Junge Welt, 28.5.03

Warmlaufen am Genfer See

Im französischen Evian und Umgebung laufen die Vorbereitungen auf den G-8-Gipfel auf Hochtouren

Von Damiano Valgolio

Dem Luxusbadeort Evian am französischen Ufer des Genfer Sees steht eine turbulente Woche bevor. Ab Sonntag werden sich in dem beschaulichen Bergdorf die Regierungschefs der acht mächtigsten Industrienationen zum Weltwirtschaftsgipfel versammeln. Doch auf Bush, Schröder, Blair, Koizumi und Co. wartet alles andere als ein entspannter Plausch in den französischen Alpen.

Globalisierungskritiker haben bereits für den heutigen Mittwoch Protestaktionen angekündigt, die die Kungelkonferenz empfindlich stören sollen. Die Organisatoren der Proteste hoffen, daß sich in den kommenden Tagen Hunderttausende von Menschen aus aller Welt an den Demonstrationen und Blockaden am Genfer See und in den umliegenden Städten beteiligen werden. Der Gruppe der acht (G8) gehören die USA, Frankreich, Rußland, Deutschland, Japan, Kanada, Italien und Großbritannien an.

Auch in der Bundesrepublik machen die Gegner des G-8-Treffens mobil. Heute abend startet in Berlin ein Sonderzug des deutschen ATTAC-Netzwerkes, der die ersten 1000 Aktivisten nach Evian bringen soll. Die Globalisierungskritiker sehen in den Teilnehmern des G-8-Gipfels die Hauptverantwortlichen für die weltweite Armut und die wachsende Zahl von Kriegen. Sie werfen den neoliberalen Wirtschaftsnationen vor, in Evian kurz nach Ende des Irak-Krieges weitere wirtschaftliche und militärische Angriffe gegen schwächere Staaten zu planen.

Ihre Vorliebe für abgelegene Bergdörfer haben die G-8-Chefs nach dem Gipfel von Genua im Jahre 2001 entdeckt. Damals scheiterte in der italienischen Hafenstadt der Versuch, die Protestbewegung gewaltsam zu zerschlagen. Trotz des blutigen Vorgehens der Polizei, das einen toten und viele hundert schwerverletzte Demonstranten forderte, schwoll die Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung in den folgenden Monaten weiter an. 2002 wurde der G-8-Gipfel deshalb in die kanadischen Rocky Mountains verlegt.

In diesem Jahr werden sich die Regierungschefs in den französischen Alpen einigeln. Der Tagungsort Evian ist schon seit Wochen praktisch militärisches Sperrgebiet. Ab Samstag wird die »Rote Zone« bis in die umliegenden Kleinstädte und sogar bis nach Lausanne in der benachbarten Schweiz ausgedehnt. An den französischen Grenzen wurden bereits unter Aufhebung des Schengener Abkommens strenge Grenzkontrollen eingeführt. Rund 20000 französische Sicherheitskräfte sollen den Gipfel schützen. Die Schweiz bietet fast 10000 weitere Soldaten und Polizisten auf. Allerdings hat die eidgenössische Regierung Probleme, genügend Reservisten für den Einsatz am Wochenende aufzutreiben. Soldatenkomitees haben dazu aufgerufen, die Einberufung zu verweigern. Es gebe keinen Grund, die »Kriegstreiber Bush und Blair oder den Neofaschisten Berlusconi gegen die Bevölkerung zu schützen« , heißt es in einem Flugblatt von Schweizer Reservisten. Weniger Skrupel scheinen die rund 1000 deutschen Polizisten zu haben, die, ausgerüstet mit 15 Wasserwerfern, nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits auf dem Weg in die Schweiz sind.

Unbeeindruckt von dem Truppenaufmarsch bereiten die Gegner des G-8-Treffens vielfältige Aktionen vor. Unter der Federführung des Forum Social Lemanique sollen am Sonntag mit einer Großdemonstration und Blockaden sämtliche Zugänge zum Tagungsort dichtgemacht werden, um den Start des Wirtschaftsgipfels zu verhindern. In Genf, Annemasse und Lausanne haben Gewerkschafter und Aktivisten aus verschiedenen Ländern bereits erste Protestcamps errichtet. Am Freitag soll in diesen Orten außerdem ein Gegengipfel der sozialen Bewegungen beginnen. Dort wollen die Globalisierungskritiker über Alternativen zu den neoliberalen Konzepten der G8 diskutieren. Schließlich werden am Samstag abend über 50 Riesenfeuer rund um den Genfer See die Blockadeaktionen der folgenden Tage einleiten.


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