Boliviens Andenhochland zum Guerillagebiet erklärt. Gewerkschaft kündigt Generalstreik für Montag an
Felipe Quispe, genannt « Mallku » (Kondor), der wichtigste Anführer der Landarbeitergewerkschaft CSUTCB, erklärte am Donnerstag, daß die im Norden Boliviens lebenden Aymara im Konflikt mit der Regierung zu den Waffen gegriffen haben. Sie wollen ihr Land und die natürlichen Gasvorkommen vor dem neoliberalen Ausverkauf verteidigen.
« Ursprünglich gehörte uns Aymara das Land. Wir fordern, daß es uns zurückgegeben wird. Deswegen kämpfen wir für die Selbstbestimmung der Nation der Aymara in den Gebieten, wo wir zu den Waffen greifen », sagte der Bauernführer in einem Interview mit dem mexikanischen Sender Radio Universidad de Guadalajara. Die Einladung von Präsident Sanchez de Lozada zum Dialog schlug Quispe aus, da die Regierung weiter auf Repression setze. « Wir werden unsere radikale, revolutionäre Haltung beibehalten », versprach Quispe. Die Regierung verlangte als eine Bedingung für den Dialog von den aufständischen Bauern, die Straßenblockaden um die Hauptstadt La Paz aufzuheben. Die Bauern dagegen fordern, die gewaltigen Polizei- und Militäraufgebote, die an den Straßen stationiert wurden, abzuziehen.
« Vergangenen Samstag, als wir uns auf den Dialog mit Landwirtschaftsminister Guido Añez und Vizeregierungsminister José Luis Harb eingelassen haben, als wir die Agenda für diesen Dialog vorbereiteten, führte Verteidigungsminister Carlos Sánchez Berzaín in Warisata die Schlacht gegen uns. An jenem Tag mußten wir unser Schweigen brechen und zum ersten Mal das Feuer auf unsere Unterdrücker eröffnen », erklärte Quispe.
Vor einer Woche hatte der umstrittene Verteidigungsminister einen Rettungskonvoi für Touristen in die Region geschickt. Bei dessen Rückkehr stießen die Fahrzeuge von Militär und Polizei auf eine Straßenblockade der Landarbeiter in der Provinz Omasuyos, 90 Kilometer nördlich von La Paz. Dabei gingen die Uniformierten brutal gegen die Sperrung vor, töteten fünf Landarbeiter, mehr als 20 wurden verletzt (siehe jW vom 22.9.). Der Zusammenstoß in Warisata ereignete sich gerade zu dem Zeitpunkt, als sich nach der erste Mobilisierung im sogenannten « Krieg ums Gas » Felipe Quispe mit dem Landwirtschaftsminister traf, um die Aufhebung der Blockaden zu vereinbaren.
Die Opposition aus Aymara, Bauernorganisationen und Teilen der Gewerkschaften will den Export von bolivianischem Erdgas via Chile verhindern. Sie bemängelt an den Plänen der Regierung vor allem, daß das Gas zu für Bolivien ungünstigen Konditionen verschifft wird. Quispe will die Gasvorkommen verstaatlichen. « Das Erdgas gehört den Indigenen, es soll in Bolivien verarbeitet und erst dann an andere Länder verkauft werden. »
Quispe und seine Landarbeiterbewegung stellen sich offensichtlich auf einen längeren bewaffneten Konflikt ein. « Die gesamte Provinz Omasuyos steht unter Waffen. Die Weißen und Mestizen müssen uns in diesem Land respektieren », meinte Quispe. « Wir haben in einigen Gebieten nach und nach Leute ausgebildet. In kurzer Zeit könnte es dort so sein wie bei unseren zapatistischen Brüdern in Mexiko, bei der FARC in Kolumbien oder anderen revolutionären Organisationen, die immer noch überzeugt sind, daß man die Macht mit Waffengewalt ergreifen kann. »
Die Indigenen bedienen sich in dem Konflikt der zwei Arme der Landarbeiterbewegung: dem parlamentarischen in Gestalt von fünf Abgeordneten der indigenen Bewegung Pachacuti (MIP) einerseits sowie dem sogenannten « klandestinen Bolivien » andererseits. Die damit gemeinten mobilisierten Landarbeitern kontrollieren mittlerweile große Teile der Gebiete um La Paz. Die Straßenblockaden, die von Quispe im Hochland um La Paz angeordnet wurden, haben inzwischen zu Versorgungsengpässen in der Hauptstadt geführt. Der Gewerkschaftsdachverband COB kündigte an, die Proteste der Landarbeiter ab kommenden Montag mit einem Generalstreik zu unterstützen. Gefordert wird der Rücktritt von Präsident Lozada.
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