von Redglobe - 18.08.2002 11:50
http://de.indymedia.org/2002/08/27869.shtml
Mit einer deutlichen Radikalisierung und der Forderung nach einer "Vertiefung der Revolution" reagieren die Anhänger des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez auf die juristischen Niederlagen vor dem Obersten Gerichtshof.
Mit einer deutlichen Radikalisierung und der Forderung nach einer "Vertiefung der Revolution" reagieren die Anhänger des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez auf die juristischen Niederlagen vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser hatte es mit den Stimmen von elf der 20 Richter abgelehnt, das Verfahren gegen in den Putschversuch vom 11. April verwickelte Offiziere zu eröffnen. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Entscheidung war es zu Demonstrationen gegen diese "Absolution für die Putschisten" gekommen. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden mehrere Dutzend Menschen verletzt, darunter auch ein italienischer Kameramann.
"Ultimas Noticias", die praktisch einzige Tageszeitung des Landes, die nicht von der Opposition kontrolliert wird, erschien am Freitag mit der Schlagzeile "Der Chavismus schlägt zurück". Prensa Latina berichtet, die regierungstreue Arbeiterorganisation "Bolivarianische Kraft" (FBT) habe für die nächsten Tage zu Großdemonstrationen aufgerufen, die in einen "nationalen Streik" gegen die Gerichtsentscheidung und für eine Ablösung der Richter münden sollen. Ein genauer Termin für diesen ersten Generalstreik zur Unterstützung der Regierung wurde zunächst nicht bekannt. Die FBT will außerdem bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Richter wegen "Unterstützung des Putsches" beantragen.
Auf anderem Weg versucht die Generalstaatsanwaltschaft doch noch zu einer Verurteilung der Militärs zu gelangen. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Anklage wegen "militärischer Rebellion" zurückgewiesen hatte, weil es diesen Straftatbestand in dieser Form nicht gäbe, ordnete Isaias Rodríguez einem Bericht der offiziellen Nachrichtenagentur Venpres zufolge nun die Verhaftung der vier Offiziere wegen "ziviler Rebellion" gegen die demokratische Regierung von Präsident Chávez an.
Dem radikalen Teil der "Bolivarianischen Revolution" reicht dies allerdings nicht mehr aus. Unter der Parole "Errichten wir die Volksmacht!" ruft der revolutionäre Nachrichtendienst "Antiescualidos.com" dazu auf, die Demonstrationen nicht mehr einzustellen, "bis Gerechtigkeit erreicht ist". Einzelne Gruppen haben sich Berichten zufolge sogar bewaffnet und wollen die erste lateinamerikanische Stadtguerilla zur Unterstützung einer Regierung bilden. Eine dieser Gruppierungen, von denen sich die Regierung scharf distanziert hat, hat sich bereits zu Anschlägen auf die vom oppositionellen Bürgermeister von Caracas, Alfredo Peña, befehligte Polizei bekannt.
Andere Organisationen wollen durch eine erneute Verfassungsänderung dem "institutionellen Putsch" die Basis entziehen. Die Kommunistische Partei und ihr Jugendverband JCV riefen in einer Erklärung dazu auf, im Rahmen von Volksversammlungen zwei Millionen Unterschriften zu sammeln, um mit diesen gemäß Artikel 347 der erst 1999 verabschiedeten Bolivarianischen Verfassung bei Präsident Chávez die Wahl zu einer erneuten Verfassunggebenden Versammlung zu beantragen, die sowohl die derzeitige Nationalversammlung als auch den Obersten Gerichtshof ablösen solle. Die Kommunisten befürchten, daß die Opposition versuchen wird, nach den Richtern des Obersten Gerichtshofes auch eine Mehrheit des Parlaments "zu kaufen". In der Tat sind seit den Wahlen vom Sommer 2000 zahlreiche über die Listen der Regierungskoalition in das Parlament gewählte Abgeordnete zur Opposition übergewechselt.
Der offen regierungsfeindlichen Tageszeitung "El Universal" zufolge haben unterdessen die USA ihre Staatsangehörigen in Venezuela zur Vorsicht aufgerufen. Es sei jederzeit mit "dramatischen Veränderungen" und einem weiteren Ausbruch von Gewalt zu rechnen, der die Sicherheit der US-Amerikaner in dem südamerikanischen Land gefährden könnte. Die Vereinigten Staaten machen keinen Hehl aus ihrer Ablehnung des venezolanischen Präsidenten und seiner Politik. Und so konnten auch Berichte nicht überraschen, daß Angehörige der US-Botschaft in Caracas und Beamte des Außenministeriums in Washington in den Putschversuch vom April verwickelt gewesen seien.
Venezuela | IMF/ WB | www.agp.org (archives) | www.all4all.org