Date: Thu, 5 Sep 2002 [Hoppetosse]
Das PGA-Treffen in Leiden ist gestern zu Ende gegangen und dies hier ist subjektive Auswahl an Themen, zu denen ich mich positionieren möchte. Wer genaueres über die besprochenen Inhalte der Konferenz erfahren wird, findet die Protokolle im Netz über die Konferenz-Seite, die von www.agp.org verlinkt ist.
Auf der gestern im niederländischen Leiden zu Ende gegangen Europa-Konferenz von peoples global action waren Menschen aus allen Teilen Europas und aus Israel. Hier einige Anmerkungen zur Konferenz, die auch für andere Netzwerke interessant sein könnten
was mir an der Konferenz gefallen hat, ist das Organisierungsprozesse konkreter und praxisorientierter verliefen, als häufig in Deutschland. Bestehende Netzwerke und Kampagnen trafen sich, andere wurden gegründet, und ich hatte nicht das Gefühl einer "Vernetzung der Vernetzung wegen".
Während der Konferenz gab es bis auf das Abschlussplenum keine Gesamtplena. Berichte aus den AKs wurden u.a. über eine täglich erscheinende Kongresszeitung transportiert. Diese entstand recht unkompliziert, in dem viele AKs direkt in Laptops protokolliert wurden und die Protokolle am Ende des Arbeitskreises somit fast fertig waren. In Deutschland hingegen gibt es ja eher selten Protokolle von AKs und wenn dann häufig erst nach Wochen. Die Camp-Zeitung hat das, was in deutschen Kongressen und Camps häufig ein tägliches Gesamtplenum leisten soll, mehr als ersetzt. Somit entstand mehr Raum für kleinere Arbeitsgruppen, und trotzdem konnten sich Menschen auch auf Ergebnisse von AKs beziehen, an denen sie nicht teilgenommen hatten. Auch die Treffen und Diskussionen über die Strukturen von PGA (1), also der Orga-Kram, der an anderen Orten sonst häufig intransparent abläuft, wurde hier auch für Menschen die nicht zu den Treffen gehen wollten nachvollziehbar.
Was PGA macht, wird natürlich durch die Leute bestimmt, die bei PGA was machen. Was ich etwas merkwürdig fand, war, das einige Zusammenhänge, die stark mit PGA verbunden sind, planen, sich am Europäischen Sozialforum in Florenz mit einem "autonomen Raum" zu beteiligen. Somit könnte es passieren, das die Konfrontativität in der Haltung von PGA zurückgeht und eine Politik entsteht, die sich beim Versuch, längerfristige Kampagnen zu initiieren, mehr in einen von NGOs besetzten Raum bewegt. Damit könnten einige radikalere Gruppen für das ESF eine Alibifunktion bekommen, mit dem es sich besser als Allgemeinvertretung der Europäischen globalisierungskrirtischen Bewegungen initiieren kann. Kritik an der NGOisierung der Gesellschaft und dem ganzen NGO- bla bla von VertretungderZivilgsellschaft gibt es nämlich (zumindest hier in Deutschland) wenig. Die Vorbereiteten Gruppen eines autonomen Raums im ESF haben auch schon diskutiert, nicht für Militantere und konfrontativere Aktionen offen zu sein.
Viel Raum eingenommen, häufig vorgestellt, diskutiert und weiter entwickelt ist die Idee einer Europäischen Konsulta (gibts auch in Deutschland Gruppen für). Hier scheinen viele PGA- nahestehende Menschen Ansatzpunkte zu sehen, einen Kontakt zur Bevölkerung aufzubauen und längerfristig Konzepte von Basisdemokratie zu initiieren. Mein Eindruck ist, das hier häufig ein zu positives Bild von der Bevölkerung vorhanden ist, mit dem mensch sicherlich in Deutschland nicht so weit kommen wird. Die Frage, wie mensch mit dem Wiederspruch zwischen dem Glauben an der Richtigkeit von Basisdemokratie und einer real vorhandenen rassistischen (usw-istischen) Basis umgeht, wird hier glaub ich für das Projekt zu wenig diskutiert.
Palästina-Soli-Arbeit war u.a. auch ein interessantes Thema auf der Konferenz, weil viele Menschen aus Israel da waren, die sich zu PGA zugehörig fühlen. Es gab mehrere Arbeitskreise zum Thema, in den meisten war ich nicht. Überrascht hat mich der deutliche und total klare Pro-Palästina -Kurs der Anwesenden. Nah-Ost-Soliarbeit ist hier Soliarbeit mit Palästina, u.a. für viele, indem sie erstmal versuchen, Kontakt mit PalästinänserInnen in den militarisierten Zonen aufzubauen. Der deutsche Diskurs scheint sich nur aufden deutschen Raum zu beschränken. In den internationalen sozialen Bewegungen, mit denen ich mich am ehesten verbunden fühle (sei es in Belgien, Italien oder Israel), ist ein Diskurs angesagt, der sich als Pro-Palästina-Soliarbeit beschreiben läßt (und mit der mensch in Deutschland nicht selten des Raumes verwiesen werden würde).
Das Konzept, keine großen Plena zu machen, wurde am letzten Tag zugunsten eines Abschlussplenums auf den Kopf gestellt. Dies dauerte ungefähr 7 Stunden, 150 Leute waren anwesend und bestand die größte Zeit aus dem Versuch dieser 150 Menschen, gemeinsam einen Text zu schreiben, in dem steht, wie PGA sich zukünftig weiterentwickeln soll. Das wirkte sehr bürokratisch und entsprach ungefähr dem, wie ich keine Politik machen möchte. Diskutiert wurde, was für email-Listen es geben soll, wer PGA wann und wo vertreten darf, wie mensch Regeln für zu schaffende support-groups und infopoints formulieren kann usw. Alles war äußerst bürokratisch und so, wie ich mir eher die Arbeit in eienr Partei vorgestellt hätte. Und ich bin mir nicht sicher, ob es einfach Quatsch war, weil Vernetzung nicht durch Verregelung hervorgebracht werden kann, oder ob es notwendig war, weil Verbindlichkeit einer sich weltweit organiserenden Bewegung auch genaue Absprachen zwischen den Kontinenten bedarf, um Machtgefällen vorzubeugen, oder ob es vielleicht ganz viele Absprachen offen legte, die in anderen Zusammenhängen eher in Kungelrunden verlagert werden.
Was neu ist bei PGA, ist, das es von lokalen Gruppen initiierte Infopoints geben soll, die eine Vermittlung von PGA-Ideen und PGA-nahen Projekten herstellen sollen. Das könnte dazu beitragen, das PGA für viele Menschen in Zukunft etwas greifbarer werden wird.
Anmerkungen:
(1) Wenn ich PGA schreibe, meine ich häufig nicht so etwas wie "offiziell von PGA", sondern mehr Projekte, die stärker von PGA inspiriert wurden
European PGA Conference Leiden | www.agp.org | www.all4all.org