K
apitalismus kann machen,
was er muß
Aggressiver
Expansionsdrang ist keine Besonderheit dieses Gesellschaftsmodells,
sondern
immanenter Bestandteil dessen. Hat sich dieser vormals an der Konfrontation
mit dem real
existierenden Sozialismus entladen, im ewigen Machtpoker, Stärken
und Sichern der eigenen
Einflussphäre, fiel nun nach `89 mit dem Ende des Warschauer
Vertrages, der Einzige ernst zu
nehmende Gegenpart auf wirtschaftlicher, militärischer und
politischer Ebene weg. Und
vielleicht ist hierbei der Kapitalismus nicht nur übriggeblieben,
sondern hat gesiegt.
Der ungehinderte Zugang zu allen Teilen der Welt ist ermöglicht.
Globalisierung und Neo-liberalismus sind Stichwörter, die als
Ausdruck dieser Verhältnisse positiv besetzt werden.
Tatsache
seit `89 ist: der Kapitalismus ist das Maß aller Dinge, alternative
Modelle sind real nicht existent.Die Forcierung der Ausbeutung und
Profite, die kapitalistische Verwertungslogik, geht entsprechend
selbstsicher und optimiert über die Bühne. Der Kapitalismus
muß sich nun nicht mehr als besseres Gesellschaftsmodell behaupten.
Der Sozialstaat ist folglich über-
flüssiger denn je. Waren die Säulen des Fundamentes
durch immense Staatsverschuldungen, Optimierung der
Produktionsprozesse usw. erheblich Einsturz gefährdet,
haut es nun letzt-endlich dem sozialen Wohlstandsstaat
die Füsse weg. Der Fall nach unten ist erstmal unge-
bremst. Dieser Verlauf ist vorhersehbar und sympto-
matisch an vielen Kristallisations-punkten ehemaliger Ost-
West Konfrontation aufzuzeigen.
Die Migrationspolitik muß ebenfalls nicht mehr besser sein,
als sie der Kapitalismus braucht. Jetzt sollen die Menschen gefälligst
dort bleiben, wo nichts zu holen ist.
Abschottung, Schengender Abkommen, Festung Europa waren vor `89
jedenfalls in dieser Form nicht umsetzbar. Heute sind es jedoch
wesentliche Punkte der Sicherheits- und Stabilisierungspolitik.
Vor allem der nordamerikanische Kontinent und Europa stehen für
rassistische, ausgrenzungsorientierte Migrationspolitik der neuen
Weltordnung, die zweifels ohne darauf aufbaut. Die Grenzen dieser
Wohlstandsgebiete stellen für die meisten Menschen eine unüberwindbare
Mauer dar. Rein darf, wer ein besonders hohes Ausbeutungs- potential
vorweisen kann und daher, zumindest zeitweilig, am Wohlstandsleben
teilhaben darf. Die Bedingung ist: Mensch ist nützlich und
wird gebraucht. Dieser Rassismus, durch ökonomische und wirtschaftliche
Interessen geprägt, bedarf natürlich einen völkisch-nationalen
und darf nicht isoliert als "neuer Rassismus" verstanden
werden. Es ist nur ein anderes Grinsen der gleichen Fratze.
Die neue
Weltordnung als Partition sozio-ökonomischer Gebilde. Diese
verfestigen sich an den Beispielen des mittelamerikanischen Raums
im Rahmen der NAFTA, des ASEAN-Verbandes und in der Entwicklung
der EU als politische und ökonomische Konkurrenz zu der US-amerikanisch
dominierten Zone. Hierbei muß der Kapitalismus machen, was
er kann.
Die Einflußsphären sind nicht nur von der Durchsetzung
der kapitalistischen Verwertungslogik geprägt, sondern bedingt
durch die (alten) neuen Zentren ebenfalls in der Durchsetzung be-stehender
politischer, ökonomischer und moralischer westlicher Normen.
Zivilisation, zivilisierte Welt werden hierbei als Synonyme für
die westliche Welt und Normvorstellungen ins Feld geführt.
Untermauert wird diese Ordnung durch den Einsatz monetärer
Faktoren, also Investitionen, Kredite usw. zur Ruhigstellung unberechenbarer
Staaten (z.B. Russland), oder aber durch den Einsatz militärischer
Intervention in Androhung oder Durchführung (z.B. der Angriffskrieg
gegen die Republik Jugoslawien).
Deutschland halt's Maul
Während
Deutschland unbestritten eine, wenn nicht die ökonomische und
politische Zentral-macht in Europa darstellt, fehlte bisher jedoch
zur völligen Souveränität und zum Großmacht-status
die entscheidende militärische Komponente. Was bisher keiner
schaffte, machten nun ein Schröder, Scharping, Fischer und
die "neue Mitte" allen vor. Krieg auf dem Balkan. Krieg
zur eigenen Interessenwahrung nicht trotz, sondern wegen Auschwitz.
Ein Milosevic wird zum Hitler und serbische Gefangenenlager zu deutschen
KZs. Deutschland besinnt sich der historischen Schuld: Auschwitz
wird zum moralischen, politischen Argumentationsmuster deutscher
Kriegseinsätze. Es ist geschafft - die Bundeswehr gehört
wieder zu den gängigen aussenpolitischen Instrumentarien. Der
Holocaust und der Vernichtungskrieg der Wehrmacht sind, nach langem
Totschweigen und Verdrängen zur nationalen Identität geworden,
zum nationalen Begründungsmythos. Mittlerweile haben sich deutsche
Kriegseinsätze legitimiert. Bauchschmerzen bereitet nicht mehr
das Ob und das Warum, sondern das Wie und Womit. Ab und zu muß
noch mal die moralische Keule ge-schwungen werden und der Kanzler
politische Schachzüge hervorzaubern und koppelt eben mal eine
Gewissens- und Vertrauensfrage.
Spürpanzer in Beirut, Einheiten in Somalia und die Vorzeigejungs
der "KSK" an vorderster Front der Terroristenbekämpfung
- die breite Zustimmung der Bevölkerung wird vorausgesetzt,
ja kann vorausgesetzt werden. Deutschland spielt also wieder mit
um die Schlossallee der neuen Weltordnung und geht dabei über
Los.
Gewaltige
Kritik
Während
der Kapitalismus immer noch machen kann, was er muss und Deutschland
immer noch nicht abgeschaltet ist, bleibt es auch weiterhin die
Aufgabe der radikalen Linken, diese Verhältnisse zu kritisieren
und anzugreifen. In die Schußbahn der Kritik gehören
nicht nur die offensichtlichsten Symptome, sondern die immanenten
Bestandteile des Systems. Die Durchsetzbarkeit der kapitalistischen
Verwertungslogik bedarf explizit gewaltförmiger Prozesse und
Institutionen. Ebenso eindeutig wie unscharf jedoch erscheint die
Begrifflichkeit Gewalt, wendet man den analytischen Blick auf das
Thema. In der Soziologie z.B. wird dem Thema "Gewalt nur eine
marginale Bedeutung zugewiesen, d.h. die Thematisierung von Gewalt
ist in Spezial- oder Randgebiete abgedrängt wurden. Begründet
ist dies mit der Charakteristik der Moderne und mit ihr das Verschwinden
der Gewalt aus innerstaatlichen Konflikten. Alles andere wird als
Rückfall, als eine Ausnahme dargestellt, die auf eine unvollständige
Modernisierung, vormoderne Zustände hinweist. Bedeutend unklarer
wird die Begrifflichkeit bei der Verwendung von Gewalt im Sprachgebrauch.
Lässt man den "Kompetenzbegriff" (im Sinn von etwas
in Gewalt bringen) weg, so ergibt sich dennoch schon allein durch
den verbleibenden "Aktionsbegriff" im Alltagssprachgebrauch
ein hohes Maß an Mehrdeutigkeit.
Gegenstand linksradikaler Politik sollte hierbei nicht das Phänomen
"das Auto in der Gewalt haben" sein, sondern an der grundsätzlichen
Verfasstheit staatlicher Formation rütteln. Im Zusammenhang
mit der soziologischen Theorie, bei der Gewalt als Spezial- oder
Randgebiet oder eben als Rückfall hinter die Moderne begriffen
wird und mit dem Hinweis auf die Erzeugung des Phänomens Gewalt
in variablen Diskursen, kommt der strukturellen Gewalt eine relevante
Bedeutung zu.
Die Funktion des Staates als menschliche Gemeinschaft ist es nicht
den Samariter zu spielen und möglichst gutes zu tun, sondern
die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Formation zu garantieren.
Es geht nicht darum, den armen Kindern im Trikont uneigennützig
zu helfen oder einen sozialen Mindeststandard der Gesellschaft aufrechtzuerhalten,
des guten Willen wegen. Es geht darum, diesen Problematiken (z.
B. sozialen Krisen) vorzubeugen und entgegen-zuwirken. Hierbei gehört
die soziale Befriedigung nach aussen und nach innen genauso dazu
wie der Knüppeleinsatz der Bullen auf Demos oder die militärische
Intervention als Fortsetzung der Politik. - Zwei Seiten der gleichen
Medaille. Die Wahl der Mittel ist hierbei, im jeweiligen zeitpolitischen
gesellschaftlichen Diskurs zu suchen. Diese Diskurslinie charakterisiert
das zivilisationstheoretische Denken über Gewalt als Konzeption
- die scheinbare Minimierung der gesellschaftlichen Gewalt, die
Befriedigung der Gesellschaft. Wer sich hier dazuzählen kann,
steht somit auf der Seite der "Guten".
Gewalt wird wahlweise als fremd, vormodern, unzivilisiert, abnormal
- jedenfalls außerhalb der Gesellschaft verankert. Die Begrifflichkeit
wird dabei antipodisch zu zentralen, positiv bewerteten Begriffen
wie Rationalität, (moderne) Gesellschaft, Recht und Demokratie
gefasst.
Die Darstellung der Gewalt als "negatives anderes" blendet
somit die Gewaltförmigkeit des Staates und der Gesellschaft
aus. Die Legitimation durch die Gesellschaft und die Reproduk-tion
struktureller Gewalt erlaubt es dem Staat, sich aus vielen Bereichen
zurückzuziehen und wenn nötig nur regulierend einzugreifen.
Gesellschaftlich geprägte Zwangsstrukturen und die fast völlige
Anerkennung des Kapitalismus als Naturgesetz, den es nur zu zügeln
gilt, baut gesellschaftliche strukturelle Gewalt auf. Alle die,
die durch das Raster der Verwertungslogik fallen, werden gesellschaftlich
geächtet und erfahren den Arbeitsethos und Nationalismus der
verschworenen Individualgesellschaft. MigrantInnen werden zu parasitären
Erscheinungen und SozialhilfeempfängerInnen zu Schmarotzern.
Das Recht
auf physische Gewaltsamkeit haben Einzelpersonen oder Personengruppen
nur soweit, wie es der Staat ihnen zu spricht. Die Gewaltsamkeit
ist solange legal, wie die staatliche Ordnung sie toleriert, genehmigt
oder vorschreibt. Eine Sitzblockade etwa kann so zu einer illegalen
Gewaltanwendung denunziert werden, wobei der Schlagstockeinsatz,
um eine Auflösung durchzusetzen, wiederum legal ist. Ebenso
kann einem die Anwendung der organisierten Ausbildung zum Töten
bei der BW zu höchsten Auszeichnungen verhelfen. Klammheimliche
Freude... kann dagegen schon als terroristischer Akt gewertet werden.
Diese Differenzierung hat System.
Wird sich dieser nicht entzogen, verkommt jegliche Kritik an bestehenden
Verhältnissen zu einer autoritären Rebellion und es bleibt
nicht mehr als das Bekenntnis zur gewaltförmigen Gewalt Staat
übrig. Die Berufung der Zivilgesellschaft auf Gewaltfreiheit
und Menschenrechte schlägt in die gleiche Kerbe.Nicht einmal
der Mindeststandard der Menschenrechte wäre ohne Anwendung
von "illegaler" Gewalt möglich gewesen. Die Menschenrechte
heute sind jedoch Volksurteil und Universalrechtfertigung für
Angriffskriege (s. Jugoslawien) und somit unweigerlich mit den gesellschaftlichen
Gewalt-verhältnissen verknüpft. Menschenrechte mittels
Gewalt herbei zu bomben, ist etwa kein Widerspruch in sich, sondern
die konsequente Anwendung dessen. Die gemeinte Gewaltfreiheit ist
also keine Negation der bestehenden Gewalt, sondern klammert die
strukturelle, staatliche Gewalt aus und gibt somit seine implizite
Zustimmung zu dem, was Mensch glaubt abzulehnen.
Für das Ende der Gewalt
-Kapitalismus abschaffen-
-Gegen Deutschland-
autonome
antifa südharz, märz 2002
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