archivos de los protestos globales

Mexiko-Info aus Poonal Nr. 737 v. 10.10.06

Amnesty fordert Aufklärung der Vorfälle in Atenco
Von Hypatia Velasco Ramírez

(Mexiko-Stadt, 5. Oktober 2006, cimac-poonal).- Mitglieder der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) in Mexiko fordern, dass die Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen FEVIM (Fiscalía Especial para la Atención a Delitos Relacionados con Actos de Violencia contra las Mujeres) die Aufklärung der Vorfälle in San Salvador Atenco übernimmt. Dort war es Anfang Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen gegenüber mehreren Frauen gekommen.

Die Präsidentin von Amnesty-Mexiko Liliana Velásquez Ramírez erklärte, dass ihre Organisation der FEVIM am 5. Oktober einen Bericht mit dem Titel "Mexiko: Gewalt gegen Frauen und die Verweigerung der Justiz im Bundesstaat Mexiko" übergeben habe. Dieser sei für die Sonderstaatsanwältin Alicia Elena Pérez Duarte bestimmt. Nach Angaben von Velásquez Ramírez gibt es einen Interessenkonflikt in der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Mexiko. Diese habe in der ersten Instanz die Anklagen wegen Vergewaltigung nachlässig behandelt. Daher "befürchten die betroffenen Frauen, dass ihre Aussagen nicht berücksichtigt werden. Wir denken deshalb, dass die dafür befugte Sonderstaatsanwaltschaft die Fälle an sich ziehen soll," so Velásquez Ramírez. Sie meinte weiter: "Wir wissen, dass die FEVIM an diesen Fällen schon beteiligt war. Die Einbindung war bisher aber nicht so weitreichend, wie sie hätte sein sollen und wie es für die FEVIM möglich gewesen wäre."

Velásquez Ramírez fordert, dass die Fälle im Rahmen der bestehenden Strafgesetze behandelt werden. Sie gab jedoch zu bedenken, dass die Gesetze des Bundesstaates Mexiko zwar bei Folter Strafen vorsähen, diese jedoch, obwohl die Frauen in Atenco gefoltert worden seien, "nie angewendet wurden". Viele der angeklagten Beamten seien mit Disziplinarmaßnahmen davon gekommen und nicht einmal festgenommen worden. Notwendig sei daher, dass unabhängige und umfassende Untersuchungen durchgeführt werden. Die Verantwortlichen müssten entsprechend bestraft und die Opfer entschädigt werden.

Bisher hatte Amnesty-Mexiko mit fünf der sieben Frauen Kontakt, die immer noch in Haft sind. Zwei der Frauen hätten sich entschieden, ihre Klagen nicht weiter zu verfolgen. Velásquez Ramírez hofft darauf, dass die Sonderstaatsanwaltschaft Ergebnisse liefern wird sowie "die Rechte der Frauen wirklich geachtet würden und dass man nicht internationale Kompromisse und Gesetze unterzeichne, die dann nicht eingehalten würden."

Lage im Bundesstaat Oaxaca spitzt sich zu
Von Wolf-Dieter Vogel

(Mexiko-Stadt, 9. Oktober 2006, poonal).- Im Bundesstaat Oaxaca droht eine weitere Eskalation der Gewalt. Brennende Autoreifen, Barrikaden, Zeltlager und ausgebrannte Autos prägen das Straßenbild der gleichnamigen Landeshauptstadt, seit streikende Lehrer und Mitglieder linker Basisorganisationen den Touristenort besetzt haben. Nun bereiten sich Sicherheitskräfte auf einen Einsatz gegen die Aktivisten vor. In den letzten Wochen wurden etwa 5000 Beamte der Bundespolizei zusammengezogen, um den Protestaktionen ein Ende zu setzen. Bereits seit längerem stehen militärische Truppen in Bereitschaft, Armee-Hubschrauber überfliegen die Stadt. Mexikos Präsident Vicente Fox erklärte dennoch, der Konflikt müsse friedlich gelöst werden.

In den letzten Tagen hatte es immer wieder Versuche gegeben, die Situation durch Gespräche zwischen der Bundesregierung und Vertretern der Bewegung zu deeskalieren. Die Regierung hatte ein Paket zur Diskussion gestellt, in dem höhere Löhne für die Lehrer, Änderungen im Schulsystem und sogar eine Verfassungsreform vorgesehen waren. Die Aktivisten fordern jedoch die Absetzung des Gouverneurs des Bundesstaats Ulises Ruiz. Sie sind deshalb zurückhaltend und lehnten die Gesprächsangebote zunächst ab. Zudem wollten sie nicht auf die Forderung der Regierung Fox eingehen, die Kontrolle der Landeshauptstadt Oaxaca den Kräften der Bundespolizei zu übergeben. Erst am Montag (9. Oktober) trafen sie sich wieder mit Vertretern der Regierung, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Am gleichen Tag erreichten mehrere tausend Demonstranten Mexiko-Stadt. Sie hatten sich vor zwei Wochen aus Oaxaca auf den Weg gemacht, um ihrer Forderung nach Absetzung des Gouverneurs Ruiz Nachdruck zu verleihen.

Schon seit dem 22. Mai befinden sich in dem südöstlichen Bundesstaat etwa 70.000 Lehrer im Streik. Doch was als Arbeitskampf um höhere Löhne und bessere Lehrbedingungen begann, ist mittlerweile zu einem Volksaufstand geworden. Nach dem Polizeieinheiten des Bundesstaates am 14. Juni gewaltsam gegen die Streikenden vorgegangen waren, haben sich zunehmend andere gesellschaftliche Gruppen den Pädagogen angeschlossen: indigene Organisationen, linke Parteien, Studenten. Organisiert in der "Versammlung der Bevölkerung Oaxacas" (APPO) kontrollieren sie das Zentrum der Landeshauptstadt. Die Aktivisten besetzten Radio- und Fernsehstationen, blockieren Straßen und machen mit Protestcamps auf ihre Forderungen aufmerksam. Zahlreiche Regierungsgebäude sind durch Blockaden faktisch geschlossen, in Wandparolen empfiehlt die APPO Urlaubern, die in die traditionelle Zapotekenstadt kommen: "Touristen, haut ab!"

Die Stimmung ist angespannt: Mindestens drei APPO-Mitglieder starben durch gewaltsame Angriffe, ein der APPO nahe stehender Student wurde entfuehrt, mehrmals fielen Schüsse gegen Demonstranten. Die von 350 Gruppen getragene APPO geht davon aus, dass hinter den Aggressionen von der Regierung Ruiz gedeckte paramilitärische Gruppen stecken. Ebenso wertet das Bündnis vier Bombenanschläge auf Banken und eine VW-Vertretung, die vergangene Woche vermeintlich von einer Guerillagruppe verübt wurden. "Diese terroristischen Akte sollen die Intervention der Bundessicherheitskräfte rechtfertigen," reagierte die APPO. Auch Menschenrechtler erheben schwere Vorwürfe gegen Ruiz. Gefangene seien misshandelt und APPO-Sprecher mit dem Tode bedroht worden, heißt es in einem Bericht internationaler und mexikanischer Menschenrechtsorganisationen. Zudem kritisierten die Menschenrechtler die massive Präsenz des Militärs.

Ruiz forderte die Bundesregierung dazu auf, mit Sicherheitskräften einzugreifen. "Die Bewegungsfreiheit der Bürger muss gewährleistet werden" erklärte der Politiker der Institutionalisierten Revolution (PRI). Auch der Sprecher des Innenministeriums in Mexiko-Stadt Arturo Chávez schloss gewaltsame Maßnahmen nicht aus. "Der Einsatz der Sicherheitskräfte ist das letzte Mittel der Politik," sagte er. Präsident Fox von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) versprach, dass das Problem erledigt sei, bis er am 1. Dezember sein Amt dem Nachfolger Felipe Calderón (PAN) übergeben werde. Von dem Ausstand sind über eine Million Kinder betroffen, zudem verzeichnen Tourismusunternehmen schwere Einbußen. Oaxaca zählt zu den ärmsten Bundesstaaten Mexikos, der Fremdenverkehr ist eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Bislang sind sämtliche Versuche gescheitert, über Gespräche zwischen der Bundesregierung und der APPO zu einer Lösung zu kommen. Die APPO hat nun am Wochenende vorgeschlagen, künftige Verhandlungen sollten in Oaxaca und mit Menschen aus Oaxaca stattfinden, so etwa mit dem berühmten Künstler Francisco Toldeo. An ihrer grundlegenden Position hielten sie jedoch fest: Die Forderung nach einem Rücktritt von Ruiz werde man "weder verhandeln noch sie zurücknehmen". Hinter den Barrikaden Oaxacas warten die Aufständischen indes mit Angst und Spannung auf die nächsten Tage. In die auf der Straße gestapelten Sandsäcke haben sie ein Schild gesteckt: "Wir sind vorbereitet".

Internationaler Presseverband fordert Ende von Angriffen gegen Journalisten

(Guatemala-Stadt, 5. Oktober 2006, cerigua-poonal).- Es sei unerlässlich, dass sich die guatemaltekische Regierung endlich bemühe, den Einschüchterungsversuchen und Drohungen gegen Journalisten nachzugehen, sagte Gonzalo Marroquín, der Vorsitzende der Kommission für Pressefreiheit der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP), während der 62. Versammlung in Mexiko-Stadt.

Marroquín, ebenfalls Herausgeber der guatemaltekischen Tageszeitung "Prensa Libre", wies darauf hin, dass es in den vergangenen Monaten gleich verschiedene Fälle von Angriffen gegen Mitarbeiter der Presse zu beklagen gab, ohne das auch nur einer der erstatteten Anzeigen von den zuständigen Behörden effizient verfolgt worden wäre.

Im vergangenen Jahr sind insgesamt 15 Journalisten verschwunden bzw. ermordet worden, weshalb ein Einschreiten des Öffentlichkeitsminesteriums (MP) in Abstimmung mit dem Regierungsministerium (Mingob) zur sofortigen Aufklärung der Fälle entscheidend sei, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, betonte Marroquín, der nunmehr im dritten Jahr in seiner Funktion als Vorsitzender der Kommission bestätigt wurde.

Seinem Verständnis nach weist die Zunahme der dokumentierten Gewaltverbrechen gegen die Pressemitarbeiter daraufhin, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Ausmerzung derartige Vorkommnisse durch die verschiedenen amerikanischen Staaten und die internationalen Organisationen wirkungslos geblieben seien und der Kampf gegen die Straflosigkeit ineffektiv gewesen sei.

In der verabschiedeten Erklärung der Versammlung heißt es, der Drogenschmuggel habe die lokalen und nationalen Behörden ebenso korrumpiert wie Bürgermeister, Richter und einige Journalisten. Der Beruf des Journalisten sei in der Grenzregion zwischen Mexiko und den USA vom Aussterben bedroht. Das organisierte Verbrechen in dieser Gegend halte nicht nur die Journalisten, sondern auch die Staatsangestellten aus Angst vor Repressalien davon, ihrer Arbeit nachzugehen, hieß es im Dokument weiter.

Die Teilnehmer klassifizierten Kuba, Venezuela, Kolumbien und Mexiko als gefährlichste Länder für Journalisten, so die Erklärung abschließend.


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