plan puebla panamáarchivos de los protestos globales • www.agp.org

Trojanische Planwirtschaft

Interview mit Dorit Siemers über den Entwicklungsplan Puebla-Panama
von Jens Kastner
http://www.free.de/bankrott/basta/ppp1.html

Mexikos Präsident Vicente Fox hat angekündigt, dass durch den Plan Puebla-Panama "die Früchte der Globalisierung in allen Teilen Mexikos ankommen". Worum geht es beim PPP, dem Plan Puebla-Panama?

Dorit Siemers: Der PPP umfasst ökonomische, politisch-soziale und militärische Projekte, die vom süd-mexikanischen Bundesstaat Puebla über Zentralamerika bis nach Panama reichen. Regierungen und wichtige Konzerne haben für den PPP einvernehmlich einzelne Maßnahmen vereinbart, z.B den Bau von Staudämmen und Infrastruktur, die Ansiedlung von so genannten Weltmarktfabriken (Maquiladoras), die Rohstoffausbeutung in Regionen, die bisher davon nicht betroffen sind, die Ausbeutung der Biodiversität, die Förderung von Monokulturen und Shrimps-Farmen. Damit steht der PPP einerseits im Kontext verschiedener marktradikaler Politiken speziell in Südamerika, andererseits ist er aber geradezu prototypisch für neoliberale Politik.

Das klingt nach einem technokratischen und von den beteiligten Ländern zentralstaatlich gesteuerten Projekt. Wurde denn die betroffene Bevölkerung in Mexiko in die Planung einbezogen?

Nein, es wird über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden, sie werden nicht ausreichend informiert, geschweige denn befragt. Dies steht nicht nur in Widerspruch zum Indígena-Gesetz, in dem es etwa um das Mitspracherecht und das Eigentumsrecht auf Bodenschätze geht, sondern es verstößt zudem gegen die Konvention 169 der International Labor Organisation (ILO) der UNO, die von Mexiko unterschrieben wurde und in der die Einbeziehung der indigenen Bevölkerung festgeschrieben ist. In Oaxaca z.B. haben Angestellte des staatlichen Verkehrsamtes (SCT) Personen, über deren Grundstücke eine Straße gebaut werden sollte, zwar besucht. Diese sollten einen Vertrag unterschreiben, in dem sie sich mit dem Bau einverstanden erklären. Laut Vertrag wird aber erst nach dem Bau geklärt werden, ob es eine Entschädigung gibt. Dieses Vorgehen verstößt ganz klar gegen die Menschenrechte und sollte somit auch die deutsche Regierung interessieren, die einen Freihandelsvertrag mit Mexiko unterschrieben hat, in dem es auch eine Menschenrechtsklausel gibt.

Menschen aus verschiedenen Gemeinden haben mir gegenüber deutlich gemacht, dass sie von den PPP-Großprojekten nichts halten. Für sie ist es viel wichtiger, das Gesundheits- und Schulsystem und die Elektrizitätsversorgung auszubauen bzw. einzurichten. In Oaxaca beispielsweise gibt es 1,4 Krankenschwestern pro 1000 EinwohnerInnen, die Kindersterblichkeitsrate ist mehr als doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt.

Nun ist der Ausbau der Infrastruktur im Süden Mexikos ja eine Forderung, die auch von linken Intellektuellen oder der EZLN gestellt worden ist. Mindern denn die infrastrukturellen Unternehmungen des PPP die Armut in diesen Regionen?

Meiner Meinung nach nicht. Die gerade erwähnten Straßen zum Beispiel werden in Privatbesitz bleiben und nur gebührenpflichtig zu benutzen sein, d.h. den BewohnerInnen der Region eher Kosten als Nutzen bringen. Stattdessen geht ein anderer wichtiger Aspekt mit dem infrastrukturellen Ausbau einher: die Militarisierung.

Denn auf den neuen Straßen können auch Truppen schneller in aufständische Gebiete verlagert werden ...

Genau, um Protestbewegungen und ungewollte Migration unter Kontrolle zu bringen, stehen Regionen wie Chiapas schon jetzt massiv unter der Aufsicht des Militärs, das in der Befehlshierarchie auch über den gesamten Polizeiapparat gestellt wurde - mit der Begründung, es sei im Gegensatz zur Polizei nicht korrupt. Darüber hinaus sind in Chiapas im letzten Jahr auch die Leiter der Migrationsbehörden mit Militärs besetzt worden. Feste Militärstützpunkte wurden durch mobile Einrichtungen ersetzt, um Überraschungseffekte bei Kontrollen erzielen zu können. Insofern hat der Journalist Carlos Fazio durchaus Recht, der den PPP in der mexikanischen Zeitung La Jornada als Teil der Aufstandsbekämpfungsstrategie bezeichnet hat.

Außerdem sollen schon im Süden Mexikos die Migrationsströme in die USA verhindert werden. Wichtig ist hier vor allem der Isthmus von Tehuantepec in Oaxaca. Dort trennen nur 247 km Land den Pazifik von der Karibik. Die Landenge soll nicht nur Mexikos Konkurrenz zum Panama-Kanal bezüglich des Warentransportes werden, sondern darüber hinaus auch als nach Süden verlagerte Grenze dienen. Es ist wesentlich einfacher, diese Grenze zu kontrollieren als die 3200 km lange Nordgrenze zu den USA. Entlang dieser Linie sollen diverse Militärstützpunkte errichtet werden, um Menschen kontrollieren zu können, die Richtung Norden wollen.

Führende mexikanische Politiker äußern sich geradezu euphorisch über den PPP, gerade in Bezug auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse für die südlichen Bundesstaaten. Wie schätzen Sie die sozialen Folgen des PPP ein?

Die Maßnahmen des PPP führen zu großen Umwälzungen im sozialen Gefüge. Da wären zum einen die Maquiladoras. In San Cristóbal de las Casas im Bundesstaat Chiapas beispielsweise werden zur Zeit Arbeiter und Arbeiterinnen für Maquiladoras ausgebildet. Wie schon aus vielen Ländern Zentralamerikas oder auch von der Nordgrenze Mexikos bekannt, herrschen in diesen Fabriken so unwürdige Arbeitsbedingungen, dass durchaus von moderner Sklaverei gesprochen wird.

Zum anderen sollen in Chiapas diverse Staudämme gebaut werden. Dabei würden nicht nur Teile des Regenwaldes zerstört, sondern auch etliche Gemeinden umgesiedelt, d.h. vertrieben werden. Eine Vertreibung von über 30 Gemeinden steht z.B. im Biosphärenreservat Montes Azules im Lakandonischen Urwald bevor. Dieser Teil des Regenwaldes soll privatisiert, d.h. verkauft, werden. Große Pharmakonzerne wie Novartis haben Interesse angemeldet. Die Regierung rechtfertigt die geplante Vertreibung mit dem Schutz des Regenwaldes und erwähnt nicht, dass es sich hier um rein wirtschaftliche Interessen handelt. Wie akut die Vertreibung ist, wird aus der Aufstockung der staatlichen Sicherheitskräfte und der Zunahme der Übergriffe in diesem Gebiet deutlich. Gegen die Räumung regt sich bereits Widerstand, von den betroffenen Gemeinden ebenso wie von Intellektuellen aus Mexiko-Stadt und NGO, die kürzlich ein Protestschreiben in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada veröffentlichten.

Soziale Folgen haben ja auch die ökologischen Auswirkungen des PPP...

Ja, alle Projekte des PPP führen zu Umweltzerstörungen. Die Erdölförderung ist bekannt für ihre Regenwaldzerstörung, die Shrimps-Farmen vernichten die Mangrovenwälder. Die Maquiladoras zeichnen sich durch den Verzicht auf jegliche ökologische Standards aus: Millionen Liter Industrieabwässer gelangen ungefiltert in die Flüsse und ins Meer und verseuchen ganze Landstriche. Ein weiteres Beispiel sind die Monokulturen. Problematisch ist hier vor allem, dass die Bäume, die zur Papier-, Holz- und Mentholproduktion angebaut werden, sehr viel Wasser benötigen und dem Boden schnell die Nährstoffe entziehen. Zusammen mit dem Pestizideinsatz ist der Boden schon nach einigen Jahren ausgelaugt und unfruchtbar. Aus diesem Grunde kaufen die Konzerne das Land auch nicht, sondern pachten es von den Bauern. Diese bearbeiten das Land für die Konzerne. Sobald das Land "verbraucht" ist, suchen sich die Konzerne andere Bauern mit noch fruchtbaren Ländereien und lassen die anderen auf ihrem nun unbrauchbaren Land zurück.

Die "Früchte des PPP" erntet also die Politik, nicht die Bevölkerung?

Die Regierung verspricht Wohlstand und Arbeit für die Armen. In Wirklichkeit will sie damit aber nicht nur den zapatistischen Aufstand bekämpfen, sondern auch die Indígenas zum Verlassen ihres fruchtbaren Bodens bewegen, damit diese sich nahe der Maquiladorastandorte ansiedeln und dort als billige Arbeitskräfte bereitstehen. Ein Indígena aus einer autonomen zapatistischen Gemeinde hat den PPP deshalb in einem Interview als "Trojanisches Pferd" der Regierung bezeichnet.

Dorit Siemers ist Geografin, Mitglied der Gruppe B.A.S.T.A. und war Lehrbeauftragte an der Universität Münster. Bis April 2002 hat sie in Chiapas zum "Plan Puebla-Panama" u.a. beim ökonomisch-politischen Forschungszentrum CIEPAC gearbeitet. Mit ihr sprach Jens Kastner.

Plan Puebla-Panama

Seit Dezember 2000 arbeitet die mexikanische Regierung an der Durchführung des "Plan Puebla-Panama" (PPP), der mit den mittelamerikanischen Staaten Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama vereinbart wurde. Das Entwicklungsprogramm, soll die Region zwischen dem süd-mexikanischen Bundesstaat Puebla und Panama durch den Anschluss an den Weltmarkt von der Armut befreien. Konkret beinhaltet der Plan die Schaffung von Investitionsanreizen für multinationale Konzerne (die Arbeitskraft im Süden gilt als 40 Prozent billiger als in den Maquiladoras im Norden Mexikos), die Vermarktung der regionalen Biodiversität sowie den Ausbau von Infrastruktur und Monokulturen. Außerdem sind Ökotourismusprojekte und exklusive Hotel- und Freizeitanlagen geplant.

Der PPP entstand im Rahmen der Verhandlungen zum NAFTA- (North-American Free Trade Area) und FTAA-Abkommen (Free Trade Agreement of the Americas). In deren Zuge werden die Schranken für Investitionen gesenkt, die Regierungen verpflichten sich zu makroökonomischer und politischer Stabilität und die Weltbank, der IWF und die Interamerikanische Entwicklungsbank stellen Kredite im Umfang von ca. 9 Mrd. US Dollar zur Verfügung.

Als die Führung der Zapatistischen Guerilla im letzten Jahr ihren Marsch in die Hauptstadt antrat, um für das "Gesetz für indigene Rechte und Kultur" einzutreten, drohte der mexikanische Unternehmerverband Coparmex damit, den PPP platzen zu lassen, falls die Regierung auf die Forderung der Zapatisten eingehe. Die Unternehmer fürchten die Autonomie der indigenen Gemeinden. Nach der Verabschiedung des nun stark verwässerten Gesetzes gibt es kein Mitspracherecht für die betroffenen Bauern bzw. die indigenen Gemeinden, obwohl die PPP-Maßnahmen teilweise Umsiedlung und Privatisierung kommunaler Gebiete beinhalten.

Mitte Juli 2002 hat in Managua das dritte Forum zentralamerikanischer PPP-GegnerInnen stattgefunden. Bereits auf dem zweiten Forum in Xelajú (Guatemala) ist ein Positionspapier erarbeitet worden, das den PPP als undemokratisch und ausbeuterisch ablehnt. Kritisiert werden zudem seine militärischen Implikationen: Das wirtschaftliche Aufbauprogramm ist nämlich auch dazu gedacht, den Zugriff des Militärs auf autonome Provinzen in Chiapas zu verstärken. Fox' Koordinator für den PPP, Florencio Salazar, erklärte: "Das Hauptziel des Programms ist nicht die Einschränkung der Guerilla, obwohl das eine Konsequenz daraus sein könnte. Wir wollen einfach den Menschen mehr Möglichkeiten eröffnen."

Beschreibung des PPP
durch die mexikanische Regierung: www.ppp.presidencia.gob.mx
Kritische Darstellung: www.ciepac.org
Informationen über die Widerstandsbewegung gegen PPP: www.chiapas.indymedia.org

Quelle: iz3w Blätter des Informationszentrums Dritte Welt Nr. 263


plan puebla-panamá | www.agp.org | www.all4all.org