Presseerklärung vom 11.04.1998
Der Mackenrode-Prozeß als Ausdruck politischen Verfolgungswillens der Justiz
Betrifft: Göttinger Tageblatt vom 11. April 1998, "Angriff mit Molotow-Cocktails und Zwille"
Mit dem Artikel vom 11. April schlägt das Göttinger Tageblatt mal wieder in die gleiche Kerbe wie Staatsanwaltschaft und Polizei. Durch Begrifflichkeiten wie der "Blutsonntag von Mackenrode" wird bewußt Stimmung gegen den antifaschistischen Widerstand betrieben. Aktive AntifaschistInnen sollen als "kriminelle und brutale Gewalttäter" erscheinen. Ganz zu schweigen davon, daß der Begriff "Blutsonntag" im Zusammenhang mit Nazi-Überfällen auf Linke mit mehrfacher Todesfolge (z.B. in Altona oder Halle) gegen Ende der Weimarer Republik geprägt wurde. In diesem Zusammenhang ist eine solche Wortwahl nicht nur unangebracht, sondern verfälscht die wahren Ereignisse.
Am 26. Oktober 1991 fand in dem faschistischen Schulungszentrum des damaligen FAP-Landesvorsitzenden Karl Polacek mal wieder ein Kader-Treffen statt. Knapp 50 AntifaschistInnen führten daraufhin eine Spontandemonstration zum Haus Polaceks durch. Sobald sie sich in Sichtweite des Hauses befanden, stürmten ungefähr 30 mit Sensen und Molotow-Cocktails bewaffnete Neonazis aus dem Haus und griffen die AntifaschistInnen an. Diese waren vorbereitet und schlugen den Angriff der Neonazis zurück. Anschließend stoppte die Polizei willkürlich einige Fahrzeuge in einer Straßensperre - von den jetzt Angeklagten befand sich lediglich eine Person in der Straßensperre - während die Faschisten in aller Ruhe ihre Sensen und die Reste der Molotow-Cocktails verschwinden ließen.
Die im März 1995 erhobenen Anklagen beruhen einzig und allein auf den Aussagen von einschlägig bekannten und teilweise wegen schwerer Gewalttaten vorbestraften Faschisten. Die Faschisten kriegten von der Polizei Fotomappen vorgelegt, aus denen sie sich dann die jetzt Angeklagten aussuchten. Obwohl nach Bekundungen von AnwohnerInnen, Antifas und auch von den Nazis selbst, alle AntifaschistInnen vermummt gewesen sein sollen, wurden die anfangs noch stark widersprüchlichen Aussagen der Neonazis mit jeder Vernehmung präziser und schließlich waren sie sich "sicher" die Angeklagten erkannt zu haben. Daß das nach Absprachen riecht, scheint Staatsanwalt Heimgärtner nicht zu stören.
Die antifaschistische Aktion vom Oktober 1991viel in eine Zeit, in der faschistische Übergriffe und Brandanschläge an der Tagesordnung waren, beispielsweise vervierfachte sich 1991die Zahl faschistischer Gewalttaten gegenüber dem Vorjahr. In Rosdorf bei Göttingen hatten in der Silvesternacht 1990/91 Polaceks Zöglinge Sven Scharf und Oliver Simon mit mehreren Messerstichen Alexander Selchow ermordet. Doch schon direkt nach der Aktion vom 26. Oktober setzte eine regelrechte Hetze gegen AntifaschistInnen ein, obwohl es an diesem endliche einmal die Täter getroffen hatte.
Ein Sprecher der Autonomen Antifa (M) dazu: "Das aktuelle Verfahren ist als Angriff auf die Politik der antifaschistischen Selbsthilfe zu verstehen. Das heißt, während Polizei und Justiz der faschistischen Gewalt tatenlos gegenüber standen, die Faschisten teilweise sogar schützten, stellten sich AntifaschistInnen dem rechten Terror offensiv entgegen. Letztlich konnten die nahezu alltäglichen Nazi-Übergriffe in Göttingen mit dieser Politik beendet werden. Daß ein solcher Erfolg in den Augen der Staatsanwaltschaft nicht stehen bleiben darf, versteht sich von selbst. Und scheinbar ist ihr da jedes Mittel recht, auch die Zusammenarbeit mit Neonazis." Zunächst hatte die antifaschistische Aktion von Mackenrode den Ermittlungsbehörden noch dazu gedient, das §129a-Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) eröffnen zu können. Jetzt, nachdem das Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) eingestellt und Göttingens Linke total durchleuchtet ist, wollen die Ermittlungsbehörden offensichtlich mit der antifaschistischen Selbsthilfe abrechnen, die sie der Autonomen Antifa (M) nur allzu gerne nachgewiesen hätten.