ENTSICHERT - der Polizeistaat lädt nach...

Die BRD schießt mit!

Kriminalisierung von AusländerInnen am Beispiel der Repression gegen den kurdischen Befreiungskampf in der Bundesrepublik Deutschland...

Geschichtlicher Überblick

Kurdistan ist bis heute einer Teilung unterworfen, die im Mittelalter begann und sich anfangs dieses Jahrhunderts mit dem Abkommen von Lausanne (1923) verfestigt hat. Es wurde nach der Niederlage des Osmanischen Reiches durch die imperialistischen Staaten in vier Teile gespalten, von denen je eines der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran zugesprochen wurde.

Insbesondere der türkische Staat versuchte durch seine Politik, die Existenz des kurdischen Volkes zu leugnen und es so zu unterjochen Besonders deutlich wird dies in dem Zitat des ehemaligen Justizministers der Türkei M. Esat Bozkurt von 1932: "Der Türke ist der einzige Herr dieses Landes und sein Besitzer. Diejenigen, die nicht rein türkischer Abstammung sind, haben nur ein Recht, das Recht zu dienen und zu gehorchen."

Den kurdischen Fürstentümern wurde die bereits beschränkte politische und wirtschaftliche Autonomie mit Gewalt entzogen und große Teile der türkischen Armee nach Kurdistan verlegt Doch immer gab es gegen die Besetzung auch Widerstand, allein in den Jahren 1921 bis 1938 gab es im türkisch besetzten Teil über 20 Aufstände. Die bekanntesten sind der Scheich Said Aufstand 1925 und der Dersim Aufstand 1937/38 Diese Aufstände waren jedoch regional beschränkt und zielten nicht darauf ab, die kurdische Einheit anzustreben Fast immer ließen sich andere kurdische Stämme durch die Türkei gegen die Aufstände mobilisieren und diese so alle samt blutig niederschlagen. Es folgten Massenhinrichtungen und die Vernichtung ganzer Dörfer, um die BewohnerInnen zu zwingen, in die Westtürkei umzusiedeln. Für das kurdische Volk gab es schließlich nur zwei Alternativen: "Assimilation oder Vernichtung."

Die regionale Beschränkung der Aufstände änderte sich erst in den 70er Jahren Damals bildete sich aus der sozialistischen Intellektuellen und Jugendbewegung eine Gruppe heraus, die ihren Schwerpunkt auf den Kampf gegen die Unterdrückung des kurdischen Volkes legte. Sie formulierte eine scharfe Kritik am türkischen Kolonialismus und seinen Handlangern im kurdischen Volk. Aus dieser Gruppe ging im November 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkeren Kurdistan PKK) hervor Nach dem faschistischen Militärputsch am 12. September 1980 wurden Tausende von türkischen und kurdischen Revolutionär Innen ermordet oder in Gefängnisse gesperrt, das gesamte türkische Staatsgebiet für Jahre unter Ausnahmezustand gestellt Dennoch gelang es der PKK am 15 August 1984, den bewaffneten Kampf für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes aufzunehmen und durch die breite Unterstützung zur führenden revolutionären Kraft zu werden. Der türkische Staat antwortete mit einer Politik der "verbrannten Erde" Eine Spezialkriegsarmee wurde hochgerüstet und der Kampf für die Menschenrechte und Selbstbestimmung zum "Terrorismus" erklärt. Über 3000 Dörfer wurden durch die türkische Armee zerstört, ca. 5 Millionen KurdInnen zur Flucht gezwungen.

Doch der Rückhalt der PKK im kurdischen Volk wuchs immer mehr Millionen von Menschen beteiligten sich an Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen usw. Heute kämpfen über 3.000 Guerillas vor allem im türkischen und irakischen Teil Kurdistans für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes.

Im Jahre 1993 erließ Bundesinnenminister Kanther das "PKK Verbot" Die Waffenlieferungen der BKD sind Teil der ökonomischen Unterstützung des Krieges gegen das kurdische Volk, das ..PKK Verbot" Teil der politischen Dieser Versuch, den Befreiungskampf eines Volkes zum Schweigen zu bringen, machte deutlich, wie weit die Unterstützung des türkischen Regimes durch die BKD geht Bereits im Jahr 1983 kurz nach dem faschistischen Militärputsch in der Türkei, als Tausende RevolutionärInnen verhaftet oder ermordet wurden, leistete die BKD mit dem Verbot der Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) Schützenhilfe. Doch auch die Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden in der BRD hat eine lange Geschichte, die hier kurz dargelegt werden soll.

Beginn der Kriminalisierung

Nach den ArbeitsmigrantInnen in den 6oer Jahren kamen, infolge der Vertreibungspolitik des türkischen Staates vor allem in den 8oer Jahren, viele Kurdinnen und Kurden in die BRD, viele von ihnen verfolgt wegen "Unterstützung der terroristischen PKK"'. Schnell wuchs in der BRD die Zahl derer, die den kurdischen Befreiungskampf unterstützten. So kam es bereits 1984, während eines Todesfastens im Gefängnis von Diyarbakir, auch in der BRD zu Solidaritätshungerstreiks, Versammlungen und größeren Veranstaltungen. Bis 1982 stieg die Zahl der TeilnehmerInnen kurdischer Demonstrationen zur Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes auf über 10.000 an.

Die Antwort der BRD auf den größeren Rückhalt der PKK in der kurdischen Bevölkerung in der BRD waren Durchsuchungen kurdischer Vereine und Be- oder Verhinderungen von Veranstaltungen. Ganz im Sinne der über l5o-jährigen deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft sollte der kurdische Befreiungskampf auch in der BRD als "terroristisch" abgestempelt und kriminalisiert werden.

Im August "87 wurden 39 Vereine und Wohnungen mit dem Vorwurf "Bildung einer terroristischen Vereinigung" nach §129a StGB durchsucht, im Oktober erging eine Ordnungsverfügung des Ausländeramtes der Stadt Köln gegen den Verleger und presserechtlich verantwortlichen des Agri Verlages, in der ihm zukünftig jegliche Unterstützung der Zeitungen "Serxwebun" (Freiheit) und "Kurdistan Report" untersagt wird. In der Begründung hieß es: "...die Äußerungen und ihre Veröffentlichung überschreiten die Grenzen politischer Meinungsfreiheit, die Ausländern in der Bundesrepublik gesetzt werden. Darüber hinaus sind die Äußerungen dazu geeignet, die Beziehungen der Bundesrepublik zu anderen Staaten, insbesondere zu der Türkei und Israel zu belasten."

Die PKK als "terroristische Vereinigung"

Am 5. Februar 1988 begibt sich der Kurde Nusret Aslan in die Obhut der Polizei in Braunschweig und behauptet, er solle von der PKK entführt und von ihr zum Tode verurteilt werden, hätte jedoch fliehen können. Schnell wird klar, daß dieser Kurde bis kurz vor seiner angeblichen Entführung über gute Kontakte zum türkischen Geheimdienst verfügte, der ihm auch seinen Paß für die Einreise in die BRD beschafft hatte. Dennoch folgte dieser Aussage und einer gleichlautenden Aussage eines zweiten Kurden, Hasan Dogan, der ebenfalls "hatte fliehen können" die erste große Verhaftungswelle, die mit zahlreichen Durchsuchungen von Privatwohnungen, Verlagsräumen und des "Kurdistan-Komitee" in Köln begleitet wird.

Während sich der türkische Staatspräsident und Putschist Kenan Evren auf Einladung des Bundespräsidenten von Weizsäcker in der BRD aufhält und von diesem mit den Worten "heute bietet die Türkei ein Bild der Demokratie..." empfangen wird, finden verstärkt militärische Operationen gegen die Zivilbevölkerung in Kurdistan statt. Gleichzeitig erhalten KurdInnen in zahlreichen Städten der BRD die Auflage, sich mehrmals täglich bei der Polizei zu melden, Grund: der Besuch Evrens und der daraus abgeleitete Verdacht, die KurdInnen könnten gegen den Besuch protestieren. Die Zeit bis zur Eröffnung des sogenannten "Düsseldorfer Kurden- Prozesses" 1989 gegen 22 kurdische PolitikerInnen ist gepragt von Überfällen der Polizei auf Veranstaltungen und Privatwohnungen, zahlreichen wahllosen Verhaftungen und stundenlangen Verhören, in denen versucht wird, die Gefangenen über die PKK auszufragen und ihnen nahegelegt wird, doch für andere kurdische Organisationen, wie KOMKAR, einzutreten. Am 24. Oktober wird dann vor dem OLG Düsseldorf der Prozeß gegen 22 Kurden wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" nach §129a StGB eröffnet.

Dieser Mammutprozeß dauerte viereinhalb Jahre. In einem eigens zu einem Hochsicherheitssaal umgebauten Gerichtsgebäude sollte der Öffentlichkeit vorgeführt werden, wie die BRD mit Bewegungen umzugehen gedenkt, die das imperialistische Machtgefüge im Nahen Osten oder anderswo ins Wanken bringen. Der Befreiungskampf sollte nun auch juristisch als "terroristisch" eingestuft werden. Doch selbst die Änderung der erst kurz zuvor vom Parlament verabschiedeten "Kronzeugenregelung", die eine Anwendung des §129a StGB ermöglichte, konnte nicht abwenden, daß bereits im Laufe des Prozesses 16 der Anklagen wieder fallengelassen werden mußten.

Das "PKK-Verbot"

Nach der blutigen Auflösung friedlicher Newrozfeiern in Kurdistan 1992 durch türkische Sicherheitskräfte mit vielen Toten unter der Zivilbevölkerung, gab es in der BRD eine Reihe von Anschlägen auf türkische Konsulate, ebenso nach der Zerstörung der kurdischen Stadt Lice (22. Oktober 1993) mit deutschen Panzern, bedient von türkischen Soldaten. Die Verantwortung für die Anschläge schoben die deutschen Behörden der PKK zu und somit bot sich dem Innenministerium ein Vorwand, das sogenannte PKK-Verbot zu erlassen. Die PKK und ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) wurden mit einem Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz belegt.

Der Berxwedan-Verlag und die Nachrichtenagentur Kurd-HA, die Föderation der patriotischen ArbeiterInnen- und Kulturvereinigungen aus Kurdistan in der Bundesrepublik e.V. FEYKA Kurdistan sowie 29 kurdische Vereine wurden als Unterorganisation der PKK verboten und aufgelöst. In der Verbotsverfügung heißt es: "Die PKK richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. (..-1 Die von Anhängern/Sympathisanten der PKK/ERNK begangenen Straftaten in Deutschland und der Türkei mit dem Ziel, einen Teil des türkischen Staatsgebietes in einen noch zu gründenden kurdischen Staat zu überführen, erfüllen diese Voraussetzung." Und "die gewalttätigen Aktionen (..-) stören erheblich das Verhältnis zum türkischen Staat.

Der Grad der Beeinträchtigung der außenpolitischen Beziehungen ist durch zahlreiche Demarchen [diplomatischen Anfragen] der türkischen Regierung sowie dadurch deutlich geworden, daß die türkische Seite bei allen politischen Spitzengesprächen der letzten Zeit, den Vorwurf erhoben hat, die BRD dulde PKK-Aktivitäten auf deutschem Boden (...) Die Aktivitäten schädigen bereits heute Deutschlands Ansehen in der Türkei und die bilateralen Beziehungen erheblich." Mit keinem Wort werden die Massaker der türkischen Armee an der kurdischen Bevölkerung erwähnt, die Zerstörung der Dörfer, Deportationen, systematische Folter, und auch nicht die deutsche Waffenhilfe, mit der dieser Völkermord erst möglich wird.

Folgen des Verbots

Mit dem "PKK-Verbot" wurde das vollendet, was die Jahre zuvor begonnen wurde. Jegliche Sympathieäußerung zugunsten der PKK wurde kriminalisiert, vom Rufen von Parolen auf Demonstrationen. dem Zeigen von Fahnen der PKK/ERNK, Verteilen von Zeitungen bis zum Sammeln von Spenden. Feiern, Kundgebungen und Demonstrationen wurden verboten, selbst kurdische Hochzeitsfeiern wurden von der Polizei gestürmt.

Tausende von Strafverfahren wurden eingeleitet, Hunderte von Kurdinnen und Kurden gefangengenommen. Begleitet wurde dies durch tägliche Schikanen, Kontrollen, kurzzeitige Festnahmen etc. und eine massive Medienhetze. Kaum ein Tag verging, an dem nicht wenigstens ein Artikel über die "gewalttätigen Ausschreitungen" erschien.

Diese Hetze gipfelte schließlich am 1. Juli 1994 in der Ermordung des kurdischen Jugendlichen Halim Dener durch einen Zivilpolizisten in Hannover. Halim Dener war beim Plakatieren von ERNK-Plakaten von einer Zivilstreife entdeckt und darauf hinterrücks erschossen worden.

Es war dieses Klima der Menschenjagd, das der Polizeibeamte als Aufforderung verstand und wohl auch verstehen sollte, einen kurdischen Jugendlichen hinterrücks zu erschießen. Das Verfahren gegen den Polizisten wurde erst zwei Jahre später durchgeführt, das Urteil natürlich: Freispruch.

Die Angriffe gingen auch im Jahr 1996 weiter. Die wohl schwersten gab es auf die Newrozdemonstration 1996 in Dortmund Rund 10.000 PolizistInnen wurden eingesetzt, um die verbotene Demonstration zu verhindern. Willkürlich wurden Personen, die nach Ansicht der Polizisten "kurdisch" aussahen, festgenommen. Jegliche Versammlung wurde blutig auseinandergeknüppelt. Insgesamt gab es ca. 8.000 Platzverweise und 3.000 Verhaftungen. Parallel zur fast alltäglich gewordenen Kriminalisierung begann die Bundesanwaltschaft, mehr als 20 Kurdinnen und Kurden wegen §129a StGB anzuklagen.

Die Folge waren Prozesse in Hamburg, Celle. München. Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf gestützt auf ein Konstrukt der "Europäischen Frontzentrale" eine angebliche Untergruppe der PKK, die in der BRD aktiv war Vorgeworfen wurde ihnen vor allem die Verantwortlichkeit für eine Serie von Anschlägen auf türkische Reisebürosund Geschäfte. Da die bloße Mitgliedschaft in der PKK nicht kriminalisierbar war, da sie ihren Sitz im Ausland hat, mußte eine "terroristische Vereinigungsstruktur" innerhalb der BRD konstruiert werden: die "Europäische Frontzentrale" mit Regional und Gebietsverantwortlichen. Den Angeklagten wurden dann auch meist keine konkreten Straftaten, sondern nur die Zugehörigkeit zur Vereinigung und angeblichen Befehlsstrukturen vorgeworfen.

Die Anklagen stützten sich im wesentlichen auf dubiose Kronzeugen, die von der BAW mit Versprechungen geködert wurden, wie z B. der Kronzeuge Sermet, dem die Anerkennung des Asylantrages versprochen wurde Dieser äußerte dann auch bezüglich der offenen Widersprüche in seinen Aussagen "Man versucht alles so hinzukriegen, wie es gerade paßt " So präsentierte er dann auch, trotz seiner umfangreichen Aussagen beim BKA, bei dem §129a Verfahren gegen drei KurdInnen in Hamburg, während des Prozesses eine völlig neue Geschichte, die "zufällig" genau eine Beweislücke schloß. Die meisten der Verfahren endeten mit mehrjährigen Haft strafen wegen angeblicher Verantwortlichkeiten für Brandanschläge etc.

Nach weitgehendem Abschluß der 129a Verfahren äußerte die Bundesanwaltschaft im Januar 1998, daß sie die PKK jetzt nicht mehr als "terroristisch", sondern "nur noch" als "kriminell" einstuft Dieses vermeintliche Entgegenkommen zeigt aber nur daß die BRD nach wie vor den kurdischen Befreiungskampf bekämpft An der Situation der Kurdinnen und Kurden in der BRD hat sich nichts geändert Doch mittlerweile müßte allen klar sein, daß der kurdische Befreiungskampf nicht zu verbieten ist Trotz der Repression ist es der PKK gelungen, die Zahl der UnterstützerInnen weiter zu erhöhen Große Teile des Volkes, sowohl in Kurdistan, als auch im Exil, stehen hinter dem Befreiungskampf.


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