Am 16. Sept. kam es zu einem brutalen Polizeiübergriff gegen Familien der indigenen Ava-Guaraní in Hipólito Irigoyen (Provinz Salta, N-Argentinien [Karte]), die ein Grundstück besiedeln wollten, das ihnen seit alters gehört, über das nominell jedoch eine Zuckerfabrik die Besitztitel hat. Sie besetzten das Land, weil ihre Siedlung regelmäßig überschwemmt wird und der Ort übervölkert ist, sich aber wegen der Zuckerrohrfelder derselben Firma nicht mehr ausdehnen kann.
Männer, Frauen und Kinder wurden geschlagen, die Polizisten simulierten sogar eine Erschießung und nahmen 22 Personen fest, von denen am nächsten Tag noch 2 in Haft waren.
Versammlung der Gemeinschaft auf ihrem alten Platz La Loma
Foto: Comunidad Indígena Estación El Tabacal, Indymedia Argentina.
Feature von imc argentina http://argentina.indymedia.org/features/pueblos/
Donnerstag, 18. Sept.
Mitglieder der Infanteriegarde und Polizisten in Zivil haben letzten Dienstag (16. 9.) die seit einer Woche von Mitgliedern dreier indigener Gemeinschaften der Ortschaft Hipólito Irigoyen (Prov. Salta, 10 km von Orán) durchgeführte Wiederinbesitznahme ihres angestammten Territoriums in einer Räumungsaktion beendet. Die Räumung wurde ohne Vorzeigen irgendeiner Gerichtsorder vorgenommen; die Guaraní wurden beleidigt und geschlagen, es wurde sogar ihre Erschießung simuliert. Ergebnis dieser Polizeiaktion: 24 Personen wurden verhaftet, unter denen sich auch Alte und Kinder befanden. Im Laufe des Mittwoch erlangten die meisten von ihnen ihre Freiheit wieder, zwei blieben weiter in Haft. Heute bei Tagesende blieb noch eine Person übrig.
Das umstrittene Land wird von der Zuckerrohrfirma (Ingenio) San Martín del Tabacal S. A., der Inhaberin der Besitztitel, als ihr Eigentum reklamiert. Die Guaraní geben dagegen an, daß die in der Gegend La Loma gelegenen Ländereien - ungefähr 3 000 ha. - nie von dem Unternehmen genutzt wurden und daß sie ihr angestammtes Land seien, das sie täglich zu ihrem Lebensunterhalt nutzen würden.
Auf Grund der in Hipólito Irigoyen zu verzeichnenden Bevölkerungsdichte betrieben die Mitglieder der indigenen Gemeinschaft der Guaraní Estación El Tabacal diesmal die endgültige Besetzung des Geländes zum Bau von Wohnungen. Im Laufe der Tage kamen Mitglieder der zwei anderen Gemeinschaften des Ortes hinzu. Zur Zeit der Räumung hatten sich schon 150 Familien eingetragen, die ihre Wohnhäuser in La Loma bauen wollten.
DRINGEND! BRUTALE REPRESSION DER AVA-GUARANÍ IN SALTAS: FRAUEN; ALTE UND KINDER VERHAFTET
von tk - Mittwoch, 17. Sept. 2003 07:53 pm
http://www.argentina.indymedia.org/news/2003/09/134601.php
Öffentliche Pressemitteilung, die mich als e-mail erreichte
Gestern wurde die indigene Gemeinschaft der Ava-Guaraní brutal aus LA LOMA, ihrem angestammten Territorium, vertrieben - Alte, Frauen, Männer und Kinder, mehr als fünfzig Personen sind in diesen Augenblicken in der Stadt Orán in inhaftiert, darunter auch Kinder.
Diese Geschehnisse wurden von Einheiten der lokalen Gendarmerie und der Polizei zwischen 18 und 20 Uhr vorgenommen, die nicht zögerten, alle Frauen und Kinder, die sich auf dem Platz befanden, anzugreifen. Dieses Vorgehen wurde ohne einen schriftlichen Gerichtsbeschluß durchgeführt, sondern nur durch einen Telefonanruf des Richters Blanco, der auf Ersuchen des Unternehmens Ingenio San Martín, an dem die Provinz Salta einen Aktienanteil besitzt, gehandelt haben soll. Die Polizeikräfte zwangen die Leute, sich zu versammeln und richteten ihre Feuerwaffen auf sie, wobei sie in die Luft schossen und hier beginnt die GROSSE REPRESSION. Am Ende sah man Kinder, Babys, Frauen, die sich umarmten, und Männer, alle wurden geschlagen und verhaftet.
Die Bmuruvicha Mónica Romera, eine Autorität der Genmeinschaft, war die erste, die sie mißhandelten, sie verhafteten sie zusammen mit der 88-jährigen Doña Haidee Cuñandipa und brachten sie fort.
Der Konflikt wird von der Zuckerplantage (Ingenio) San Martín erzeugt, die als feudales Unternehmen durch die Zwangsarbeit der indigenen Menschen, die seit Urzeiten in dieser Region lebten, hochgekommen ist
Die Ava Guaraní und Kollas mußten gezwungenermaßen diese Lage akzeptieren, um hier weiterleben zu können, aber jetzt will das Unternehmen zugunsten seiner Zuckerrohrpflanzung weiter abholzen, deshalb wollten sie die Räumung vornehmen.
Es ist nicht das erste Mal, daß so etwas in diesem Gebiet passiert. Schon 1997 ereigneten sich schwere Konflikte zwischen der indigenen Gemeinschaft des Volkes der Kolla-Tinkunaku und der Zuckerrohrfirma San Martín. In diesem Fall verhinderten die Gemeinschaften, daß schwere Maschinen auf ihr Territorium eindrangen, mit denen sie den Wald abholzen wollten. Dabei traten Polizei und Gendarmerie genauso auf.
Das Territorium der Ava Guaraní ist vor kurzem von der UNESCO zum Biosphärenreservat der Yungas erklärt worden, denn diese Region ist eine der reichsten des Landes an Artenvielfalt und sogar der Welt. Dieses Gebiet ist von den indigenen Gemeinschaften bewahrt und gepflegt worden. Das einzige, was sie wollen, ist ein würdiges Leben auf ihrem ureigenen Land zu führen.
Als die Verhaftungen vor sich gingen, besuchten die Familienangehörigen den Bürgermeister Dr. Nicanor Sosa; er erklärte, er wolle nicht in diese Angelegenheit verwickelt werden.
Wir appellieren an die Solidarität, daß diese Mitteilung weit in unserem Land und in der Welt verbreitet wird; wir bitten Sie, Solidaritätsschreiben an folgende Adressen zu schicken:
Gobernador de Salta, Dr. Romero, Presidente del INAI, Dr Julio Sosa
indigenasmedioambiente.gov.ar
Defensor del Pueblo de la Nación, Dr Eduardo Mondino
defensordefensor.gov.ar
Comunidad Indigena Guarani Estacion El Tabacal
cguaranieltabacalyahoo.com.ar
Av. Almirante Brown 156
4533 - Hipolito Irigoyen
Dr. Hernan Mascietti - Asesor legal
Lic. Guido Cazon - asesor tecnico
TEL: 03878 491163
Kontakt für weitere Information:
Comunidad Hipólito Irigoyen (genannt Orán)
Provinz Salta,
Sr. Guido Cazón oder Silva am Telefon
oder Gumercinda Romero
Weitere Information über die Räumung und Repression gegen die Ava Guaraní in Salta. (Telefon-Interview)
http://www.argentina.indymedia.org/news/2003/09/134746.php
por Pablo Indio ((i)) - Thursday September 18, 2003 at 11:16 AM
Am Dienstagabend haben Einheiten der Infanteriegarde Dutzende Familien der Ava Guaraní, die das Gelände von "La Loma" in der Ortschaft Hipólito Irigoyen, 10 km von Orán (Prov. Salta, Nordargentinien) besetzt hielten, angegriffen und vertrieben. Die Zuckerrohrfirma (Ingenio) San Martín del Tabacal S. A. beansprucht das Grundstück als ihr Eigentum. Am Tag darauf befanden sich noch zwei Personen in Haft.
In diesem Interview, das in den frühen Morgenstunden stattfand, gab uns Guido Cazón, der techniche Assistent der indigenen Gemeinschaft der Guaraní Estación El Tabacal zusätzliche Information über die Wiederinbesitznahme von Land, und die Lage der Verhafteten und der Ava Guaraní in der Ortschaft Hipólito Irigoyen.
- Erzähl mir mal, wie das alles anfing
- Die indigene Gemeinschaft der Guaraní geht davon aus, daß sie das volle Recht über ein Gebiet der Bergkette hat, das hier hinter dem Ort Hipólito Irigoyen liegt. Es ist ein Gebiet, wo die Zuckerrohrfirma San Martín del Tabacal theoretisch die Besitzrechte über das Gelände hat, aber sie machte nie davon Gebrauch, weil es Buschland ist. Die Guaraní lebten immer von dieser Tätigkeit, sie waren immer Sammler, Jäger und lebten vom Fischfang. Vor einer Woche faßten also die Leute den Entschluß, an diesem Ort zu wohnen, denn vor 40 Jahren waren sie von da weggeholt worden, von eben derselben Firma Ingenio San Martín del Tabacal.
- Wohin gingen sie, als sie damals vertrieben wurden?
- In das Dorf Hipólito Irigoyen, an verschiedene Orte, die heute die Stadt Hipólito Irigoyen bilden.
- Wie weit ist das Dorf von diesem Gelände entfernt?
- Man braucht nur einen kleinen Bergrücken hinaufzugehen, weiter nichts. Der Ort heißt einfach La Loma (= Bergrücken od. Hügel) und es sind 200 Meter eines Abhangs. Sie verloren ihre Wohnungen, aber nicht den Besitz, sie haben das Land weiter genutzt. Wir gingen zu Rechtsberatungen, von Rechtsanwälten und all das, und die Berater gaben uns ihre Sicht der Lage, und ihre Meinung ist, daß sie (die Guaraní) im Besitz des Landes seien. Deshalb trafen die Leute selbst die Entscheidung, wieder hinzugehen. So wohnten sie also dort und gestern nachmittag gab es einen Polizeieinsatz mit einem Haufen von Polizeikräften, und sie fingen an, die Leute anzugreifen, sie zu schlagen, sie zu mißhandeln, Frauen und Kinder zu schlagen.
- Wieviele Polizisten nahmen an dem Einsatz teil?
- Das ist nicht genau bekannt, aber es waren bestimmt mindestens 30 Polizisten von der Infanteriebrigade, örtliche Polizisten, welche von anderen Polizeiwachen in der Nähe, und es gab auch Polizisten in Zivil.
- Wieviel Hektar haben sie besetzt?
- Das kann ich dir nicht genau sagen. Der Rechtsanwalt hat uns am Anfang gesagt, daß wir ein Gebiet von etwa 2000 Hektar besäßen.
- Wann hat sich die Indigene Gemeinschaft der Guaraní Estación El Tabacal gebildet?
- Als Organisation bestehen wir seit circa eineinhalb Jahren, sind wir schon als juristische Person eingetragen. Der größte Teil der Gemeinschaft lebte in einem Vorort, einer Siedlung. Sie hatten ein großes Problem: jedes Mal wenn es regnete, gab es hier Überschwemmungen, es war immer der erste Ortsteil, der überschwemmt wurde, weil da ein abschüssiger Hang war, wie ein Gießbach, und das erste was überschwemmt wurde, war dieser Ortsteil.
- Gibt es andere indigene Organisationen in dem Ort?
- Ja, wir drei indigenen Gemeinschaften nahmen teil an dieser Besitzergreifung von El Tabacal. Die Indigene Gemeinschaft El Tabacal ging irgendwie mit der Fahne dabei voran, sie war diejenige, die die Initiative ergriff, und danach schlossen sich die übrigen Gemeinschaften allmählich an. Nicht wenig für eine Gruppe von Menschen, die keine Behausung hatten, die in diesem Stadtviertel wohnten, das immer überschwemmt wird. Denn in ein paar Monaten kommt schon die Regenzeit und sie haben dann wieder dasselbe Problem und verlieren alles was sie haben. So wollte man dem also zuvorkommen.
Wir machten eine Zählung der Leute, die einen Platz belegen sollten, einen Besitz, und wir hatten schon 150 Familien registriert, Es war eine allmähliche Inbesitznahme, es gingen nicht alle auf einmal, sondern die Leute gingen allmählich. Wie ich dir schon sagte, wir von der Indigenen Gemeinschaft El Tabacal ergriffen die Initiative, es werden ungefähr 20 Familien dort hingegangen sein, und danach die anderen Familien, die es nötig hatten. Die übrigen Familien schlossen sich dann an. So stieg die Zahl auf 150.
Wir hatten die Sache ziemlich organisiert, wir hatten gerade am Sonnabend ein Komitee für das Zusammenleben gebildet, wo die Oberhäupter aller Gemeinschaften drin waren, und das war das Organisationsteam zur Bearbeitung und Entscheidung aller Arten von Problemen.
- Hatten sie schon mit dem Bau von Wohnhäusern begonnen?
- Ja, sehr unzulänglichen zwar, aber immerhin. Es gab Leute, die nichts hatten, wo sie wohnen konnten, also gingen sie aus freien Stücken hin, um dort zu wohnen. Deshalb gab es dort Kinder, Babys, schwangere Frauen, alles.
- An welchem Tag führten sie die Wiederinbesitznahme durch?
- Wir nahmen am Dienstag voriger Woche Besitz von dem Land, ab der ersten Stunde fingen die Leute schon allmählich an. In Wahrheit, so sagten wir, hätten wir die Besitzung niemals verloren, sondern wir hatten nur aufgehört, darauf zu wohnen. Und dieses Mal gingen die Leute hin, um dort zu leben. In erster Linie wegen eines ernsten Problems der Übervölkerung, die es in dem Ort gibt. Das Dorf ist umgeben von Zuckerrohrfeldern, die der Zuckerfirma gehören. Es hat also keine Möglichkeiten sich auszudehnen.
- Wie ist die Lage der Verhafteten?
- Heute - dh. gestern, am Mittwoch - waren wir bei den Rechtsanwälten, um zu sehen, wie wir die Probleme der Verhafteten lösen könnten. Es gab 22 Verhaftete, 20 Männer und 2 Frauen. Die zwei Frauen waren die Vorsitzende der Guaraní-Gemeinschaft Mónica Romero und die stellvertretende Vorsitzende Haidee Cuñandipa. Am Morgen nahmen sie sich vor(?), vor allem die beiden mußten aussagen. Die Vernehmung(?) an diesem Vormittag ging wirklich sehr, sehr schleppend voran, so daß am ganzen Vormittag nur die 2 Frauen und 4 Männer aussagten. Wir bemerkten also dieses langsame Vorgehen, und wir machten dann folgendes: wir blockierten den Verkehr vor dem Gerichtsgebäude, denn die Zeit lief ab, und wenn wir es nicht sofort gemacht hätten, wären diese Leute noch einige Tage festgehalten worden.
Das waren die Familienangehörigen, die Freunde und die anderen Brüder der Gemeinschaft. Es waren mindestens an die 60 Personen, die die in Haft befindlichen Brüder (und Schwestern) unterstützten. Dann demonstrierten im Laufe der Zeit auch die Kaziken (Häuptlinge) der indigenen Gemeinschaften der anderen Ethnien der Region. Nachdem also diese Situation eingetreten war, hörte dann Richter Blanco ein paar Personen an, die in diesem Moment so was wie Repräsentanten der Gemeinschaft waren, und, na ja, dabei wurde nicht viel gesprochen. Ab 3 Uhr nachmittags ließen sie die zwei Frauen und 4 Männer frei, und dann abends um 10 eine Gruppe von 14 weiteren Personen. Heute sind noch 2 Personen in Haft. Einer ist gerade der, der am meisten geschlagen wurde, und sie leiteten ein doppeltes Verfahren gegen ihn ein (NB: die Person ist angeklagt wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt).
- Sollen die zwei Verhafteten morgen freikommen?
- Ja, es ist anzunehmen. Wir glauben, daß sie die zwei Verhafteten morgen freilassen. Ganz zuletzt brachten sie noch diesen Jungen, der so sehr geschlagen wurde, zur ärztlichen Untersuchung.
- Welche Aktionen wollen sie auf Grund der Räumung durchführen?
- Als erstes werden wir morgen eine Reihe von Maßnahmen vorbereiten, um zu sehen, wie wir erst einmal diese Strafsache zu Ende bringen, und dann versuchen, auf zivilrechtlichem Wege die Wiedergewinnung des Landes voranzutreiben.
- Bleibt denn die Entscheidung, das Land wieder in Besitz zu nehmen, weiterhin bestehen?
- Ja, mehr denn je. Das Volk der Guaraní hatte das Gefühl, sehr sehr unterstützt zu werden; sie fühlten sich sehr einig, es war ein wirklich dramatischer Augenblick. Die Guaraní und, wie ich denke, auch die übrigen indigenen Völker, sind ein sehr friedliches Volk, das alle legalen und friedlichen Mittel ausschöpfen wird, um sein Land wiederzugewinnen.
- Wieviele Einwohner hat der Ort?
- Ungefähr 12 000 Einwohner. Der Ort ist relativ neu, er existiert erst seit etwa 50 Jahren. Weißt du, die Geschichte des Ortes verlief etwa so: Die Zuckerfirma San Martín El Tabacal brauchte viele Arbeitskräfte für die Zuckerrohrernte und dazu verwendeten sie die Leute, die von anderen Dörfern herkamen und aus anderen Provinzen, vor allem aber die indigenen Bewohner dieser Gegend. Mit der Zeit blieben viele Leute da, es gab, was man Kolonien oder Siedlungen (colonias) nannte, mit Gruppen von Häusern, wo Familien wohnten, und so entstand der Ort.
- Und wie ist heute das Verhältnis zwischen den Guaraní und den übrigen Einwohnern des Dorfes?
- Weißt du, als gestern der Moment kam, wo man von dieser ganzen Situation erfuhr, machte das Dorf eine große Demonstration, sie waren bei der Polizeiwache und eine sehr große Gruppe von Leuten unterstützte die Gemeinschaft. Es war beeindruckend, das zu sehen, eine wirklich solidarische und beeindruckende Tat.