von piquetero - 14.08.2002 03:06
http://germany.indymedia.org/2002/08/27696.shtml
'Wir werden diesen Schwachsinn nicht mehr länger hinnehmen -dies ist der Beginn des Ärgers, den sie gesucht haben.'
Etwa 150 Frauen haben am 8.7.2002 eine Anlage des Erdöl-Konzerns Chevron-Texaco in Escravos/ Niger Delta besetzt. Seitdem weiten sich die Besetzungen im Süden Nigerias aus.
Solidarität mit den rebellischen Frauen im Niger Delta!
'!YA BASTA!' oder so ähnlich werden sie vielleicht gedacht haben, als etwa 150 Frauen am 8.Juli 2002 eine Export-Plattform des Erdöl-Konzerns Chevron-Texaco in Escravos/ Niger Delta besetzt haben. Laut AP war Escravos im 17.Jahrhundert ein Sammelpunkt des europäischen Sklavenhandels, der Name leitet sich aus dem portugiesischen Begriff für 'Sklave' ab.
'Wir werden diesen Schwachsinn nicht mehr länger hinnehmen - dies ist der Beginn des Ärgers, den sie gesucht haben.' So wird die Besetzerin Anunu von der Frauenorganisation Niger Delta Women for Justice (NDWJ) zitiert.
(http://www.ndwj.kabissa.org/Escarvos_Protest/escarvos_protest.html)
Die Frauen aus den umliegenden Communities der Ijaw und Itsekiri stellten eine Reihe von Forderungen, wie Arbeit, Verbesserung der sozialen Versorgung und der Infrastruktur in ihren Gemeinden und die Beendigung der umweltverschmutzenden Praktiken des Konzerns. Mit der Zeit sind sie immer mehr geworden: mehr als 2.000 Frauen waren es schliesslich, die den gesamten Betrieb auf der Insel für 10 Tage lahmgelegt haben; die Landeplätze, Andockstellen und Zugänge wurden von ihnen blockiert. Mehr als tausend Arbeiter wurden daran gehindert, die Insel zu verlassen. Die nigerianische Regierung reagierte, indem sie Truppen nach Escravos mobilisierte. Die Firmenleitung entschied sich aber für Verhandlungen mit den Frauen, die damit gedroht hatten, sich nackt auszuziehen, als Geste der Beleidigung.
'Das ist keine Geiselnahme-Situation, das ist eine Besetzung', so ein Sprecher des Unternehmens.
Am 18.Juli haben die Frauen die Besetzung beendet, nachdem Chevron ihnen zahlreiche Zusagen gemacht hatte: die Beschäftigung von 25 Männern aus den Gemeinden der Besetzerinnen in einem Zeitraum von fünf Jahren, die Errichtung von Schulen, Wassersystemen, eines Gemeindezentrums und andere von den Frauen geforderte Einrichtungen. Ob die vertraglich gemachten Zusagen von Chevron tatsächlich eingehalten werden, steht auf einem anderen Blatt - die Frauen haben in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen mit solchen 'Memoranda of Understanding' gemacht.
Ein Sprecher von Chevron meinte danach zur Nachrichtenagentur IPS: 'Wir erwarten, dass die Vereinbarung dabei helfen wird, die jüngsten Besetzungen unseres Eigentums und unserer Einrichtungen durch ruhelose Jugendliche in der Region permanent zu beenden.'
Mit dieser Einschätzung hat er aber Pech gehabt: in den folgenden Tagen besetzten wieder hunderte Frauen mindestens vier weitere Terminals von Chevron im Niger Delta und stellten einen - Zitat AFP - 'beeindruckenden, aber wahrscheinlich unerfüllbaren Forderungskatalog' auf: Jobs für die Frauen der umliegenden Gemeinden, Errichtung von Schulen und Krankenhäusern, Elektrizitätsversorgung, eine Bücherei und mehr. In einem Interview mit Environmental Rights Action (ERA) sagt die 67-jährige Besetzerin Felicia: '[..] Sagt Chevron, dass wir keine Sklaven mehr sind. Auch Sklaven erkennen ihre Bedingungen und kämpfen für ihre Freiheit!'
Solidarische Unterstützung erhielten die Frauen vom Gewerkschaftsverband Nigeria Labor Congress (NLC), der in der Hauptstadt von Delta State, Asaba, für eine Demonstration am 20.Juli mobilisierte. Auch der Gouverneur von Delta State behauptete gegenüber AFP, dass er die Forderungen der Frauen unterstütze, wenn auch nicht deren 'Anwendung von Gewalt'. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die einzigen bewaffneten Menschen bei sämtlichen Besetzungsaktionen die Vertreter der Staatsgewalt waren. Die Anlagen von Chevron-Texaco, wie auch anderer Erdölkonzerne im Niger Delta, sind in der Vergangenheit häufig Ziel von militanten Besetzungsaktionen durch Jugendliche geworden. Die dabei gestellten Forderungen wurden von den Unternehmen ignoriert, stattdessen waren Chevron & Co. den Repressionsorganen bei der gewaltsamen Unterdrückung dieser Proteste behilflich. Als Jugendliche aus den Ilaje-Communities 1998 eine Chevron-Plattform besetzt hielten und soziale Verbesserungen forderten, wurden zwei Jugendliche von den Militärs ermordet, unzählige verwundet - und das ist alles andere als ein Einzelfall, auch wenn die Militärdiktatur 1999 formal für beendet erklärt wurde.
Die Besetzerin Josephine sagt zu ERA: 'Wir demonstrieren hier friedlich, ohne irgendwie bewaffnet zu sein, abgesehen von Blättern. [..] Wir haben diese Einrichtung besetzt, weil wir wütend sind. Wir sind wütend, weil wir seit 1970 - als das Unternehmen hierherkam - nichts vorzuweisen haben, als die Verschmutzung unserer Flüsse und Wasserläufe, die Zerstörung unserer Wälder und Mangroven, den Lärm und das Gasabfackeln. [..] Alle unsere Beschwerden und Proteste sind bei Chevron auf taube Ohren gestossen. [..] Uns wird das Recht als Menschen verweigert, auf Arbeit, auf eine saubere Umwelt usw. Wir werden hierbleiben, bis Chevron unsere Fragen beantwortet.'
AP zufolge wurde Ende Juli auch bei den späteren Besetzungen eine Einigung getroffen: Chevron versprach, 10 Leute aus der Umgebung zu beschäftigen, einige Teilzeitarbeitsverhältnisse in feste Anstellungen umzuwandeln, und auch hier den Bau von Schulen, Krankenhäusern und mehr.
Anfang August ist es nun zu einer erneuten Besetzung durch Frauen im Niger Delta gekommen. Am 8.8. besetzten etwa 3.000 Frauen aus Communities der Ijaw, Itsekiri und Ijaw Anlagen von Shell und Chevron-Texaco in Warri. Sie protestierten gegen die Ignoranz der Unternehmen gegenüber ihren sozialen und ökologischen Forderungen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen, als die Shell-Securities und Militärs die Frauen attackierten.
Laut indymedia-Nigeria wurden zumindest 10 Frauen verletzt, eine Frau wurde ins Koma geprügelt. Eine Frau ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben, nachdem ein Soldat auf sie geschossen hatte. ( http://nigeria.indymedia.org/front.php3?article_id=803)
Im Gegensatz dazu spricht die Zeitung Vanguard aus Lagos davon, dass 800 (!) Frauen bei den Auseinandersetzungen verletzt wurden, jedoch niemand getötet worden sei. Die Frauen klagen dem Vanguard zufolge an, dass seither 15 von ihnen 'verschwunden' seien - also entweder verhaftet oder von den Repressionsorganen ermordet. ( http://allafrica.com/stories/200208120457.html)
Laut This Day aus Lagos bestritt Shell Berichte über den Mord und verbreitete eine Erklärung, nach der es zu 'keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen' sei.
Quellen: Niger Delta Women for Justice, indymedia nigeria, indy germany, Inter Press Service, allAfrica.com (Vanguard); Agence France Presse, Associated press, BBC news
http://www.ndwj.kabissa.org
http://nigeria.indymedia.org
http://allafrica.com
http://www.corpwatch.org
[Ganz kurz für die StatistikerInnen: Nigeria ist das grösste Erdöl-produzierende Land Afrikas; im Weltmassstab liegt Nigeria an 6.Stelle und auf Position 5 bei den Exporten in die USA; Niger Delta ist der Bundesstaat Nigerias, in dem der weitaus grösste Teil des Erdöls in Nigeria gefördert wird ...]