Von Dario Azzellini
Der vierte Generalstreik in Folge der venezolanischen Opposition in weniger als zwölf Monaten, um Präsident Hugo Chavez zum Rücktritt zu zwingen, scheiterte weitgehend. Laut Angaben der Regierung aber auch zahlreicher unabhängiger Beobachter wurde der gemeinsame Streikaufruf des Unternehmerverbandes Fedecameras und des rechten Gewerkschaftsverbandes "Confederación de Trabajadores de Venezuela" (CTV) an der ersten drei Tagen - 2., 3. Und 4. Dezember - nur zu etwa 15% befolgt und selbst dabei handelte es sich in vielen Fällen tatsächlich um Aussperrungen.
Am dritten Tag griff die Opposition jedoch zunehmend zu Gewalt. Einem Aufrud des Unternehmerverbandes folgend, gingen Tausende Oppositionelle auf die Straße, griffen tätlich Geschäftsinhaber an, die sich nicht am Streik beteiligten, verbrannten Busse und bauten Barrikaden. Bei Sabotageaktionen der Opposition kamen bisher auch einige Menschen zu Tode, wie etwa als die Stadtautobahn von Caracas an einer Stelle mit Schmieröl übergossen wurde. Die Sabotageakte zielen aber vorwiegend auf die Erdölproduktion, die 70% der Staatseinnahmen ausmacht und in den ersten Tagen nicht erfolgreich bestreikt werden konnte.
Angesichts des Scheiterns der Streiks, rief die Opposition zu einer Verlängerung und Intensivierung der Aktionen auf. Es wird befürchtet, dass die Opposition, wie am 11. April diesen Jahres, versucht die Situation zu eskalieren, um dann erneut einen Putsch zu versuchen oder sich zumindest als Opfer staatlicher Gewalt darstellen kann. Damals diente der Tod diverser Demonstranten, ein Großteil Chavez-Anhänger, durch den Schusswaffeneinsatz oppositioneller Gruppen im Anschluss einer Demonstration während eines Generalstreiks - der ebenfalls vom Unternehmerverband und der Gewerkschaft CTV einberufen worden war - als Rechtfertigung für einen Putschversuch. Chavez wurde verhaftet und eine provisorische Regierung eingesetzt. Nur 47 Stunden später jedoch brachten Millionen von Anhängern Chavez wieder an die Macht und der Putsch wurde vereitelt.
Während die Basisorganisationen, die den von der Regierung eingeleiteten Prozess der Umverteilung und Förderung der Ärmsten unterstützen zunehmend gegen den Streik mobilisieren, mahnt die Regierung zur Ruhe. Die Institutionen hätten alle notwendigen Schritte eingeleitet, um für Sicherheit zu sorgen.
Präsident Hugo Chavez bezeichnete den Streik als "rundum gescheitert", man sei weit von einem Ausnahmezustand entfernt, doch dies sei auch der patrouillierenden Nationalgarde geschuldet, die daher vorerst weiter auf den Straßen bleiben würde.
Während der oppositionelle TV-Sender Globovision - der aufgrund seiner putschistischen Umtriebe im Volksmund "golpevisión" - genannt wird, bereits am Sonntag auf seiner Webseite ein Foto von leeren Stadtautobahnen mit Datum 2. Dezember präsentierte um so das Scheitern des Streiks zu beweisen, waren die Straßen Venezuelas tatsächlich voll. Vom Streik war kaum etwas zu sehen, im Gegenteil, eng drängten sich Hunderttausende um zur Arbeit zu gelangen oder die ersten vorweihnachtlichen Einkäufe zu tätigen. Die oppositionelle Tageszeitung El Universal zeigte ebenfalls Bilder menschenleerer Straßen, die offensichtlich während der Morgendämmerung aufgenommen wurden.
Zugleich zeigten aber verschiedene lokale Fernsehsender und Webseiten (z.B. www.aporrea.org) Interviews mit Arbeitenden in vollen Straßen und Geschäften. Informationen, Fotos und Meldungen aus dem ganzen Land bestätigen, dass der Streik kaum befolgt wurde. Der öffentliche Nahverkehr, Flughäfen, Häfen, Landwirtschaft und Fischerei funktionierten zu 100%. Der Streik konzentrierte sich letztlich im wesentlichen auf Privatschulen, Geschäfte in den wohlhabenden Vierteln Caracas und einige größere Fabriken sowie Einkaufszentren in denen die Arbeiter faktisch von den Unternehmern ausgesperrt wurden. Selbst im Erdölsektor, der als Hochburg der Opposition gilt, fand der Streik nur unter den höheren Angestellten statt, während Förderanlagen, Raffinerien und Export weiterhin reibungslos arbeiteten. Damit zeigte der aktuelle Streik die niedrigste Beteiligung aller bisherigen Streiks mit denen die rechte Opposition versuchte die linke Regierung des Präsidenten Hugo Chavez aus dem Amt zu hebeln. In den meisten Regionen Venezuelas waren tatsächlich keinerlei Anzeichen eines Streiks zu sehen.
Manuel Cova, Generalsekretär der rechten Gewerkschaft CTV sprach dennoch von einer Streikquote von über 80%, doch die Regierung habe "aus dem ganzen ihre Gefolgsleute zusammen gerufen, damit sie mit ihren Autos durch Caracas fahren und den Eindruck erwecken der Streik sei gescheitert".
Ihm widersprachen andere Gewerkschafter der sogenannten "gewerkschaftlichen demokratischen und Klassenallianz", die zahlreiche Gewerkschaften vereint, die den sogenannten "bolivarianischen Prozess", der von der aus mehreren linken Parteien bestehenden Regierungsallianz eingeleitet wurde, unterstützen und sich gegen die Politik der CTV unter Führung des ersten Vorsitzenden Carlos Ortega wenden. So etwa Richard Gallardo, aus der Leitung des regionalen Gewerkschaftsdachverbandes FETRARAGUA oder Orlando Chirino, Mitglied der "Bolivarianischen Arbeiterföderation" (FTB) und in der Leitung von FETRACARABOBO, die bestätigten in ihren Regionen sei nahezu normal gearbeitet worden.
Vielerorts fanden, wie schon bei vorhergehenden Streiks, massive Aussperrungen der Beschäftigten statt. Diese versammelten sich vor den Fabriktoren oder Einkaufszentren und versuchten eine Öffnung zu erzwingen, was in einigen Fällen auch gelang. In einer Niederlassung des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA - der in höheren Ebenen von der Opposition kontrolliert wird - bekam die Mensa die Anweisung zu schließen. Dort übernahm dafür die Gewerkschaft SINUTRAPETROL die Lebensmittelversorgung der Arbeiter. In Villa de Curado beschlossen die ausgesperrten Arbeiter der Pepsi-Cola-Abfüllerei die Anlage selbst zu übernehmen, um die Produktion fortzusetzen.
Angesichts des offensichtlichen Scheiterns des Streiks griff die Opposition seit dem zweiten Tag zunehmend zu Tricks und Gewalt um eine Befolgung zu erzwingen. In Caracas wurden Autos von Arbeitern der PDVSA, die zur Arbeit erschienen waren, beschädigt. Dort kam es auch zu einem Polizeieinsatz, als eine Gruppe Oppositionelle versuchte die Arbeiter am Eintritt in die Anlage zu hindern und diese als Sammlungspunkt zu nutzen. Verschiedene Oppositionelle Amtsträger hingegen nutzen ihre Autorität, drohten Geschäftsinhabern, die ihre Läden öffneten mit Entzug der Gewerbelizenz oder schickten - wie der Gouverneur von Carabobo - die Polizei los, um Straßen zu blockieren. Eine Gruppe Anhänger der von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützten Partei Primero Justicia hielt einen Bus an, goß Benzin in sein Inneres und zündete ihn an, der Fahrer konnte sich nur knapp mit leichten Verbrennungen retten. Johnson Delgado, Abgeordneter der Regionalversamlung des Bundesstaates Táchira wurde sogar von der Polizei dabei erwischt, wie er "Krähenfüsse", angespitzte Stahlkrampen, in den Straßen ausstreute, um so den Verkehr lahmzulegen. Seine Verhaftung wird nun von der Opposition als "repressiver und antidemokratischer Akt" bezeichnet. Kleinere, teilweise bewaffnete Gruppen von Anhängern der Opposition versuchen Geschäfte zum Schließen zu bewegen und greifen Streikunwillige tätlich an.
Die sogenannte "Demokratische Koordination", die verschiedene rechte Oppositionsparteien vereint, der Unternehmerverband und die Gewerkschaft CTV riefen schliesslich sogar den "aktiven Streik" aus und forderten ihre Anhänger auf "aktive" Streikaktionen auf der Straße durchzuführen und sich jenseits der Bannmeile in der Nähe des Präsidentenpalasts zu sammeln. Oppositionelle Demonstranten griffen daraufhin vor Ort die Nationalgarde an. Diese löste die Gruppe mit Tränengas auf.
Der Kurs des Unternehmerverbandes stößt jedoch auch intern zunehmend auf Ablehnung. Der Vorsitzende von Fedecamaras des Bundesstaates Bolivar, Senén Torrealba, kündigte an für eine Auswechslung der Fedecamaras-Leitung zu arbeiten, da diese sich nicht für die Unternehmer und ein Wachstum der Wirtschaft einsetze, sondern politische Agitation betreibe. Er bezeichnete den Streik als "unverantwortlich und widersprach den Angaben bezüglich der Streikbeteiligung von Seiten der Fedecamaras-Führung und des CTV. Unterstützt wird er dabei vom Unternehmerverband des Bundesstaates Apure, der sogar beschlossen hat die Unternehmer sollen aktiv an den staatlichen Programmen teilnehmen. Torrealba forderte die CTV auf ihre Position zu überdenken, denn "die Arbeiter selbst hätten gezeigt, dass die CTV keine Mobilisierungsfähigkeit besitze und sie nicht repräsentiere, daher sollte auch die CTV einen Erneuerungsprozess beginnen und ihre Führung auswechseln".