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Kriegsdrohung gegen den Irak:
üeber amerikanische Alleingänge und deutsche Wege

folgender Text erschien im letzten KORAKTOR (Freiburg) Sept. 2002

Kriegsdrohung gegen den Irak:
über amerikanische Alleingänge und deutsche Wege

h./sowot

Der Rauch über Ground Zero hat sich schon lang verzogen und auch von der "uneingeschränkten Solidarität", die der Kanzler kurz nach dem 11.September den USA versprach, ist nichts mehr zu hören. Stattdessen spricht der frisch gebackene Verteidigungsminister Struck markig von eigenständigen deutschen Interessen und er zitiert den sozialdemokratischen Nationalisten Helmut Schmidt mit den Worten, dass Deutschland kein Büttel der USA sei. Der Kanzler brachte es auf den Punkt: man gehe den deutschen Weg - innenpolitisch wie außenpolitisch.

Hier wird natürlich Wahlkampf gemacht. Aber nicht nur. Tatsächlich tobt auf einer nun offeneren Ebene ein Kampf zwischen den USA und einigen europäischen Staaten. Und - in Frankreich traditionell, in Deutschland wieder neueren Datums - es machen sich amerika-kritische Töne breit.

Den Kommentar antideutscher Kriegstreiber kann man schon jetzt erahnen: ihnen wird die Floskel des "deutschen Weges" und ein kurzer Blick auf die Geschichte der an faschistischen Ideologien orientierten Baath-Partei schon Indiz genug sein, um eine neue quasi-faschistische Achse Berlin-Bagdad zu halluzinieren und um ihre Begeisterung für die USA und deren Kriege antifaschistisch zu verbrämen.

Natürlich - soviel zur Richtigkeit des historischen Argument - gilt die Aussage von Ernst Bloch aus dem Jahr 1917 mehr denn je: "Was aber Bagdad angeht, so bleibt die friedliche Durchdringung mit anständigen Mitteln...jederzeit offen, auch ohne dass der Mutessarif von Bagdad ein Angestellter des Auswärtigen Amts zu sein braucht." Diese Aussage muss sogar noch zuspitzt werden. Das hohe Ansehen, dass Deutschland im Irak wie in weiten Teilen der arabischen Welt geniest und das auch wirtschaftlich Tür und Tor öffnet, speist sich gerade nicht daraus, dass Deutschland Teil der zivilisierten westlichen Wertegemeinschaft ist, wie die hegemonialen Westler unter grünen und sozialdemokratischen Politiker so gerne behaupten. Ganz im Gegenteil wird Deutschland gerade wegen seines nationalsozialistischen Sonderwegs geachtet (und Haider spielte für Österreich sehr andeutungsreich auf dieser Klaviatur als er unlängst Saddam Hussein besuchte). Aber die Vergangenheit umfasst auch die Jahre nach 1945, in denen die BRD gar nicht die Möglichkeit hatte, in neo-kolonialer oder imperialistischer Hinsicht im Nahen Osten unangenehm aufzufallen. Man schätzt auch in dieser Region unvorbelastete Partner.

Doch fernab dieser Präsenz der Vergangenheit drückt sich in den Kanzlerworten vor allem die Zuspitzung des Konkurrenzverhältnisses der verschiedenen westlichen Staaten aus.

Zur Begründung der Allianz im US-geführten Krieges gegen Jugoslawien hieß es noch von deutscher Seite: 'Nie wieder Sonderweg'. Am 11.September, wie sollte es anders sein, wurden sogar "wir alle" getroffen. Im Dezember 2001 tauchte dann ein Diskussionspapier sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter auf, in dem es um die Rolle der deutschen Streitkräfte in der "gewandelten weltpolitischen Konstellation" ging. Für die Rolle der deutschen Streitkräfte wurde konstatiert, man sei "am Ende des Sonderwegs" angelangt. Die Abkehr vom Sonderweg bezog sich hier aber bereits - anders als während des Kosovo-Krieges - nicht auf die Bündnistreue zum atlantischen Partner, sondern bezog sich mehr auf eine erweiterte europäische Kooperation, eine euro-atlantische Aufgabenverteilung wurde stattdessen mit der Einschränkung versehen "soweit dies sinnvoll ist".

Bei der Frage des angekündigten Krieges gegen den Irak scheint eine Kooperation nun überhaupt nicht im Interesse der Bundesregierung zu liegen. Die Bundesregierung versteckt ihre eigenen Interessen nicht einmal mehr hinter dem vielbeschworenen gesamteuropäischen Interesse. Dies reflektiert auf die Tatsache, dass trotz EU-Einigung, die europäischen Staaten noch lange keine politische Einheit darstellen, wie das traditionelle amerikanisch-britische Bündnis zeigt.

Und zu guter letzt seien noch die wohl ersichtlichsten Argumente genannt, warum die Deutschen zögern: die Re-Militarisierung deutscher Außenpolitik hat mit dem Kosovo-Krieg und der Mitarbeit bei der "Anti-Terror-Allianz" einen Quantensprung erfahren, nun geht es darum, die eigene Interessen, seien sie nun wirtschaftlicher, politischer oder geostrategischer Art, mit dieser neu gewonnenen Souveränität zu koppeln. Dazu bedarf es nun klarer Worte an die USA, deren Politik genau dies verhindert.

Diese verfolgen nämlich primär eigene Ziele. Es geht nur vordergründig um die Waffeninspektionen, im Kern geht es um die Durchsetzung des Rechts, einen Präventivkrieg zu führen. In der Kriegsdrohung gegen den Irak ist zu unverschleiert ein aggressiver Interventionismus zu erkennen, dem jeder menschenrechtlicher Idealismus abgeht, den die Deutschen so gerne als Bestandteil des Kampfes für eine weltweiten Zivilgesellschaft sehen würden. Aber es geht in den Plänen der USA um harte Fakten und rohe Stoffe: angesichts der Verstimmungen mit Saudi-Arabien, ein Land das angesichts seiner islamistischen Opposition vom alten Verbündeten der USA zum unsicherer Kantonist geworden ist, rückt der Irak, das Land mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt, ins Visier der krisengebeutelten USA.

Die USA versuchen imperialistische Politik im Stil des Kalten Krieges zu betreiben. Hier mischt sich eine Freund-Feind-Dichotomie eines John Foster Dulles mit der moralischen Rigidität eines Ronald Reagan, wobei lediglich das Feindbild Kommunismus von dem der Schurkenstaaten abgelöst wurden. Die angestrebte neue Weltordnung sieht eigentlich recht alt aus, so arbeiten führende Think-tanks in den USA an einer Enttabuisierung von Begriffen wie "Imperialismus".

Dieser Außenpolitik tritt ein regelrechter Kriegskeynesianismus zu Seite. Mit dem Korea-Krieg 1950 versuchte Truman den Rüstungsboom des II. Weltkriegs zu verlängern und Carter begegnete im sogenannten zweiten Kalten Krieg der Krise Ende der 70er Jahre ebenso mit militärkeynesianischen Strategien, die von Ronald Reagan in den Star-Wars-Programmen nur verlängert wurden. Dieser Militär- und Kriegs-Keynesianismus muss aber begleitet sein von Kapitalzufluss aus anderen Ländern und neuen Akkumulationsschüben, sonst verschärft diese Politik der Staatsverschuldung die Krise nur noch weiter. Dies ist aktuell der Fall.

So ist es auch großer Fehler, wenn die traditionelle Linke das Bild einer omnipotenten USA zeichnet. Die USA agieren nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche. Doch gerade die Schwäche und hoffnungslose amerikanische Krisenpolitik macht die Situation so unberechenbar. Kritische Gesellschaftstheoretiker haben mit der Formulierung der pathischen Projektion versucht, das teilweise irrationale Verhalten kapitalistischer Subjekte in der Krise zu erfassen. Die mentale Verarbeitung der ökonomischen Krise wie der politisch-kulturellen, für die der 11.September stehen mag, durch die US-Gesellschaft folgt mehr und mehr der Logik eines projektiven Ausagierens der Ängste nach außen. Die fundamentale ökonomische Krise, die begleitet wird vom Aufdecken der Bilanzfälschungen von Megakonzerne wie Enron, hat in den USA die panische Suche nach Verantwortlichen im Inneren wie Außen eröffnet. Die moralisierende und gleichzeitig heuchlerische Kapitalismusschelte eines Bush, die von der Gier einzelner lamentiert, aber von Akkumulation, Profit und eigenen Interessen nicht reden kann, mischt sich mit fahnenschwenkendem Patriotismus, auf den sich ein Großteil der US-Intellektuellen ganz von selbst einigen kann.

Eine solche Diagnose hat nichts mit dem vielbeschworenen Anti-Amerikanismus zu tun, der von Seiten der Junger Union bis zu den Antideutschen allen Kriegsgegnern vorgehalten wird. Allerdings sollte die Anti-Kriegsbewegung nicht in die Falle rennen bei dem geplanten US-Krieg gegen den Irak zivilgesellschaftlicher Vorposten des EU-Projekts zu werden. Die staatsfrommen Matadore der deutschen Friedensbewegung hatten schon immer diese Funktion. Ebenso sollten Linksradikale, die an der alten Erkenntnis festhalten, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, nicht dem Irrwitz verfallen, diesen könne man am besten attackieren, indem man einen US-Krieg gar nicht mehr verurteilt, nur weil die deutschen Menschenrechtskrieger des Jugoslawienkrieges einen solchen im Moment noch ablehnen. Denn eines ist klar: die USA sind trotz ihres partikularistischen Gebarens die Weltkonjunktur-Lokomotive, von der die anderen Ökonomien abhängen, auch wenn sie sich frei strampeln wollen, sowohl ein Schröder wie ein Stoiber werden dem Rechnung tragen. Die "feindlichen Brüder" (Marx) müssen als solche erkannt werden.


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