Selbstverständnis der Gruppe Mila26

 

Da wir es als wichtig erachten, unseren aktuellen Diskussionsstand in unserer Gruppe für Aussenstehende transparent zu machen, veröffentlichen wir im Folgenden einige Punkte die unser vorläufiges Selbstverständnis darstellen. Dadurch soll interessierten Leuten die Entscheidung zur gemeinsamen Organisierung erleichtert werden, da sich dadurch alle mit unseren Positionen auseinandersetzen können. Dabei verstehen wir unser gemeinsames Selbstverständnis als einen Diskussionsprozess welcher nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann.

 

Während des Aufstandes im Warschauer Ghetto April/Mai 1943 wurde in der Milastr. 18 der Widerstand gegen die Räumung organisiert. Die von der Deportation und der Vernichtung bedrohten Jüdinnen und Juden setzten sich gegen die einrückenden SS-Truppen zur Wehr. Selbst in dieser ausweglosen und verzweifelten Situation – unter fast vollständiger Kontrolle und Überwachung – war es möglich, den Widerstand zu organisieren womit auch das Klischee vom „wehrlosen Juden“ widerlegt wurde. Die Möglichkeit und die Notwendigkeit, Widerstand zu leisten ist auch heute von wesentlicher Bedeutung. Ohne die historische Situation auf die heutige zu übertragen ist für uns als Gruppe der Bezug auf den Widerstand gegen den Nationalsozialismus besonders wichtig. Es wird aus unserem Selbstverständnis ersichtlich, dass für uns der Kampf gegen Antisemitismus und deutsch-europäische Großmachtspolitik im Vordergrund steht. Für uns hat Antifaschismus nichts von seiner Bedeutung verloren, vielmehr hat die jüngere Entwicklung in Deutschland und weltweit die Notwendigkeit verstärkt, antifaschistisch zu kämpfen.

Dabei geht das Feld über den Kampf gegen die hinaus, die gemeinhin als Faschisten identifiziert werden. Antifa sollte vielmehr auch der Kampf gegen jede Ideologie sein, die das Individuum dem Kollektiv unterordnet und sich damit der Emanzipation entgegen stellt. Diese Unterordnung findet immer statt, wenn die Bedürfnisse einzelner Menschen dem Wohl der Gesellschaft im Wege stehen. Im Nationalsozialismus hatte die Ideologie von „Du bist nichts – Dein Volk ist alles!“ seinen traurigen Höhepunkt gefunden. Heute wird mit der Betonung des Standortes Deutschland eine ständige Verschlechterung der sozialen Lage grosser Teile der Bevölkerung legitimiert und gegen sogenannte Sozialschmarotzer gehetzt.

Antifaschismus in Deutschland heisst, sich gegen die deutsche Nation als Ganzes zu stellen. Es gilt, die auch aktuell Nationen konstituierende Ideologie von „Volk“ und „Boden“ anzugreifen und damit letztendlich das deutsche Projekt insgesamt in Frage zu stellen. Ein Deutschland nach der Shoah darf es  schon deshalb nicht geben, weil es immer die Tendenz zum Revanchismus und Revisionismus in sich trägt und die Ursachen für den Nationalsozialismus lange nicht beseitigt sind. Unser Blick richtet sich in diesem Kontext auch auf die Linie der derzeitigen Bundesregierung, gerade wegen der eigenen deutschen Geschichte und im Namen der Menschenrechte wieder Verantwortung zu übernehmen. Die Umsetzung der alten Idee eines vereinten Europas unter der Führung Deutschlands muss hier als neues Grossmachtstreben erkannt und dem entsprechend bekämpft werden. Das schliesst ein, die deutschen Bemühungen, sich zu Opfern zu stilisieren, wie es aktuell in der Vertreibungs- und Bombenkriegsdebatte geschieht, anzugreifen.

Antifaschismus in Deutschland bedeutet, die Ideologie, die zum Bruch der Deutschen mit der Zivilisation geführt hat, grundlegend zu analysieren und sich jeder Tendenz der Wiederbelebung entgegenzustellen. Da wo sie Kontinuität bewahrt hat, muss dieser ein Ende bereitet werden.

Antifaschismus in Deutschland bedeutet, sich mit den Opfern der Deutschen zu solidarisieren. Das heisst, die Forderungen unter Anderem nach Entschädigung zu unterstützen. Auch heisst es, sich nicht nur um der Würde der Opfer willen, gegen jede Form der Relativierung, Verdrängung und Bewältigung zu stellen. Das heisst, die Existenz Israels zu schützen, was impliziert, dass Israel in der Lage sein muss, sich zu verteidigen. Besser noch wäre eine Welt, in der Jüdinnen und Juden überall sicher leben können, solange dieses nicht der Fall ist, bleibt Israel eine Notwendigkeit.

Antifaschismus heisst, sich der Dialektik der Moderne bewusst zu sein. Ohne eine kommunistische Aufhebung der kapitalistischen Verhältnisse sind die Ursachen der Shoah nicht beseitigt. Um dies zu erreichen gilt es auch, sich jeder Tendenz von verkürztem Antikapitalismus entgegen zu stellen. Kapitalismus kann nur kritisiert werden, wenn dem eine sinnvolle Analyse zugrunde liegt. Ansonsten verkommt die Kritik zur harmonischen Begleitmusik eines unmenschlichen Systems.

Selbstverständlich bedeutet Antifa auch, die offensichtlichen Nazis zu bekämpfen. Mit eigener Recherche und Aktionen und mit eigenen Analysen faschistischer Ideologie muss dabei vorgegangen werden. Hierfür werden wir punktuell die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen und Organisationen suchen.

 

Die kapitalistische Gesellschaft ist durch unaufhebbare Widersprüche gekennzeichnet. Obwohl sie sich die Freiheit der Menschen auf die Fahne geschrieben hat, besteht die Freiheit des Individuums darin, seine Arbeitskraft so teuer wie möglich zu verkaufen. Der Mensch  im Kapitalismus ist auf Lohnarbeit dahingehend angewiesen, dass er sich auf diese Weise seinen Lebensunterhalt sichern muß. Der kapitalistischen Ökonomie liegt der Zweck zugrunde, durch Warenproduktion die Wertproduktion gewinnbringend zu steigern. In diesem Ablauf sind die Menschen Mittel und nicht Zweck dieser Produktion. Anders, als es die Vordenker des Humanismus formulierten, stehen die Bedürfnisse des Menschen und der Mensch an sich nicht im Mittelpunkt dieser Gesellschaft. Charakteristisch ist die Konkurrenz zwischen Unternehmen, wobei die Konkurrenz bis  in die zwischenmenschlichen Bereiche

auffindbar ist. Jedes Unternehmen versucht beim Verkauf seiner Produkte größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften, was die Gemeinsamkeit zwischen allen Unternehmen darstellt – egal ob es sich dabei um Mc Donalds oder den Tante Emma Laden um die Ecke handelt.

Um die Spielregeln zwischen den Konkurrenten wenigstens ansatzweise aufrecht zu erhalten bedarf es einer übergeordneten Gewalt – dem bürgerlichen Staat.Er sichert das grundsätzliche Eigentumsverhältnis und hat deshalb vorwiegend eine repressive Funktion weil jede emanzipatorische gesellschaftliche Veränderung die Vergemeinschaftlichung der Produktionsmittel voraussetzt.

Aufgabe radikaler Kritik ist es, die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft zu benennen und anzugreifen. Nur durch die kommunistische Aufhebung der Verhältnisse lässt sich der Widerspruch zwischen aufklärerisch-humanistischem Ideal und der kapitalistischen Realität hin zu einer herrschaftsfreien/klassenlosen Gesellschaft aufheben. Da die Widersprüche an vielen Stellen nicht mehr zu übersehen sind, ist es unsere Aufgabe, uns in diesem Antagonismus eindeutig zu positionieren. Dabei versuchen wir nicht, die Widersprüche wieder zu mildern oder in Grenzen zu verweisen. Der Kapitalismus lässt sich sowieso nicht mehr „zähmen“- wenn sich nichts ändert, wird er fatale Auswirkungen für alle haben. Gerade diese Widersprüche lassen auch jene Kräfte wieder erstarken, welche anstelle der kapitalistischen Ökonomie ein völkisches Gegenbild phantasieren. Eine emanzipatorische Aufhebung der Verhältnisse lässt sich also auch nur im Kampf gegen eine verkürzte Kapitalismuskritik -  oder eine grundlegend falsche - durchsetzen.

Notwendig ist deshalb auch eine gemeinsame Organisation von Gruppen und Personen mit gemeinsamer inhaltlicher Ausrichtung – nur so kann ein gemeinsamer Widerstand gegen die bestehende Gesellschaftsordnung organisiert werden. Dabei glauben wir auch daran, dass eine andere Welt möglich ist. Diese kann jedoch nur durch die Überwindung der momentanen Gesellschaftsordnung entstehen.

 

Unserem Bezug auf den Kommunismus liegt die Negation der kapitalistischen Verhältnisse zugrunde. Dabei kann grundsätzlich nicht näher bestimmt werden, wie die kommunistische Gesellschaft aussehen wird. Nicht einmal in den alten staatssozialistischen Projekten lässt sich noch emanzipatorisches Potential ausmachen. Dennoch sind wir fest davon überzeugt, dass eine bedürfnisorientierte Ökonomie in einer klassenlosen Gesellschaft möglich ist. Die Möglichkeit, ein Leben jenseits von Lohnabhängigkeit, rassistischer und sexistischer Diskriminierung zu leben, muss für alle offen stehen.

Als Ideal steht für uns die freie Entfaltung des Individuums fest. Grundlage dafür muss die Sicherstellung der materiellen Bedürfnisse sein. Dies macht eine Wirtschaftsordnung notwendig, die es sich zur Aufgabe macht, einzig die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Kommunismus wäre in diesem Sinne auch die positive Aufhebung zwischen aufklärerisch- humanistischem Ideal (Glücksversprechen) und der kapitalistischen Wirklichkeit, die dieses Ideal formuliert, ohne es erfüllen zu können.

 

Kommunismus ist für uns mit der Notwendigkeit verbunden, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes, unterdrücktes, ein verächtliches...Wesen ist. (Marx)

 

 

 




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