Milde Strafe für Grenzschutzbeamte 19.10.04 taz
Der Sudanese Aamir Ageeb kam 1999 bei seiner Abschiebung um. Die beteiligten drei Beamten können Beamte bleiben - sie erhielten gestern neun Monate Haft auf Bewährung. Pro Asyl lobte die Verhandlungsführung, kritisierte allerdings das Urteil
Zu je neun Monaten Haft auf Bewährung und Geldstrafen von je 2.000 Euro wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilte das Frankfurter Landgericht gestern drei Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS). Der Vorsitzende Richter Heinrich Gehrke hielt sie für unzweifelhaft schuld am Tod des Abschiebehäftlings Aamir Ageeb (30) im Mai 1999. Der auf seinem Flugzeugsitz menschenunwürdig gefesselte Mann sei von allen dreien gemeinsam niedergedrückt worden und dadurch erstickt.
Gehrke rügte in seiner Urteilsbegründung die bundesdeutsche Abschiebepraxis. Der Fall Ageeb werfe nur "ein Schlaglicht auf die menschliche Frage", wie die gesamte Europäische Union künftig mit abgelehnten Asylbewerbern umgehen wolle - vor allem aber mit Menschen, die aus Not "mit der Hoffnung auf ein Leben, auf ein Überleben" das "rettende Ufer" Europa erreichen. Wenn ihnen hier kein Platz eingeräumt werden könne, so seien Abschiebungen wenigstens "mit Anstand", der "minima moralia rechtsstaatlichen Handelns" durchzuführen. Es gehe nicht an, dass Menschen "eingefangen" und "eingeschnürt wie Gepäckstücke" in ihre Herkunftsländer zurückexpediert werden.
Das Gericht blieb unter der gesetzlich eigentlich vorgeschriebenen Mindeststrafe von einem Jahr und ermöglichte den Angeklagten damit eine weitere Beamtenlaufbahn. Gehrke begründete das vor allem mit der Länge des Verfahrens. Als strafmildernd wertete er außerdem die umfassenden Geständnisse der Angeklagten und ihr Bedauern über den Tod Aageebs. Er rügte ausgiebig die mangelnde Ausbildung der Beamten und die "Ignoranz und Inkompetenz" ihrer Vorgesetzten. Als besonders unerträglich habe er das Verhalten des damaligen Behördenleiters empfunden, der auch im Zeugenstand uneinsichtig geblieben sei und "allen Ernstes" behauptet habe, die reguläre Polizeiausbildung reiche aus. Zwar habe es viele Anordnungen und Erlasse gegeben, auf deren Einhaltung aber niemand geachtet: "Sie waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen." Es habe "offenbar des Falles Aageep" bedurft, um Missstände zu beseitigen. Die Gefahr des lagebedingten Erstickungstodes (PA) von gefesselten Menschen sei bekannt gewesen, aber die Reaktionen bei BGS und Innenministerium seien "gleich null" gewesen: "Gehandelt wird erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die öffentliche Kritik gefürchtet wird."
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Berlin: Hungerstreik fortgesetzt 07.10.04 taz
An dem Hungerstreik im Abschiebegefängnis in Köpenick beteiligten sich gestern nach Angaben der Innenverwaltung weiter rund 20 Personen. Die Flüchtlinge fordern kürzere Bearbeitungszeiten ihrer Verfahren. Neun afrikanische Frauen, die offenbar zu den Initiatorinnen des Hungerstreiks gehören, waren am Montag aus dem Abschiebegefängnis in eine Gefangenensammelstelle in Berlin-Tempelhof gebracht worden. Davon sei eine inzwischen auf freien Fuß, teilte die Initiative gegen Abschiebehaft mit. Im Abschiebegefängnis in Köpenick sitzen derzeit 177 Ausländer, davon 40 Frauen. Erst zu Wochenbeginn war nach Angaben eines Seelsorgers die Haftzeit für einen Libanesen und einen Litauer von neun auf zwölf Monate verlängert worden.
Eindrücke aus Büren 03.10.04
Heute, am 3.10.2004, demonstrierten fast 600 Menschen gegen den Abschiebeknast in Büren. Die JVA Büren-Stöckerbusch ist der größte Abschiebeknast in Deutschland und ist seit dem 17.1. diesen Jahres 10 Jahre in Betrieb. Abgesehen von den Jahren 2002 und 2003 gab es seit Bestehen des Knastes jährlich die sogenannten "Büren-Demo". An diese 'Tradition' knüpften heute AntifaschistInnen, AntirassistInnen und MigrantInnen an. Ausdrücklich positiv zu bewerten ist die rege Beteiligung von MigrantInnen.
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Italien will Massenabschiebung fortsetzen 04.10.04 yahoo_news
Nach der Abschiebung von mehreren hundert Flüchtlingen nach Libyen hat die italienische Regierung am Montag weitere Massenausweisungen angekündigt. 360 Flüchtlinge sollten im Laufe des Tages nach Libyen und Tunesien geflogen werden, berichteten die Nachrichtenagenturen ANSA und Apcom.
Am Wochenende waren auf der Insel Lampedusa vor Sizilien Hunderte Flüchtlinge eingetroffen, im Aufnahmelager befanden sich zeitweise über 1.200 Menschen - eigentlich ist es nur für 200 Personen ausgelegt. Mehrere hundert Flüchtlinge wurden am Sonntag nach Libyen abgeschoben, wo nach Darstellung der italienischen Regierung die meisten Auswanderer die Reise über das Mittelmeer antreten.
Die Regierung werde verstärkt die Flüchtlinge mit Flugzeugen zurückschicken, erklärte der Staatssekretär im Innenministerium Alfredo Mantovano in einem am Montag veröffentlichten Interview der Zeitung "La Stampa". Der rasche Rücktransport könnte nach Ansicht Mantovanos andere davon abhalten, sich überhaupt illegal auf den Weg nach Italien zu machen.
Am Montag traf nach übereinstimmenden Berichten von ANSA und Apcom nur ein Boot mit vier Flüchtlingen in Lampedusa ein.
Der Untergang eines Flüchtlingsschiffs vor der tunesischen Küste hat unterdessen mindestens 17 Menschen das Leben gekostet. 47 weitere wurden noch vermisst, wie die tunesische Nachrichtenagentur TAP am Montag meldete. Elf Menschen seien lebend aus den Fluten gerettet worden. Für die Vermissten bestand nur noch wenig Hoffnung, weil das Boot bereits in der Nacht zum Sonntag sank, wie die Zeitung "Tunis Hebdo" berichtete. Das Schiff war am späten Samstagabend von der Hafenstadt Chott Meriem mit 70 Marokkanern und fünf Tunesiern an Bord nach Italien aufgebrochen.
Tödliches Abschieben 25.09.04 taz
Drei BGS-Beamte sollen einen Abschiebehäftling getötet haben. Seit gestern stehen sie erneut vor Gericht
Das Gerichtsverfahren gegen drei Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS), die den Asylbewerber Aamir Ageeb getötet haben sollen, ist gestern in die zweite Instanz gegangen. Nun müssen sich die Männer vor dem Frankfurter Landgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Die Anklage wirft ihnen vor, im Mai 1999 Aamir Ageeb auf seinem Abschiebeflug umgebracht zu haben. Fest steht: Ageeb ist auf dem Lufthansa-Flug erstickt.
Die Staatsanwaltschaft betonte, dass es ihr nicht darum geht, das Asylrecht oder die Abschiebepraktiken generell zu kritisieren. Vielmehr solle festgestellt werden, welche konkrete Schuld die Angeklagten trifft. Die Frage laute, inwieweit sie damals wissen mussten, dass ihre Maßnahmen lebensgefährlich waren.
Die BGS-Beamten hatten im Mai 1999 den Auftrag, den Sudanesen Ageeb nach seiner Ausweisung in einer Lufthansa-Maschine über Kairo in sein Heimatland zu transportieren. Er soll sich heftig gewehrt haben. Im Flugzeug verschnürten ihn die Beamten mit Kabelbindern, Klettband und Gurten auf einem Sitz. Dann drückten sie seinen in einen Motorradhelm eingezwängten Kopf auf seine Knie. Sie hätten damals nicht gewusst, dass das lebensgefährlich sein könnte, gaben sie schon beim ersten Prozess im Frühjahr dieses Jahres zu Protokoll.
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Schily bekommt Contra aus dem Norden 21.09.04 taz
Schweden und Finnland kündigen Widerstand gegen die Idee von Flüchtlingslagern außerhalb der EU-Grenzen an
Nachdem der Vorschlag von Innenminister Schily und dem künftigen EU-Flüchtlingskommissar Rocco Buttiglione, Auffanglager für Flüchtlinge außerhalb der EU-Grenzen zu errichten, in der vergangenen Woche auch Unterstützung seitens der baltischen Staaten und Österreichs gefunden hat, versuchen die skandinavischen EU-Länder Schweden und Finnland nun den Widerstand gegen diese Idee zu koordinieren. Ende letzter Woche bezeichneten Schwedens Integrationsministerin Barbro Holmberg und der finnische Innenminister Kari Rajamäki den Schily-Buttiglione-Vorstoß als "unmögliche Lösung". Die Lager-Idee sei nichts weiter als ein "Diskussionsbeitrag" und - da er gegen die Genfer Konvention verstoße - als EU-Linie unvorstellbar.
Holmberg und Rajamäki empfahlen statt diesem "Herumdoktern" eine Neukonzeption der EU-Flüchtlingspolitik: Anstatt bei den einzelnen Flüchtlingen solle man bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ansetzen, die zu verantworten habe, dass "arme Menschen nach Europa gelockt werden".
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