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Reaktionen in Chile

Straßenschlachten nach Pinochet-Tod

Süddeutsche Zeitung | 11.12.2006 07:30 Uhr

Pinochets Anhänger trauerten, während seine Gegner feierten. In der Hauptstadt Santiago und zehn weiteren Regionen des Landes kam es zu Unruhen. In Santiago setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein.

Nach Behördenangaben wurden in der Hauptstadt Santiago de Chile mindestens sechs Polizisten verletzt, als sie versuchten, Gegner des Ex-Generals daran zu hindern, auf den Platz vor dem Präsidentenpalast La Moneda vorzudringen. Nationale Medien berichteten hingegen am frühen Morgen, es seien insgesamt 24 Polizisten und eine unbekannte Zahl von Demonstranten verletzt worden. Mehrere Dutzend Demonstranten seien zudem festgenommen worden.

In Santiago de Chile zogen etwa 5000 Pinochet-Gegner über die Hauptverkehrsstraße Alameda auf den Präsidentenpalastzu. Sie feierten den Tod des Diktators mit Champagner und Jubelchören. Die Kundgebung verlief zunächst friedlich. Manche Demonstranten hielten sich mit ihrer Freude über den Tod des Ex-Machthabers nicht zurück, feierten die "Befreiung Chiles" und riefen "Es ist Karneval! Der General ist tot!".

Als die Polizei die Menge mit Wasserwerfern und Tränengas am Marsch auf den Präsidentenpalast hindern wollte, warfen Demonstranten mit Steinen und Flaschen nach den Sicherheitskräften. Andere rissen Ampelanlagen nieder und zerstörten Fensterscheiben. Es gab mehrere Festnahmen. Auch in anderen chilenischen Städten gab es laut Polizei Kundgebungen von Pinochet-Gegnern. Diese verliefen weitgehend friedlich.

Vor dem Militärhospital, in dem Pinochet an den Folgen eines vor einer Woche erlittenen Herzinfarktes am Sonntag gestorben war, harrten unterdessen weiter etwa 1000 seiner Anhänger aus.

Kein Staatsbegräbnis

Der Leichnam Pinochets wurde in die Militärakademie überführt. Dort solle er bis zur Beisetzung aufgebahrt werden. Pinochet soll am Dienstag eingeäschert und beigesetzt werden. Ein Staatsbegräbnis werde es aber nicht geben, entschied Bachelet, die selbst während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) gefoltert worden war.

Als ehemaliger Oberbefehlshaber der Armee wird Pinochet lediglich mit militärischen Ehren beigesetzt werden. Eine Staatstrauer sollte es ebensowenig geben. In den Kasernen wurde allerdings Halbmast geflaggt.

Pinochet war Ende November im Zusammenhang mit Ermittlungen im Fall der "Todeskarawane" erneut unter Hausarrest gestellt worden. Die Justiz ermittelte dabei wegen der Verschleppung zweier Menschen während eines Militäreinsatzes gegen Oppositionelle nach dem von Pinochet im September 1973 angeführten Putsch gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende.

Militär und Polizei töteten während Pinochets Gewaltherrschaft von 1973 bis 1990 laut Schätzungen mehr als 3000 Menschen. Laut einem offiziellen Bericht wurden bis zu rund 30.000 Pinochet-Gegner eingesperrt und gefoltert.

Amnesty fordert schnellere Gerichtsverfahren

Unterdessen forderte Amnesty International schnellere Gerichtsverfahren bei Verbrechen wegen Menschenrechtsverletzungen. Wie die Menschenrechtsorganisation in London auf ihrer Internetseite schrieb, sollte der Tod Pinochets ein "Weckruf" für die Regierungen Chiles und anderer Länder sein. Pinochet sei durch seinen Tod der Justiz entkommen.

Der Tod des früheren Diktators dürfe aber nicht das "dunkelste Kapitel" in der chilenischen Geschichte abschließen. Amnesty forderte die Regierung in Santiago auf, das noch unter Pinochets Diktatur erlassene Amnestiegesetz aufzuheben und somit die Untersuchung tausender anderer Fälle von Menschenrechtsverletzungen unter der Diktatur (1973-1990) zu ermöglichen.

Die Familien der Opfer und die Überlebenden müssten wissen, was geschehen sei. Sie brauchten Gerechtigkeit, schrieb Amnesty.

Thatcher betrübt über Tod

Von Pinochets einstigen Verbündeten äußerte nur die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher Trauer über den Tod des Generals. Die USA, die Pinochets Militärherrschaft viele Jahre stillschweigend duldeten, bezeichneten Pinochets Herrschaft "als eine der schwierigsten Perioden der Geschichte dieser Nation", wie der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Fratto, mitteilte. "Unsere Gedanken sind mit den Opfern seiner Herrschaft und deren Familien", sagte er.

Wie Fratto würdigte auch die britische Außenministerin Margaret Beckett die Leistung des chilenischen Volkes, seit Pinochets Abgang 1990 eine "offene, stabile und blühende Demokratie" aufgebaut zu haben. Amnesty forderte, aus dem Fall Pinochet Konsequenzen für eine künftig effektivere Strafverfolgung von Menschenrechtsverstößen zu ziehen.

Brasiliens Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte in einer ersten Reaktion, Pinochet habe "eine düstere Periode in der Geschichte Südamerikas" symbolisiert. In jener Zeit habe es in der Region "eine lange Nacht" gegeben, in der "die Lichter der Demokratie durch autoritäre Staatsstreiche gelöscht wurden", schrieb Lula.

Die kolumbianische Regierung betonte, in Chile sei eine Epoche zu Ende gegangen. Die Geschichte werde das Urteil über Pinochet fällen, sagte ein Sprecher in Bogotá.

(AP/AFP/dpa)


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