Hermann Bellinghausen La Jornada, 13. Februar 2007
San Cristóbal de las Casas, Chiapas. 12. Februar. Die Organisation für die Verteidigung der Indigenen [und Campesino] Rechte (OPPDIC), die von den indigenen Gemeinden der Selva Lacandona seit Jahren als paramilitärisch eingestuft wird und seit kurzem wieder reaktiviert wurde, entwickelt sich zur Hauptgefahr für das Zusammenleben der indigenen Gemeinden, mit der offenen Unterstützung der PRD-Regierung von Juan Sabines Gutiérrez.
Ihre Aktionen zielen hauptsächlich auf die Destabilisierung verschiedener Regionen der Selva und der Nördlichen Zone hin, unter dem Vorwand "Anspruch" auf das Land zu erheben, das von den Unterstützungsbasen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, nach dem Aufstand von 1994 befreit wurde, und auf dem seit mehr als einem Jahrzehnt, Dutzende autonomer Gemeinden entstanden sind.
Drei zapatistische Juntas der Guten Regierung (Morelia, Garrucha und Roberto Barrios) haben in den letzten Wochen die PRI-nahe Organisation beschuldigt, die von dem heutigen Ersatzabgeordneten Pedro Chulín gegründet wurde, der auch heute noch als ihr oberster Anführer gilt, obwohl er sie offiziell nicht mehr leitet. Darüber hinaus war die OPPDIC gemeinsam mit der so genannten "Lakandonengemeinde", in die blutigen Taten verwickelt, die am 13. November 2006, in Viejo Velasco Suárez, im Norden von Montes Azules verübt wurden und das Leben mehrerer Indigenas, sowie zahlreiche Verletzte, 10 vertriebene Familien, und vier Verschwundene gefordert haben, deren Verbleib bis heute ungeklärt ist.
Immer mehr Indizien weisen darauf hin, dass die plötzliche Kampfbereitschaft der OPDDIC als Teil eines neuen Plans zur Aufstandbekämpfung im großen Maßstab aufzufassen ist, der auf Bundesebene geplant wurde und von den Lokalregierungen unterstützt wird - bis letztes Jahr unter (Gouverneur) Pablo Salazar Mendiguchia, und heute, offener, unter Juan Sabines, ein PRI-Politiker, der in 2006 die PRD-Kandidatur angetreten hatte. Die Zusammenstellung seines Regierungskabinetts und die Allianzen, die er von den Wahlen mit den Viehzüchtern der Selva und bestimmten indigenen Gruppen eingegangen ist, enthüllen sein politisches (PRI-) Kolorit.
Von der Armee gedeckt, konnte sich die OPDDIC, die ursprünglich in Taniperla und Monte Líbano, in den Tälern von Ocosingo beheimatet war, auf viele Regionen ausbreiten. Dabei überlagerte und absorbierte sie die aufgelösten paramilitärischen Gruppen Paz y Justicia, Los Chinchulines und MIRA, von denen die erste früher in Tila, Sabanilla, Salto de Agua, Tumbalá und Palenque aktiv war, die zweite in Chilón und Yajalon, und die dritte in Ocosingo und Altamirano.
NGO dokumentieren die Expansion
Dieser Expansionsprozess ist sowohl von zivilen Organisationen wie CAPISE, CIEPAC, Maderas del Pueblo, und den Menschenrechtszentren in den indigenen Regionen von Chiapas, als auch von Journalisten dokumentiert worden. Es geht dabei nicht nur einfach um eine erfolgreiche politische Gruppe, die sich einer ständig wachsenden Anhängerschar erfreut, wie es den Anschein erwecken mag. Zwar bietet sie eine geeignete Struktur um Regierungsprogramme, Projekte und Investitionen für ihre Anhänger zu erwirken. Gleichzeitig stellt sie jedoch auch eine Gewaltgruppe dar, die sich offen dazu bekennt, bewaffnet zu sein, und seit 2001 Gewalttaten verübt hat.
Die Restrukturierung der OPPDIC als Aufstandsbekämpfungsgruppe in Chiapas reicht bis in das Jahr 2005 zurück. Damals unterzeichnete sie ein Abkommen mit den Regierungen von Salazar Mendiguchía und Vicente Fox, das durch die Vermittlung von Luis H. Alvarez zustande gekommen war, dem damaligen Friedensbeauftragten, und heutigen Leiter der Kommission für die Entwicklung der Indigenen Völker, als Nachfolger von Xóchitl Gálvez.
Die Gegenden in denen die OPPDIC am sichtbarsten operiert, gehören merkwürdigerweise zu den am stärksten militarisierten Gebieten in der Selva und der Nördlichen Zone. Obgleich die Bundesarmee es vermeidet, mit Mitgliedern dieser Gruppe offen in Beziehung zu treten, gehören die Gemeinden, in denen die Soldaten am stärksten mit der indigenen, zumeist Tzeltal Bevölkerung "identifiziert" sind, zu den Hochburgen der Organisation des Abgeordneten Chulín.
Die gegenwärtige Regierung von Chiapas steht der OPDDIC sehr nahe. Es ist kein Zufall, dass ihr sowohl die politische Gruppe des Ex-Interimgouverneurs Roberto Albores Guillen und seines Sohnes angehören, als auch die gewalttätigsten antizapatistischen Viehzüchter von Comitán, Altamirano und Ocosingo. Des weiteren haben sowohl der neo-PRDistische Sabines, als auch der ehemalige PRI-Kandidat José Antonio Aguilar Bodegas, das Wahlversprechen erbracht, ihren Anhängern das Land zu übergeben, das von den Zapatisten und anderen unabhängigen Organisationen befreit wurde.
Die "Betroffenen" können heute mit der Unterstützung der staatlichen Behörde für Soziale Entwicklung rechnen, sowie der Bundesstaatsanwaltschaft und des Landwirtschaftlichen Bundesgerichts. Alleine im autonomen Bezirk Olga Isabel, wo die OPDDIC "Anspruch" auf mehr als 2000 Hektar Land erhebt, konnte die Tageszeitung La Jornada die Existenz von mehr als 50 Haftbefehle gegen zapatistische Campesinos in Erfahrung bringen, die für Delikte ausgestellt sind wie "Enteignung" und "Invasion" von Ländereien, die heute Kommunalbesitz sind. Wenn die Regierung sie sich aneignet, werden sie zu Ejidos umgewandelt, und bald darauf in das Procede eingegliedert werden, ein "Zertifizierungsprogramm", das den zukünftigen Verkauf der besagten Ländereien an mexikanische oder ausländische Privatpersonen erleichtert.
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übs. von Dana