Die Regierung von González Macchi gerät ins Schwanken

Von Marlon Carrión C.
http://www.npla.de/poonal/P526.htm#pa

(Asunción, 7. Juni 2002, alai-poonal).- Nach einer dreiwöchigen ununterbrochenen Protestwelle, die sich über das gesamte Land erstreckte, versucht die Regierung von Präsident Luis González Macchi nun, die Lage unter Kontrolle zu bringen und die öffentliche Ordnung wieder herzustellen.

Schritt für Schritt nahm das Regierungsoberhaupt von seinen bisher geplanten Änderungen Abstand, um sich an der Macht zu halten. Zunächst zog der Kongress einige Gesetzesvorhaben zurück: ein von der US-Botschaft in Asunción eingefordertes Antiterror-Gesetz, ein Gesetz zur Fusion der staatlichen Banken, das diese zur Privatisierung freigeben sollte und von der Regierung in Zusammenarbeit mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank erarbeitet worden war, sowie ein Gesetz zur Privatisierung des paraguayischen Straßennetzes. Weiterhin wurde von der Erhebung einer Mehrwertsteuer auf landwirtschaftliche Produkte abgesehen, die vom Finanzministerium gefordert worden war.

Angesichts dieser Entscheidungen beschloss der Demokratische Volkskongress, die Straßenblockaden zu beenden. Allerdings warnte man davor, dass man wachsam und in permanenter Mobilisierung bleiben werde, um auch die noch ausstehenden Punkte des Forderungskatalogs durchzusetzen: die Streichung des Allgemeinen Privatisierungsgesetz 1615 und die Ablehnung des Verkaufs der Paraguayischen Telekommunikationsgesellschaft Copaco.

Die Bauernverbände hatten jedoch eigenständig entschieden, ihren Protest nach Asunción zu tragen. Sie organisierten einen Sternmarsch auf die Hauptstadt. Die Regierung reagierte, in dem sie das Militär zur Unterstützung der Polizei mobilisierte. Die darauf folgenden Zusammenstöße waren unvermeidbar. Vor der Stadt Coronel Oviedo, 150 km östlich von Asunción, eröffneten am Abend des 4. Juni etwa 400 Polizisten das Feuer auf die Bauern. Der Bauer Calixto Cabral wurde durch die Schüsse getötet, ein anderer schwer verletzt. Zudem gab es weitere leichte Schussverletzungen und Dutzende von Verhaftungen.

Die Reaktion der Bevölkerung und der im Demokratischen Volkskongress zusammengeschlossenen Organisationen ließ nicht auf sich warten. Die Proteste wurden ausgeweitet und der Rücktritt des Innenministers, Francisco Oviedo, und des Generalstaatsanwalts, Oscar Latorre, gefordert. Sie seien die direkten Verantwortlichen für die Repression der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten.

Macchi wich daraufhin einen weiteren Schritt zurück und verfügte bis auf weiteres die Aussetzung des Verkaufverfahrens der staatlichen Telefongesellschaft. Das aber führte dazu, dass ihn seine Parteigänger für einen schwächlichen Staatsmann halten, der dem Druck der Straße nicht standhält und unfähig sei, das Land in kritischen Situationen zu regieren.

Der Präsident der Zentralbank von Paraguay beklagte sich über die Entscheidung des Staatsoberhauptes und wies darauf hin, dass der Nicht-Verkauf von Copaco die Abkommen mit dem IWF gefährden werde. Dies würde die seit 1995 andauernde wirtschaftliche Krise noch verschärfen.

Schon wurde die Forderung nach einem Amtsenthebungs-Verfahren und der Absetzung von González Macchi gestellt. Ein entsprechender von der oppositionellen Radikalen Liberalen Partei (Partido Liberal Radical Auténtico) des Vizepräsidenten Julio Franco eingebrachter Antrag wurde von einzelnen Abgeordneten der regierenden Colorado-Partei sowie den Parteien País Solidario und Patria Querida getragen. Hunderte Bauern, Indígenas, Lehrer, Studenten, Arbeiter, Angestellte und Delegierte von Volksbewegungen und Gewerkschaften haben den Platz gegenüber dem Kongresshaus in Asunción besetzt. Sie fordern ebenfalls den Rücktritt des Colorado-Präsidenten, dem sie Korruption und Unfähigkeit bei der Führung der Staatsgeschäfte vorwerfen.

Nach dem Blutvergießen hatte sich auch der Gewerkschaftsdachverband CNT aktiv den Protesten angeschlossen und zunächst den unbefristeten Generalstreik ausgerufen. Die Regierung und der Kongress wurden aufgefordert, von weiteren Versuchen abzusehen, die noch vorhandenen staatlichen Betrieben zu verkaufen, die Repression zu beenden und die Schuldigen am Tod von Calixto Cabral zu bestrafen. Zusätzlich wurde die Beendigung des Streikes an die Bestrafung der Verantwortlichen, die aus dem Verkauf der Telefongesellschaft Copaco Profit ziehen wollten, geknüpft.

Dann warteten die Arbeiter das Ergebnis der Entscheidung über das Privatisierungsgesetz 1615 ab - und gewannen: der Kongress beschloss, das Gesetz aufzuheben, mit dem die rechtliche Grundlage für den Ausverkauf der Telefongesellschaft, der Wasserversorgung und der Eisenbahn geschaffen wurde. Ein Gesetz, das mit nach Korruption stinkenden Verfahren verabschiedet wurde. Mit dieser Entscheidung verhinderten die Abgeordneten den Generalstreik.


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