Auf nach Köln - einige AktivistInnen wollten in Köln mehr, als gemeinsam gegen das neoliberale, militaristische Europa demonstrieren. 400 Menschen aus ganz Europa - von Spanien bis Rußland, von Schweden bis Griechenland - haben sich am EU-Alternativgipfel des Bündnis Köln'99 in der Alten Feuerwache beteiligt, um Positionen über die Politik der EU auszutauschen und gemeinsam über Alternativen nachzudenken.
Schon bei den ersten Sitzungen des zukünftigen Bündnis Köln'99 war festzustellen: die meisten der vertretenen Gruppierungen legten den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten eher auf den Weltwirtschaftsgipfel, als auf den EU-Gipfel. Zwar gab es aus den Kreisen früherer EU-AlternativgipfelveranstalterInnen in anderen Ländern viel Unterstützung für die Idee, in Köln erneut zu einem alternativen Europagipfel zusammenzutreffen. Dem stand aber in der Bundesrepublik nur eine kleine Gruppe gegenüber, die sich unter Federführung von Freiem Zusammenschluß von StudentInnenschaften, Grün-Alternativem Jugendbündnis, Euromärschen und Jusos zusammenfand, um einen EU-Alternativgipfel auf die Beine zu stellen. Auch in den nächsten Monaten zeigte sich, daß der Anklang für das Projekt im ganzen Lande eher mäßig war.
Dennoch waren wir von der Idee einigermaßen überzeugt, und so ging es an die Arbeit.
Unserer Vorstellung nach sollte der Alternativgipfel den auf früheren EU-Veranstaltungen etwa in Madrid oder Amsterdam geknüpften Netzwerken wieder ein europaweites Forum bieten: um Kontakte zu pflegen, neue Leute und Organisationen für das Thema zu gewinnen und die gemeinsamen Diskussionen voranzubringen.
Mit insgesamt 400 TeilnehmerInnen war der Alternativgipfel deutlich schlechter besucht als die letzte und bisher größte Veranstaltung in Amsterdam, zu der 1997 über 1000 Menschen kamen.
Ein Grund dafür war sicherlich der kleine Kreis von VeranstalterInnen: Darunter litt der Umfang des Programms, vor allem aber die Mobilisierung.
Wir haben aber auch festgestellt, daß das Thema Europa bei vielen AktivistInnen nicht auf der Tagesordnung stand. Denn im Gegensatz zu Amsterdam war der Kölner EU-Gipfel trotz vieler bedeutender Entscheidungen ein "Routinegipfel". Es stand keine der Amsterdamer Vertragsänderung vergleichbare Richtungsentscheidung an, die auch in der alternativen Öffentlichkeit ihre Schatten vorausgeworfen hätte.
Auf der anderen Seite ist es gelungen, das Spektrum der beteiligten Gruppierungen zu vergrößeren. Die enge Zusammenarbeit mit den Euromärschen und die Ausrichtung des Erwerbslosenparlaments haben dazu geführt, daß die Diskussionen auf einem Alternativgipfel erstmals mit dem Protest der Erwebslosenbewegungen zusammengebracht werden konnten. Auf früheren Veranstaltungen hatte beides noch weitgehend getrennt voneinander stattgefunden. Trotz einiger organisatorischer Probleme - bei gemeinsamen Diskussionen und Workshops treten unterschiedliche Arbeitsweisen eben deutlicher zu Tage als bei Demonstrationen - ist dies insgesamt von allen Seiten als ein erfolgreicher Schritt bewertet worden.
Erfolgreich war auch der internationale GewerkschafterInnenworkshop, der vom Chemiekreis veranstaltet wurde. Mit dem "Bildungsforum" konnten wir außerdem StudierendenvertreterInnen aus ganz Europa mobilisieren und einen kleinen Schritt zur Verknüpfung ihres Protests mit den Aktivitäten anderer Gruppierungen machen.
Die inhaltlichen Workshops auf dem Alternativgipfel wurden überwiegend positiv beurteilt: Zu den Themenbereichen Wirtschaft & Soziales, Umwelt, Bildung, Gleichberechtigung, Demokratie und dem Kosovo-Krieg sind interessante Diskussionen zustande gekommen. Weil die Mehrzahl der Workshops relativ klein waren (zwischen 15 und 40 TeilnehmerInnen), stand häufig auch der internationale Austausch von Positionen zwischen den TeilnehmerInnen im Mittelpunkt.
Was dem Alternativgipfel dagegen fehlte, war eine Verknüpfung dieser Diskussionen zu einer gemeinsamen politischen Aussage.
Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen wurde auf dem Kölner Alternativgipfel keine gemeinsame Abschlußerklärung verabschiedet. Das hatten wir uns bewußt so überlegt, um endlose Diskussionen über letztlich kaum aussagekräftige Texte zu vermeiden.
Auch das Erwerbslosenparlament hat abgesehen von einer leichten Modifizierung der Brüsseler Euromarsch-Erklärung von 1997 keine Berschlüsse gefaßt.
Dementsprechend sollte die Abschlußveranstaltung mehr den Charakter einer Diskussion über zukünftige Aktionen und Perspektiven haben, als die Ergebnisse des Gipfels in inhaltlicher Hinsicht zusammenzuführen. Das hatte aber zur Folge, daß man teilweise das Gefühl hatte, an vielen Einzelveranstaltungen teilzunehmen, deren Ergebnisse weitgehend für sich stehenblieben und nicht Teil eines gemeinsamen Diskussionsprozesses auf dem gesamten Gipfel waren.
Auch im Hinblick auf eine stärkere Öffentlichkeitswirksamkeit des Alternativgipfels hätte eine gemeinsame Aussage sicherlich ihre Vorteile gehabt. So blieb die Öffentlichkeitswirkung weitgehend auf die Euromarsch-Demonstration beschränkt.
Aus Sicht der EU-kritschen Vernetzung von Bewegungen in Europa war der EU-Alternativgipfel eine wichtige Station, um zwei Jahre nach Amsterdam die Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten und Diskussionen anzuregen.
Es wurde aber auch deutlich, daß ein bloßes "weiter so" für zukünftige EU-Alternativveranstaltungen keine Perspektive bietet.
Denn die Hoffnungen auf eine ständige Verbreiterung, auf das Entstehen und Anwachsen einer alternativen europäischen Bewegung haben sich in den letzten Jahren nicht erfüllt. "An den Workshops zur Gleichberechtigung haben viele, gerade junge Frauen teilgenommen. Aber die meisten von ihnen waren gar nicht so sehr an Europa als vielmehr an der Frauenpolitik an sich interessiert", stellte Anne van Schaik aus Amsterdam fest.
Und so hat nicht nur sie auf der Abschlußveranstaltung die Frage gestellt, ob Europa und die EU in Zukunft noch das richtige Thema für die europäische Mobilisierung politischer AktivistInnen ist - oder ob wir uns nicht auf die Suche nach neuen, anderen gemeinsamen Inhalten machen müssen.
Jan Ceyssens, Grün-alternatives Jugendbündnis