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Von: we are everywhere 25.09.2001 01:14
Dies hier ist jetzt erstmal ein relativ trockener Konferenzbericht aus Cochabamba, etwas unverstaendlich fuer jene die PGA-Strukturen nicht so kennen, sorry - mehr allgemeine Konferenzeindruecke folgen vielleicht Ende der Woche.
"McDonald';s, Telefonica, aber kein Wasser" steht als Graffiti an der uebergroßen Christusstatue hoch ueber dem bolivianischen Cochabamba, Schauplatz des "guerra del agua" (Wasserkrieges). Die gesamte Wasserversorgung Boliviens wurde an einen US-amerikanischen Konzern verkauft, der zugleich eine immense Wasserpreiserhoehung ankuendigte (zunaechst nur 20 Prozent, mit weiteren Erhoehungen (inklusive der Fluesse und Brunnen auf die LandarbeiterInnen angewiesen sind). Mit Straßenbarrikaden und anderen Aktionen wehrten sich die BaeuerInnen gegen die Wasserprivatisierung, und die Proteste legten das gesamte Land lahm. Die RegierungsvertreterInnen konnten Cochabamba nur noch ueber den Luftweg erreichen und warfen Flugblaetter aus dem Helikopter mit der Bitte um Beendigung des Protestes. Damit war erfolgreich die Wasseruebernahme durch den US-Konzern verhindert worden und heute ist die Wasserversorgung unter kommunaler Verwaltung der BaeuerInnen. An diesem geschichtstraechtigen Ort fand nun vom 16. bis 23. September die 3. Konferenz des Netzwerkes Peoples' Global Action statt. Ueber 250 Teilnehmende aus fuenf Kontinenten, von Argentinien bis Ukraine, versammelten sich in Cochabamba, drittgroesste Stadt Boliviens mit angenehmem Bergklima. Eigentlicher Auftakt der Konferenz wurde am 19. September gefeiert, und gleich zu Beginn wurde eine Erklärung zu Gender verlesen, die zuvor in einem Arbeitskreis erarbeitet worden war. Mehrere Arbeitskreise fanden vom 16. bis 18. September statt, zu den Themen Plan Colombia/ Plan Dignidad (Bolivien)/ Plan Pueblo-Panama (Mexiko), Hintergrundberichte zum guerra del agua, Landrechte, usw.
Bei mehreren Konferenzteilnehmenden wurden aufgrund des Zusammenbroeselns der World Trade Tuerme in New York und der weiteren Angriffe die bereits existierenden Visas zurückgezogen. Erst nach heftigem Ringen konnte die Konferenz doch noch stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt war einer der Konferenzteilnehmenden aus Afrika aber bereits abgeschoben. Die Karawane aus Bogota wurde bis zum Konferenzende keine Einreise erlaubt, so dass die Konferenz dezentralisiert wurde: viele der Delegierten aus Ecuador, Peru und Kolumbien hielten ihre Konferenz unfreiwillig an der Peruanischen Grenze in Puno ab.
In Cochabamba wurden drei wesentliche Themenbloecke behandelt: die Planung weiterer globaler Aktionen und neuer Aktionsformen, die Dezentralisierung der Organisationsprinzipien des Netzwerkes sowie Verbesserung des Manifests und der fuenf Eckpunkte des Netzwerks. In bezug auf die bevorstehenden Aktionstage wurde festgestellt, dass diese durch langfristige globale und regionale Kampagnen ergaenzt werden sollen, da das vielkritisierte summit-hopping (Gipfelhuepfen) aus verschiedenen Gruenden an Grenzen stoesst, etwa weil die Konferenzen abgesagt werden (Washington) oder die Repression massiv zunimmt bis hin zu den Schuessen und Pruegelszenen von Goeteborg und Genua. Ausserdem sehen insbesondere Basisbewegungen aus dem Sueden in langfristigen Kampagnen zu konkreten Themen eine groessere Notwendigkeit als zu spektakulaeren Protesten zu abstrakten Gipfeln. Geplant werden Kampagnen gegen Staatsterrorismus, Militarismus und Paramilitarismus (Plan Colombia und andere neoliberale Plaene), eine Kampagne zu Landrechten, Biopiraterie und Autonomie, Kampagne gegen alle moeglichen und unmoeglichen Privatisierungen (Wasser, Gesundheit, usw.) sowie eine zum Aufbau von Alternativen zum kapitalistischen System mittels alternativer Aus- und Weiterbildung.
Hinsichtlich der fuenf Eckpunkte des Netzwerkes wurde die deutliche Ablehnung von Kapitalismus und Imperialismus verstaerkt und das Wort gewaltfrei ersetzt durch die Akzeptanz aller Aktionsformen, allerdings verknuepft mit Respekt vor Leben. Gerade vor dem Hintergrund der Angriffe in den USA und der Zunahme der Repression ist es notwendig, eine Spaltung der Bewegung in gute und boese Demonstrierende zu verhindern und die Vielfalt der Aktionsformen zu wahren. In diesem Zusammenhang wurde auf der Konferenz auch eine Erklaerung verfasst, welche ebenfalls und vor allem den Staatsterrorismus und den geplanten Krieg der USA verurteilt.
Das gesamte Manifest wurde massiv ueberarbeitet, dringend notwendig war der Einbau einer Genderperspektive, ausserdem mit dem Thema Klimawandel eine Ergaenzung des Umweltbereichs. Die Kritik der Rolle des Staates im Kapitalismus wurde wie auch schon bei der zweiten Konferenz im indischen Bangalore, auf eine Diskussion nach der Konferenz verschoben.
Zu den Organisierungsprinzipien des Netzwerkes wurde Dezentralisierung, Dezentralisierung und nochmals Dezentralisierung eingefordert. Es wurden einige strukturelle Aenderungen vorgenommen, um diesem Ziel naeher zu kommen. Entscheidungen und Koordinierung sollen noch mehr auf regionaler Ebene erfolgen. Bezüglich des Konzeptes von Convenors wurde beschlossen, die Convenors zukünftig auf den regionalen Konferenzen zu nominieren anstatt auf der PGA Konferenz, was den Prozess der Dezentralisierung verdeutlicht. Auch der Modus der Nominierung wird den regionalen Konferenzen überlassen.
Im Gegensatz zur vorhergehenden Konferenz in Indien, bei der die hehren Dezentralisierungsplaene hinterher leider nicht nachhaltig umgesetzt werden konnten, sehen die Perspektiven jetzt viel besser aus.
Ueberhaupt war die Stimmung auf der Konferenz weitaus besser als in Bangalore. Es wurde abends ausgiebig gefeiert und getanzt. Die Anzahl der Teilnehmenden aus dem Norden war relativ gering, die ueberwiegende Mehrheit kam aus Lateinamerika.
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Homepage: http://www.agp.org
pga (de) | PGA Konferenz, Cochabamba