu kaufen sind. Es werden Pilotgebiete ausgewählt, in denen mit der Maßnahme begonnen wird.
- Gemäß Art. 104 der Verfassung besitzt Staatspräsident Sezer die Befugnis, Verurteilte zu amnestieren, die bestimmte Bedingungen erfüllen. Sezer kann Gefangene amnestieren, deren Gesundheitszustand schlecht ist. Ich bezweifle nicht, dass der Staatspräsident seine menschliche Verantwortung wahrnehmen wird.
- Die Untersuchungs- und Strafgefangenen können nicht in den Korridoren, aber in den Arbeitshäusern, in der Bibliothek und in den Sporthallen zusammenkommen. Es kommen lediglich drei Personen zusammen. Auch jene, die in Einzelzellen untergebracht sind, können beim Hofgang zusammenkommen. Die Untersuchungsgefangenen werden mit der geänderten Gesetzgebung von einem Kontaktbesuch (d.h., ohne Trennscheibe u.ä., Anm. d. Ü.) pro Woche profitieren.

Die großen "Abers", die im oben Gesagten nicht schon enthalten sind... "
- Die Strafgefangenen werden gemäß ihrer begangenen Straftaten, ihrem Verhalten, Interessen und Fähigkeiten gruppiert und nehmen in einem die Sicherheit nicht gefährdenden Maße im Rahmen der für sie bereitstehenden Verbesserungs- und Bildungsprogramme an Bildungs- Sport-, Berufsqualifizierungs- und Tätigkeiten im Arbeitshaus und anderen sozialen Aktivitäten teil.
- Dauer der Programme und Zahl der teilnehmenden Strafgefangenen werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten jedes Programms, der Sicherheitslage und der Möglichkeiten der Anstalten festgelegt.
- Kommt es von Seiten der beobachteten Gefangen zu Folgen, die den Zielen der Verbesserungs- und Bildungsprogramme zuwiderlaufen, können diese Maßnahmen beendet werden.
- Strafgefangene, über die über Verwarnungen hinausgehende Disziplinarstrafen verhängt worden sind, können keinen Kontaktbesuch erhalten."

Aufruf zur Veranstaltung im Theaterkeller am 23.3.2001

Fortdauernder Widerstand in der Türkei
Der Kampf gegen die Isolationsfolter nach dem Massaker

Am 19. Dezember 2000 versuchte der türkische Staat, das Todesfasten der politischen. Gefangenen in der Türkei gewaltsam zu beenden, um den Widerstand der Gefangenen zu brechen. 20 Gefängnisse wurden durch Sondereinheiten der Polizei und des Militärs gestürmt und über 1000 Gefangene in die neuen Isolationsgefängnisse verschleppt. Bei dieser Militär-Operation mit dem zynischen Namen "Rückkehr ins Leben" wurden 28 Gefangene ermordet und Hunderte verletzt. Während diese Ereignisse im Dezember noch einen kleinen Platz in den bundesdeutschen Medien fanden, hüllt sich die Presse seitdem jedoch in Schweigen sowohl über die Tatsache, dass die Gefangenen ihren Widerstand fortsetzen, als auch über die verschärften Angriffe des Staates gegen die gesamte linke und demokratische Opposition.

Die Vorgeschichte...
Am 19. Oktober 2000 traten über 1000 politische Gefangene in der Türkei in den unbefristeten Hungerstreik bzw. ins Todesfasten. Das bedeutet, die Gefangenen verweigern jegliche Nahrungsaufnahme, bis ihre Forderungen erfüllt werden, oder bis sie sterben. Durch ihren Widerstand wollen die Todesfastenden erreichen, dass das Anti-Terror-Gesetz und das sog. "Dreierprotokoll" abgeschafft werden. Beide Gesetze ermöglichen dem Staat, speziell in den Gefängnissen durch Besuchsverbote, Zählungen und Appelle, Durchsuchungen von Anwälten und Anwältinnen, Überwachungskameras und Abhöranlagen die Inhaftierten massiv zu kontrollieren und zu schikanieren. Insbesondere richtet sich der Widerstand der Gefangenen aber gegen die Einführung der "F-Typ" Isolationsgefängnisse.

Die Isolationsgefängnisse...
Mit der Erbauung dieser Gefängnisse will sich der türkische Staat den "europäischen Standards" angleichen, was faktisch bedeutet, dass auf diese Weise die bisherigen blutigen, auf die physische Zerstörung der Gefangenen zielenden Methoden des Folterns um eine weitere Komponente erweitert werden. Dies lenkt den Blick auf Herkunft und Zielsetzung des Gefängnissystems nach "Schema F". So besuchte bereits 1990 eine türkische Delegation den berüchtigten Prototyp der Isolationsgefängnisse in Stuttgart-Stammheim, mit der Ankündigung, dies diene "der Entwicklung eines Projekts[...] für den Bau von neuen, den Normen des Europarats und der Vereinten Nationen entsprechenden und modernen Haftanstalten in der Türkei."

...und ihre Architekten
Diese "modernen" Haftmethoden wurden in der BRD erstmals in den 70er Jahren an politischen Gefangenen "erprobt". Gerade in Deutschland forderte die Isolationsfolter etliche Tote, insbesondere unter den umfangenen aus der RAF. Schon damals wurden Isolationsgefängnisse z.B. von amnesty international als eine Form von Folter geächtet. Zwar hinterlässt Isolation auf den ersten Blick keine eindeutigen blutigen Spuren, aber wenn Menschen systematisch isoliert werden, erleiden sie sowohl physische Schäden wie Muskelzerstörung, Schwindel und Allergien als auch psychische Folgeerscheinungen wie Halluzinationen, Konzentrationsstörungen, Aggressionszustände, Angstzustände, absolute Sensibilisierung aller Sinnesorgane, Nervosität und Teilnahmslosigkeit. In letzter Konsequenz kann Isolationshaft zum Tode rühren.

Die politische Lage in der Türkei...
Das Massaker vom 20. Dezember 2000 ist ein heftiger Ausdruck der wieder stärker werdenden Repressionswelle in der Türkei, denn auch außerhalb der Gefängnisse geht der Staat mit aller Härte vor: Demonstrationen und Kundgebungen werden von der Polizei angegriffen, Organisationen von Angehörigen wurden verboten, Menschenrechtsvereine geschlossen und Zeitungen angewiesen, ihre Berichterstattung über das Massaker einzustellen. Durch diese Maßnahmen und die Kriminalisierung der Angehörigen, der Anwälte und Anwältinnen, der Ärzte und Ärztinnen versucht der Staat, seine Politik der Unterdrückung fortzusetzen. Darüber hinaus hat der türkische Staat bereits angekündigt, dass er weitere militärische Angriffe in den Gefängnissen einleiten wird, wenn das Todesfasten nicht abgebrochen wird. Doch der Widerstand der Gefangenen wurde durch die militärische Aktion und die anhaltende Repression nicht gebrochen. Mittlerweile sind über 140 Tage seit Beginn des Todesfastens vergangen, viele Gefangene haben sich nach dem 20. Dezember 2000 dem Hungerstreik angeschlossen bzw. ihren Hungerstreik zum Todesfasten verschärft. Damit befinden sich zur Zeit 480 Gefangene im Todesfasten und sind fest entschlossen, den Kampf fortzuführen.
Wie stellt sich die Situation für die revolutionären Gefangenen, ihre Organisationen und ihre Angehörigen dar?

Welche Möglichkeiten internationaler Solidarität, welche Mittel des Eingreifens gibt es?

Diese und andere Fragen wollen wir am 22.März 2001 mit Vertreterinnen von TAYAD, einer (inzwischen in der Türkei verbotenen) Angehörigen-Organisation diskutieren.
Zu Beginn der Veranstaltung wird ein kurzer Film über die Erstürmung der Gefängnisse gezeigt.

Donnerstag, 22.März 2001
19.30 Uhr Theaterkeller Geismarlandstr. 19
37083 Göttingen

Autonome Antifa [M] Rote Hilfe e. V. Ortsgruppe Göttingen