Ecuador/ Peru: Indigenas vom Friedensschluss betrogen [Quelle: http://www.berlinet.de/poonal/ ] ECUADOR/PERU Indigenas fühlt sich vom Friedensschluss zwischen Peru und Ecuador betrogen Rohstoffabbau bedroht "grüne Lunge" Von Blanca Diego (Quito, 13. Juli 2000, npl).- Die südamerikanische Amazonasregion ist die größte "grüne Lunge" der Welt. Das Urwaldgebiet erstreckt sich über 6,5 Millionen Quadratkilometer und bedeckt rund ein Viertel des südamerikanischen Subkontinents. 25 Prozent der globalen Niederschläge und mindestens 13 Prozent des weltweiten Sauerstoffbedarfs werden hier "produziert". Gleichzeitig gehört "Amazonien" zu den am meisten bedrohten Klimaregulatoren der Erde. Seit Jahrhunderten werden hier große Flächen zur Gewinnung von Edelhölzern gerodet. Eine wachsende Gefahr für das regionale Ökosystem sind zudem die transnationalen Bergbauunternehmen, deren Interesse den immensen Gold-, Erdöl- und Kupfervorkommen gilt. Inmitten der grünen Lunge verläuft die 1.700 Kilometer lange Grenze zwischen Ecuador und Peru, eine an Mineralien und Edelmetallen besonders reiche Region, die seit 1941 Schauplatz permanenter bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten war. Am 26. Oktober 1998 unterzeichneten die Regierungen von Ecuador und Peru unter Vermittlung von den USA, Brasilien, Chile und Argentinien einen Friedensvertrag. In dem lange umkämpften Gebiet der Condor-Kordillere, in dem größere Uranvorkommen vermutet werden, war es zuletzt 1995 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ecuadorianischen und peruanischen Truppen gekommen. Seit Jahrhunderten bewohnt wird das Berggebiet auf beiden Seiten der Grenze vor allem von den rund 100.000 Shuar-Indigenas. Ganze Gemeinden und sogar viele Familien wurden mit dem Beginn des Grenzkrieges vor 50 Jahren getrennt. Heute stimmen die Shuar auf beiden Seiten der Grenze darin überein, dass sie beim Friedensschluss zwischen Ecuador und Peru betrogen wurden. In den Abkommen sind keinerlei Entschädigungsleistungen für die am stärksten durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogene Indigena-Bevölkerung vorgesehen. "Uns wurden von den Soldaten unsere Höfe, Tiere und Häuser weggenommen. Sie haben sich alles angeeignet und wir warten bis heute darauf, dass sie es uns zurückgeben." Silvero Jindiach, Präsident der Föderation der Shuar-Zentren, eine Organisation, der die Mehrheit der Shuar von Ecuador angehört, ist verbittert. "Außerdem", fährt er fort, "haben sich hier Epidemien ausgebreitet, die durch die chemischen Kampfstoffe, die im Krieg verwendet wurden, verursacht werden." Ebenso wenig wurden politische Zugeständnisse an die indianischen Gemeinschaften in die Abkommen aufgenommen, wie die Möglichkeit zur autonomen Verwaltung ihrer Gebiete oder die Anerkennung ihrer regionalen Souveränität. Im Gegenteil: Im Fall von Peru wurden in dem von den Shuar bewohnten Grenzgebiet sogar neue Wohnkolonien für die ehemals dort stationierten Soldaten gebaut. Angaben der lateinamerikanischen Assoziation für Menschenrechte (ALDHU) zufolge, wurden in dem jahrzehntelangen Grenzkonflikt Hunderte von Quadratkilometern tropischen Regenwaldes zerstört und indianische Gemeinden systematisch vertrieben. Zudem befinden sich nach wie vor rund 20.000 nicht deaktivierte Minen in den traditionellen Jagd- und Anbaugebieten der Shuar. Ein lange Zeit auch von den Shuar selbst tabuisiertes Thema sind die Zwangsrekrutierungen von männlichen Indigenas durch die Militärs der kriegführenden Staaten. Auf einem binationalen Treffen der Shuar- Bevölkerungen, das kürzlich in Ecuador stattfand, berichtet Telmo Narankas von der Vereinigung der Shuar der Gemeinde Nangaitz erstmals über diese Praxis. "Ich habe 1981 gekämpft. Wir wurden gezwungen, gegen unsere indianischen Brüder und Schwestern auf der anderen Seite der Grenze 'unser Land zu verteidigen', in einem Krieg, den wir nicht zu verantworten hatten." Juan de Dios Parra ist der Ansicht, dass das Friedensabkommen zwischen Ecuador und Peru vor allem den USA nützt: "Es ist offensichtlich ein von ihnen durchgesetzter Frieden", meint der Leiter von ALDHU. Er fasst die dahinter stehenden Interessen zusammen: "Für die Geostrategie der USA ist es wichtig, die Gegend als Reserve für Naturvorkommen unter Kontrolle zu behalten." Vor allem solle der Zugriff der USA auf die verschiedenen Grundstoffe zur Energieversorgung der beiden Länder gewährleistet bleiben: "Durch den Friedensschluss wird eine effektivere Ausbeutung und Weiterverarbeitung der Öl- und Kohlenwasserstoffvorkommen für Ecuador und Peru ermöglicht, betrieben von mehrheitlich US-amerikanischen Unternehmen." Nicht zuletzt hätten die jahrzehntelangen Kriegshandlungen auch den unendlichen und einzigartigen Artenreichtum der Region ernsthaft gefährdet, "aber vor allem", so Dios Parra weiter, "Forschung und Gen-Registrierung der internationalen Patentmafia behindert." Um gemeinsam für ihre Autonomierechte, für Entschädigungszahlungen und den Schutz ihrer Lebensräume zu kämpfen, haben die indianischen Bevölkerungen Amazoniens seit Friedensschluss verschiedene Organisationen gegründet und führen regelmäßig binationale Treffen durch. Die Hoffnung der indianischen Bevölkerungen des Amazonasgebietes zwischen Ecuador und Peru liegt nun in einer Zugangsbeschränkung für Holz- und Bergbauunternehmen zu ihren Territorien, die sie kürzlich gemeinsam bei den Regierungen beider Länder beantragt haben. Unterdessen arbeiten die Shuar-Verbände an einem umfassenden Bildungs- und Ausbildungsprogramm für jugendliche Indigenas, um langfristig die politische und ökonomische Kontrolle über die Region wieder zu erlangen.