Reuters, 1.6.03, 19.59 Uhr

Proteste in Frankreich und der Schweiz gegen G8-Gipfel

Annemasse/Evian, 01. Jun (Reuters) - Am ersten Tag des Weltwirtschaftsgipfels im französischen Evian ist es am Sonntag auf der Schweizer Seite des Genfer Sees zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungsgegnern und der Polizei gekommen. Ein Demonstrant wurde schwer verletzt, als er von einer Autobahnbrücke stürzte.

Auf französischer Seite setzte die Polizei auf der Straße von Annemasse nach Evian Tränengas ein, um Demonstranten auseinanderzutreiben. In Genf blockierten Globalisierungsgegner fünf Brücken, und in Lausanne gingen Fensterscheiben zu Bruch, als rund 500 Autonome durch die Stadt zogen. Völlig in den Hintergrund gedrängt wurde durch Ausschreitungen die friedliche Demonstration von Zehntausenden gegen den Gipfel.

An dem Gipfel der führenden sieben Industrienationen und Russlands (G-8) nimmt unter anderem US-Präsident George W. Bush teil. Vor zwei Jahren waren bei Protesten gegen den G-8-Gipfel in Genua ein Demonstrant erschossen und Hunderte verletzt worden.

Rund zehn Kilometer vor Annemasse blockierten Demonstranten eine Straße nach Evian. Von den zunächst rund 2000 Demonstranten harrten am Morgen noch einige Hundert aus. Die Demonstranten trugen Transparente mit sich und skandierten Slogans wie "Sie sind acht, wir sind Milliarden" oder "Widerstand gegen G-8".

In Genf blockierten Demonstranten mit brennenden Reifen Brücken und warfen Brandsätze auf das größte Theater der Stadt. Es wurde auch von Einbrüchen in Luxusgeschäfte und Tankstellen berichtet. Nach offiziellen Angaben wurde ein Teil des deutschen Polizei-Kontingents, dass am Genfer Flughafen für die Sicherheit bei der Ankunft der Staats- und Regierungschefs sorgte, in die Stadt abgestellt. Dort sollten die deutschen Beamten helfen, weitere Zwischenfälle zu verhindern.

In Lausanne sammelten sich einige Hundert Demonstranten, viele mit Masken oder Skimützen vermummt. Die Polizei setzte neben Tränengas auch Wasserwerfer ein, um die Demonstranten von einem Hotel, in dem einige Delegierte des Gipfeltreffens untergebracht waren, zu vertreiben. Auf einem Platz nahm sie etliche Demonstranten fest. Bei einem Marsch durch die Stadt warfen Demonstranten Schaufenster ein. "Kein Blut für Öl", skandierten sie in Anspielung auf den US-Angriff auf den Irak. Bei dem Versuch, eine Brücke zu blockieren, die über eine Autobahn führt, stürzte ein Demonstrant ab und verletzte sich schwer.

Zwei friedliche Demonstrationszüge hatten sich am Morgen von Annemasse aus in Richtung Genf und aus der umgekehrten Richtung in Bewegung gesetzt. Sie vereinigten sich an der französisch-schweizerischen Grenze, etwa 40 Kilometer von Evian entfernt. Polizei und Augenzeugen sprachen von Zehntausenden Teilnehmern, darunter auch viele Kinder. Den Organisatoren zufolge nahmen bis zu 100.000 Menschen an der Kundgebung teil.

Der Kurort Evian selbst war weitgehend abgeriegelt. Rund 25.000 französische und Schweizer Polizisten sichern auf beiden Seiten des Genfer Sees den Gipfel. Taucher suchten den See ab, an Dutzenden Kontrollpunkten wurden Autos überprüft. Zum Schutz der Staats- und Regierungschefs wurden Boden-Luft-Raketen in Stellung gebracht.

Am Weltwirtschaftsgipfel nehmen in diesem Jahr außer den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Russland unter anderem China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Ägypten teil. Der Gipfel dauert insgesamt drei Tage.


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