Bericht aus Econoticiasbolivia.com vom 22.9.03, 2 Tage nach dem Tod von fünf Menschen im bolivianischen Hochland
Ein regelrechter Waffenstillstand hat sich Montag bei Dämmerung im gebeutelten bolivianischen Hochland eingestellt, Schauplatz eines blutigen Aufeinandertreffens von Militär und Polizei die loyal zum Präsidenten Gonzalo Sánchez de Lozada stehen und Bauern, die seine ökonomische Politik ablehnen.
In Warisata, Achacachi und anderen Örtlichkeiten der Provinz Omasuyos, wo diesen Samstag (20.9.2003) fünf Zivilisten und zwei Soldaten erschossen wurden, weinte die Bevölkerung um ihre Toten und verwünschten ihr Schicksal und die neoliberale Regierung. Dort, auf über 4.000 Metern Höhe, sprechen die Männer und Frauen von einem unmittelbar bevorstehenden Bürgerkrieg, obwohl nur einige von ihnen ein paar alte Mauser-Gewehre besitzen, Erbe der nationalen Revolution von 1952 die den Frondienst und den Großgrundbesitz im Westen des Landes beendete.
"Bürgerkrieg, Bürgerkrieg", rufen sie vor den Fernsehkameras, die Wut und die Ohnmacht derer aufnehmend, die massakriert wurden, weil sie sich dem Export des Gases entgegenstellten, ein Geschäft, das dem transnationalen Konsortium Pacific LNG 1.300 Millionen Dollar einbringen würde und nur 40 - 70 Millionen dem bolivianischen Staat.
"Wir wollen Gerechtigkeit. Mein Mann hat um 4 Uhr nachmittags das Haus verlassen und ich habe ihn seitdem nicht wiedergesehen", klagt die Witwe eines der gefallenen Bauern. Sie spricht auch von Bürgerkrieg, glaubt, dass das der Ausweg ist, auch wenn sie vorher die Einheit fordert und dass man sie nicht alleine lässt, wie es fast immer passiert.
In den Städten, besonders in La Paz und Cochabamba, wo sich die Hauptführer der Central Obrera Boliviana (COB) (Bolivianische Arbeiter Zentrale) des Minenarbeiters Jaime Solares, der Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB) (Bauerngewerkschaft) des "Mallku" (Aymara-Häuptling) Felipe Quispe und des Movimiento al Socialismo (MAS) (Bewegung zum Sozialismus) von Evo Morales befinden, haben die Proteste und Mobilisierungen den Worten (wenn auch drohenden) den Weg überlassen.
Evo, Chef des MAS, ist direkt: der Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada hat zwei Möglichkeiten, entweder er wechselt seine Handlungsweise und holt das Gas für die Bolivianer zurück oder er verlässt die Regierung. Es gibt keine andere Möglichkeit, sagt er.
Ein anderer der Führer des Estado Mayor del Pueblo, Oscar Olivera, der fabril (Fabrikarbeiter?) der einen quasi Volksaufstand in Cochabamba angeführt hat, beim sogenannten "Krieg ums Wasser", wiederholt dieselben Worte und instruiert die sozialen Organisationen sich vorzubereiten. "Bis jetzt gibt es noch keine Mobilisierungen, wir müssen uns organisieren", signalisiert er.
Dieser Prozeß der Organisation hat schon begonnen. Die COB, die CSUTCB, die Coordinadora del Gas und der MAS haben beschlossen, zusammenzuarbeiten um für Bolivien die natürlichen Gasvorkommen zurückzugewinnen, ein Reichtum, der mit über 80.000 Millionen Dollar beziffert wird und der den Transnationalen überlassen wurde durch ein illegales und geheimes Dekret, unterschrieben von Sánchez de Lozada wenige Tage bevor er sein erstes Präsidentschaftsmandat vor sechs Jahren verließ.
Die Gewerkschafter wollen die wachsende Empörung des Volkes über die offizielle Gaspolitik und das Projekt der Transnationalen Konzerne in Organisation umwandeln. Vergangenen Freitag (19.9.2003) haben mehr als 150 Tausend Bolivianer in den wichtigsten Städten des Landes demonstriert und Sánchez de Lozada eine Frist von einem Monat gegeben um das Export-Projekt zu annulieren. Wenn er den Forderungen nicht nachkommt, haben sie damit gedroht, einen Generalstreik für unbestimmte Zeit zu beginnen, die Straßen zu blockieren und zivilen Widerstand zu leisten.
Die Bedrohung ist latent und besorgt Menschenrechtsorganisationen und die katholische Kirche. Inzwischen hat die bolivianische Regierung versucht, die Sprache des Krieges, die sie bis heute Mittag benutzt hat, beiseite zu lassen. Die Drohungen einer militärischen Intervention der Blockaden der Bauern, die an verschiedenen Orten des Hochlandes durchgeführt werden, haben einer neuen Initiative Platz gemacht, die der öffentlichen Meinung zeigen soll, dass die Regierung die Begegnung und die Befriedung sucht.
So haben heute Nachmittag die Führer von allen Parteien der Regierungskoalition einen Brief mit Vorschlägen unterzeichnet, der von der Kirche ausgearbeitet worden ist und in dem einige Teilzugeständnisse an die politische und gewerkschaftliche Opposition gemacht werden.
Nichtsdestotrotz wurde die Unterzeichnung dieses Dokumentes, das schon im Vorfeld von MAS von Evo Morales abgelehnt wurde, von derselben Katholischen Kirche als unberechtigt zurückgewiesen, die vielmehr diese Aktion der Regierung als einen plumpen Versuch einschätzt, den guten Glauben und das Image der Kirche zu benutzen um wenigstens etwas die spärliche Glaubwürdigkeit der offiziellen Koalition wiederherzustellen, welche diese nach dem "Hochland-Massaker" hat.
Quelle: Redaccion de Econoticiasbolivia.com (22/09/2003 23:42) http://bolivia.indymedia.org/es/2003/09/2625.shtml
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