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junge Welt vom 23.11.2006 www.jungewelt.de
Mehrere Tote bei Landkonflikten in Chiapas im Süden Mexikos
Klaus Pedersen, Luz Kerkeling
Während in der südmexikanischen Stadt Oaxaca die Spannungen zwischen Regierung und Basisbewegungen anhalten, ist es im benachbarten Bundesstaat Chiapas offenbar zu einem Massaker an der Zivilbevölkerung gekommen. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wurde die Gemeinde Viejo Velasco bereits am 13. November von Anführern einer lokalen Ureinwohnergruppe angegriffen. Dabei kam es zu Toten und Verletzten auf beiden Seiten.
Nach Angaben von La Jornada gehörten die Bewohner des Dorfes zur Basis der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN). Unter ihnen sind drei Tote zu beklagen. Zwei Bewohner sind verschwunden. Drei weitere wurden von den Angreifern verschleppt, die offenbar dem Stamm der Lakandonen-Maya angehören, einer Gruppe mit einigen hundert Mitgliedern, die an der Grenze zu Guatemala leben. Die Lakandonen stehen - inmitten des zapatistischen Einflußgebietes - der Regierung des Bundesstaates nahe. Unter den Angreifern gab es Verletzte und mindestens einen Toten.
Inzwischen liegt der Bericht einer Beobachtungsmission vor, an der mehrere Nichtregierungsorganisationen teilgenommen haben, unter ihnen das renommierte Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas. Demnach fielen über drei Dutzend zivil gekleidete Personen mit Macheten bewaffnet über das Dorf her. Ihnen folgten rund 200 Uniformierte mit Schußwaffen, auch Helikopter sollen eingesetzt worden sein.
Nach Angaben der Delegation wurde die Mehrzahl der Häuser zerstört. In einigen Ruinen fanden sich Blutspuren und Einschußlöcher. Insgesamt wurden 39 vertriebene Personen registriert. Hintergrund der Attacke sind demnach Streitigkeiten um Landbesitz. Ziel ist es offenbar aber auch, die zapatistische Bewegung zu schwächen.
Montes Azules ist Teil des lakandonischen Urwalds, in dem seit Jahrzehnten Landkonflikte schwelen. Um die Situation zu beruhigen, hatten die Regierungen in Mexiko-Stadt und von Chiapas vor einem Jahr erst 28 Siedlungen anerkannt, darunter Viejo Velasco. Trotzdem dauerten die Konflikte an. Die Regierung des noch amtierenden Präsidenten Fox wurde vom Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé seither mehrfach auf die explosive Situation in der Region hingewiesen. "Bei den Vorfällen von Viejo Velasco handelt es sich um Angriffe, die eine Mittäterschaft der Regierungsbehörden erkennen lassen", heißt es in einem dieser Berichte.
Auch die Ureinwohner-Organisation Xinich machte regionale Funktionäre und das Ministerium für Agrarreform für die Gewalt verantwortlich. Land, Fahrzeuge und Vieh sei mit Bundesgeldern erworben worden, die für die Vermittlung zwischen streitenden Gemeinden und Entschädigungszahlungen für Bewohner vorgesehen waren, die auf ihre Landansprüche verzichten. Nachdem dieses Geld offenbar versickert ist, soll das Problem gewaltsam gelöst werden.
Das regierungsunabhängige "Zentrum für ökonomische und politische Forschung" mit Sitz in San Cristóbal, Chiapas, weist zudem auf die strategische Bedeutung der Regenwaldregion hin: Regierung und Unternehmen ginge es langfristig um die Kontrolle der Bodenschätze und der enormen biologischen Vielfalt. Weil die bäuerliche Bevölkerung dabei im Wege stehe, würden die Konflikte bewußt angeheizt, um die Einheimischen zu vertrieben.