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Öl ins Feuer

von Wassem Hussain, aus: "Die Woche", 16. Mai 1997

Der Afghanische Bürgerkrieg eskaliert wieder. Schuld daran sind auch westliche Energiekonzerne, die aus Profitgründen die islamistischen Taliban-Milizen unterstützen

Kaum ist der Schnee auf dem Hindukusch geschmolzen, bereiten die Kriegsherren in Afghanistan neue Schlachten vor. Nach sechs Monaten Waffenruhe sei die Frist für eine friedliche Beilegung des Konflikts endgültig abgelaufen, gab Mullah Omar, Führer der fundamentalistischen Taliban-Milizen, zu Protokoll. Dann blies er in der vergangenen Woche zum Angriff auf die im Nordosten des Landes gelegene Kuhar-Provinz. "Eine militärische Lösung", so Omar siegessicher, "ist eindeutig vorzuziehen".

Die Gegenseite sieht das offenbar nicht anders. Nach einer Sitzung der Allianz der drei Mudjahedin-Gruppen erklärte der verteidigungsminister der von den Taliban gestürzten Regierung, General Ahmad Shah Massud: "Bis Ende des Jahres werden wir Afghanistan zurückerobert haben." Tatsächlich sind die Mudjahedin bereits bis zum strategisch wichtigen Salang-Tunnel vorgerückt - noch immer bleiben allerdings zwei Drittel des nun schon seit über 17 Jahren umkämpften Landes unter Taliban-Kontrolle. "Die Friedensbemühungen sind gescheitert", zieht der deutsche UN-Sonderbeauftragte Norbert Holl enttäuscht Bilanz: "Der Krieg wird wieder eskalieren." Dass es erneut so weit kommen konnte, ist nicht allein den Kriegsparteien zuzuschreiben. Im verarmten Afghanistan wären die Kanonen allein aus finanziellen Gründen längst verstummt - stünden im Hintergrund nicht fremde Mächte, die vom endlosen Krieg profitieren und die Kämpfer finanzieren.

So unterstützt ausgerechnet ein US-amerikanischer Mineralölkonzern jene Taliban, die in Afghanistan die Scharia eingeführt haben und Frauen jede Ausbildung verbieten: Bereits im Frühjahr 1995 unterzeichnete der US-Konzern Unocal gemeinsam mit der saudi-arabischen Delta Oil ein Abkommen mit den Taliban. Danach dürfen die beiden Energiekonzerne eine Pipeline quer durch Afghanistan bauen, sobald die Taliban-Milizen das ganze Land unter ihre Kontrolle gebracht haben. Mit der Pipeline sollen der Welt drittgrößte Erdöl- und Erdgasreserven, die gegenwärtig in Turkmenistan erschlossen werden, ans Arabische Meer befördert werden (siehe Karte).

Pikantes Detail am rande: Unocal hatte für den Deal den früheren stellvertretenden UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Charly Santos, auf seine Seite gezogen. Der US-Amerikaner, ein Taliban-Freund, wurde unmittelbar nach seiner Amtszeit als UN-Delegierter zum Mitglied der Unocal-Geschäftsleitung berufen.

Der Konzern blieb allerdings nicht ohne Konkurrenz. Auch das Turkmen-Afghan-Pakistan-Konsortium (TAP), angeführt vom argentinischen Energieriesen Bridas, buhlt um Pipelinerechte - und verschaffte sich ebenfalls diplomatischen Flankenschutz. Glen Nelle, damaliger US-Botschafter in Turkmenistan, trat als Mittler zwischen den Taliban, der turkmenischen Regierung und der TAP auf - und wurde zum Dank für seine Bemühungen im vergangenen Jahr zum Vizepräsidenten des argentinischen Energiekonzerns ernannt.

Wer den Zuschlag für den Bau der 2 Milliarden Mark teuren Pipeline bekommt, soll in den nächsten Wochen entschieden werden. Um Ärger zu vermeiden, hätten es die Taliban am liebsten gesehen, wenn sich ihre Geldgeber zu einem Jointventure zusammenschlössen - doch die Konkurrenten sperren sich dagegen.

Zu der dubiosen Gesellschaft aus Mineralölkonzernen, US-Diplomaten und extremen Islamisten hat sich auch Terroristen-Finanzierer Ossama Bin-Laden gesellt, der die Taliban aus seinem 7-Milliarden-Dollar-Vermögen fördert. Gegen ihn liegt sowohl in den USA als auch in Saudi-Arabien ein Haftbefehl vor. Bin-Laden, saudischer Staatsbürger, hat sich zu Anschlägen auf US-Einrichtungen in Somalia und Saudi-Arabien bekannt uns unterstützt extremistische Muslime in aller Welt.

Auch hinter der Anti-Taliban-Allianz verbirgt sich ein merkwürdiges Sponsoren-Bündnis: Die Mudjahedin werde von Russland, Indien und dem Iran unterstützt. Nach Berichten eines türkischen Generalkonsuls landen in der nordafghanischen Stadt Masar-E-Sharif fast täglich Frachtflugzeuge, die russische und iranische Waffen liefern - in den vergangenen drei Monaten sollen rund 500 russische Panzer eingefolgen worden sein. Außerdem zog Moskau hinter den Grenzen zu Usbekistan und Tadschikistan 25.000 Soldaten zusammen, um der Anti-Taliban-Allianz den Rücken zu stärken. "Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass der 'heilige Krieg' auf Zentralasien überschwappt", rechtfertigte der russische General Andrej Nikolajew das Engagement: eine Befürchtung, die manchen Energiekonzern offenbar nicht schreckt.


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