Von Dario Azzellini
Das venezolanische Oppositionsbündnis "Demokratische Koordination", das verschieden anti-chavistische Kräfte vereint, die auch den Putsch im vergangenen April unterstützten, hat offiziell das Ende des am 2. Dezember vergangenen Jahres begonnenen Streiks verkündet. Lediglich im staatlichen Erdölunternehmen soll der Streik fortgesetzt werden.
Am Sonntag verkündete Manuel Cova, Generalsekretär des unternehmerfreundlichen Gewerkschaft CTV und ihr Vertreter bei Gesprächen mit der Regierung, der Streik werde beendet. Dies bedeute jedoch keineswegs eine Niederlage, denn der Streik sei "niemals auf Chávez Rücktritt ausgerichtet gewesen". Dabei war dies von der Opposition während der vergangenen zwei Monate täglich wiederholt worden. Der "Streik" war jedoch tatsächlich nur von transnationalen Unternehmen mittels Schließung ihrer Produktions- und Verkaufsstätten sowie Aussperrung der Arbeiter und von der venezolanischen Oberschicht, landwirtschaftlichen Großproduzenten und Händlern, befolgt worden. Zahlreiche Unternehmen und Händler hatten aufgrund der hohen Einnahmeausfälle bereits während der vergangenen zwei Wochen wieder die Arbeit aufgenommen. Allerdings scheint auch die Verkündung dessen was in der Realität seit langem sichtbar ist, in der Opposition nicht unumstritten. Ebenfalls am Sonntag erklärte der CTV-Vorsitzende Carlos Ortega trotzig ein "Aufweichen des Streiks sei ausgeschlossen".
Die Proteste der Opposition schafften es nicht Präsident Hugo Chávez zum Rücktritt oder zu verfassungswidrigen Neuwahlen zu zwingen. Zwar wurde die Wirtschaft, vor allem durch die Milliardenausfälle bei den Erdöleinnahmen, so weit geschädigt, dass der ewige Vorwurf der Opposition "unter Chávez sei die Wirtschaftslage katastrofal" sich erstmals bewahrheitet, doch die Regierung sitzt fester im Sattel als zuvor. Das zeigte sich zuletzt am 23. Januar, als in Caracas nach unterschiedlichen Schätzungen drei bis fünf Millionen Menschen für Chávez demonstrierten.
Selbst die New York Times bezeichnete die Erklärung der Opposition nach 62 Tagen vermeintlichen Streiks als "Sieg für Chávez". "Tatsache ist", so sie einflussreiche Zeitung weiter, "dass der Streik tagelang nur aus dem Wort bestand, die Venezolaner des Steiks, der ihre Wirtschaft verwüstet hat, müde waren und dieser auch keines der Ergebnisse zeigte, die noch im Dezember versprochen worden waren".
Zugleich versucht die Opposition jedoch ihre Niederlage als Verhandlungsbereitschaft zu verkaufen und bezeichnete das "Ende des Streiks" als einen Schritt des Entgegenkommens, wie ihn die erst kürzlich von Brasilien ins Leben gerufene "Gruppe der befreundeten Staaten", die die Organisation Amerikansicher Staaten (OAS) bei ihren Vermittlungsbemühungen unterstützt, von Opposition und Regierung gefordert hatte.
Im Erdölsektor bestand der "Streik" im wesentlichen aus gezielten Sabotageaktionen höherer Angestellter. Damit konnten Erdölproduktion und -export erheblich beeinträchtigt werden. Doch auch hier befindet sich die Situation seit Ende Dezember im Normalisierungsprozess. Laut Angaben der Regierung soll die Produktion in dieser Woche wieder zwei Millionen der üblichen 3,4 Millionen Barrel betragen. Während die Marine des staatlichen Erdölunternehmens PDVSA weitere 78 Entlassungen bestätigte, womit die Zahl der wegen Beteiligung an Sabotageakten Entlassenen auf etwa 3.000 anstieg, kündigte der Streikführer der Erdölarbeiter Juan Fernández an, der Streik in der Erdölindustrie werde bis zu einer "Wahlentscheidung und der Zukunftssicherung der Entlassenen" fortgesetzt.
Die Anschläge und Sabotageakte, die wie kleine Nadelstiche seit Monaten das Land destabilisieren, gehen jedoch weiter. Bewaffnete schossen in den vergangenen Tagen mehrmals auf die Erdölanlagen "La Campiña" und verletzten andernorts verschiedene Regierungsanhänger mit Schusswaffen.
Am Sonntag erlitt die Opposition einen weiteren Rückschlag. Nachdem das für diesen Tag vom oppositionell dominierten Nationalen Wahlrat angesetzte konsultive Referendum zu Chávez Präsidentschaft vom Obersten Gerichthof für ungültig erklärt worden war, sammelte die Opposition Unterschriften für eine weitere Volksabstimmung gegen Chávez. Der Zulauf zu den aufgestellten Kampagnentischen war jedoch auffällig gering. Die Ankündigung drei Millionen Unterschriften gesammelt zu haben, erinnert an die letzte Unterschriftensammlung, als zwei Millionen Unterschriften von Angestellten der Opposition aus den Listen der Mitarbeiter von Großunternehmen einfach in Unterschriftenlisten eingetragen wurden.
Die Opposition will nun die Steuerzahlungen verweigern und so die Regierung in die Knie zwingen.
Chávez zeigte sich indes optimistisch und äußerte am Sonntag, bei Feierlichkeiten zum Beginn seines fünften Regierungsjahres, zuversichtlich "Dies wird ein Jahr der Vertiefung des revolutionären Projekts, das seine Grundlage in der Kollektivität, dem Volk und den Streitkräften hat und von der Bolivariansichen Verfassung Venezuelas gestützt wird". Chávez dankte den sogar den Putschisten, die es "mit ihrem neuen Versuch möglich machten die PDVSA zu befreien - jetzt gehört die Industrie allen und nicht mehr nur einer Gruppe".
Der Präsident erklärte auch er sei "heute zuversichtlicher als vor vier Jahren bei der Machtübernahme". Daher fürchte er auch eine Volksabstimmung - verfassungsgemäß am 19. August, zur Hälfte seiner Amtszeit, möglich - nicht, er habe schließlich immer wieder selbst die Opposition aufgefordert diese Möglichkeit zu nutzen.