Die Presseberichterstattung hat auch schon seine Wirkung gezeigt. Die Angst vor den Krawallmachern geht mittlerweile ins Absurde, sie ist in Art und Weise mit der Wirkung der Propaganda in Genf oder Genua identisch, wobei die oft geaeusserte Schaetzungen von 500-1000 Militanten untertrieben ist. Bei der Presselandschaft Griechenlands kommt einem das meiste bekannt vor, etwas besonderes duerfte die Clanwirtschaft sein - fast jede reiche Familie hat eine Zeitung an der Hand. Indymedia Thessaloniki steht uebrigens auf absolutem Kriegsfuss mit den etablierten Medien, wir wurden alle gebeten, Kontakte zu ihnen zu unterlassen. Dahinter steckt einmal die Wut darueber, wie hier politische Zusammenhaenge immer wieder in die Pfanne gehauen werden, doch auch die Abneigung gegen Leute, die durch die Nutzung der Indy-Strukturen Kohle machen ist sehr stark.
Heute sind auch etliche Busse von griechischen Aktivisten angekommen, die Solidaritaetsdemo mit den MigrantInnen und gegen die Festung Europa steht an. Das Gelaende ist nun mit Demonstranten gut gefuellt, ueberall begruessen sich alte Bekannte. Die Zahl der Internationalen geht weit ueber die Tausend hinaus - von den allseits praesenten TKP/ML-Leuten ueber italienische Gewerkschafter bis zu gegenseitig verfeindeten deutschen Antifa-Gruppen. Genaue Zahlen sind jedoch unmoeglich zu errechnen. Die Strukturen halten dies noch locker aus. Die Stadt hat genuegend Dixies aufgestellt, Duschen gibt es einige und Essen wird auch an mehreren Stellen gekocht. Fehlt etwas, so wird wie auf einer Privatfete jemand losgeschickt um Nachschub zu holen.
Betrachtet man sich die Aufteilung der einzelnen Fachschaften, kommt ein Schmunzeln auf: die Anarchisten sitzen in der Theologie und Philosophie, das griechische Sozialforum residiert in der medizinischen Fakultaet, Indy, das Legal und das Medical Team logieren im Jura-Trakt und die pragmatische Kampfinitiative nutzt das Polytechnikum. Aus der Reihe tanzt das Sportzentrum, das als Ruehepol und sicherer Platz gerade aelteren Kaempen angeraten wird. Aus allen Winkeln kommen um 13.00 an die 200 Leute zum Plenum, wo es allgemeine Informationen gibt, aber auch das ein oder andere politische Statement abgegeben wird.
Mit dabei sind auch wieder die Feministinnen mit einer kaempferischen Rede ueber die von Machos dominierte griechische Gesellschaft. Das die allermeisten griechischen Frauen und Maedchen einen auffallend stolzen und selbstbewussten Blick in den Augen haben, faellt wohl nur Maennern auf. Auch in den verschiedenen Gruppen auf dem Gelaende sind die Frauen stark vertreten - organisieren, arbeiten und bestimmen den Widerstand mit. Was fuer ein undifferenziertes Kitschbild "vom Griechen an sich" hier teilweise von sogenannten aufgeklaerten Menschen abgelassen wird, ist schon peinlich. Die allermeisten sind total liebe Leute, die offen sind und zu denen man leicht Kontakt bekommt.
Am fruehen Nachmittag veranstalten dann einige echte Kitschgriechen vor dem Indymedia-Center eine verbale Schlaegerei. Rund 100 oberkrasse Anarchos wollen eine Demo machen, koennen sich aber offensichtlich nicht ueber die Richtung einigen. Das Geschrei laesst einem von der Weite glatt an einen Voelkermord glauben. Ein Blick in die Taschenlampen-Augen der aufgeheizten Rudelfuehrer laesst jede Blutprobe ueberfluessig werden. Vollgepumpt mit Speed und Bier haben diese Leute ein Drogenproblem und kein politisches.
Um sechs Uhr geht es dann nach einem Platzregen los. An verschiedenen in der Stadt verteilten Kundgebungsplaetzen veranstalten die diversen Bloecke ihre Auftakte und schließen danach in der Egnazia zu einem gemeinsamen Demonstrationszug mit ueber 15.000 Menschen auf. Nur die Anarchisten ziehen mit 3000 Leuten alleine kreuz und quer durch den Nieselregen.
Die Polizei haelt sich mit ihren zahllosen kleinen Trupps in den Nebenstraßen zurueck, die martialische Kampfausruestung haben sie jedoch bereits groesstenteils angelegt. Ueberall praesent sind auch die Spitzel, die hier nicht nur speziell auf Leute angesetzt werden, sondern stets in der Stadt verteilt herumstehen und die Menschen beobachten, wobei sie bei Bedarf ueber Handy die Uniformierten rufen. Diese seltsamen Hilfspolizisten duerfen sogar eine Verhaftung vornehmen, was gegenueber den aufkommenden Videoanlagen noch ein Vorteil ist.
Saemtliche Aktivitaeten bleiben friedlich und ruhig, selbst das amerikanische Konsulat bleibt bis auf ein paar obligatorische Spruehereien verschont. Die handfesteren Bloecke laufen fast schon im Laufschritt daran vorbei, man will sich die Puste fuer morgen, wenn es in Bussen nach Chalkidi geht, aufsparen.