AP, 1.6.03, 20.39 Uhr
G-8-Gipfel beginnt in der Hoffnung auf Versöhnung
Verletzte bei Ausschreitungen am Genfer See - Beratungen mit Entwicklungsländern
Evian (AP) Begleitet von massiven Protesten hat im französischen Evian der erste G-8-Gipfel seit der Irak-Krise begonnen. Abgeschirmt von 24.000 Sicherheitskräften berieten die sieben wichtigsten Industriestaaten und Russland am Sonntag zunächst mit Entwicklungsländern über den Kampf gegen Aids und den Abbau von Handelsschranken. Am Genfer See kam es zu teils schweren Krawallen mit mehreren Verletzten, die Polizei nahm hunderte Personen vorläufig fest. Eine Großdemonstration mit mindestens 50.000 Teilnehmern verlief dagegen friedlich.
Nach dem Zerwürfnis der Weltgemeinschaft in der Irak-Krise soll der G-8-Gipfel ein Signal der Einigkeit und des Vertrauens aussenden. Die Kriegsgegner Frankreich, Deutschland und Russland zeigten bereits vor der dreitägigen Konferenz ebenso wie die USA ihre Bereitschaft, den Konflikt hinter sich zu lassen.
Erstmals nach dem Golfkrieg setzte sich US-Präsident George W. Bush am Abend mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder an einem Tisch. Nach einer kurzen Begrüßung überreichte Bush Chirac ein Geschenk und klopfte ihm beim Posieren fürs Familienfoto freundschaftlich auf die Schulter. Am Montag kommen Bush und Chirac zum ersten längeren Gespräch seit Monaten zusammen.
Ein bilaterales Treffen Schröders mit dem US-Präsidenten ist dagegen nicht geplant. Die beiden hatten aber am Samstagabend bei der 300-Jahr-Feier St. Petersburgs nach einem halben Jahr Funkstille wieder kurz miteinander gesprochen. Der russische Präsident Wladimir Putin traf sich unmittelbar in St. Petersburg mit Bush und zeigte sich mit ihm in wichtigen Fragen der Weltpolitik einig.
Während der Kampf gegen den Terrorismus und die schlechte Lage der Weltwirtschaft im Mittelpunkt der Beratungen am Montag stehen dürften, setzte Gastgeber Chirac zum Auftakt des Gipfels ein Zeichen der Öffnung der G-8, die sich nicht als "Vorstand der Welt" verstehen dürfe. Am ersten Tag nahmen 20 Staats- und Regierungschefs an der Konferenz teil, die zusammen knapp 80 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Dies sei eine "gute Formel", sagte Chirac. Die weiteren Beratungen der G-8 würden davon profitieren.
UN-Generalsekretär Kofi Annan erinnerte die Industriestaaten an ihre hochgesteckten Ziele im Kampf gegen weltweite Armut und Aids. Trotz Fortschritten seien die jährlich erforderlichen zusätzlichen 50 Milliarden Dollar noch bei weitem nicht zusammen. Am Abend beriet die G-8-Gruppe mit fünf afrikanischen Staatschefs über die Fortschritte, die seit zwei Jahren mit der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) erzielt wurden.
Tränengas und Wasserwerfer
Gegen den Gipfel machten mehrere zehntausend Globalisierungsgegner mobil. Zwei Protestmärsche aus Genf und dem französischen Annemasse schlossen sich an der Grenze zusammen. Die Organisatoren sprachen von 120.000, die Polizei von 50.000 Teilnehmern.
Zuvor war es zu teils massiven Ausschreitungen und Plünderungen gekommen. In Annemasse blockierten rund 1.500 Demonstranten die Hauptstraße nach Evian mit einer brennenden Barrikade. Vermummte bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
In Genf protestierten rund 300 Jugendliche gewaltsam. In Lausanne stürmten militante G-8-Gegner eine Tankstelle und zerstörten Telefonzellen. Die Polizei feuerte Gummigeschosse in die Luft und setzte Tränengas ein.
Ein Demonstrant stürzte von einer Schweizer Autobahnbrücke 20 Meter tief in einen Bach. Das Seil, an dem er hing, war laut Behörden von einem Polizisten versehentlich durchtrennt worden. Der 39-jährige Brite zog sich mehrere Knochenbrüche zu, schwebte aber nicht in Lebensgefahr.
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