die tageszeitung, 5.5.03

Brisanter Gipfel am Rande der Französischen Alpen

Zum G 8-Treffen in Evian werden mehr als 100.000 Demonstranten erwartet. Proteste finden auf der Schweizer Seite des Genfer Sees statt

BERLIN taz Es wird ein großer Gipfel, wenn sich am letzten Maiwochenende die Staats- und Regierungschefs der 8 mächtigsten Länder (G 8) in Evian treffen. Präsident Bush und Bundeskanzler Schröder werden sich zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahr wieder die Hand geben und persönlich miteinander sprechen. Ebenso Bush und Frankreichs Präsident Chirac, der als Gastgeber dafür zu sorgen hat, dass die Gespräche nicht in kaltem Schweigen enden.

Und auch für die Gipfelgegner wird Evian ein Großereignis. Zum ersten Mal seit dem G-8-Gipfel 2001 in Genua mobilisieren die Globalisierungskritiker massiv gegen ein Treffen der politischen Weltelite. "Dafür gibt es mehr Gründe denn je", sagt Attac-Organisator Lukas Engelmann. "Dieser Club der reichen Staaten trägt die Verantwortung für die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich." Obendrein steht "Evian" für das Mineralwasser des französischen Konzerns Danone - einem der Lieblingsfeinde der Globalisierungskritiker.

Zwei Jahre lang verliefen G-8-Treffen, IWF-Tagungen, WTO-Konferenzen und EU-Gipfel weitgehend ohne Gegenveranstaltungen. Das lag zum einen daran, dass die G 8 sich nach der Erfahrung von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Genua zunächst nur noch weit ab vom Geschehen trafen, etwa im kanadischen Bergdorf Kananaskis oder im Golfemirat Katar. Zum anderen stand auch die globalisierungskritische Bewegung nach dem 11. September unter Schock. Gerade in den USA fiel schnell unter Verdacht, heimlich mit den Terroristen zu sympathisieren, wer sich gegen die offizielle Politik wandte. So fanden das Weltsozialforum Anfang 2002 in New York und die IWF-Treffen 2002 und 2003 erstmals fast ohne Proteste statt.

In Evian nun erwarten die örtlichen Behörden mehr als 100.000 Demonstranten für eine Kundgebung am 1. Juni. Die "örtlichen Behörden" sind in diesem Falle die Schweizer. Im Schweizer Genf nämlich soll die Kundgebung beginnen, weil Evian fast vollständig zur roten Zone erklärt und damit gesperrt wird. In Genf ist immerhin der Bereich links der Rhône für die Demonstranten zugänglich. Evian nämlich liegt direkt an der Grenze, die durch den Genfer See verläuft - ein schlauer Einfall von Präsident Chirac, der damit einen guten Teil der Sicherheitsmaßnahmen auf die wenig erfreuten Schweizer abwälzt. Gegenüber von Evian, am anderen Ufer, liegt Lausanne, am westlichen Zipfel des Sees Genf.

Die meisten Politiker werden in Genf landen, viele der Globalisierungskritiker auch. Attac Deutschland etwa hat einen Zug von Berlin nach Genf gechartert. Die Tickets kosten 130 Euro, außerdem sollen "Aktionstickets" an nicht mitreisende Sympathisanten verkauft werden, so Engelmann, "als Spende". Von Genf aus wollen die Aktivisten "notfalls zu Fuß" bis in das französischen Grenzdorf Annemasse gehen. Dort wird man mit Aktivisten aus ganz Europa in einem "intergallaktischen Dorf" zelten. Sogar der Standort steht schon fest: in der Zone der Ungehorsamen.

KATHARINA KOUFEN

www. anti-G8.de


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