Frauen stoppt GATS

Maria Mies: Begrüßung zum Kongreß in Köln


stoppt GATS
 
 

Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu dem Kongress "Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierungen und die Folgen für Frauen". Dies ist, soweit mir bekannt, der 1. internationale Kongress zu diesem Thema.
Ich freue mich besonders, dass so viele zu diesem Kongress gekommen sind, obwohl es für viele Frauen besonders schwierig geworden ist, zu solchen Veranstaltungen zu kommen.
Besonders herzlich begrüße ich unsere Referentinnen und Gäste aus dem Ausland: aus Kanada, Bangladesh, Indien, der Ukraine, England, Österreich, Bulgarien, Russland, Australien, Tschechien, Fankreich und Belgien.
Es sind Frauen, die seit Jahren aktiv sind im Kampf gegen den Ausverkauf des Lebens und die besorgt sind über die Zukunft der Frauen und unseres Planeten. Im Laufe dieses Widerstands haben viele umfangreiches Wissen und Erfahrung erworben, sodass sie heute international gesuchte Expertinnen und Autorinnen sind.
Für uns sind viele jedoch nicht nur Expertinnen sondern auch Freundinnen, die viele Jahre ihres Engagements mit uns geteilt haben. Ich bin besonders glücklich, dass es ihnen trotz dichtgefüllten Terminkalenders und langer Reisen um die halbe Welt wichtig war, hier bei uns zu sein. Dies ist für uns alle eine große Ermutigung und Bestätigung.
 

Warum organisieren wir diesen Kongress?

Viele haben gefragt: "Wir verstehen ja, dass Ihr, wie viele andere, gegen die WTO und GATS protestiert. Aber wieso macht Ihr nun noch einen eigenen Kongress zu GATS und Frauen? Sind nicht alle von den negativen Folgen des GATS und der Privatisierungswelle betroffen?
Unsere Antwort: GATS betrifft zwar Männer und Frauen, doch Frauen sind mehr und anders betroffen als Männer.
Sie stellen die Mehrzahl aller Dienstleistenden in der Welt. Ob als Lehrerinnen oder Krankenschwestern, als Sozialarbeiterinnen oder Hausangestellte, ob als Bürokräfte, als unbezahlte Hausfrauen oder im Informellen Sektor im Süden, im Osten und im Norden. 80% der Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor in der EU sind weiblichen Geschlechts. Viele Frauen arbeiten im öffentlichen Sektor, der nun liberalisiert, privatisiert und globalisiert wird. Dies wird bedeuten, das geringqualifizierte Frauen zuerst entlassen werden, dass feste Arbeitsplätze in Teilzeit- und Billiglohnjobs verwandelt, dass Arbeitsschutzgesetze aufgeweicht werden (z.B. wurde die ILO-Konvention zum Schutz schwangerer Frauen vor Entlassung auf Druck der Konzerne schon im Juni 2000 "flexibilisiert"). Zudem werden staatliche Leistungen reduziert werden. Im Schul- und Krankenhauswesen wird sich ein Zwei-Klassen-System entwickeln: schlecht ausgestattete öffentliche Einrichtungen und teure, hochwertige private, die sich nur die leisten können, die genügend Geld haben.
Die zunehmende Verarmung vieler Frauen ist vorprogrammiert. Und sie sind es gerade, die auf erschwingliche, öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. GATS wird die unbezahlte Arbeit von Frauen erhöhen und die soziale Polarisierung vertiefen, im Norden wie im Süden und Osten.
Für die Mehrzahl der Frauen aus dem Süden haben solche Schutzgesetze in der Praxis sowieso kaum gegolten. Sie arbeiten im sog. Informellen Sektor, als Dienstmädchen, Straßenhändlerinnen, Heimarbeiterinnen, Landarbeiterinnen usw. Die von IWF und Weltbank durchgesetzten Strukturanpassungsprogramme SAPs haben die Regierungen dieser Länder schon lange gezwungen, Staatsausgaben für die ärmere Bevölkerung zu streichen, Staatsbetriebe, Schulen, Krankenhäuser usw. zu privatisieren, was dazu geführt hat, dass ärmere Frauen nicht mehr ins Krankenhaus gehen können, dass der Prozentsatz von Mädchen, der noch lesen und schreiben kann - er war schon immer niedriger als der von Jungen - weiter drastisch gesunken ist. Die Frauen aus Osteuropa waren unter dem Sowjetregime als Arbeitskräfte vollbeschäftigt und den Männern gleichgestellt. Nach der Ankunft im real-existierenden Kapitalismus erleben sie nun das, was wir die Hausfrauisierung von Arbeit genannt haben. Denn die optimale Arbeitskraft fürs Kapital ist die Hausfrau, die unbezahlt rund um die Uhr, zuverlässig, flexibel, stets abrufbar für alles und jedes zu Diensten steht. Sie ist das Zukunftsmodell für GATS und die globalen Konzerne. Auch Männer werden inzwischen in diesem Sinne hausfrauisiert.
Obwohl all dies längst bekannt ist, spielt die Tatsache, dass GATS hauptsächlich Frauen betrifft, weder bei den Befürwortern noch bei den Kritikern von GATS bisher eine Rolle. Auch die meisten Frauen wissen bisher nicht, was sich hinter diesem Kürzel verbirgt. Sie erleiden zwar die Folgen dieser Politik verstehen aber nicht ihre Ursachen und kennen nicht die Akteure, die sie betreiben.
Darüberhinaus bedroht das GATS den gesamten Lebenszusammenhang, den privaten Bereich, für den Frauen bisher zuständig waren. Dieser Bereich war bisher noch ausdrücklich vor der direkten, kalten Profitlogik geschützt. Doch jetzt wird auch dieses "Reservat" zerstückelt, vermarktet und der globalen Konkurrenz ausgeliefert. Frauen als Dienstleistende werden dann zu ihrer Doppelbelastung nicht einmal mehr den Schutz haben, der bisher noch der Familie zukam. Wie werden wir überleben? Geschweige denn leben?
Aus all diesen Gründen halten wir es für absolut notwendig, einen Kongress zu dem Thema GATS und Privatisierung speziell für Frauen zu organisieren. Es ist kein blosser Frauenkongress. Es ist ein politischer Kongress FÜR Frauen, bei dem natürlich auch Männer willkommen sind, denn auch sie müssen lernen, dass GATS, wie die meisten Freihandelsabkommen und unsere Wirtschaft insgesamt nicht geschlechtslos sind. Dass auch sie betroffen sind.
 

Was wollen wir mit dem Kongress erreichen?

Der Kongress will zunächst

Wir werden jedoch nicht bei der Analyse stehen bleiben und dann nach Hause gehen. Das dritte Ziel dieses Kongresses ist Mobilisierung und Aktion.
Diesem Thema ist der Sonntagvormittag gewidmet: Widerstand, Perspektiven und Aktionen. Wir werden vom Widerstand aus vielen Ländern und Städten gegen GATS und gegen die Privatisierungspolitik hören. Wir werden uns über neue Perspektiven von Wirtschaft und Gesellschaft in anderen Ländern und Kontinenten austauschen und so voneinander lernen. Auf diese Weise hoffen wir, die politische Lähmung, die viele angesichts der Übermacht der global operierenden Konzerne erfasst hat, überwinden zu können.
Wir wollen diesen Austausch vor allem nutzen, um zu lernen, mit welchen kreativen Aktionen wir gegen das GATS und die Privatisierungspolitik kämpfen können. Einen ersten Anfang machen wir morgen mit unserer Demo. Wir wollen unsere Botschaft: FRAUEN STOPPT GATS an die Öffentlichkeit bringen. Es geht uns weiter darum, uns national, lokal und international zu vernetzen, um uns auf weitere Aktionen vorzubereiten. Wir wollen Frauen dazu aufrufen, nicht nur an den weiteren Protestaktionen gegen die Global Players beim G7 Gipfel in Evian, der WTO-Konferenz in Cancun, Mexiko, dem Europäischen Sozialforum in Paris, den Attac Aktionen STOPPT GATS teilnehmen, sondern dass dabei klar wird, dass - EINE ANDERE WELT - unser gemeinsamer Slogan - auch andere Geschlechterverhältnisse voraussetzt als die herrschenden patriarchalisch-kapitalistischen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen einen spannenden und erfolgreichen Kongress.
GATS IST KEIN UNABWENDBARES SCHICKSAL.
ES KANN GESTOPPT WERDEN.

 
 


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