dpa, 2.6.03

Warum niemand mit einem G-8-Gipfeltreffen zufrieden ist

Von Heinz-Peter Dietrich, dpa

Evian (dpa) - Was sind die G 8? Nur ein Debattierclub für mächtige Länder, wie die Kritiker meinen, oder ein Wirtschaftsblock mit gestaltenden Kräften, wie die Staatenlenker behaupten? Im Sonnenschein der für sein Mineralwasser berühmten Stadt Evian am Genfer See hat sich wohl jeder der Gipfelteilnehmer diese Frage auf seine Weise beantwortet. Die Kritiker der führenden sieben Industriestaaten und Russlands werden sich wieder einmal bestätigt fühlen: Eine Richtung weisende Antwort auf die schwere Weltwirtschaftskrise blieb aus. Die Rahmenbedingungen für eine Erholung seien derzeit schließlich gut.

Der Gastgeber, Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, der gerade in seinem Land mit der größten Streikwelle seit Mitte der 90er Jahre konfrontiert wird, hat von den Kritikern gelernt. Er lud erstmals 13 Entwicklungs- und Schwellenländer ein, die nach Ansicht von globalisierungskritischen Bewegungen wie Attac die Verlierer der Weltwirtschaft sind. Das US-Präsident George W. Bush ihm die Schau bereits gestohlen hatte, als dieser ein Aids-Paket der USA mit satten 15 Milliarden Dollar sowie viel Afrika-Hilfe ankündigte, trübte den Auftritt Chiracs. Wie der Hase und der Igel sehe es aus, wenn Chirac sich immer wieder im Rennen mit Bush um die Führerschaft bemühe, sagten Beobachter in Evian. Immerhin: In die Afrikahilfe komme wirkliche Bewegung - wenn nicht wieder etwas dazwischen komme.

Die bevorstehende Nahost-Reise Bushs wurde von Chirac als sehr bedeutsam gewürdigt. Damit sei der US-Präsident auch entschuldigt, wenn er bereits am Montagmittag abreise, überspielte er seine Verärgerung. Denn Kommentatoren zeigten auf, dass auch dies eine Chirac'sche Niederlage ist, wäre doch gerne er über die EU der große Nahost-Vermittler. Zumal er im Irak-Konflikt ja schon einmal Schiffbruch erlitten und nach Ansicht von Bush sogar die weltweite Allianz gegen den Terror gespalten hat.

Bushs Abreise nach nur wenigen Stunden Diskussion zeigte aber auch, dass es nach Ansicht des US-Präsidenten nicht viel über die Weltwirtschaft zu bereden gab. Der schwache Dollar? Für die USA kein Thema für Evian. Bush hat sein Steuersenkungsprogramm schon auf den Weg gebracht. Es sei an den Europäern zu zeigen, dass sie in der Lage sind, ihre Wirtschaften neu starten zu lassen, hieß es in amerikanischen Regierungskreisen. Einig war sich die Runde aber, das Optimismus angesagt ist. Ein eindruckvolles Wirtschaftswachstum wurde für das zweite Halbjahr voraus gesagt - wenn sich die Bedingungen nicht ändern.

Die Grundidee der früheren G-7-Treffen, die jetzt mit der Hinzunahme Russlands zur G 8 mutiert sind, ist eine Verbesserung der Atmosphäre untereinander und der Austausch von Gedanken ohne die Zwangsjacke einer offiziellen Tagesordnung. Wenn es stimmt, dass nun auch die künftigen Treffen um die Benachteiligten dieser Welt bereichert werden, wie aus französischen Regierungskreisen stolz vermittelt wurde, dann wäre es Chirac gelungen, den Globalisierungskritikern ein Argument zu entwinden.

"Wir kümmern uns ja um die Probleme dieser Welt", meinte ein Regierungsberater in Evian entrüstet. "Das wird nur nicht richtig zur Kenntnis genommen." Gegner des Treffens haben aber einmal mehr den Eindruck, dass es auch zu den Themen sauberes Wasser für alle, Kampf dem Hunger und der Armut, Zugang der Entwicklungsländer zu den Märkten der Reichen nur Absichtserklärungen gibt. Ein Gipfel also, der wieder einmal vieles offen lässt - aber der nächste in den USA ist schon jetzt unvermeidbar. Gut für die Großen, dass auch die Kritiker viel Mühe haben, eine gemeinsame Linie zu finden.


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