archivos de los protestos globales
archives of global protests

»Alle sollen gehen«
Alexandra Cortés (npl) - 22.04.2005
www.jungewelt.de

Ecuador: Präsident abgesetzt. Protestbewegung fordert nun Auflösung des Parlaments

Das ecuadorianische Parlament hat am Mittwoch abend (Ortszeit) den Präsidenten Lucio Gutiérrez abgesetzt und dessen Stellvertreter Alfredo Palacio zum Nachfolger bestimmt. Vorausgegangen waren wochenlange Massenproteste gegen die Regierung. Gutiérrez, der sich bis zuletzt weigerte, von seinem Amt zurückzutreten, hält sich Angaben des Außenministeriums in Brasilia in der brasilianischen Botschaft in Quito auf. Der geschaßte Staatschef habe in Brasilien um Asyl gebeten, hieß es. Ein Teil der außerparlamentarischen Protestbewegung fordert laut des kolumbianischen Fernsehsenders RCN nun die Auflösung des ecuadorianischen Parlaments.

Die Absetzung des ehemaligen Militärs Gutiérrez wurde von 60 der 100 Parlamentarier beschlossen. Die Abgeordneten rechtfertigten ihre Entscheidung damit, daß Gutiérrez mit der Verhängung des Ausnahmezustandes am vergangenen Wochenende die Verfassung verletzt und das Agieren paramilitärischer Gruppen gegen die Protestierenden gefördert habe. Der Kongreß habe dies als »Verlassen des Amtes« interpretiert, wie Luis Villacís, Abgeordneter der »Demokratischen Volksbewegung«, erklärte. Nach Bekanntwerden der Entscheidung der Parlamentarier kündigte der ecuadorianische Justizminister, Nelson Herrera, an, auch die Streitkräfte hätten Gutiérrez die Unterstützung entzogen. Von einer »illegalen Entscheidung des Parlaments« sprach hingegen ein Sprecher des bisherigen Präsidenten.

Der neue Präsident Palacio wurde noch am Mittwoch kurz nach Gutiérrez' Amtsenthebung vereidigt. Während der ersten Pressekonferenz im Verteidigungsministerium erklärte der 66jährige Kardiologe, eine verfassungsgebende Versammlung einberufen zu wollen. Er betonte, mit seinem Amtsantritt sei Ecuador »zur Verfassung zurückgekehrt« und der Grundstein für eine »Neugründung der Republik« gelegt worden. Die Armee versprach dem neuen Präsidenten Loyalität und rief die Bevölkerung zur Ruhe auf.

Dennoch scheinen die Proteste auf den Straßen nicht abzuflauen. Nachdem am Dienstag und Mittwoch erneut und schließlich erfolgreich Hunderttausende in der Hauptstadt Quito den Rücktritt des »Diktators Gutiérrez« gefordert hatten, wurde auch dessen Nachfolger Palacio nach seiner Vereidigung am Mittwoch von mehreren tausend Demonstranten bedrängt. Sie forderten auch die Auflösung des Parlaments. So lautete eine der am häufigsten gehörten Parolen während der Straßenblockaden und Demonstrationen auch: »Que se vayan Todos« - »alle sollen gehen.« Luis Macas, Präsident des während der Proteste der vergangenen Wochen besonders stark vertretenen Dachverbandes der indigenen Organisationen Ecuadors (CONAIE), erklärte bereits vergangene Woche, Ziel seiner Organisation sei nicht nur der Rücktritt des Präsidenten, sondern die Bildung eines »autonomen politischen Blocks gegen alle oligarchischen Kräfte und ihre politischen Parteien«. Man werde die Proteste, so Macas weiter, »solange fortsetzen, bis die Regierung und das politische Establishment gegangen sind.«

Hintergrund für die politische Krise in dem Andenland war eine von Gutiérrez durchgesetzte Neubesetzung des Obersten Gerichtshofes sowie des Verfassungs- und Wahlgerichtes mit regierungstreuen Amtsträgern im Dezember 2004. Gutiérrez hatte mit dieser Maßnahme versucht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen sich zu verhindern.


ecuador | www.agp.org