Genf G8: ein AugenzeugInnenbericht der Usine- Razzia
von Übersetzung aus dem Englischen - 06.06.2003 02:21
http://de.indymedia.org/2003/06/53851.shtml

l'usine l'usine

Am Sonntag, 1. Juni 2003, stuermte die Polizei das Kulturzentrum Usine in Genf und verhaftete ein Dutzend Menschen. Mindestens drei Personen wurden durch Schläge auf den Kopf verletzt. Die Polizei stürmte auch das indymedia Zentrum und das geneva03 Radio/TV Studio, das sich im gleichen Gebäude befindet, und hielt die Menschen während etwa zwei Stunden fest.

Usine- Stürmung

Sonntagnacht begann die Polizei, das Gebiet rund um l'Usine (Fabrik), ein selbstverwaltetes Kulturzentrum in Genf, zu umzingeln. Es gab riots in einer Straße (rue du Stand) nicht weit von der Usine und die Polizei drängte die Menschen in Richtung Usine damit sie nicht in die Innenstadt gelangen. Die Polizei setzte sehr viel Tränengas und Gummigeschosse in den Straßen rund um die Usine ein. siehe photobericht (anm. der Redaktion)

Am Sonntag befanden sich im Gegensatz zu Samstag nicht so viele Menschen auf dem Place des Volontaires, es fand kein Konzert in der Usine statt. Protestierende befanden sich noch immer auf der Rückkehr von der großen Demo zwischen Genf und Annemasse, an der sich 100000 Menschen beteiligt hatten.

Als die Usine MitarbeiterInnen fragten, weshalb die Usine von der Polizei abgesperrt wird, wurde ihnen gesagt dass die Polizei erwarte dass die "casseurs" (RandaliererInnen) sich zum Gebäude hin zurueckziehen würden. Die Polizeikette verweilte dort eine Stunde lang, der Place des Volontaires war ruhig, einige Aktivistinnen assen bei der Volxküche. Mehr und mehr Polizeikräfte wurden in das Gebiet rund um die Usine verlagert, aber die Polizeikette direkt vor der Usine machte einen relativ entspannten Eindruck. In der Parallelstraße sahen wir wie die Polizei Menschen verfolgte.

Plötzlich stuermte eine große gruppe von ZivilpolizistInnen auf die Usine zu. Menschen die vor dem Eingang gewaltfrei veersuchten, die Tuer zu schuetzen, wurde brutaal geschlagen. Eine Journalistin wurde auf den kopf geschlagen, ein Zahn gebrochen. Ein grauhaariger Mann auf dem Platz wurde auf den Boden geworfen und gescchlagen. Die 31 Zivilpolizisten (plus eine Frau) waren alle maskiert, viele trugen Motorradhelme und eine rote armbinde auf der Polizei stand. Sie sahen äusserst brutal und fies aus und waren mit teleskop- Knueppeln bewaffnet. Sie waren wie Protestierende gekleidet, einige trugen Palästinatuecher. Mitarbeiter der usine versuchten mit ihnen zu reden, aber ein Usine Mitarbeiter wurde brutal auf den Kopf geschlagen und musste ins Spital/ Krankenhaus gebracht werden. Riot Cops schuetzten die Stuermung der Zivilpolizisten und schossen Tränengas auf die Menschen auf dem Platz.

Ohne vorherige Warnung stürmten die Zivilpolizisten brutal die Usine, Türen aufbrechend und laut schreiend. Sie veranstalteten einen unglaublichen Lärm, bestimmt um die Leute im Gebäude einzuschüchtern.

Ich war in der Cafeteria namens Moloko in der Usine, und trank Bier. Wir waren etwa 10 Leute im Cafe. Die Razzia erfolgte völlig unerwartet. Wir schauten aus dem Fenster und sahen wie die Zivilpolizisten plötzlich sehr schnell auf das Gebäude zu stürmten. "Oh nein, sie stürmen tatsächlich das Gebäude", schrie einer. Wir hörten den unglaublichen Lärm draussen (unter anderem durch die Schockgranaten) und rechneten damit, gleich brutal zusammen geschlagen zu werden. Ich war in Genua gewesen und erinnerte mich an den Überfall auf die Diaz- Schule. Wir setzten uns alle an einen Tisch und versuchten so ruhig wie möglich zu sein. Die Zivilpolizisten schrien vor der Tür zum Cafe, die wir soeben von innen verriegelt hatten. Ein Usine Mitarbeiter sagte er würde die Tür öffnen und wir würden alle ruhig bleiben. Wir sollten keine Tricks versuchen, meinte der Zivilpolizist: "Haltet die Hände über dem Kopf wenn wir reinkommen und es passiert euch nichts", schrie der Polizist durch die Tür.

Der Usine Mitarbeiter entriegelte die Tür und wir hielten alle die Hände hoch.

Sie stürmten rein mit hocherhobenen Knüppeln, fesselten uns mit Plastikhandschellen, durchsuchten unsere Hosentaschen, prüften unsere Pässe/ Ausweise. Sie zeigten uns ihrerseits keinen Nachweis dass sie Polizisten seien.

Sie schoben und schubsten uns rum. Sie schrien uns an, und wir mussten übersetzen für diejenigen unter uns die kein Französisch verstanden. Eine Journalistin unter uns zeigte einen gültigen internationalen Presseausweis und eine offizielle Akkreditierung zum G8- Gipfel, aber die Zivilpolizisten interessierten sich nicht die Bohne dafür. Den Kameras entrissen sie die Filme.

All unsere Habseligkeiten (inklusive Kameras) wurden in Plastiksäcke verpackt die uns um den Hals gehängt wurden. Wir wurden die Treppe runter geschoben in die Halle vor dem Eingang. Sie schrien uns an und zwangen uns dazu, uns in einer Reihe auf den Boden zu knien. Nebenbei warfen sie alle Flugblätter auf den umstehenden Tischen auf den Boden. Dann kam die eigentliche Polizei rein (in Uniformen gekleidet), mitsamt einem Chef der wohl für die Operation verantwortlich war. Sie hatten die Zivilpolizisten die dreckige Arbeit machen lassen, nun gaben sie die Befehle. Wir sahen wie die Riot Cops draussen vor dem Eingang standen und die Menschen auf dem Platz abwehrte (auch VertreterInnen vom Legal Team). Für kurze Zeit konnte jemand vom Legal Team zu uns kommen und uns fragen ob wir geschlagen worden waren. Ein Mann wurde von draussen reingestossen und hatte eine blutende Kopfwunde.

Sie teilten uns in zwei Gruppen auf, die einheimischen GenferInnen und die Internationalen. Wir Internationalen wurden einzeln, immer noch auf dem Rücken gefesselt, von je einem Zivilpolizisten schroff festgehalten, unsanft in die Polizeiwanne geschoben, von einem Spalier von Riot Cops abgesichert. Legal Team VertreterInnen baten uns unsere Namen zu rufen. Wir mussten uns im Polizeiwagen in eine Reihe setzen mit je einem Zivilpolizisten neben uns. Sie boten uns Mineralwasser an das wir ablehnten. Sie machten Witze weil der Wagen zunächst nicht ansprang. Die Handfesseln waren extrem eng, und eine von uns bat darum, dass sie geöffnet würden. Ein Polizist versuchte sie mit einem Schweizer Taschenmesser aufzuschneiden und es gelang ihm erst beim zweiten Anlauf mit einem grösseren Messer.

Dann verliess der Wagen den Platz und fuhr zu einer nahegelegenen Polizeistation. Wir wurden in eine Garage gefahren und dort wurden wir wiederum dazu gezwungen, in einer Reihe auf dem Betonboden zu knien. Die Zivilpolizisten standen hinter uns und bewachten uns mit ihren Knüppeln in der Hand. Als wir uns unterhielten, wurde uns befohlen zu schweigen.

Dann filzten sie uns, wir mussten unsere T-shirts ausziehen (die Frauen mussten den ganzen Oberkörper frei machen), die Hosen und Schuhe, und sie druchsuchten all unsere Taschen und taten alles was sie fanden in eine Plastiktüte. Wir mussten ebenfalls unsere Armbanduhren, Gürtel und Schuhbänder ausziehen. Alle Habseligkeiten wurden in eine kleine Plastikkiste gelegt.

Danach wurde unsere Daten geprüft. Wir mussten uns an Tische setzen während die PolizistInnen Namen, Geburtsdatum, Adresse in einen Laptop tippten. Sie brauchten eine Weile, sie waren nicht schnell beim Tippen. Sie sagten uns dass sie unsere Daten in drei verschiedenen Datenbanken gegenprüfen würden ob etwas gegen uns vorlag. Wenn dies nicht der Fall wäre, würden wir nach einer Stunde freigelassen. Über unsere Rechte klärten sie uns nicht auf.

Sie schoben uns daraufhin in Gitterzellen, die Käfige waren nach Frauen und Männern aufgeteilt. Nach einiger Zeit schlossen sie die Zellentür auf und leiteten uns zeitversetzt in kleinen Gruppen raus. Zivilpolizisten setzen sich mit uns in einen Kleinbus. ich war mir nicht sicher ob wir nun freigelassen würden oder in ein anderes Gefängnis gebracht würden. Sie machten üble Witze, zuerst sagten sie "ihr werdet freigelassen", dann "sag ihnen nicht, wohin sie gebracht werden, es soll eine Überraschung werden", "wir bringen euch aufs Land". Ich vermutete dass wir nach Champs-Dollon gefahren würden, ein Knast inmitten von Feldern ausserhalb von Genf. Statt dessen ließen sie uns tatsächlich frei, aber sie brachten uns in kleinen Gruppen nach Bertex (zu verschiedenen Zeiten), ein kleiner Vorort südwestlich von Genf, kurz vor Mitternacht. Wir fanden dann heraus dass die Busse zum Glück noch fuhren (einen verpassten wir) und nahmen einen Bus zurück nach Genf.

Gerade als der Bus nach Genf fuhr, raste eine große Zahl deutscher Polizeifahrzeuge (inklusive Bundesgrenzschutz) mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei, mitsamt zwei deutschen Wasserwerfern. Der Busfahrer sagte uns daraufhin, dass er leider nicht weiter fahren könne (zum Bahnhof) wegen den riots und hielt statt dessen in Jonction. Das war gar nicht mal so schlecht, so konnten wir direkt zum Legal Team in einem Gebäude unweit der Usine laufen. Wir schafften es sogar, das Tränengas und die Gummigeschosse auf dem Weg dorthin zu meiden.


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