Reiche Rohstoffvorkommen in der Region sind ein wichtiger Faktor im Afghanistan-Konflikt
So wie im Golfkrieg vor 10 Jahren spielt Erdöl auch im neuen Konflikt in Süd- und Zentralasien eine wichtige Rolle. Afghanistan ist nicht nur als Transitland für das schwarze Gold interessant, sondern selbst mit Erdöl und Erdgas reich gesegnet. Mehr Einfluß und eine größere Militärpräsenz in Afghanistan und den zentralasiatischen seien ein übergeordnetes Ziel der USA, meint der indische Militärexperte V.R. Raghavan. Den Strategen, die in Afghanistan einen Wandel der politischen Ordnung anstrebten, dürfte der Nutzen einer solchen Präsenz von der Türkei bis Tadschikistan nicht entgangen sein. Hatten sich einst Zaren und Kommissare den Zugang zu den Seehäfen im Persischen Golf verschafft, so geht es nach Ansicht Raghavans heute um die Pipelines zu Zentralasiens unberührten Erdölvorräten.
Nach Erkenntnissen der US-amerikanischen Denkfabrik "Heritage Foundation" warten in Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan insgesamt 15 Milliarden Barrel Erdöl darauf, gefördert zu werden. Mit dieser Nachricht hatte die Stiftung das US-Repräsentantenhaus bereits im März 1999 überrascht. Außerdem sind in den drei GUS-Staaten Erdgasvorkommen entdeckt worden, die neun Billionen Kubikmeter beinhalten sollen. In einer weiteren Untersuchung wird der Wert der Erdgas- und Erdölvorräte in den zentralasiatischen Republiken auf der Grundlage der letztjährigen Marktpreise auf rund drei Billionen US-Dollar geschätzt.
Doch nicht nur als Transitland, auch als Rohstoffliferant ist Afghanistan von besonderem Interesse. Unter sowjetischer Besatzung wurden Mitte der 70er Jahre täglich 7,8 Millionen Kubikmeter Erdgas gefördert. Die gesamten Vorräte hatte Moskau mit 14,1 Billionen Kubikmeter angegeben. Doch Sabotageakte der Mudschaheddin während des afghanischen Bürgerkrieges im Anschluß an den Abzug der Sowjets 1989 brachten die Erdgasförderung zum Erliegen.
Zu den größeren Erdgasfeldern gehören Jorqaduq, Khowaja, Gogerdak und Yatimtaq. Sie liegen alle im Umkreis der Stadt Sheberghan in der nordafghanischen Provinz Jowzjan. Für die Produktion und den Vertrieb der Erdgasvorräte unter der Herrschaft der Taliban ist das "Afghan Gas Enterprise" zuständig, das vor zwei Jahren mit der Reparatur der Pipeline in die Stadt Mazar-i-Sharif begonnen hatte.
1998 zog sich die kalifornische UNOCAL, die 46,5 Prozent der Anteile des asiatischen Unternehmens "Central Asia Gas" (Cent-Gas) hielt, aus dem Konsortium zurück, das sich jahrelang vergeblich um die Realisierung eines ehrgeizigen Pipelineprojekts quer durch Afghanistan bemüht hatte. Die Erdölleitung sollte über eine Strecke von 1271 Kilometern die Felder im turkmenischen Dauletabad mit den Lagerstätten im pakistanischen Multan verbinden. Die Kosten für das Unterfangen wurden auf 1,9 Milliarden Dollar veranschlagt. Weitere Investitionen in Höhe von 600 Millionen Dollar hätten für eine Verlängerung der Trasse bis nach Indien gesorgt. Seit langem drängen indische Energieexperten wie R.K. Pachauri vom "Tata Energy Research Institute" ihre Regierung dazu, sich den Zugriff auf das Erdöl der zentralasiatischen Republiken zu sichern, zu denen Neu-Delhi traditionell gute Beziehungen unterhält.
Sollte die Antiterrorkoalition von US-Präsident George W. Bush Erfolg haben, so der indische Militärexperte Raghavan, wird sie das Potential haben, "das Energieszenario für das 21. Jahrhundert substantiell neu zu konfigurieren".
Ranjit Devraj (IPS), Neu-Delhi
(IPS steht für Inter Press Service, ein Zusammenschluss von JournalistInnen vorwiegend aus Entwicklungsländern)
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