http://de.indymedia.org/2004/05/84576.shtml
Situation in Guadalajara nach der Kundgebung und Repression vom 29. Mai, Verhandlungen mit der mexikanischen Regierung über die Freilassung der Inhaftierten. Für heute waren weitere Protestaktionen zu ihrer Freilassung angekündigt. Die Situation ist weiter sehr angespannt. -
Ausführlicher Bericht der Aktionskollektive von Guadalajara vom 31. 5. und dringender Appell zur Unterstützung.
Bericht über die Ereignisse beim Gipfel von Guadalajara (ALCUE)
http://guadalajara.mediosindependientes.org/newswire/display/1071/index.php
von brujas? 31.5.2004 08:0231. Mai 2004
Angesichts der Akte der Repression bei der Kundgebung am Freitag in Guadalajara, während der Tagung gegen den III. Gipfel Lateinamerika/Karibik/EU, erachten wir es von höchster Wichtigkeit, dringende Erklärungen und Aktionen an verschiedene Stellen der mexikanischen Bundesregierung zu richten, da die festgenommenen Compañeros sich in einer ernsten Situation befinden.I. Die Situation in Guadalajara nach der Kundgebung vom Sonnabend, 29. Mai
- Die mexikanische Bundesregierung und die Staatsregierung [von Jalisco] wollen keine Verantwortung für die Handlungen der verschiedenen Polizeieinheiten übernehmen, die gegen die Demonstranten vorgingen. Der Bundesregierung nach liegt die ganze Verantwortung bei der Staatsregierung, da die PFP [Polizei] nicht vor der Bereitschaftspolizei [Cuerpo de Granaderos] tätig wurde.
- Beim ersten Verhandlungsversuch berief sich die Staatsregierung auf das Gesetz. Ihrer Auffassung nach wäre das Verfahren zur Freilassung der Festgenommenen dem vergleichbar, wie das Problem einer Konfontation nach einem Fußballmatch der 'Tecos' gelöst wird: die Schäden, die der Stadt entstanden sind, müssen bezahlt werden. Dabei wird vergessen, daß das gegenwärtige Problem politischer Natur ist. Es gibt keinerlei Bereitschaft, mit irgendeinem Gesprächspartner zu verhandeln oder einen Dialog zu führen, es gab sogar Probleme zwischen ihnen und der Verantwortlichen im Ministerium für Internationale Beziehungen der mexikanischen Bundesregierung.
- Es wird von etwa 80 Festgenommenen gesprochen. Die Mehrheit von ihnen wurden nach der Mobilisierung in Gewahrsam genommen, als die verschiedenen Gruppen von Jugendlichen sich aus der Zone zurückzogen. 9 von diesen werden bis zu 5 schwere Straftaten angelastet, was für sie 5 Jahre Gefängnis bedeuten kann.
- Die Gerichts- und Regierungsbehörden des Staates Jalisco weigern sich rundweg, eine Liste mit den Namen der Festgenommenen und Verletzten zu übergeben. Daher sind die Festgenommenen ohne Verbindung zur Außenwelt und es wird ihnen nicht erlaubt, mit ihren Anwälten zu sprechen. Der Zugang zu ihnen ist auf keinerlei Weise erlaubt. Die Compañeros befinden sich in 5 verschiedenen Gefängnissen, aber man weigert sich zu sagen, wo.
- 11 Compañeros sind verletzt. Es wird vermutet, daß drei von ihnen einen Schädelbruch haben, weshalb sie sich in bedenklichem Zustand in Krankenhäusern von Guadalajara befinden, als Gefangene. Eine der Demonstrantinnen mit Schädelverletzungen ist Kanadierin, die sie vom Grünen Kreuz in ein Krankenhaus zu überführen versuchten, ohne Wissen der Leute von der Menschenrechtsorganisation, die sich an den Ort begeben hatten, um ihre rechtliche Situation und ihren Gesundheitszustand zu untersuchen.
- Von den Verhafteten sind 9 Ausländer, unter denen sich vermutlich ein italienischer Reporter befindet, der während der Demonstration geschlagen und festgenommen wurde.
- Die Jugendlichen, die sich in der Stadt Guadalajara in verschiedenen Camps aufhalten, werden ständig von Agenten der Polizei belästigt und überwacht und es wird befürchtet, daß sie auch noch festgenommen werden könnten, wenn sie ihren Aufenthaltsort verlassen. Die Regierung des Staates hat geäußert, daß es keine Garantien gebe und daß die harte Linie beibehalten würde, mit dem Argument, daß man in Guadalajara keine Ausschreitungen wie in anderen Städten zulassen werde.
- Die Situation ist sehr angespannt, in wenigen Stunden werden Protestaktionen für die Befreiung der gefangenen Compañeros beginnen, die wir in die Kategorie der politischen Gefangenen einreihen. Gebraucht werden Rückhalt, Unterstützung und Mobilisierung an verschiedenen Orten, sowie die ständige mahnende Präsenz der Medien, um jedwede Provokation zu verhindern, oder daß die Repression weiter zunimmt.
II. Situation in Guadalajara nach den Mobilisierungen vom Sonnabend, 29. Mai (aktualisiert: Sonntag, 30. Mai):
- Im Laufe des Sonnabends wurde versucht, mit den Behörden des Staates (Jalisco) über die Freilassung der Gefangenen zu verhandeln. Für 1:30 nachmittags war eine Demonstration zum Sekretariat für Öffentliche Sicherheit des Staates angekündigt, was die Reaktion des Gouverneurs hervorrief. Er sagte, wenn die Demonstration in einer oder höchstens 1 ½ Stunden nicht durchgeführt würde, kämen alle während oder nach der Demonstration vom Freitag Festgenommenen frei, außer 6, die aus Guadalajara stammen und anscheinend Vorstrafen haben.
- Wir verschiedenen Kollektive und Teilnehmer an den Mobilisierungen in Guadalajara beschlossen, die anderthalbe Stunde abzuwarten, die sich der Gouverneur des Staates ausbat, um die Gefangenen freizulassen, und die Demonstration stattfinden zu lassen, wenn sie sie in dieser Zeit nicht freilassen würden.
- Um 4:00 nachmittags, nach zwei Stunden des Wartens, daß die Compañeros freigelassen würden, ohne daß [in dieser Zeit] die Demonstration stattfand, ging die friedliche Demonstration von der Plaza Juárez aus nach dem Sekretariat für Öffentliche Sicherheit von Jalisco, um die Compañeros, die freigelassen werden sollten, in Empfang zu nehmen. Bis zu diesem Augenblick hatte man gesagt, daß alle außer sechs freigelassen werden würden.
- Während der Demonstration gab es andauernde Belästigung durch die Polizei; der Zug wurde von Polizisten in Zivil und Porros* infiltriert, die versuchten, sie zu provozieren, um eine gewalttätige Repression rechtfertigen zu können. Den Demonstrationsteilnehmern gelang es auf der Strecke, die Provokateure zu identifizieren, sie in Schach zu halten und zu isolieren. Nachdem die Demonstration beim Sekretariat für Öffentliche Sicherheit angekommen war, trafen bei drei Gelegenheiten Gruppen von Porros* mit er Absicht ein, Ausschreitungen zu verursachen und einen Polizeiübergriff zu provozieren. Jedesmal erreichten die Demonstranten, daß diese Provokateure sich unverrichteter Dinge zurückziehen mußten.
- Die Behörden der Regierung von Jalisco akzeptierten, daß eine Kommission die Einrichtungen des Sekretariats betrat, um die Freilassung der Gefangenen auszuhandeln. Nach 4-stündigen Verhandlungen wurde die Freilassung von nur 10 Compañeros, die Abschiebung von 8 Ausländern und die Überstellung von 44 Compañeros in die PGR [Untersuchungshaft?] wegen verschiedener Delikte (Aufruhr, Sachbeschädigung und in einigen Fällen Körperverletzung [?] bis zu diesem Zeitpunkt) verkündet.
- Die ausländischen Compañeros, die aus dem Land ausgewiesen werden, befinden sich in diesem Moment in Mexiko-Stadt, im Amt für Migration (Oficinas de Migración) in Iztapalapa. Ihr gesundheitlicher und psychischer Zustand ist unbekannt, auch ob ihnen eine Kommunikation mit ihrer Botschaft oder ihrem Konsulat erlaubt wurde.
- Einige der freigelassenen Compañeros haben vor den Instanzen der Menschenrechtsorganisationen und vor den Medien über die Bedingungen, unter denen sie gefangengehalten wurden, ausgesagt. Sie zeigen eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und die Verletzung ihrer Menschen- und Zivilrechte an. Sie zeigen auch an, daß die Männer jedes Mal, wenn sie zur Toilette gingen, systematisch geschlagen wurden. Einige der freigelassenen Compañeras sind psychisch sehr angeschlagen und die Männer haben verschiedene körperliche Verletzungen.
- Die 44 in Gewahrsam genommenen Compañeros befinden sich in diesen Augenblicken in der Justizverwaltung [Procuraduría General de Justicia] in Guadalajara. Es gab keine Erlaubnis, mit ihnen Verbindung aufzunehmen, auch nicht, daß eine Menschenrechtskommission sie besuchen kann, um ihren physischen und psychischen Zustand zu beurteilen. Eine Kommission ist dabei, mit der Regierung die Bedingungen für ihre Freilassung auszuhandeln, aber wegen der Situation besteht das Risiko, daß die 52-Stunden-Frist abläuft, innerhalb derer das Innenministerium die Beweise gegen sie vorlegen muß. Es wird befürchtet, daß sie, sobald diese Frist verstrichen ist, ins Hochsicherheitsgefängnis von Puente Grande Jalisco verlegt werden. Daher gibt es Befürchtungen wegen ihres Gesundheitszustands und ihrer psychischen Integrität.
- Wegen der Ordnungswidrigkeiten und der Verfahrenswillkür, sowie der physischen und psychischen Folter, wegen der ständigen Menschenrechts- und Rechtsverletzungen, die die freigelassenen Compañeros angeprangert haben, fürchten wir, daß es Compañeros gibt, die verschwunden sind.
- Wegen all dem halten wir es für DRINGEND erforderlich, daß zugunsten ihrer sofortigen Freilassung öffentlich Druck ausgeübt wird, daß Erklärungen gesellschaftlicher und intellektueller Akteure in Medien gegenüber der Staatsregierung und dem Innenministerium [? Secretaría de Gobernación] angestoßen werden, sowie Mobilisierungen und Aktionen in den verschiedenen Staaten der Republik, um die mexikanische Bundesregierung (Secretaría de Gobernación) zur Freilassung der politischen Gefangenen zu veranlassen.
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* = „Trampel” oder dgl.? in Mexiko Bezeichnung für Polizeioffiziere in Zivil, die Universitäten oder Demonstrationen zu infiltrieren suchen.