Von Jim Cason und David Brooks (La Jornada)
http://www.npla.de/poonal/P519.htm
(Washington/Mexico DF, 14. April 2002, comcosur-poonal). Welche Rolle die US-amerikanische Regierung genau beim versuchten Putsch in Venezuela spielte, lässt sich bis heute noch nicht sagen. Dennoch mehren sich die Indizien dafür, dass die Washingtoner Regierung erheblich in die Ereignisse vom 11. bis zum 13. April involviert war. So ließ etwa die Washington Post wissen, man habe gewusst, dass der Sturz von Staatschef Hugo Chávez seit sechs Monaten geplant sei. Schon vorab habe sich der Luftwaffenoberst Pedro Soto mit US-amerikanischen Behörden getroffen.
Der Nachrichtendienst Stratfor, ein privater CIA, in dem Ex-Geheimdienstler arbeiten, informierte dieser Tage: "Unsere Stimmen in Venezuela und den USA berichten, dass der CIA von dem geplanten Putsch wusste und möglicherweise den Ultrakonservativen und Militärs dabei half." Nach Informationen der mexikanischen Tageszeitung "La Jornada" haben noch laufende Untersuchungen ergeben, dass James Rodgers, ein Oberst des US-Militärs, während der Ereignisse unter den Putschisten war.
Washington machte aus seiner langwährenden Missachtung gegenüber Chávez wegen dessen "anti-amerikanischen" Äußerungen nie ein Geheimnis. Die Wut der Amerikaner trat offen ans Licht, als im vergangenen Oktober deren Botschafterin Donna Hrinak zu Gesprächen nach Washington abberufen wurde. Die Abberufung war eine Reaktion auf die Kritik von Chávez am Krieg der Vereinigten Staaten gegen Afghanistan. Der venezolanische Staatschef bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass "Terror mit Terror bekämpft wird" und zeigte Fotos toter Kinder.
Wenig später teilte ein amerikanischer Beamter den amerikanischen Medien mit, die Botschafterin habe bei ihrer Rückkehr nach Caracas ein schwieriges Treffen mit Chávez absolviert. Sie habe ihm mitgeteilt, dass er bei solch wichtigen Angelegenheiten den Mund zu halten habe. Im Februar diesen Jahres brachten das US-Außenministerium und der CIA ihre "Sorge" um Chávez und seine politischen Machenschaften zum Ausdruck. Zu diesem Zeitpunkt beschuldigte man ihn bereits, verdächtige Beziehungen zu US-feindlichen Länder, u.a. zu Kuba zu halten. Im selben Monat teilte der Staatssekretär Colin Powell dem Kongress mit, dass Chávez "merkwürdige" Länder besuche. Er bezog sich dabei auf die Reisen des venezolanischen Staatschefs nach Libyen, Iran und Irak bezog - alles Länder, die laut den Vereinigten Staaten den Terror schüren.
Des weiteren beschuldigte Powell den Venezolaner, Beziehungen zu den kolumbianischen FARC zu haben. Zur selben Zeit hatte die US-amerikanische Regierung ihre Sorge über die Zuspitzung der politischen Krise in Venezuela zum Ausdruck gebracht. Vor allem die möglichen Folgen auf die Versorgung mit Rohöl durch den drittgrößten ausländischen Lieferanten spielten hier eine große Rolle. Die Folgen für die Region ließ man dabei außer Acht.
In einem im Februar in der Washington Post veröffentlichten Artikel prognostizierte ein Beamter des Außenministeriums, dass Venezuela sich in einer "prekären und gefährlichen Lage befindet". Wenn "Chávez die Dinge nicht schnell regelt", werde er seine Amtszeit nicht beenden. Gleichzeitig bestätigte ein weiterer Beamter, dass die Vereinigten Staaten sich möglichst nicht in die Situation einmischen wollen: "Wir werden keine Lösung anbieten". In dieser Stimmungslage wiederholte der Sprecher des Außenministeriums in Washington: "unserer Position bleibt bestehen... die demokratischen Institutionen Venezuelas und anderer Länder sind zu respektieren und jeder Wechsel muss verfassungsrechtlich und demokratisch verlaufen".
Heute, zwei Monate später, fällt es schwer, diese Linie nach den Ereignissen in Venezuela weiter zu verfolgen. Deshalb ist die Nachricht der Regierung Bushs auch nicht eindeutig. Sie erklärt aber Chávez aufgrund der Unterdrückung der Gegendemonstrationen sowie der Zensur der Massenmedien verantwortlich für die Krise. Washington hält sich aber darüber bedeckt, welches die Lösungen der Krise hätten sein können und ob es rechtmäßig ist, den demokratischen Prozess in einem demokratischen Land auszusetzen.
In diesem Sinne verbreiteten auch fast alle Kommunikationsmedien die Nachricht, Chávez sei zurückgetreten (in einigen Ausnahmenfällen wurde festgehalten, dass die Militärs von einem Rücktritt sprachen). Fast kein nationales Medium brachte die Geschehnisse in einem Zusammenhang mit einem Staatsstreich. Zum Glück der Politiker wurde auch kein Druck ausgeübt, die Ereignisse zu kommentieren, da sich das Hauptinteresse fast ausschließlich auf die Krise im Nahen Osten konzentrierte.
Venezuela | IMF/ WB | actions 2002 | www.agp.org (archives) | www.all4all.org