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Die Schlacht um eine der reichsten Regionen der Welt

Schmutziger Krieg hinterm Grenzzaun
Montag, 18. Dezember 2006 linkszeitung.de

Von Andreas Rockstein

Viele Medien lenken ihr Hauptaugenmerk auf die Kriege im Osten, die vom Nahen Osten bis nach Afghanistan reichen. Dass aber auch im Westen, auf dem amerikanischen Kontinent ein Krieg geführt wird, das entgeht vielen. Dies liegt vielleicht daran, dass weder US Militärs noch Bundeswehrsoldaten direkt darin verwickelt sind, und dass dieser Krieg nicht ausschließlich mit Schusswaffen geführt wird. Dieser Krieg wird im so genannten Mesoamerikanischen Korridor geführt, der gleich hinter dem schwerbewachten US-Grenzzaun zu Mexiko beginnt und bis in die nördlichen Andenstaaten hinein reicht.

Der Mesoamerikanische Korridor ist, was die Natur- und Bodenschätze anbelangt, eine der reichsten Regionen der Welt. Die Länder und die Menschen dieser Region sind aber alle eher arm. Schuld daran ist der Plan "Puebla Panama" (PPP), ein rein ökonomisches "Erschließungsprojekt" oder besser gesagt ein Ausbeutungsprojekt. Dies wird angepriesen, als würden nach seiner Durchsetzung Milch und Honig aus der Erde hervorbrechen. Doch Tod und Vertreibung sind die Realität.

Der erste Schritt war die Schaffung der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, der Kanada, die USA und Mexiko angehören. Mit dem Inkrafttreten des NAFTA-Abkommens am 1. Januar 1994 begannen indigene Gemeinschaften in Chiapas, im südlichsten Bundesstaat Mexikos den bewaffneten Aufstand. Land, das sich zuvor in Großgrundbesitz befand,wurde kultiviert. Es entstanden autonome Kommunen; Brunnen, Krankenhäuser und Schulen wurden gebaut und autonom verwaltet. Verträge mit der mexikanischen Bundesregierung sicherten die Selbstverwaltung der Zapatistischen Gemeinden. Diese Verträge sind von der Regierung jedoch längst wieder einseitig annuliert worden und im Interesse der Großgrundbesitzer kommt es immer wieder zu Massakern und Vertreibungen durch das Militär sowie durch paramilitärische Einheiten.

Auch im Nachbarstaat von Chiapas, in Oaxaca herrscht seit einigen Monaten der Ausnahmezustand. Es begann mit einem Lehrerstreik im Mai. Unter dem erzkonservativen Gouverneur, Ulises Ruiz, der den Bundesstaat wie ein kleiner Militärdiktator regiert, wurde der Streik mit militärischer Repression beantwortet. Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los, weil sich daraufhin eine Mehrheit der Bevölkerung, die wie im Nachbarstaat Chiapas einen hohen Anteil von Indigenen hat, mit den streikenden Lehrern solidarisierten. Es wurde die APPO gebildet, die "Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca", die "Volksversammlung von Oaxaca". Öffentliche Einrichtungen und Strassen wurden besetzt und unabhängige Radiosender gegründet.

Zwei Tage, nachdem der US-amerikanische Indymedia-Journalist Brad Will an einer Strassensperre der APPO am 27. Oktober von Polizisten in Zivil erschossen wurde, marschierte am 29. Oktober die mexikanische Bundespolizei (PFP) mit rund 4.500 Mann in der Stadt ein. Dies hat aber den Widerstand der APPO nicht gebrochen. Am 2. November versuchte die PFP erfolglos, die Universität, das Hauptquartier der APPO zu stürmen.

Radio Universidad sendet bis heute immer noch und es werden noch mehrere Strassensperren erfolgreich gehalten. Die PFP konnte lediglich einige wichtige zentrale Plätze und Einrichtungen unter ihre Kontrolle bringen. Regelmäßig werden Massendemonstrationen, sogenannte "Megamarchas" abgehalten. Am 25. November wurde eine solche Megamarcha brutalst von der PFP angegriffen. Die letzte, am 10 Dezember verlief friedlich. Aber es sind erneute Repressionen zu erwarten.

Doch zurück zum Plan "Puebla Panama". Die Implementierung des NAFTA sollte nur eine Vorstufe sein für die Schaffung einer gesamtamerikanischen Freihandelszone, des FTAA oder spanisch ALCA, die alle Länder, mit Ausnahme von Kuba umfassen sollte. Auf dem Gipfeltreffen in Mar del Plata in Argentinien im November 2005 sind die Verhandlungen aber ins Stocken geraten. Seither wird versucht, über regionale und bilaterale Freihandelsabkommen die Ausbeutungspläne des Mesoamerikanischen Korridors voranzutreiben.

Mehrere "Megaprojekte" sind bereits in der Ausführungsphase. Dazu gehören der Bau von riesigen Staudämmen und "trockenen" Interozeanischen Kanälen, also Autobahnen, die quer durch den Regenwald gelegt werden, weil der Panama-Kanal für den Welthandel längst zu klein geworden ist. Öl und Gaspipelines sollen es ermöglichen, die Bodenschätze Kolumbiens, Venezuelas und Boliviens direkt nach Texas zu pumpen. Sogenannte Bioreservate werden angelegt, in denen sich die Pharmaindustrie an der Biologischen Vielfalt bedienen kann. Die Menschen, die in diesen Bioreservaten leben, meist indigener Herkunft, werden systematisch vertrieben.

Für diese Menschen sind als "Ersatz" Maquilladores vorgesehen, Sklavenfabriken an den Endpunkten der Interozeanischen Kanäle. Maquiladoras sind zollfreie Sonderwirtschaftszonen, in denen zu Billigstlöhnen gearbeitet wird, ohne jedweden Arbeitsschutz Gewerkschaften sind in diesen Maqiladoras verboten, und auch Umweltschutz wird umgangen. Die Menschen, die in den Maquiladoras arbeiten leben oft in Slums. Einige Städte haben ihre Einwohnerzahl durch die Ansiedlung dieser Maquiladoras vervielfacht.

In Kolumbien ist die Situation besonders dramatisch. Der Jahrzehnte alte Bürgerkrieg, bei dem die Bevölkerung kaum mehr einen Unterschied merkt zwischen dem Vorgehen der Guerilla und dem Vorgehen der Militärs und Paramilitärs wird im Rahmen des "Plan Colombia" ausgenützt um die Vertreibungen und Zerstörung von Dörfern voranzutreiben. Dies geschieht unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Anti-Drogen Krieges. Dabei profitieren die USA davon, und es geht gar nicht um die Vernichtung der Koka-Plantagen. Wenn es zu "Fumigations", zum besprühen mit Gift kommt, werden die Felder der Bauern gleich mit zerstört, und das mit Biowaffen, die der Genfer Konvention widersprechen. Außerdem ist Koka ein vielfältig anwendbares Naturprodukt, das traditionell im gesamten nördlichen Andenraum abgebaut wird. Dass daraus auch Kokain hergestellt werden kann, das interessiert die Kokabauern eigentlich weniger, vielmehr interessiert es die Bosse der Drogenmafia. Aber diese wird nicht bekriegt. Es werden die Bauern bekriegt.

Um ein Gegengewicht zum Druck der wirtschaftlichen Ausbeutung aus dem Norden zu setzen haben sich einige lateinamerikanische Länder zu einer eigenen Wirtschaftszone dem "Mercosur" zusammengeschlossen. Aber diese ist nach demselben Muster gestrickt wie andere Frei-Handelsabkommen auch, nur unter Ausschluss der USA, womit innerhalb des "Mercosur" ebenfalls die Stärkeren die Schwächeren kontrollieren.

So ist es hauptsächlich Brasilien das in Bolivien die dortigen Erdgasvorkommen ausbeutet. Auch leiden die neuen "sozialistischen" Regierungen wie in Bolivien und Ecuador unter dem Druck von außen enorm. Zusammen mit Kolumbien und Peru werden sie in ein Anden-Freihandelsabkommen gedrängt, das von den USA dominiert sein wird.

Den größten Hemmschuh für die neoliberalen Kolonialisierungsprojekte Lateinamerikas bilden jedoch nicht die Regierungen selbst. Es ist der Widerstand der Bevölkerung gegen Privatisierungs- maßnahmen, der in vielen dieser Länder von den indigenen Minderheiten ausgeht, meist Kleinbauern, die auf dem Land leben. In etlichen Staaten der Region flackern immer wieder große Volkserhebungen auf, denen sich die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen anschließen, die diese Länder für Wochen oder gar Monate lähmen.


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