Hier verzichten wir auf Links, da sie sich oft ändern oder die Texte plötzlich verschwinden. Statt dessen liefern wir den Inhalt direkt, den wir mittels der Nachrichten-Suchmaschinen von Paperboy.de, Paperazzi.de, Google.com, Altavista.de und Yahoo.de und durch gezieltes Stochern im deutschsprachigen Web gefunden haben. Natürlich ist die Liste unvollständig. Berichte aus dem Vorfeld des ESF (Berlusconis Panikmache, brav abgeschrieben von FR, Spiegel und anderen) wurden hier weggelassen. Leider konnten wir noch keine Zeitungsberichte über die 1000 bis 2000 an den Grenzen Zurückgewiesenen hier einstellen. Auch fehlen Angaben über die vielen, die am Samstag demonstrieren wollten, aber nicht nach Florenz eingelassenen wurden. Die Reihenfolge ist grob chronologisch:
Durch Nichtberichten aufgefallen sind Deutschlandradio und Deutschlandfunk (soweit sich das anhand der Website feststellen lässt). Viele Blätter wie der Spiegel und die FAZ speisen sich nur aus dürftigen Agenturmeldungen. Aus der englischsprachigen Presse haben wir nur beispielhaft eine amerikanische, zwei britische und eine israelische Zeitung aufgeführt; außerdem eine Agenturmeldung aus Italien. Mit news.google.com findet man aber auch Artikel aus Australien, Brunei, China, Indien, Irland, Kuba, dem Libanon, Neuseeland, Singapur und Südafrika. Ganz zu schweigen von Artikeln in weiteren Sprachen.
Leider ist die Presseschau damit nicht beendet. Eine Woche nach dem Sozialforum setzte eine Repressionswelle in Italien ein. Stellvertretend für die Empörung, die die 20 Verhaftungen auch in Deurschland auslösten, steht der offene Brief Günter Melles, den attac-Saar dem Italienischen Konsulat in Saarbrücken am 19.11.2002 überbracht hat.
Presseberichte zu den 20 Verhaftungen und den Protesten dagegen:
Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/05_sozialforum.htm VistaVerde / dpa 05.11.2002 Europäisches Sozialforum: Globalisierungs-Kritiker treffen sich in Florenz Weit mehr als 10.000 Globalisierungs-Kritiker aus ganz Europa werden an diesem Mittwoch zu einer fünftägigen Konferenz in Florenz erwartet. Florenz (dpa) - Das « Erste Europäische Sozialforum » will gemeinsame Strategien zur Bekämpfung einer ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtern, steht aber auch deutlich im Zeichen eines drohenden Krieges gegen den Irak. Die italienischen Behörden fürchten Ausschreitungen und haben bereits zahlreichen Teilnehmern die Einreise verweigert. Aus Furcht vor Anschlägen wurde der Luftraum über Florenz gesperrt. Das Treffen, an dem auch mehr als 1000 Deutsche teilnehmen wollen, versteht sich als Folgekonferenz des « Weltsozialforums » Anfang des Jahres in Porto Alegre in Brasilien. Hauptthemen sind « Krieg und Frieden », « Globalisierung und Neoliberalismus » sowie « Bürgerrechte und Demokratie ». Zu einer Demonstration am Samstag werden bis zu 200.000 Teilnehmer erwartet. Um gewaltbereite Extremisten fern zu halten, haben die italienischen Behörden das Schengen-Abkommen bis zum Konferenzende am Sonntag aufgehoben. Seit dem vergangenen Wochenende führt Italien an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz und Frankreich wieder Grenzkontrollen durch. Die Veranstalter werteten dies als « bewussten Versuch, die Konferenz zu kriminalisieren ». Der italienischen Regierung geht es vor allem darum, blutige Zusammenstöße wie am Rande des G-8-Gipfels im Juli 2001 in Genua zu verhindern: Damals erschoss ein Polizist einen jungen Italiener, mehr als 200 junge Leute wurden bei den Ausschreitungen verletzt. In Florenz sind über 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Sie sollen auch die Museen und die Denkmäler der Toskana-Metropole schützen. Zeitweise hatte die Regierung erwogen, die Konferenz zu verbieten. Jetzt hieß es, die Museen in Florenz sollten geöffnet bleiben. In Hunderten von Workshops und Seminaren sollen Probleme wie die zunehmende Verarmung in der Dritten Welt, die Zerstörung der Umwelt sowie « die Diktatur der ungehemmten Finanz- und Warenströme » untersucht werden. Das Moto der Veranstaltung heißt: « Für eine bessere Welt, für ein anderes Europa ». Auch zahlreiche Gewerkschafter und Vertreter von Linksparteien wollen nach Florenz kommen.
Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021106/286/3200l.html Mittwoch 6. November 2002, 19:07 Uhr Hunderte demonstrieren vor US-Basis in Italien gegen Irak-Krieg (AFP) Vor Beginn eines Treffens von Globalisierungskritikern in Florenz haben vor einer US-Militärbasis in der Toskana tausende Menschen gegen einen Irak-Krieg demonstriert. Die Demonstranten reisten am Mittwochnachmittag in Sonderzügen und -bussen nach Pisa, um an der Kundgebung vor dem US-Stützpunkt Camp Darby teilzunehmen. Nach Schätzungen der Polizei nahmen "mehrere tausend" Menschen an der Demonstration teil, die Organisatoren sprachen von bis zu 4000 Teilnehmern. Einer der Organisatoren sagte, die USA wollten sich bei dem möglichen Angriff auf Irak mit militärischer Macht die Rohstoffe der Region unter ihre Kontrolle bringen. Copyright © 2002 AFP
Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021106/12/32005.html Mittwoch 6. November 2002, 19:03 Uhr Amnesty fordert Italien zur Einhaltung der Menschenrechte auf Bern (AP) Zur Eröffnung des Europäischen Sozialforums am Mittwoch in Florenz hat Amnesty International die italienischen Behörden zur Einhaltung der Menschenrechte aufgefordert. Diese seien von den italienischen Sicherheitskräften in letzter Zeit wiederholt verletzt worden, wenn es um die öffentliche Ordnung bei internationalen Treffen und Massendemonstrationen gegangen sei, erklärte Amnesty. Menschen seien willkürlich und teilweise mit übermäßiger Polizeigewalt verhaftet und daran gehindert worden, ihre Meinung frei zu äußern. Auch die Rechte während der Haft seien missachtet worden. Schweizer Globalisierungsgegner erklärten, eine vierköpfige Reisegruppe sei an der Grenze zu Italien zur Umkehr gezwungen worden. Als die drei Männer und die Frau dagegen protestiert hätten, seien sie von den italienischen Grenzwächtern « brutal » verhaftet worden, so dass ein Aktivist aus dem Mund geblutet habe. Copyright © 2002 AP.
URL dieses Artikels: http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&=214579 Sozialforum gegen Militarisierung der EU 08. Nov 2002 15:35 Auf dem Europäischen Sozialforum in Florenz debattieren mehr als 20.000 Globalisierungskritiker, darunter auch Gewerkschaftsvertreter. Friedensgruppen wenden sich « Präventivkriege ». Die Teilnehmer des Europäischen Sozialforums in Florenz haben der Europäischen Union eine zunehmende Militarisierung vorgeworfen. Zu der Konferenz haben sich mehr als 20.000 Globalisierungskritiker in der italienischen Stadt versammelt. Das erweiterte Europa sei in Begriff, sich von einem « Wirtschafts- zu einem Militärbündnis » zu wandeln, sagte Tobias Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. « Bei der geplanten EU-Truppe geht es nicht um Verteidigung, sondern um Angriff. » Gemeinsam mit Vertretern internationaler Friedensgruppen sprach er sich gegen « Präventivkriege » und den « niedrig-schwelligen Einsatz von Atomwaffen » aus. Die Amerikanerin Susan George verurteilte den Versuch von Präsident George W. Bush, das « US-Kriegsmodell nach Europa zu exportieren ». Auch in den USA gebe es eine breite Friedensbewegung, sagte Coline Kelly von einer Gruppe Angehöriger der Opfer des 11. September. Doch wie das Beispiel der großen Friedensdemonstration in Washington zeige, werde sie von den Medien weitgehend ignoriert. An dem Sozialforum nehmen neben den Gruppen der Anti-Globalisierungsbewegung auch Vertreter von traditionellen politischen Kräften teil, darunter viele Gewerkschafter. « Wenn die Gewerkschaften sich nicht auf die neuen Bewegungen einstellen, ist das ihr Ende », sagte Stephan Krull von der IG-Metall in Wolfsburg. Von den Arbeitnehmervertretern wurde auf einer der Debatten gefordert, sie sollten wieder « kämpferischer » auftreten. « Reformistische Linke ist tot » Ebenfalls auf der Konferenz war der Vorsitzende der italienischen Partei der kommunistischen Wiedergründung, Fausto Bertinotti. Er erklärte die « reformistische Linke » für tot. Sie habe sich überflüssig gemacht, indem sie sich dem Neoliberalismus unterworfen habe. An vielen Orten in Florenz kam es am heutigen Freitag zu kleineren, friedlichen Protestaktionen. Für morgen ist eine große Kundgebung geplant, zu der 200.000 Globalisierungs- und Kriegsgegner erwartet werden. (nz) MEHR IN DER NETZEITUNG Demonstranten an Grenze zu Italien abgewiesen http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214267 200.000 Demonstranten bei Sozialgipfel in Florenz erwartet http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214081 Krawalle bei Sozialforum in Florenz befürchtet http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=213616 Alle Rechte © 2002 NZ Netzeitung GmbH
Quelle: http://politics.guardian.co.uk/green/story/0,9061,836411,00.html Florence besieged by army of freethinkers 25,000 anti-globalisation activists converge for four days of debate on peaceful social change John Vidal in Florence Friday November 8, 2002 The Guardian Florence was yesterday under siege, not from hordes of violent anti-capitalists intent on destroying the city's artworks, as the Italian prime minister, Silvio Berlusconi, predicted earlier this week, but from legions of emerging political and social ideas which many believe could refresh global democracy and the traditional European left. While the authorities have played up a possible repeat of the Genoa G8 clashes last year that saw one man killed, tear gas, running battles and deep embarrassment for the Italian government, the 25,000 people who have gathered for the first European social forum are mostly locked in a bewildering variety of debates and discussions at an old fort. No one denies that obscure fringe elements may seek to settle scores with the police at tomorrow's anti-war march, which is expected to attract 100,000 people, but yesterday's emphasis was firmly on peaceful change and the evolution of political ideas rather than revolution. The forum, set up as a pro-democracy organisation to bring together broad social movements, says it has no intention beyond stimulating debate and giving a voice to people who are marginalised, or who seek political change. Its agenda is set by the participants and it expects to issue no formal statement of aspirations - or indeed, to reach any conclusions. Six thousand armed police are on standby, but a demonstration by 5,000 people against a nearby US air force base outside Florence passed off peacefully. Despite this, all McDonald's restaurants in the city, Shell petrol stations, many exclusive shops and small traders barricaded their premises or closed up. But many locals were appalled that the authorities and press had, they alleged, deliberately misrepresented the four-day conference. "Red Tuscany welcomes you," said one defiant shopkeeper. One of the participants at the forum, Dr Tony Caravas from Athens, said: "This is a coming of age for the anti-globalisation movement. For the first time people have gathered from across Europe and other continents, not to oppose an organisation or world leaders, but to come up with ideas for change. There are people here from very many political traditions and cultures who want to find new ways to resist what is happening in the world. Now the problem is to describe the world that we want." Michelle Roberts, a teacher from Bordeaux, added: "This is the new politics. People are excited. Everyone has come for the same thing - to understand what is happening, question the present system of politics and propose changes." The 25,000 people of all ages, from 475 groups and more than 100 countries, are meeting in halls and many smaller workshops around the city. The more than 400 debates range from anti-militarism to vegetarianism, world debt and social control, to African development, industrial food, religions, European responsibilities, migrants, human rights and energy. Yesterday dissidents and high profile authors and politicians spoke, including the Italian Nobel literature prizewinner Dario Fo, the French farm leader José Bové, US activists Ralph Nader and Naomi Klein, Tariq Ali and Vandana Shiva. "In four days here I can learn more about what is happening in the world than I could in four years watching TV," said a local student. "This is my education. We are not told what is happening in the press, we are spoon-fed what the authorities want us to hear." High on the agenda are the perceived erosion of democracy, the role of political parties, alternatives to privatisation and the threat of multinationals. "The background to all debates is the growing worldwide opposition to the 'neoliberal' politics espoused by G8 countries," one conference organiser said. The name and form of the meetings is borrowed from the influential world social forum held annually in Porto Alegre, Brazil. This adopted the slogan "another world is possible" and was set up to counter the world economic forum held in Davos, Switzerland, each year, which attracts leading financiers, politicians and establishment thinkers. "What is being attempted is a loose organisational form to the anti capitalist movement," a forum spokesman said. "The sheer volume and diversity of ideas means we'll never get point by point consensus, but there are key things like war, racism and neoliberalism that we can agree on." Trade unions, communist groups, socialists, environmentalists, anarchists and greens are all represented. Most say they have put aside their traditional rivalries, at least for the duration of the meeting. "Out of this chaos of ideas and experiences, we can all learn and and change our views," a French socialist said. "It's an incredible symbol of hope," said Caroline Lucas, Britain's only Green MEP. "It shows there is a great deal of common ground between disparate groups and people." Nevertheless, the intellectual and political fault lines are apparent after just one day of talks. Many people at the meeting reject capitalism entirely, others seek to reform it. Some were yesterday trying to discount the idea of working classes, others were calling for more union rights. "This is like a supermarket of ideas. You can pick and choose. But at least you have real debate and choice," said Rinadini, a jobless Italian who is staying with thousands of others in a sports hall. --- The following apology was printed in the Guardian's Corrections and Clarifications column, Saturday November 9, 2002 Caroline Lucas is not "Britain's only Green MEP", as she was described in this report. We overlooked Jean Lambert, the Green MEP for London. Apologies. --- Guardian Unlimited © Guardian Newspapers Limited 2002
Quelle: http://dw-world.de/german/0,3367,3645_A_671830_1_A,00.html Deutsche Welle 08.11.2002 Europäisches Sozialforum in Florenz Im Zentrum des Treffens der europäischen Alternativen stehen der drohende Krieg im Irak und eine Antwort auf die negativen Folgen der globalen Ökonomie. Trotz der Bedenken der italienischen Regierung unter Silvio Berlusconi: Das Europäische Sozialforum erweckt nicht den Anschein einer Radau-Tribüne mit gewaltbereiten Chaoten. In Florenz wird weiter nach konkreten Alternativen zu den Auswüchsen eines Turbo-Kapitalismus mit entfesselten Finanzmärkten gesucht. Hugo Braun von attac-Deutschland erläutert, welche Ziele bei den Workshops und Diskussionsveranstaltungen weiter im Vordergrund stehen: "Dass der internationale Kapitalmarkt ein Kontrollinstrument bekommt. Wir haben mit unseren Freunden aus Frankreich einen Ansatzpunkt in der Besteuerung der internationalen Devisen-Transfers gefunden - in der Erfindung eines ganz bürgerlichen Wissenschaftlers, dieses Herrn Tobin, womit wir auf eine ganz breite Resonanz gestoßen sind, bei den Gegnern und den Befürtern. Und bei den Gegnern stellt sich interessanterweise heraus, dass sie gar nicht so ängstlich sind, um die 0,1 Prozent Steuer" Die Befürchtungen gehen nach Meinung von attac eher in die Richtung, dass der Kapitalmarkt überhaupt kontrolliert werden soll. Daher bleibt eine Steuer nach dem Tobin-Muster wohl auch in Zukunft reine Illusion. Konkret spürbar ist dagegen bei den Teilnehmern die Angst vor einem Krieg im Irak. So diskutieren die verschiedenen europäischen Friedensbewegungen in Florenz Möglichkeiten, den amerikanischen Irak-Feldzug zu verhindern. Stefan Ziefle ist deshalb aus Hamburg in die Toskana gekommen: "Also ich denke, dass von hier ein Impuls ausgehen kann an die sozialen Bewegungen, an die Antikriegsbewegungen in ganz Europa. Ich habe ganz speziell die Hoffnungen, dass die rund 1000 Deutschen, die hier sind, tatsächlich die Vernetzung vorantreiben können und wir uns hier tatsächlich auf eine einheitliche Vorgehensweise in der Frage des Irak-Krieges einigen können, was eine sehr große Unterstützung wäre für die Antikriegs-Bewegung in Deutschland." Die Bewohner in Florenz fürchten sich hingegen zum Schauplatz einer militanten Auseinandersetzung zwischen gewaltbereiten Chaoten und der italienischen Polizei zu werden. Seit Tagen bereiten sich die Bewohner auf den Belagerungszustand vor. Mc-Donald's-Filialen montierten ihre Schilder ab, Luxus-Läden, Hotels und Restaurants sperren die Türen zu. Allein 6.000 Polizisten sind zum Schutze der Stadt abgestellt, 250 exponierte Kunstdenkmäler werden rund um die Uhr bewacht. Von Seiten der Globalisierungskritiker ist inzwischen eine gesamteuropäische Antikriegs-Demonstration in Sachen Irak geplant. Stefan Ziefle begründet, warum er die kritische Haltung der Regierung in Berlin für richtig hält: "Ich bin gegen eine deutsche Beteiligung und gegen einen Angriff sowieso und ich begrüsse sehr stark, dass die Bundesregierung da eine eindeutige Position eingenommen hat, wobei ich denke, dass die Antikriegsbewegung weiter eine sehr wichtige Aufgabe hat, dass die Bundesregierung dem US-Druck nicht nachgibt, was leider im Moment passiert - also Überflugsrechte über Deutschland, die US-Basen in Deutschland, der Ersatz von US-Truppen Afghanistan mit deutschen Soldaten, alle diese direkte und indirekte Unterstützung. Ich denke, wir haben dafür zu sorgen, dass das aufhört." Bevor das Sozialforum von Literaturnobelpreisträger Dario Fo eröffnet wurde, demonstrierten nur ein paar Globalisierungsgegner vor den Toren einer italienischen US-Militärbasis. Außerdem werden Proteste gegen die kommenden EU-Gipfel, die WTO-Tagung in Mexiko und das Treffen der G 8 im französischen Evian vorbereitet. http://www.dw-world.de © Deutsche Welle
Quelle: http://de.news.yahoo.com/021109/12/326ap.html Associated Press (AP) Samstag 9. November 2002, 19:28 Uhr "Ein Jahrmarkt, keine Revolution" Florenz (AP) Für Ole, Anna und Bastian, drei junge deutsche Teilnehmer des Europäischen Sozialforums, sind die strengen Sicherheitsvorkehrungen zum Europäischen Sozialforum der Globalisierungsgegner überzogen: « Alles Panikmache! Das ist hier eher ein Jahrmarkt, keine Revolution », sagt die 18-jährige Anna Kossack aus Kassel. Ihr Bus sei am Dienstag über zwei Stunden an der Grenze kontrolliert worden. Zwei Personen sind zurückgewiesen worden, den Grund hat man ihnen nicht gesagt. « Wir haben schon das Schlimmste befürchtet in Florenz, aber die Menschen sind hier nett und freundlich, die Atmosphäre völlig entspannt! » Friedlich begann am Samstag - wegen des großen Andrangs früher als geplant - die Großkundgebung gegen einen Irak-Krieg und Globalisierungsfolgen. Die Zahl der Teilnehmer wurde auf bis zu 400.000 geschätzt. Die drei großen Themen der dreitägigen Veranstaltung waren Neoliberalismus und Globalisierung, Krieg und Frieden, Menschen- und Bürgerrechte - alles unter dem Motto « Ein anderes Europa ist möglich! » Rund 400 Organisationen aus über 100 Ländern nahmen an mehr als zehn Konferenzen, über 60 Seminaren und unzähligen Workshops teil. Der Tagungsort, die Fortezza da Basso, gleicht eher einem Jahrmarkt als einem kriegerischem Befestigungslager. Überall hingen Plakate in den unterschiedlichsten Sprachen, wurden Zeitungen verkauft, wurde diskutiert. Ole, Anna und Bastian übernachteten in einem öffentlichem Gebäude, das die Stadt Florenz eigens für die angereisten Ausländer zur Verfügung gestellt hat. Die drei Deutschen sind bereits am Dienstag aus Köln, Essen und Kassel gekommen. « Die Atmosphäre hier ist einfach toll und entspannt. Natürlich auch chaotisch, aber immerhin ist dies das erste europäische Treffen dieser Art », sagt Anna, die die Landes-SchülerInnen-Vertretung Hessen. Am Sonntag will die junge Kasselerin auf der Hauptversammlung der europäischen Sozialorganisationen vor Tausenden von Leuten sprechen. Ihr Thema: Demokratie und Bildung. « Bildung sollte für jeden zugänglich sein. Eine Privatisierung der Bildung wäre der Untergang für das Land und für die Demokratie! » Sie hat klare Vorstellungen davon, was das Treffen bringen soll: « Ich möchte hier Gleichgesinnte treffen und mich mit ihnen europaweit vernetzen. Wir haben die gleichen Probleme, also können wir sie auch gemeinsam lösen! » Das weltweite Forum hatte im Januar in der brasilianischen Stadt Porto Alegre stattgefunden. Es sollte den sozialen Bewegungen und Organisationen Raum zu Austausch und Diskussion und die Möglichkeit zur internationalen Vernetzung bieten. Die weltweite Bewegung hat sich das Ziel gesetzt, sozial und ökologisch nachhaltige Strategien und Alternativen zur weltweiten neoliberalen Globalisierung zu finden. Am WSF nahmen rund 60.000 Menschen teil. Um die Treffen zu verkleinern wurde beschlossen, regionale und nationale Versammlungen zu veranstalten. « Natürlich sind beim ESF auch die autonome Gruppen vertreten », erklärt Thomas Seibert. « Aber bisher ist hier alles friedlich verlaufen und daran wird sich auch nichts ändern! » Der 45-jährige Deutsche vertritt die Frankfurter Gesundheitsorganisation Medico International. Er ist bereits am Montag angereist, um sich ein wenig in Florenz umzuschauen. Das ESF ist für ihn eine Gelegenheit, andere europäische Gesundheitsorganisationen kennen zu lernen. « Gemeinsam können wir mehr erreichen », sagt er. Seibert informierte sich auch bei den Ständen der autonomen Gruppen auf der Piazza della Libertà, die für ihn nicht Gegen-, sondern Parallelveranstaltung zum ESF ist. http://www.fse-esf.org http://www.dsf-gsf.org Organisationen: http://www.lsv-hessen.de http://www.scudag.org http://www.medico.de AP-Nachrichten - The Associated Press News Service
Frankfurter Rundschau 09.11.2002 "Europäisches Sozialforum" Globalisierungskritiker fordern Auflösung der Nato FLORENZ, 8. November (epd). Im Rahmen der Diskussion um Friedenspolitik forderten Teilnehmer des "Europäischen Sozialforums" in Florenz eine Auflösung der Nato und warnten vor einer Militarisierung der Europäischen Union. Bei der geplanten "EU-Truppe geht es nicht um Verteidigung, sondern um Angriff", beklagte Tobias Pflüger von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung. Gleichzeitig bemühten sich Forumsteilnehmer um ein Bündnis zwischen Globalisierungskritikern und traditionellen politischen Kräften. "Die Ethik muss ein Grundwert der Politik sein, und wenn unsere Ethik eine Zukunft haben will, muss sie sich mit der Politik treffen", erklärte der Sprecher des italienischen Sozialforums, Vittorio Agnoletto. Die Zahl der Forumsteilnehmer stieg am Freitag auf rund 35 000. Damit wurden die Erwartungen der Organisatoren weit übertroffen. Neben Großversammlungen, Seminaren und Workshops über Neoliberalismus, Krieg und Bürgerrechte geriet das Treffen zunehmend zu einem fröhlichen Happening. Während Sprechchöre mit Slogans wie "Revolution" erklangen, suchten Globalisierungskritiker aus aller Welt nach gemeinsamen Strategien.
Quelle: http://www.nzz.ch/2002/11/09/al/page-article8IEVL.html Das « Volk von Seattle » zu Gast in Florenz Familientreffen von Europas Globalisierungsgegnern In Florenz haben sich ein paar tausend meist jugendliche Globalisierungsgegner im Rahmen eines « Europäischen Sozialforums » zu einem Meinungsaustausch eingefunden. Für Samstag ist ein Friedensmarsch angesagt, zu dem gegen 200 000 Teilnehmer erwartet werden. Behörden und Polizei haben Sicherheitsbedenken angemeldet. sdl. Florenz, 8. Nov. Einzelne Geschäfte in der Umgebung des Doms oder der zentralen Piazza della Repubblica in Florenz haben ihre Schaufenster mit Holz- oder Metallwänden verrammelt oder die Rollläden heruntergelassen. Bei anderen sind Arbeiter noch damit beschäftigt, die Auslagen behelfsmässig zu verriegeln. Es sind spürbar weniger Touristen in der Stadt, und da und dort trifft man auf eine Gruppe von Carabinieri, Polizisten oder Angehörigen der Guardia di Finanza. Sie gehören zu einer Truppe von insgesamt rund 6000 Mann, die in der toskanischen Hauptstadt für die Dauer des sogenannten Europäischen Sozialforums im Einsatz stehen. Mehr als Appelle Die Veranstaltung auf dem Gelände der Fortezza da Basso hinter dem Bahnhof Santa Maria Novella dauert bis Sonntag. Ihre Zeit verbringen die grösstenteils jungen Protesttouristen in über einem Dutzend Konferenzen sowie ein paar hundert Seminarien und Workshops über die ihrer Meinung nach besonders schädlichen Aspekte der Globalisierung. Am Samstag wird das Sozialforum mit einer Kundgebung beendet, zu der die Veranstalter gegen 200 000 Teilnehmer erwarten. Dieser Protestzug des « Volkes von Seattle » gegen die Kriege in aller Welt ist es, der Politiker und einen Teil der Bewohner von Florenz das Schlimmste befürchten lässt. Man kann es ihnen nach den Ereignissen am Rande von internationalen Großveranstaltungen in Seattle, Washington, Prag, Montreal, Nizza, Davos, Neapel und Genua während der letzten drei Jahre auch nicht verargen. In all diesen Städten startete jeweils eine kleine Schar von gewalttätigen Chaoten hinter dem Schild von friedlichen Protestaktionen ihre Zerstörungstouren. Befürchtungen, dass Florenz und seine Bewohner am Samstag unter Ausschreitungen, Chaos und Gewalt leiden könnten, stören all jene, die ihre politische Arbeit in den Mittelpunkt stellen und sich darum bemühen, dass das locker strukturierte Lager der Globalisierungsgegner und -kritiker über das Stadium der Appelle, Demonstrationen und Kampagnen hinauswachsen kann. Diese Kreise möchten sich jetzt daranmachen, politisch umsetzbare Konzepte zu formulieren. Von dieser Seite kann man etwa hören, dass jene zu den Wegbereitern der Bewegung gehörten, die Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen und Ziele nicht zum Vornherein grundsätzlich ausschlossen. Die Institutionen, die die Globalisierung fördern, werden als Feinde betrachtet, denen es das Handwerk zu legen gilt. Ehrenwerte Ziele Seattle, wo im November 1999 Manifestanten und Angehörige der Sicherheitskräfte während einer Konferenz der World Trade Organization aneinander gerieten, gilt als Geburtsstunde der globalisierungskritischen Szene. Sie ist ein weltweites loses Netz von Nichtregierungsorganisationen, Solidaritätsgruppen, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Kirchenkreisen, Bewegungen jeder Art und weiterem mehr. Als treibende Kräfte, Galionsfiguren oder Vordenker wirken die kanadische Publizistin Naomi Klein, ihre britische Kollegin Susan George, der aus den Philippinen stammende Nationalökonom Walden Bello oder der französische Bauernaktivist José Bové. Diese Leute treten für eine Weltordnung ein, in der das Leben nicht einfach als Ware behandelt wird und die Welt nicht zum Verkauf steht, in der die Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen und Traditionen bestehen bleiben können und die Lebensformen auf diesem Planeten nicht weltweit ein und denselben Gesetzmässigkeiten unterworfen werden. Sie setzen sich für Entwicklungsmodelle ein, die die Welt lediglich in einem Mass belasten sollen, dass auch spätere Generationen noch eine Zukunft haben können. Für sie kann mit einer Welt etwas nicht stimmen, in der weniger als 20 Prozent der Menschheit über mehr als 80 Prozent der natürlichen Ressourcen gebieten. Man lehnt die grenzübergreifenden Aktivitäten von Märkten, Börsen, Produktion und moderner Informationstechnologie nicht grundsätzlich ab, fordert indessen, dass auf die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft Rücksicht genommen werden muss. Die Globalisierung soll, so wird verlangt, mittels verbindlicher Regeln unter Kontrolle gebracht werden und ein menschliches Antlitz erhalten; Profit und Effizienz dürfen nicht als alleinige Massstäbe dienen. Es wird die Frage gestellt, warum die positiven Auswirkungen der Globalisierung sowie die Segnungen der modernen Zivilisation bisher an großen Teilen der Weltbevölkerung spurlos vorbeigegangen sind. Man will verhindern, dass lediglich eine kleine Elite immer reicher werde und diese den Zugang zu Wissenschaft, Technologie, Kommunikation und den natürlichen Reichtümern der Welt kontrolliert. Das Europäische Sozialforum, das unter dem Motto « Ein anderes Europa für eine andere Welt ist möglich » steht, geht auf eine Initiative des Weltsozialforums von Porto Alegre zurück, wonach die Aktivitäten zu regionalisieren seien. Für das Treffen in Florenz wurden drei Themenkreise bestimmt: « Neoliberalismus und Globalisierung », « Krieg und Frieden » und « Bürger-/Menschenrechte und Demokratie ». Wer in Florenz mitmachen wollte, hatte sich rechtzeitig « einzuklinken », der Beitrag musste einfach einigermassen in einen der drei Themenkörbe passen. Auch die Globalisierungskritiker führen ihren Kreuzzug natürlich global, Kontakt untereinander halten sie über das Internet und mit gelegentlichen Begegnungen in der wirklichen Welt. Die Bewegung soll ihre vielfältigen Facetten bis auf weiteres bewahren. Etwas anderes wäre zurzeit wohl auch nicht zu erreichen, da keine einzelne Gruppe eine Führungsrolle übernehmen und alle anderen in eine bestimmte Richtung zwingen soll; es geht « basisdemokratisch » zu, es wird wenig oder nichts entschieden und wenn schon, dann allenfalls auf Ad-hoc-Basis. Einzelnen Vertretern scheinen die endlosen Palaver nun allerdings nicht mehr zu genügen; Susan George etwa spricht davon, dass « die Bewegung für ihre Anliegen kämpfen und die Politiker zwingen muss » zuzuhören. Die Mächtigen der Erde sollen sich der Aufgabe zuwenden, den Globalisierungsprozess Kontrollmechanismen zu unterwerfen; man will nicht akzeptieren, dass alles den Marktkräften überlassen wird. Fröhliche Stimmung Die Stimmung auf dem Gelände der Fortezza da Basso ist fröhlich. Man weiss allerdings nicht immer, ob man sich an einem Open-Air-Festival für Folkmusik, in einem Ferienlager fortschrittlicher Studentengruppen oder einem Basar der Genossen aus der linken Ecke befindet. Nach Letzterem sieht es in einer Halle aus, in der die verschiedensten Gruppen und Grüppchen ihre Stände aufgebaut haben und T-Shirts, Poster, Bücher, Pamphlete, Protestknöpfe sowie Spielzeuge und andere Handwerkserzeugnisse von Völkern aus aller Welt zum Verkauf anbieten. Auf dem Weg zu einem Seminar, wo über die Tobin- Steuer und die Grössenordnung des weltweiten Devisenhandels referiert wird, findet man eine Gruppe Indianer vor ihrem Tipi. Da und dort rennt ein Hund davon, in einem Hof spielt eine Rock-Band, daneben werden Würste verkauft. Nachdem man eine Weile Schweizer Aktivisten zugehört hat, die sich zu den Themen Steuerparadiese und Steuerhinterziehung äussern, verirrt man sich in einen Raum, der zum stillen Verweilen, Meditieren und Nachdenken animieren soll. In diesem « Reflektorium » sind zwei Weisheiten angeschlagen. Die eine - « Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Friede ist der Weg » - wird dem buddhistischen Mönch Thich Nhat Hanh aus Vietnam zugeschrieben, die andere stammt vom Dalai Lama: « Wenn du deinen Mitmenschen schon nicht helfen kannst, so verzichte zumindest darauf, ihnen Schaden zuzufügen. » Damit sollten eigentlich auch die glühendsten Verfechter der Globalisierung keinerlei Mühe bekunden, und wenn solche Ermunterungen auch vom « Volk von Seattle » beherzigt werden, besteht zu Sorgen und Ängsten kaum Anlass.
Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=123535 news.ch 9.11.2002 500 000 Menschen demonstrieren in Florenz gegen einen Irak-Krieg Florenz - Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war die grösste Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit Jahren. Der kilometerlange Demonstrationszug bildete den Höhepunkt des fünftägigen Europäischen Sozialforums, zu dem Globalisierungs-Kritiker und Friedensgruppen aus der ganzen Welt in die Toskana-Metropole kamen. Stoppt die Kriegskoalition und Kein Angriff auf den Irak hiess es auf Spruchbändern. Viele der zumeist jungen Leute schwenkten rote Fahnen. Zu den Demonstranten zählte auch der Chef der italienischen Altkommunisten, Fausto Bertinotti und der Führer des stärksten italienischen Gewerkschaftsverbands CGIL, Guglielmo Epifani. Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500 000 schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million. Die Regierung mobilisierte im Vorfeld der Demonstration 6000 Sicherheitskräfte. Viele Ladenbesitzer ließen ihre Geschäfter aus Angst aber geschlossen. Zudem hatte die Regierung den Demonstraten verboten, durch die historische Altstadt zu ziehen. Stattdessen gingen die Demonstranten durch die Aussenviertel zum Sportstadion. Durch eigene Ordnungskräfte versuchten die Veranstalter zu verhindern, dass sich gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten mischten. Nach Polizeiangaben kam es nicht zu den befürchteten Ausschreitungen. Beim Sozialforum hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtert. Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu steigender Armut in der Dritten Welt führen. Ein Schuldenerlass für die Entwicklungsländer sei unerlässlich. ps (Quelle: sda)
Quelle: http://www.rp-online.de/news/politik/2002-1109/irak_demo.html Artikel aus RP-Online vom 09.11.02 20:06 * 450.000 Teilnehmer auf Italiens Straßen Massendemo gegen Irak-Krieg Florenz (rpo). Friedliche Massendemonstrationen gegen einen möglichen Irak-Krieg und die negativen Auswirkungen der Globalisierung: Rund eine halbe Million Menschen aus ganz Europa kamen am Samstag in Florenz zusammen. Die Zahl der Teilnehmer wurde von den Organisatoren auf 800.000 bis eine Million geschätzt, die Polizei sprach von 450.000 Demonstranten. Die befürchteten Ausschreitungen blieben bis zum Abend aus. Die Polizei hielt sich betont zurück und war zwischen den Demonstranten, die Regenbogenfahnen und Transparente mit der Aufschrift "Kein Krieg" trugen, kaum zu sehen. Die Atmosphäre wirkte heiter und gelöst. Viele Demonstranten hatten Trommeln und Pfeifen mitgebracht, andere waren als Clowns kostümiert oder auf Rollschuhen unterwegs. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte das Europäische Sozialforum, ein Zusammenschluss von unabhängigen und autonomen Verbänden, Menschenrechts- und Kirchengruppen, Gewerkschaften sowie linken Organisationen und Parteien. Die Großdemonstration, zu der ursprünglich nur 100.000 Teilnehmer erwartet worden waren, war einer der Höhepunkte des Sozialforums, das noch bis Sonntag tagt. Die Demonstration begann mehr als eine Stunde früher als geplant, weil einfach kein Platz mehr war für die stetig anwachsende Menge. Friedlich zogen die Menschen am Arno entlang durch die Straßen von Florenz zum Fußballstadion, wo dann noch ein Konzert stattfinden sollte. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Politik der USA und gegen die multinationalen Konzerne, denen eine Politik zu Lasten der Armen und der Umwelt vorgeworfen wurde. Die italienische Polizei hatte die Sicherheitsvorkehrungen erheblich verstärkt. Unter anderem waren 850 Mülleimer entlang der Demonstrationsstrecke entfernt worden. Seit Beginn des Sozialforums am Mittwoch waren 6.000 Polizisten in der Stadt im Einsatz. Bei der Kundgebung hielt sich die Polizei weitgehend im Hintergrund. "Ich habe noch nie so viele Demonstranten und so wenige Polizisten gesehen", sagte ein deutscher Teilnehmer, Uwe Schurmann aus Oberhausen. Die italienische Regierung hatte sogar den Luftraum über der Stadt für Privatflugzeuge von Mittwoch bis Sonntag gesperrt. Italien setzte wegen des Treffens ferner das Schengener Abkommen, das eigentlich allen EU-Bürgern Reisefreiheit in der Europäischen Union gewährt, außer Kraft. Die Großdemonstration galt auch als Test für die italienische Polizei, die sich nach dem G-8-Gipfel in Genua im vergangenen Jahr schwere Vorwürfe anhören musste, nachdem Carabinieri einen Demonstranten erschossen und Hunderte Menschen verletzt hatten.
SPIEGEL ONLINE - 09. November 2002, 17:33 Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,222251,00.html Anti-Bush-Aufmarsch Halbe Million gegen Irak-Krieg Manche schwenkten rote Fahnen, doch auch überzeugte Christen gingen auf die Straße: Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die befürchteten Ausschreitungen blieben zunächst aus. Florenz - Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen "Europäischen Sozialforums", zu dem Globalisierungs-Kritiker und Friedensgruppen aus der ganzen Welt zusammenkamen. Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500.000 schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000 Sicherheitskräfte mobilisiert, viele Geschäfte in Florenz blieben geschlossen. Zunächst gab es keine Zusammenstöße. Auch Deutsche waren bei der Demonstration dabei. Es war die größte Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit Jahren. "Stoppt die Kriegskoalition" und "Kein Angriff auf den Irak" hieß es auf Spruchbändern. Viele der zumeist jungen Leute schwenkten rote Fahnen. Auch zahlreiche Anhänger der italienischen Kommunisten, Gewerkschafter sowie kirchliche Gruppierungen beteiligten sich an dem Kilometer langen Demonstrationszug. Polizei und Sicherheitskräfte hielten sich im Hintergrund. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die Regierung dem Demonstrationszug nicht erlaubt, durch die historische Altstadt zu ziehen. Die italienische Regierung hatte sogar den Luftraum für Privatflugzeuge von Mittwoch bis Sonntag gesperrt. Stattdessen zogen Demonstranten durch die Außenviertel zum Sportstadion von Florenz. Die Großdemonstration galt auch als Test für die italienische Polizei, die sich nach dem G-8-Gipfel in Genua im vergangenen Jahr schwere Vorwürfe anhören musste, als Karabinieri einen Demonstranten erschossen und Hunderte Menschen verletzten. Die Veranstalter versuchten, durch eigene Ordner zu verhindern, dass sich gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten mischten. Der Regierung ging es vor allem darum, blutige Zusammenstöße wie beim G-8-Gipfel im Juli 2001 in Genua vermeiden. Damals hatte ein Polizist einen jungen Italiener erschossen, viele Menschen wurden verletzt. Beim "Sozialforum" hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtert. Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu steigender Armut in der Dritten Welt führen. Ein Schuldenerlass für die Entwicklungsländer sei unerlässlich.
Quelle:
http://www.faz.net/s/Rub9E7BDE69469E11D4AE7B0008C7F31E1E/Doc~EC41C22C4D6764C028B67E53FF237507F~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Frankfurter Allgemeine Zeitung 09.11.2002 Europäisches Sozialforum Über 500.000 demonstrieren gegen drohenden Irak-Krieg 09. November 2002 - Mehr als eine halbe Million Menschen aus ganz Europa haben am Samstag in Florenz gegen einen möglichen von den USA geführten Militärschlag gegen Irak demonstriert. Die Kundgebung fand im Rahmen des ersten Europäischen Sozialforums statt. Zu dem viertägigen Forum waren Globalisierungsgegner aus Europa zu Diskussionen und Konzerten eingeladen. Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500 000 schätzten, sprachen die Veranstalter zeitweise von einer Million. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6.000 Sicherheitskräfte mobilisiert; viele Geschäfte in Florenz blieben geschlossen. Bis zum Abend gab es keine Zusammenstöße. Die Atmosphäre zwischen den Demonstranten und den Sicherheitkräften war jedoch Augenzeugen zufolge vergleichsweise entspannt. Die Museen und die berühmte Kathedrale von Florenz waren geöffnet. Vorsorglich hatte die Polizei in einem zentrumsnahen Gefängnis rund hundert Zellen freihalten lassen. In einem bunten Meer von Fahnen und Luftballons trugen Demonstranten Transparente in vielen Sprachen. "Nehmt euren Krieg und fahrt zur Hölle", stand auf einem, und auf einem anderen war zu lesen: "Ein anderes Europa ist möglich. Nein zum Krieg." Musik schallte aus Lautsprechern, Luftballons flogen durch die Luft, und Jongleure unterhielten die Menge. "Die Atmosphäre ist wunderbar. Absolut perfekt", sagte ein junger Grieche. "Sie zeigt, dass eine neue junge Linke entsteht." Die Veranstalter teilten mit, sie hätten den Demonstrationszug eine Stunde frühere als geplant starten lassen, weil sich so viele Menschen in den Straßen der Altstadt gedrängt hätten. Die Demonstration war schon vor Monaten geplant gewesen, erhielt durch die Verabschiedung der Resolution zur Abrüstung Iraks am Freitag im UN-Sicherheitsrat jedoch zusätzliche Aktualität. Der linke französische Politiker Alain Krivine sagte, es habe keine Illusionen mehr über Organisationen wie die UN und ihre Fähigkeit, der Menschheit zu helfen. "Märsche allein werden keine Kriege stoppen", sagte er, "aber dies ist wortwörtlich ein erster Schritt." EU-Kommissionpräsident Romano Prodi zeigte Verständnis für die Demonstranten. Er verfolge, was in Florenz geschehe. Den jungen Menschen müsse Gehör geschenkt werden, sagte Prodi in der nahe gelegenen Stadt Bologna. "In dieser Zeit der Veränderungen ist die Stimme der Jugend von großer Bedeutung", sagte der Italiener. Das bedeute aber nicht, dass ihre Auffassungen geteilt werden müssten. Text: Reuters, dpa Bildmaterial: AP
Quelle: http://www.berlinonline.de/suche/.bin/mark.cgi/aktuelles/berliner_zeitung/politik/.html/191879.html
Berliner Zeitung Samstag, 09. November 2002 Friedlich und etwas chaotisch - das Sozialforum in Florenz 35 000 Jugendliche debattieren über Neoliberalismus und Krieg und über die Zukunft der "Bewegung der Bewegungen" Thomas Götz FLORENZ, 8. November. Viele Geschäfte in Florenz haben geschlossen, amerikanische Hamburger-Restaurants ihre Fenster verbarrikadiert. Doch die Panik, die italienische Medien vor Beginn des Europäischen Sozialforums schürten, hat sich - bisher jedenfalls - als völlig unbegründet erwiesen: Nicht Tränengas und der Qualm brennender Autos wie beim G-8-Gipfeltreffen in Genua im letzten Jahr liegt über der Stadt, sondern der Rauch von Bratwurstbuden. Friedlich und etwas chaotisch tagen die rund 35 000 vorwiegend jugendlichen Teilnehmer in der Bastei "Fortezza da Basso". Im buddhistisch angehauchten "Raum der Stille" schenken Aktivisten im Duft von Räucherstäbchen alternative Cola aus. Fotos von Kurdenführer Abdullah Öcalan und von Carlo Giuliani, dem im Vorjahr in Genua erschossenen Demonstranten, hängen an der Wand. Zur Friedensdemonstration, die an diesem Sonnabend von der Festung zum Stadion ziehen soll, werden mindestens 150 000 Teilnehmer erwartet, und die Organisatoren hoffen, das friedliche Bild bewahren zu können. Die ersten beiden Tage des Forums haben kaum ausgereicht, die großen Themen - Neoliberalismus, Rassismus, Krieg, Ausbeutung, Ungerechtigkeit - auch nur anzureißen. Die Veranstalter haben versucht, die vielen Aspekte auf zahllose kleine Arbeitskreise zu verteilen. Das erleichterte zwar die Kommunikation unter den Teilnehmern, machte es aber auch unmöglich, die Ergebnisse zu bündeln. Die "Bewegung der Bewegungen", wie das Sozialforum in Italien genannt wird, scheint an einem Wendepunkt angelangt. Die dezentrale Organisationsform, die viele als wesentliches Charakteristikum der Gruppe sehen, erweist sich zugleich als Hemmschuh. In den nächsten zwei Jahren werde sich zeigen, ob man aus dem Stadium der Appelle und Proteste hinauskomme, meint etwa Matthias Herfeld von der Schweizer Gruppe "Erklärung von Bern". Er hält es durchaus auch für möglich, dass das Forum wieder in seine Einzelteile zerfällt, ehe es noch politisch wirksam geworden ist. Seine Ansicht, man müsse die Zusammenarbeit mit etablierten Parteien und Gewerkschaften, ja sogar mit den verpönten internationalen Organisationen suchen, trifft in Florenz auf viel Widerspruch. Einer Institution wie der Welthandelsorganisation wünschen viele Teilnehmer nur eines - die Abschaffung. Neben den bekannten Identifikationsfiguren der Bewegung, dem französischen Bauern José Bové oder der US-amerikanischen Autorin Naomi Klein, sind auch viele Gewerkschaftsvertreter nach Florenz gepilgert. Der Chef der größten italienischen Gewerkschaft, der ehemals kommunistischen CGIL, ließ sich sehen; die kommunistischen Parteien Italiens boten sich der bunten Bewegung als Verbündete an, während die gemäßigten Linksdemokraten eher halbherzig in die Bastei einzogen. Unterdessen versuchten ein paar Anarchisten, die Geschäftsleute in der Innenstadt zu beruhigen. Mit großen Fahnen zogen sie durch die Straßen der Innenstadt und dankten mit anhaltendem Applaus all jenen, die ihre Geschäfte nicht verrammelt hatten. Der italienische Aktivist Luca Casarini, der in Genua noch mit provokanten Wortmeldungen und Aktionen das Klima kräftig aufgeheizt hatte, rief am Freitag seine Leute lediglich vor einem Werk der Firma Caterpillar am Stadtrand von Florenz zusammen. Dort protestierten sie gegen den Einsatz von Raupenfahrzeugen dieses Typs gegen die Palästinenser in den besetzten Gebieten.
http://www.heute.t-online.de/ZDFde/druckansicht/0,1986,2022377,00.html ZDF heute 09.11.2002 Politik Massendemonstration gegen Irak-Krieg Über 500.000 Teilnehmer ziehen friedlich durch Florenz Über eine halbe Million Menschen haben am Samstag in Florenz gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen "Europäischen Sozialforums", zu dem Globalisierungs-Kritiker und Friedensgruppen aus der ganzen Welt in die Toskana-Metropole kamen. --- Während die Behörden die Zahl der Teilnehmer auf fast 500.000 schätzten, sprachen die Veranstalter von einer Million. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000 Sicherheitskräfte mobilisiert, viele Geschäfte in Florenz blieben geschlossen. Zunächst gab es keine Zusammenstöße. Auch Deutsche waren bei der Demonstration dabei. Es war die größte Anti-Kriegs-Demonstration in Italien seit Jahren. "Stoppt die Kriegskoalition" und "Kein Angriff auf den Irak" hieß es auf Spruchbändern. Viele der zumeist jungen Leute schwenkten rote Fahnen. Auch zahlreiche Anhänger der italienischen Kommunisten, Gewerkschafter sowie kirchliche Gruppierungen beteiligten sich an dem Kilometer langen Demonstrationszug. Der Schatten von Genua Polizei und Sicherheitskräfte hielten sich im Hintergrund. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die Regierung dem Demonstrationszug nicht erlaubt, durch die historische Altstadt zu ziehen. Stattdessen zogen Demonstranten durch die Außenviertel zum Sportstadion von Florenz. Die Veranstalter versuchten, durch eigene Ordner zu verhindern, dass sich gewaltbereite junge Leute unter die Demonstranten mischten. Der Regierung ging es vor allem darum, blutige Zusammenstöße wie beim G-8-Gipfel im Juli 2001 in Genua vermeiden. Damals hatte ein Polizist einen jungen Italiener erschossen, viele Menschen wurden verletzt. Armut in Dritter Welt darf nicht steigen Beim "Sozialforum" hatten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur Bekämpfung der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung erörtert. Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht weiter zu steigender Armut in der Dritten Welt führen. Ein Schuldenerlass für die Entwicklungsländer sei unerlässlich. Ströbele fordert Zusammenarbeit Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) plädierte beim Europäischen Sozialforum für eine stärkere Zusammenarbeit der etablierten Parteien mit Globalisierungskritikern. Die Gruppen dürften dabei aber nicht ihre Unabhängigkeit verlieren und vereinnahmt werden, mahnte er am Freitagabend in Florenz. "Ohne den Druck der Straße haben die Parteien nicht die Kraft, die Globalisierung in eine gerechte Globalisierung umzuwandeln", sagte Ströbele vor 5000 Teilnehmern eines Forums. Er kritisierte zugleich die Zustimmung seiner Partei zu Bundeswehreinsätzen in Jugoslawien. © ZDF 2002
Saarländischer Rundfunk - 09.11.2002 17:00 Florenz: Globalisierungskritiker gehen auf die Straße Mehr als 100.000 Gobalisierungskritiker haben sich in der italienischen Stadt Florenz versammelt, um gegen einen möglichen Irak-Krieg zu demonstrieren. Die Demonstration bildet den Abschluss des Europäischen Sozialforums, zu dem insgesamt rund 40.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt nach Italien gekommen waren. Auf der Veranstaltung hatte unter anderem der Grünen-Politiker Christian Ströbele für eine engere Zusammenarbeit der etablierten Parteien mit den Globalisierungs-Kritikern geworben. - 09.11.2002 18:00 Florenz: Über eine halbe Million Teilnehmer bei Demo gegen Irak-Krieg Mehr als eine halbe Million Menschen haben gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen "Europäischen Sozialforums", zu dem Globalisierungskritiker aus aller Welt nach Florenz gekommen waren. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung zu der heutigen Kundgebung 6.000 Sicherheitskräfte mobilisiert. Damit sollten blutige Zusammenstöße wie beim G-8-Gipfel im Juli 2001 in Genua verhindert werden. Bei dem seit Mittwoch laufenden Sozialforum erörterten die Globalisierungs-Kritiker Strategien zur Bekämpfung einer ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung. Dabei forderten sie, der Globalisierungs-Prozess müsse sozial und demokratisch gesteuert werden und dürfe nicht zu steigender Armut in der Dritten Welt führen. - 09.11.2002 19:00 Florenz: Über eine halbe Million Teilnehmer bei Demo gegen Irak-Krieg Mehr als eine halbe Million Menschen haben gegen einen drohenden Irakkrieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen "Europäischen Sozialforums", zu dem Globalisierungskritiker aus aller Welt nach Florenz gekommen waren. Aus Florenz: Patricia Arnold (40s MP3-Audio, 316 KB)
Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021110/281/3270o.html Associated Press / Schweiz Sonntag 10. November 2002, 12:28 Uhr Hunderttausende gegen Krieg und Konzerne - Wochenendzusammenfassung Florenz (AP) Eine halbe Million Menschen aus ganz Europa haben in Florenz gegen einen möglichen Irak-Krieg und gegen den Einfluss multinationaler Konzerne demonstriert. Die Kundgebung war der Höhepunkt des am Sonntag beendeten Europäischen Sozialforums, auf dem die internationale Bewegung der Globalisierungsgegner fünf Tage lang über das Welthandelssystem und gesellschaftliche Entwicklung diskutierte. Die italienische Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten auf 450.000, die Veranstalter sprachen von 800.000 bis zu einer Million Teilnehmern. Die Polizei hielt sich betont im Hintergrund, die Atmosphäre wirkte heiter und gelöst. Viele Demonstranten hatten Trommeln und Pfeifen mitgebracht, andere waren als Clowns kostümiert oder auf Rollschuhen unterwegs. « Wir wollen demonstrieren, dass eine andere Welt möglich ist », sagte die 31-jährige Noemi Cucchi aus Ancona. Ursprünglich hatten die Veranstalter lediglich mit 100.000 Demonstranten gerechnet. Der Protestmarsch begann mehr als eine Stunde früher als geplant, weil einfach kein Platz mehr war für die stetig anwachsende Menge. Friedlich zogen die Menschen am Arno entlang durch die Straßen von Florenz zu einem Abschlusskonzert im Fussballstadion. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Politik der USA und gegen die multinationalen Konzerne, denen eine Politik zu Lasten der Armen und der Umwelt vorgeworfen wurde. Bei der Kundgebung hielt sich die Polizei weitgehend im Hintergrund. « Ich habe noch nie so viele Demonstranten und so wenige Polizisten gesehen », sagte Uwe Schurmann aus Oberhausen. Unter den Teilnehmern war auch der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele. Italien hat für die Dauer des Sozialforums das Schengener Abkommen ausgesetzt und schon an den Grenzen die anreisenden Demonstranten kontrolliert. Die Großdemonstration galt auch als Test für die italienische Polizei, die beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im vergangenen Jahr mit großer Härte gegen Demonstranten vorgegangen war. Dabei wurde ein Globalisierungsgegner erschossen, hunderte wurden verletzt. Copyright © 2002 AP Schweiz.
Artikel-URL: http://de.news.yahoo.com/021110/3/326tw.html Sonntag 10. November 2002, 09:32 Uhr Großdemonstration in Florenz gegen drohenden Irak-Krieg Florenz (dpa) - Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz friedlich gegen einen drohenden Irak-Krieg demonstriert. Die Protestaktion war Höhepunkt des fünftägigen « Europäischen Sozialforums », zu dem Menschen aus der ganzen Welt in die Toskana kamen. Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte die italienische Regierung 6000 Sicherheitskräfte mobilisiert; viele Geschäfte blieben geschlossen. Es blieb in Florenz jedoch auch in der Nacht friedlich. Copyright © 2002 dpa.
Quelle: http://www.sonntagszeitung.ch/sz/szUnterRubrik.html?ausgabeid=2684&rubrikid=128&ArtId=234926
Sonntagszeitung Friedliche Demo in Florenz Hunderttausende an Kundgebung gegen Krieg VON WALTER DE GREGORIO FLORENZ - Zwischen 450 000 und einer Million Menschen nahmen gestern in Florenz an einem Friedensmarsch teil, der vom Europäischen Sozialforum organisiert worden war. Der Nahostkonflikt sowie der drohende Krieg gegen den Irak standen im Mittelpunkt des Umzugs, der ohne Zwischenfälle verlief. Während die einen ein « freies Palästina » forderten, verlangten andere eine « Uno-Inspektion in Bushs Gehirn ». Den Terrorismus bekämpft man nicht mit Krieg, sondern mit Frieden das war auch der Grundtenor der Workshops und der Seminare, die in den letzten vier Tagen in Florenz stattgefunden hatten. Die Aufmunterung vieler jugendlicher Demonstranten, sich zu lieben, statt zu bekriegen, erwies sich als Idee zwar nicht mehr ganz frisch, wie auch die Aufforderung auf T-Shirts und Plakaten: « Make cake, make pizza » macht alles, ausser Krieg. Der Friedensmarsch befasste sich auch mit aktuellen Problemen der italienischen Arbeiterschaft, etwa mit der bevorstehenden Schliessung von Fiat-Werken und der Entlassung von Tausenden von Frauen und Männern. Angeprangert wurde auch die Einführung einer Prostituierten-Steuer, die sexuelle Ausbeutung der Frau, die Gentechnologie, die Umweltbelastung die Rundumdemonstration war engagiert und kräftig, oft witzig und ironisch. Und sie blieb stets friedlich. Das ist ein Erfolg für alle jene, die an diese Veranstaltung geglaubt hatten und an die Notwendigkeit, andere Wege zu suchen, um das Zusammenleben auf der Welt gerechter und menschlicher zu gestalten. Die so genannten « no globals » sind nicht, wie der Begriff fälschlicherweise suggeriert, gegen die Globalisierung an und für sich, sondern gegen eine Globalisierung, welche die Welt, die Natur und die Menschen als Ware betrachtet. Diese, bekräftigten die Demonstranten gestern, « stehen nicht zum Verkauf ». Die Regierung Berlusconi warnte vor dem « Einfall der Barbaren » Bis zuletzt hatte Italiens Mitte-rechts-Regierung unter Silvio Berlusconi versucht, das Europäische Sozialforum zu verhindern, als ginge es, wie vor einem Jahr in Genua, um eine Demonstration gegen ein Gipfeltreffen der Mächtigen. Es wurde argumentiert, Leib und Gut der Florentiner Bevölkerung würde in großer Gefahr stehen, falls man den « Einfall der Barbaren » nicht verhindere. Regierungsnahe Blätter und das Staatsfernsehen hatten in den letzten Tagen fast ausschliesslich über das vermeintliche Gefahrenpotenzial berichtet, statt über die Inhalte des Treffens der Globalisierungskritiker. In einem Beitrag des staatlichen Senders RAI wurde ein Bericht über die Roten Khmer ausgestrahlt, der suggerieren sollte, wohin es führe, wenn man nicht den Anfängen wehre. Den Tiefpunkt erreichte die Schriftstellerin Oriana Fallaci, einst für Intelligenz und Scharfsinn berühmt. Im « Corriere della Sera » forderte sie die Florentiner auf, ihre Läden für die Zeit des Sozialforums zu schließen, zum Zeichen der Trauer über « die bevorstehende Verwüstung durch die Hunnen ». Der Filmregisseur Franco Zeffirelli stieg mit Fallaci in den Schützengraben und erinnerte an die deutschen Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg: « Haltet durch! » Die Kulturstadt Florenz hats überlebt. © Tamedia AG
2002-11-10-standard-teilnehmer
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1128189 derStandard.at Europäisches Sozialforum 11. Nov, 2002 11:53 MEZ Österreichische TeilnehmerInnen werten Sozialforum als "Riesenerfolg" "Friedlich und konstruktiv" - Sozialforum in Österreich in Diskussion Wien - Als "Riesenerfolg" sehen VertreterInnen der österreichischen Gewerkschaften das Europäische Sozialforum in Florenz. Die Veranstaltung habe gezeigt, dass "ein anderes Europa" nicht nur möglich sei, sondern auch existiere, "es ist friedlich, und es ist konstruktiv in der Suche nach einem anderen, menschlichen Weg für den Kontinent", heißt es in einer Aussendung des ÖGB am Montag. Aus Österreich hätten 500 Menschen am Sozialforum teilgenommen. Die österreichischen TeilnehmerInnen hätten auch die Abhaltung eines "Austrian Social Forum" diskutiert. Es gebe dazu ein erstes Angebot der Stadt Hallein, die Veranstaltung dort im Frühling abzuhalten. "Das andere Europa hat in Florenz ein starkes Zeichen gesetzt", sagte der internationale Sekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner, Harald Voitl, laut Aussendung. Wolfgang Greif von der Gewerkschaft der Privatangestellten räumte ein, dass es "Unterschiede und Widersprüche zwischen den Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen" gebe, das Sozialforum habe aber die "große Entschlossenheit" zur Überwindung dieser Unterschiede gezeigt. "Neoliberale Globalisierung" Das Sozialforum habe sich in 18 Großkonferenzen und 150 Seminaren für den Frieden und gegen den Krieg, für eine Demokratisierung aller Lebensbereiche und gegen die "neoliberale Globalisierung" ausgesprochen. Entgegen der "Angstkampagne der italienischen Regierung" seien die Teilnehmer friedlich gewesen. Die Delegationen aus Österreich hoben auch die professionelle Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung hervor. Folgende Organisationen waren, gemeinsam mit vielen Einzelpersonen, Teil der österreichischen Delegation: ATTAC, Gewerkschaft der ChemiearbeiterInnen, Gewerkschaft der EisenbahnerInnen, Gewerkschaft der Privatangestellten/Gewerkschaft Metall - Textil, Jugend für eine geeinte Welt, KPÖ, Linkswende, Österreichische HochschülerInnenschaft, Sozialistische Jugend Österreichs, Salzburg Social Forum, SOAL, Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs, AKS.(APA)
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127576 derStandard.at Europäisches Sozialforum 10. Nov, 2002 15:54 MEZ ATTAC Österreich sieht Florenz als "Blamage für Berlusconi" ATTAC-VertreterInnen "überwältigt" vom Erfolg des Europäischen Sozialforums Florenz - "Wir sind überwältigt vom großen Erfolg, von der kreativen Energie, den vielen Diskussionen, den neu entstandenen Netzwerken und Projekten. Die globalisierungskritische Bewegung hat sich als ernst zu nehmender politischer Faktor europaweit etabliert", zog Christian Felber, Sprecher von ATTAC Österreich, am Sonntag Bilanz des ersten Europäischen Sozialforums von Florenz. "Die mehr als eine halbe Million DemonstrantInnen am Samstag haben gezeigt, dass es in Europa eine Mehrheit gegen den Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten auf den Irak gibt. Die europäische Politik sollte auf diese Mehrheit hören und sich für eine globale Friedenspolitik einsetzen", erklärte Felber in einer Aussendung. "Ins Leere gelaufen" sei auch die "verantwortungslose Diffamierungskampagne" des italienischen Premiers Silvio Berlusconi gegenüber dem Europäischen Sozialforum. Entgegen den wochenlang produzierten Horrorszenarien sei das Sozialforum genauso verlaufen, wie es von den Veranstaltern immer erwartet und betont wurde - nämlich absolut friedlich. "Das Spiel der italienischen Regierung und ihrer Medien zur Diskreditierung der politischen Anliegen der ESF-TeilnehmerInnen und zur nachträglichen Rechtfertigung des kriminellen behördlichen Vorgehens in Genua ist gründlich in die Hose gegangen", betonte auch Karin Küblböck, Obfrau von ATTAC Österreich. "Es wird zukünftig nicht mehr möglich sein, sich der Auseinandersetzung mit den Forderungen der immer stärker werdenden globalisierungskritischen Bewegung durch plumpe Kriminalisierungsstrategien zu entziehen", so Küblböck weiter. (APA)
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127598 derStandard.at Europäisches Sozialforum 10. Nov, 2002 16:41 MEZ Appell zu europäischem Generalstreik gegen Krieg Globalisierungsgegner rufen zu Einsatz gegen EU-Konvent auf - No Global-Aktivisten wollen sich in Paris wiedertreffen Florenz - Nach der Friedensdemo in Florenz stehen den Globalisierungsgegnern neue Herausforderungen bevor. Zu den Initiativen, zu denen die No Global-Aktivisten aufrufen, zählt ein Protest gegen den EU-Konvent. "Die neue EU-Verfassung ist nicht auf demokratischer Ebene diskutiert worden. Unserer Ansicht nach hätte die Debatte über das europäische Grundgesetz auf demokratischere Weise erfolgen sollen", so der Sprecher der italienischen Globalisierungsgegner, Vittorio Agnoletto. Er rief die Globalisierungsgegner zu Protestinitiativen gegen die neue europäische Verfassung auf, die im zweiten Semester 2003 in Rom unterzeichnet werden soll. "Die italienischen Globalisierungskritiker werden in Rom protestieren", so Agnoletto. Generalstreik gegen Krieg Die No Global-Aktivisten in Florenz riefen zu einem europäischen Generalstreik gegen den Krieg auf. "Wir müssen weiterhin Druck auf die USA ausüben und unsere Opposition zum Krieg zum Ausdruck bringen", sagte ein Sprecher der Aktivisten. Die Delegationen der europäischen Globalisierungskritiker verabschiedeten sich in Florenz: Sie wollen sich nächstes Jahr in Paris wiedersehen. "Mit der Friedensdemonstration in Florenz haben wir endgültig das Kapitel von Genua 2001 abgeschlossen. Die Kundgebung ist ein Erfolg der jungen Aktivisten und der Organisatoren, die sich gegen eine Verlegung des Europäischen Sozialtreffens gewehrt haben, aber auch der Sicherheitskräfte, die für einen friedlichen Verlauf der Demonstration gesorgt haben", sagte der Bürgermeister von Florenz, Leonardo Dominici, zu Abschluss des Treffens am Sonntag. (APA)
2002-11-10-standard-berlusconi
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127238 derStandard.at Europäisches Sozialforum 10. Nov, 2002 16:42 MEZ Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi Gruppensprecher Agnoletto: "Wir sind kriminalisiert worden" - Eine halbe Million Menschen nahm an Friedenskundgebungen in Florenz teil Florenz - Nach dem erfolgreichen Friedensmarsch in Florenz, an dem nach Angaben der Polizei eine halbe Million Personen teilgenommen haben, fordern die Globalisierungsgegner Entschuldigungen von der Regierung Berlusconi. "Wir sind kriminalisiert worden. Regierungschef Silvio Berlusconi hat uns als Terroristen angeprangert, dabei hätte die Massendemonstration in Florenz nicht friedlicher verlaufen können", betonte der Sprecher der italienischen Globalisierungsgegner, Vittorio Agnoletto. Die Massenbeteiligung an der Kundgebung ist vor allem ein Erfolg des Florentiner Bürgermeisters, dem Politiker der oppositionellen Linksdemokraten, Leonardo Dominici. Er hatte einen hartnäckigen Widerstand gegen die Forderung der Regierung nach einer Verlegung des Europäischen Sozialforums auf eine andere Stadt geleistet. Dominici war deswegen von Berlusconi scharf attackiert worden. "Florenz ist eine gewagte Wahl für das Europäische Sozialforum, es wird bestimmt zu Verwüstungen kommen", hatte der Ministerpräsident noch vergangene Woche betont. "Wir haben Berlusconi bewiesen, dass ich Recht hatte und dass Florenz für ein solches multikulturelles Treffen durchaus geeignet ist", frohlockte der Bürgermeister. "Alarm war zu groß" Auch viele Bewohner von Florenz, die die Demonstration erst mit Skepsis, danach mit zunehmendem Interesse und sogar mit Enthusiasmus beobachteten, beschuldigten die Regierung, zu großen Alarm um das Europäische Sozialforum geschlagen zu haben. Sogar die Kaufleute, die aus Angst vor Ausschreitungen während der Demonstration mehrheitlich ihre Geschäfte gesperrt hielten, mussten zugeben, dass ihre Sorge vor dem pazifistischen Demonstrantenstrom unbegründet war. "Wir müssen einsehen, dass es in Florenz zu keinem zweiten Genua gekommen ist", betonten sie. Regierungschef Berlusconi zeigte sich wegen des friedlichen Verlaufs der Demonstration erleichtert. "Auch unter schwierigen Bedingungen hat die Regierung das freie Demonstrationsrecht garantiert. Die Teilnehmer am Europäischen Sozialforum haben positiv reagiert, indem sie auf friedliche Weise an der Kundgebung teilgenommen haben", betonte Berlusconi. Er dankte der Polizei, die auf diskrete und effiziente Weise für die Sicherheit des Treffens gesorgt habe. (APA)
Quelle: http://derstandard.at/standard.asp?id=1127674 derStandard.at Europäisches Sozialforum 10. Nov, 2002 19:42 MEZ Ein Gipfel ohne Gewalt in Florenz Trotz Unkenrufen des italienischen Premiers Berlusconi ging das europäische Sozialforum in Florenz überaus friedlich über die Bühne Das war das "Comeback der paneuropäischen Friedensbewegung" - so sahen es viele bei der Abschlussveranstaltung des europäischen Sozialforums, das am Sonntag in Florenz zu Ende ging. Fünf Tage lang diskutierten Delegierte aus ganz Europa über die soziale Entwicklung und die Zukunft der globalisierungskritischen Bewegung. Zu den Veranstaltern gehörten Gewerkschaften, verschiedene linke Organisationen und das Netzwerk Attac. Als Resultat des Gipfels wurde beschlossen, eine eigene Charta im Zuge der europäischen Verfassungsfindung zu verabschieden, um aus der EU eine "Europäische Sozialunion" zu formen. Hundert- tausende Menschen protestierten auch gegen den drohenden Krieg gegen den Irak. Kritik an Berlusconi Der friedliche Verlauf der Massenkundgebung und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Organisationen stärkten das Selbstbewusstsein der Forumsteilnehmer sichtlich. Mobilisiert wurde auch für das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre, welches im Jänner 2003 stattfinden wird. Das Verhalten des italienischen Premiers Silvio Berlusconi, der im Vorfeld von Tausenden Terroristen, die Florenz stürmen würden, gesprochen hatte, war Gegenstand heftiger Kritik. "Wir sind zu Unrecht kriminalisiert worden", meinte etwa der Mitorganisator Vittorio Agnoletto. Berlusconi selbst zeigte sich über den friedlichen Verlauf der Demonstrationen erleichtert. Tatsächlich ging nach Polizeiangaben bei der Massenkundgebung am Samstag trotz einer Rekordteilnehmerzahl nicht einmal eine Fensterscheibe zu Bruch. Die Behörden sprachen von 540.000 Menschen, die Veranstalter von einer Million. Die Behörden waren offensichtlich um Deeskalation bemüht. Die rund 6000 Exekutivbeamten begleiteten die Kundgebung in Nebenstraßen, es kam zu keiner einzigen Konfrontationssituation. Auch die Bewohner von Florenz zeigten sich erleichtert über den friedlichen Verlauf, viele bekundeten Solidarität mit den Globalisierungskritikern. Florentiner Geschäftsleute, die aus Angst vor Vandalismus ihre Läden geschlossen hielten, ärgerten sich über das verpasste Geschäft: Hungrige Demonstranten irrten zu Tausenden auf der Suche nach geöffneten Restaurants durch die Stadt. Die Lokale der Fastfoodkette McDonald's waren überhaupt ganz und gar aus dem Stadtbild von Florenz verschwunden: die Geschäftsführung hatte die Firmenlogos vorsorglich abmontieren lassen. "Vielleicht wissen sie inzwischen selbst, dass ihre Geschäftspolitik falsch ist", meinte der französische Bauernführer José Bové. "Ich hoffe, dass diese Läden bald für immer schließen." (Lea Friessner/Michael Vosatka/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2002)
Independent.co.uk Florence engulfed by world's biggest protest against Iraq war By Peter Popham in Florence 10 November 2002 The biggest demonstration in the world so far against war in Iraq engulfed Florence yesterday, at least doubling the city's population of 350,000 and turning the city's inner ring-road into a mighty river of protest. The organisers claimed that more than 400,000 people took part. Rumours of violence planted by Italy's right-wing parties over recent months persuaded most city businesses to close for the day and many Florentines to leave the city. But the enormous march was resoundingly good humoured. Some participants carried signs reading "We love you Florence"; citizens responded by hanging white banners of peace out of their windows and throwing confetti on to the marchers. "This is the first all-Europe demonstration against the war on Iraq," Vittorio Agnoletto, the Italian organiser, told The Independent on Sunday. "But it won't be the last: tomorrow we are meeting to plan future protests. We are Italy's real opposition? more than 300 different Italian organisations are taking part. And I am sure there will be no violence. Look, we are laughing. We cannot change the world with our anger, only by building consensus." The protest was more like a carnival than a confrontation. The police were invisible. Huge contingents from Italy, Britain, France, Germany and Greece marched alongside striking Fiat workers, brass bands and giant puppets. The demonstration brought to a resounding conclusion Florence's four-day European Social Forum. "The war on Iraq is the beginning of a new grand strategy for the United States," said Susan George, the American vice-chair of the French group Attac, "the first war not justified by the containment of aggression. A member of Vietnam Veterans Against the War said: "We, soldiers in previous wars, are telling the soldiers of today, don't fight."
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Quelle: http://www.ksta.de/artikel.jsp?id=1036936202728 Kölner Stadt-Anzeiger Der globalisierte Widerstand verlief friedlich VON PETER LINDEN, 10.11.02, 18:17h, aktualisiert 20:28h Befürchtungen, es könne zu einem Ausbruch der Gewalt kommen, zerschlugen sich - der Protest des »Europäischen Sozialforums« verlief friedlich. Florenz - Aus den Häusern regnete es Konfetti und Schokolade, aus offenen Fenstern wurde den Demonstranten Kaffee, Wasser und Brot heraus gereicht, an den Straßenrändern applaudierten Zehntausende von Einheimischen. Vermutlich hatten auch die 50 Kölner Studenten, die in einem Sonderbus zum »Europäischen Sozialforum« in Florenz aufgebrochen waren, mit einem derartigen Finale nicht gerechnet. Mehr als eine halbe Million Menschen, darunter Vertreter zahlreicher globalisierungskritischer Organisationen, zogen auf einem gut sechs Kilometer langen Marsch vom Messegelände der toskanischen Hauptstadt bis zum Fußballstadion und demonstrierten friedlich gegen den geplanten Krieg gegen den Irak und die Ungerechtigkeiten des Neoliberalismus. Von fast einer Million Teilnehmer sprachen die Organisatoren, von 450 000 die Behörden. Ungewöhnliche Schärfe Spannung lag in der Luft, schon in den Tagen vor der Demonstration, als immerhin 60 000 Menschen in 340 Seminaren und Workshops die konkrete Ausgestaltung ihres Leitmotivs »Eine andere Welt ist möglich« diskutierten. Denn mit ungewöhnlicher Schärfe hatten zunächst die italienische Regierung und später die konservative Presse gegen das Sozialforum Position bezogen. So erwog das Kabinett Silvio Berlusconis noch zehn Tage vor Eröffnung der Veranstaltung ein Verbot, die Rede war von »Verwüstungen«, die der Stadt Florenz drohten und von einem Gesetz zum Schutz historischer Monumente vor jeder Art von politischer Kundgebung. Zudem war das Abkommen von Schengen außer Kraft gesetzt worden, was zu großen Verzögerungen an den Grenzen führte. Aus dem Bus der Kölner Studenten war zunächst zwei Mitgliedern von »Attac« die Einreise verwehrt worden, ehe sich Anwälte einschalteten, die vorsichtshalber die Arbeit der Grenzpolizei überwachten. Noch während des durchweg friedlichen Forums hielten zudem die Polemiken der berühmten Publizistin Oriana Fallaci an, die im regierungsfreundlichen »Corriere della Sera« die Globalisierungskritiker pauschal als »elende Söldner« bezeichnet hatte und sie mit den deutschen Truppen verglich, die 1944 in Florenz Brücken gesprengt und komplette Straßenzüge verwüstet hatten. Fallaci rief ihre Mitbürger auf, »Türen und Fensterläden zu schließen, die Kinder nicht in die Schulen zu schicken«, und überall ihre »Verachtung« zu zeigen. Erfolg hatte sie vornehmlich bei zahlreichen Geschäftsleuten, die sich am Samstag wahrscheinlich hohe Einnahmen entgehen ließen; jene, die öffneten und mit dem überall präsenten Schild »Florenz - Offene Stadt« um Kunden warben, konnten sich vor Andrang jedenfalls kaum retten. Auch, wenn Berlusconi angesichts der friedfertigen Massen noch am Samstag rückwärts ruderte und verkünden ließ, seine Regierung habe schließlich die Demonstrationsfreiheit »geschützt« - den Erfolg des Forums können sich allein die Veranstalter sowie die linke Stadtregierung unter Bürgermeister Leonardo Domenici auf ihre Fahnen schreiben. Domenici sagte am Rande der Demonstration, es gebe nun wohl einige Personen, »die sich bei uns entschuldigen müssen«. Von Anfang an hatte er das Forum begrüßt und den Teilnehmern sogar Briefe aushändigen lassen, die ermäßigten oder freien Eintritt in die angeblich bedrohten Museen garantierten. Das Forum selbst war ein chaotisches, aber auch ein produktives Treffen einer Bewegung, die 2001 nach dem G8-Gipfel von Genua aus dem Schattendasein trat und seither Hunderttausende mobilisiert. Chaotisch, weil niemand die Gelegenheit hatte, die 340 Diskussionsrunden zu überblicken oder gar zu besuchen, und weil sich die Globalisierungskritiker nach wie vor als äußerst schillernde Gruppe präsentieren: Umweltschützer, Anarchisten, Marxisten, Gewerkschafter, Kommunisten, Menschenrechtler sind versammelt. Produktiv, weil überall der Wille zu gemeinsamem Handeln im Vordergrund stand und zur Umsetzung einer Parole, unter der das ganze Forum firmierte: »Globalisiert den Widerstand«. Am Ende tauchte noch der grüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele auf. Der deutsche Parlamentarier kündigte einmal mehr an, unter keinen Umständen für einen Krieg gegen den Irak zu stimmen. Welche Kraft die Bewegung der Globalisierungskritiker im Ausland gewonnen hat, zeigte sich vor allem während der anschließenden Rede Fausto Bertinottis, dessen »Rifondazione Comunista« in vielen Gemeinden Italiens mitregiert, und deren Stimmanteil sich in Umfragen der Zehn-Prozent-Marke nähert. Bertinotti warb erst gar nicht für eine Versöhnung der jungen Bewegung mit den alten, stalinistischen Parteien. Immer sei es so gewesen, sagte der 62-Jährige unter dem Jubel von über 10 000 jungen Menschen, dass Politik auf den Straßen und Plätzen gemacht werde: »Die kapitalistische Globalisierung hat alle ihre Versprechen gebrochen.« Ein anderes Versprechen gaben hingegen Regierungschef Berlusconi und der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi. Sie erklärten, es sei höchste Zeit, sich ernsthaft mit den Globalisierungskritikern auseinander zu setzen. Zu lange habe man sie ignoriert oder isoliert. Inzwischen reichten ihre Bedenken bis weit hinein in die Parlamente hinein. »Ab jetzt müssen wir sie hören«, sagte Prodi, der sich häufig negativ über die »konfusen« Globalisierungskritiker geäußert hatte. Er fügte hinzu: »In diesen Zeiten der Veränderung ist die Stimme der jungen Menschen von größter Bedeutung«. Copyright 2002 Kölner Stadt-Anzeiger
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Netzeitung Hunderttausende protestieren gegen Irak-Krieg 09. Nov 16:19, ergänzt 10. Nov 00:06 In Florenz sind mehrere hunderttausend Menschen gegen einen Irak-Krieg auf die Straße gegangen. Die Demonstration war der Höhepunkt des Europäischen Sozialforums. In Florenz haben am Samstag mehrere hunderttausend Menschen gegen einen Irak-Krieg demonstriert. Beobachter schätzen die Zahl der Teilnehmer auf 300.000. Der Protestmarsch startete eine Stunde früher als geplant, weil am Startpunkt nicht mehr genügend Platz für die ankommenden Menschen war. Die Proteste verliefen friedlich. Bis zu 6000 Polizisten waren im Einsatz. Die Polizei befürchtete Ausschreitungen wie beim G8-Gipfel in Genua im vergangenen Jahr. Die Großdemonstration galt aber auch als Bewährungsprobe für die italienische Polizei, nachdem es am Einsatz während des G8-Gipfels heftige internationale Kritik gegeben hatte. Italienische Polizisten hatten einen Demonstranten erschossen und hunderte verletzt. Die Massendemonstration gegen einen Irak-Krieg war der Höhepunkt des Europäischen Sozialforums. Etwa 50.000 Menschen hatten seit Mittwoch in Konferenzen, Seminaren und Workshops über die Themen Neoliberalismus, Rassismus, Armut und Krieg diskutiert. Das Sozialforum wurde unter anderem von Gewerkschaften, linken Organisationen und dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac veranstaltet. (nz) MEHR IN DER NETZEITUNG Sozialforum gegen Militarisierung der EU http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214579 Demonstranten an Grenze zu Italien abgewiesen http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214267 200.000 Demonstranten bei Sozialgipfel in Florenz erwartet http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=214081 Krawalle bei Sozialforum in Florenz befürchtet http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=3&item=213616
Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=123567 news.ch Sonntag, 10. November 2002 / 11:23:27 Globalisierungsgegner fordern Entschuldigung von Berlusconi Florenz - Nach dem erfolgreichen Friedensmarsch in Florenz, an dem nach Angaben der Polizei eine halbe Million Personen teilgenommen haben, fordern die Globalisierungsgegner Entschuldigungen von der Regierung Berlusconi. Wir sind kriminalisiert worden. Regierungschef Silvio Berlusconi hat uns als Terroristen angeprangert, dabei hätte die Massendemonstration in Florenz nicht friedlicher verlaufen können, betonte der Sprecher der italienischen Globalisierungsgegner, Vittorio Agnoletto. Die Massenbeteiligung an der Kundgebung ist vor allem ein Erfolg des Florentiner Bürgermeisters, dem Politiker der oppositionellen Linksdemokraten, Leonardo Dominici. Er hatte einen hartnäckigen Widerstand gegen die Forderung der Regierung nach einer Verlegung des Europäischen Sozialforums auf eine andere Stadt geleistet. Dominici war deswegen von Berlusconi scharf attackiert worden. Florenz ist eine gewagte Wahl für das Europäische Sozialforum, es wird bestimmt zu Verwüstungen kommen, hatte der Ministerpräsident noch vergangene Woche betont. Wir haben Berlusconi bewiesen, dass ich Recht hatte und dass Florenz für ein solches multikulturelles Treffen durchaus geeignet ist, sagte Dominici. Auch viele Bewohner von Florenz, die die Demonstration erst mit Skepsis, danach mit zunehmendem Interesse und sogar mit Enthusiasmus beobachteten, beschuldigten die Regierung, zu großen Alarm um das Europäische Sozialforum geschlagen zu haben. Regierungschef Berlusconi zeigte sich wegen des friedlichen Verlaufs der Demonstration erleichtert. Auch unter schwierigen Bedingungen hat die Regierung das freie Demonstrationsrecht garantiert. Die Teilnehmer am Sozialforum hätten positiv reagiert, indem sie auf friedliche Weise an der Kundgebung teilgenommen hätten. Berlusconi dankte der Polizei für die diskrete und effiziente Weise, welche für die Sicherheit des Treffens gesorgt habe. fest (Quelle: sda)
The New York Times Sponsored by Starbucks November 10, 2002 Florence Wary as Opponents of War Stage a Huge March By FRANK BRUNI FLORENCE, Italy, Nov. 9 Hundreds of thousands of demonstrators marched through the streets here today to protest a possible military strike against Iraq, chanting antiwar slogans and throwing this Renaissance capital into a jittery state of alert. The protesters represented a loose coalition of opponents of globalization who came here this week for a political conference. Tense Italian government officials feared a reprise of the bloodshed and chaos that erupted at an antiglobalization demonstration in Genoa last year. About 5,000 police officers fanned out across the city to monitor the march and guard Florence's artistic and architectural treasures, some of which were also fenced off for protection. Hundreds of stores and restaurants closed, covering their glass facades with sheets of metal or plywood, as if preparing for a hurricane. But by this evening, as marchers danced at a concert outside a stadium at the end of the four-mile route, there were no reports of serious violence. The protesters toted placards, flags and banners in half a dozen European languages, many of which urged President Bush and Western European leaders not to attack Iraq. "I think it's important to send a clear message to Bush and world leaders that if they go to war in Iraq, they're not doing it for a majority of people, and a lot of people object," said Darrell Goodliffe, 21, who had traveled to Florence from a small town near Cambridge, England. Other demonstrators said their opposition to the war and their qualms over globalization were connected by a conviction that Western governments were motivated more by greed or imperialism and mistreating the world's less powerful people. "We're protesting for peace in general, in every possible sense, in every possible meaning," Martina Cambi, 27, of Florence, said as she used eyeliner to paint Y-like shapes on the brows of friends. They worried aloud that the result looked more like Mercedes symbols than peace signs. Amadeo Rossi, 48, of Turin, Italy, said he was demonstrating "against the war in Iraq, the mistreatment of immigrants and the abuses of the Italian government all of the problems in the world." Although forum organizers said there were as many as a million people at the march, the official government estimate was 450,000. Many of the demonstrators arrived in Florence on Wednesday, at the beginning of a five-day conference of a coalition calling itself the European Social Forum. It was intended to unite various groups, from environmentalists and labor unions to latter-day Communists, with concerns about globalization. The last huge antiglobalization demonstration in Italy was during a summit meeting of the world's major industrialized nations in Genoa in July 2001. Rioting broke out, and one protester was shot dead by a Carabinieri paramilitary officer, while hundreds more were wounded in clashes with the police. Still haunted by that melee, Italian officials debated whether to allow demonstrators to gather here this week. They approved the event only after deciding to tighten border controls in an effort to turn away demonstrators with criminal backgrounds. The event's organizers, for their part, agreed to move the route of the march, the highlight of the five-day gathering, away from the city center. Even so, a fierce debate among Italians about the wisdom and merit of the forum persisted. On Wednesday, one of the country's leading newspapers, Corriere della Sera, published a front-page opinion piece by the journalist Oriana Fallaci, a native of Florence, who denounced the protesters and urged Florentines to spurn them. "Don't even look at them," wrote Ms. Fallaci, who also recommended that Florentines shutter the entire city. She said the protesters were demanding peace from Mr. Bush, but not from President Saddam Hussein of Iraq or Osama bin Laden. The days leading up to the march were peaceful, but many Florentines had already fled town, leaving the narrow cobblestone streets in the city center oddly deserted. Demonstrators said Florentines had misunderstood their intentions. "There are no barbarians here, only young people against war who want to meet and exchange ideas," said Leonardo Sacchetti, a spokesman for the forum. Those young people seemed to be in a frame of mind more festive than combative, and at one point, when a minor scuffle broke out between about a dozen protesters, other protesters shouted, "Shame! Shame!" As the demonstrators marched, many blew whistles, a shrill sound that competed with music from a 25-piece band. Others ate pizza as they walked, while a few glided along on in-line skates. A young woman with face paint that resembled a clown's climbed up a tree, then swung around the branches as if they were uneven parallel bars. Whenever demonstrators passed stores with boarded-up windows, they scribbled notes on the wood. The message outside a closed McDonald's restaurant said, "We wouldn't have gone in, anyway." On the plywood in front of a shop, someone had written, "Closed for stupidity." Someone else had scrawled, "Hello, Oriana." But another marcher had left a slightly sinister message. "I will return when you're open, and then . . ." it said. Copyright The New York Times Company
Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/09_sozialforum.htm VistaVerde / dpa 10.11.2002 Anti-Global-Gipfel in Florenz: Bunt, verwirrend und undogmatisch Vielfältig und verwirrend ist das Angebot auf dem ersten europäischen « Anti-Global-Gipfel » in Florenz. Der drohende Krieg gegen den Irak ist jedoch das beherrschende Thema. Von Peer Meinert, dpa Florenz (dpa) - Bevor sich die Globalisierungs-Kritiker am Donnerstag in Florenz zu ihrer Konferenz zusammensetzten, gab es erst einmal eine Demonstration gegen die Amerikaner. Vor einer US-Militärbasis verbrannten sie eine US-Flagge und schwenkten rote Fahnen. Ein paar Tausend Leute waren dabei, alles verlief ruhig. Kein Thema bewegt das « Europäische Sozialforum » mehr als der drohende Waffengang gegen den Irak. Zum Thema Krieg gibt es Seminare, Workshops und jede Menge Plakate. Jeder fühlt sich angesprochen. « Bundeswehr raus aus der Golfregion », heißt es auf einem Plakat, sogar auf Deutsch. « Globalisierung und Krieg: Zwei Seiten der gleichen Medaille », nennt sich ein Workshop auf dem riesigen Kongressgelände der Toskana-Metropole. « Der globalisierte Kapitalismus braucht den Krieg, um sich durchzusetzen ». Das klingt nach alten, gefälligen Formeln aus den Zeiten der Studentenbewegung. Andere Themen drohen da fast ein bisschen unterzugehen. Vielfältig und verwirrend ist das Angebot auf dem ersten europäischen « Anti-Global-Gipfel ». Viele der etwa 15.000 Teilnehmer rückten am Donnerstag mit Rucksack und Thermomatte auf dem Rücken an. Es ist nicht gerade einfach, sich zurechtzufinden. Da gibt es Veranstaltungen wie « Lesben, Schwule und Globalisierung », Frauen aus Frankreich berichten über « Die Wurzeln der Männerherrschaft ». Ökologen meinen, die jüngsten Überschwemmungen in Prag und Dresden seien ein Ausdruck der globalen Umweltkrise. Und selbst der Mann, der die belegten Brötchen verkauft, nutzt die Chance zur politischen Botschaft: « Die italienische Landwirtschaft stirbt », steht über seinem Stand geschrieben. Schuld seien gentechnisch manipulierte Produkte und die Herrschaft der Agrar-Multis. Es sind nicht nur junge Leute, die nach Florenz gekommen sind. Auch Ältere sind dabei, gar nicht so wenige leicht angegraut, manche haben Jahrzehnte der « Opposition gegen das System » hinter sich. Tatsächlich ist die Bewegung der Globalisierungs-Kritiker erst ein paar Jahre jung, aber manche Botschaften sind viel älter. Da referiert etwa eine auch nicht mehr ganz junge Belgierin bei der Eröffnungsveranstaltung gegen die Verschuldung der Dritten Welt. « In 20 Jahren hat die Dritte Welt 3500 Milliarden Dollar an die reichen Länder bezahlt. » Zum « Instrument der Erpressung » sei die Schuldenfalle geworden. Schon 1991 hätten die Amerikaner die Regierung in Kairo nur zum Mitmachen im Golfkrieg bewegen können, weil sie ihr großzügigen Schuldenerlass versprochen hätten. « Der große Unterschied zur Studentenbewegung ist es, dass die Globalisierungs-Kritiker keinen Absolutheitsanspruch haben », meint ein älterer Herr aus Deutschland, der sich selbst als « marxistisch denkender Mensch » bezeichnet. Tatsächlich gibt in Florenz kaum mehr eine Gruppe vor, so etwas wie ein Patentrezept gegen die Übel der Welt gefunden zu haben. « Es gibt auch keine Beschlüsse und keine Abschlusspapiere. » Auch politische Parteien sind « ausdrücklich unerwünscht ». Statt dogmatischer Verengung herrscht in Florenz bunte Vielfalt. Nur für die große Abschluss-Demonstration am Samstag ist der Gegner klar ausgemacht - die Kriegspläne der Amerikaner gegen den Irak.
Quelle: http://www.vistaverde.de/news/Politik/0211/10_sozialforum.htm VistaVerde / dpa 10.11.2002 Globalisierungs-Kritiker: « Wir sind nicht gegen den Weltmarkt » Das Treffen der Globalisierungs-Kritiker in Florenz hat nach den Worten eines Experten deutlich gemacht, dass sich die Bewegung von einer einseitigen Ablehnung des Welthandels und der wirtschaftlichen Globalisierung verabschiedet hat. Florenz (dpa) - « Wir sind nicht gegen den Weltmarkt », sagte der Sprecher der deutschen ATTAC- Sektion, Hugo Braun, in einem dpa-Gespräch. « Im Gegenteil: Der Zugang zum Weltmarkt ist für jedes Land unerlässlich. » Entscheidend sei aber, dass « die Globalisierung sozial, gerecht und demokratisch gestaltet wird ». Zugleich bestritt er, dass die Mehrheit der Globalisierung-Kritiker anti-amerikanisch eingestellt sei. Das ATTAC-Netzwerk, das in über 20 Ländern aktiv ist, bekämpft die « Diktatur der Finanzmärkte » und fordert Steuern auf internationale Finanztransaktionen (Tobin-Steuer) und Schuldenerlass für die Dritte Welt. « Es ist gerade eines der größten Übel, dass viele Entwicklungsländer keinen echten Zugang zum Weltmarkt haben », sagte Braun etwa mit Blick auf Agrarprotektionismus der EU. Dies müsse endlich verändert werden. « Nach wie vor sterben jeden Tag 30 000 Kinder an Hunger und vermeidbaren Krankheiten », sagte Braun. Diese Zahl habe sich seit vielen Jahren kaum verringert. « Es wird einfach immer klarer, dass der heutige Prozess der wirtschaftlichen Globalsierung nicht in der Lage ist, die Probleme der Menschheit zu lösen. » Diesem Phänomen schenkten auch die europäischen Linksparteien zu wenig Beachtung. Zugleich widersprach Braun der These, Globalisierungs-Kritiker seien zumeist anti-kapitalistisch eingestellt. « Gerade etwa die ökonomischen Erfolge in China zeigen, dass man die Vorteile des Marktes mit denen der Planung verbinden kann. » Allerdings sei « der Marxismus nicht unmodern geworden », meinte Braun. Die « neue Bewegung » zeichne sich gerade dadurch aus, dass sie Dogmatismus ausschließe. Auch Terrorismus und Gewalt als Mittel der Politik lehne sie eindeutig ab. « Die Bewegung ist nicht anti-amerikanisch », man sei allerdings entschieden gegen einen Irakkrieg. « Dieses Thema haben nicht die Globalisierungs-Kritiker erfunden, das hat uns George Bush diktiert. »
2002-11-10-tagesschau_giegold_interview
tagesschau.de 10.11.2002 Globalisierung - Bedrohung oder Königsweg? Über eine halbe Million Menschen haben in Florenz gegen einen möglichen Irak-Krieg demonstriert. Die Kundgebung ist Abschluss und Höhepunkt des Europäischen Sozialforums der Globalisierungsgegner. Vor Ort ist einer der Mitbegründer der deutschen ATTAC-Bewegung, Sven Giegold. Der 32-jährige Ökonom betrachtet die derzeitige Entwicklung eher mit Sorge. Globalisierung, so Giegold, habe viele Vorteile, führe aber gleichzeitig zu einer fundamentalen sozialen Lücke. Oliver Knipping, Chef des "Instituts für unternehmerische Freiheit" in Berlin, vertritt dagegen eine andere Position. Knipping macht sich für ungebremsten Freihandel und gegen jede Form der staatlichen Intervention stark. tagesschau.de sprach mit Giegold und Knipping über ihre Vorstellungen von Globalisierung, die Zukunft des Kapitalismus und das Treffen in Florenz. Beide beantworteten die gleichen Fragen, jedoch getrennt voneinander, zur besseren Lesbarkeit wurden die Antworten zusammengefügt. Globalisierung ja - aber anders tagesschau.de: Was sind Ihrer Meinung nach die entscheidenden Aspekte der Globalisierung? Giegold: Globalisierung hat natürlich soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte. Im positiven Sinne: Menschen begegnen sich, Ideen fließen um den Globus. Das sind Dinge, die richtig und gut sind. Auf der anderen Seite gibt es die ökonomische Globalisierung, die viele Vorteile hat, aber zu einer fundamentalen sozialen Lücke führt. Die Regulierung, die bisher soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Ökologie zumindest ein Stück weit gesichert hat, verbleibt auf der nationalstaatlichen Ebene, während das Kapital inzwischen global agiert und damit den sozialen Kontrakt, den wir geschlossen haben, aufhebelt. Es gibt keine globale Staatlichkeit, die in irgendeiner Form die wirtschaftlichen Kräfte zivilisiert. Knipping: Entscheidende Aspekte der Globalisierung wären theoretisch Freihandel und freies Unternehmertum. Das gibt es aber heute nicht. Daher bin ich auch nicht für eine Globalisierung, wie wir sie heute haben. Richtig wäre Freihandel und freies Unternehmertum ohne Regulierung: Ohne staatliche Willkür, ohne staatliche Intervention in individuelle und unternehmerische Handlungsfreiheit. tagesschau.de: Welche Zukunft prophezeien Sie dem kapitalistischen Wirtschaftssystem? Ist ein Gegenentwurf oder eine Weiterentwicklung erforderlich? Giegold: Attac hat keine umfassende Position zur Frage des Kapitalismus oder der Zukunft des Kapitalismus. In jedem Falle bedarf eine Globalisierung des kapitalistischen Systems aber einer intensiven Regulierung und Kontrolle. Das heißt wir brauchen soziale, ökologische und demokratische Standards, einerseits auf der internationalen Ebene, damit die Nationalstaaten nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. Und zweitens brauchen wir auf der nationalen Ebene Reformen, die soziale, ökologische und demokratische Standards auch unter den Bedingungen der Globalisierung auf einem hohen Niveau haltbar machen. Knipping: Ich prophezeie dem kapitalistischen Wirtschaftsentwurf die einzige Zukunftschance. Jeder Gegenentwurf hat einfach keine Chance. Leider Gottes haben wir jetzt auch nichts, was irgendwie mit Kapitalismus zu tun hat. Heute haben wir Enteignung sämtlicher Bürger in Deutschland und im Ausland. Steuern sind meiner Ansicht nach Diebstahl. Wenn wir eine Staatsquote von 50 Prozent haben, kann man das überhaupt nicht mehr als Marktwirtschaft bezeichnen. Dann ist das einfach eine Staatswirtschaft. Kapitalismus und Wohlstand tagesschau.de: Die reichen Länder werden immer reicher, die armen werden immer ärmer: Wie kann man diese Entwicklung aufhalten? Giegold: Der Fakt ist nicht ganz richtig: Einige der armen Länder haben es dank Globalisierung auch geschafft, reicher zu werden. Aber viele andere haben keine Vorteile erreichen können. Es gibt international unfaire Spielregeln. Im Welthandel ist es so, dass Agrarprodukte und Textilien, die vor allem arme Länder produzieren, unfaire Zugangsbedingungen haben. Im Finanzbereich hat die Öffnung der Finanzmärkte, dieses völlig unregulierte Hinein- und Hinausfließen von Kapital, den ärmsten Ländern stark geschadet. Das heißt: Es braucht Spielregeln und Strukturen, die absichern, dass arme Länder daran partizipieren können. Natürlich müssen auch die Entwicklungsländer selbst ihren Beitrag dazu leisten, indem sie stabile Strukturen vor Ort schaffen. Es sind nicht nur die armen Länder selbst verantwortlich. Es sind auch die globalen unfairen Strukturen, die vom internationalen Währungsfonds, von der Welthandelsorganisation und der Weltbank vorangetrieben werden, die zur Vertiefung der Ungleichheit beitragen. Natürlich müssten die Schulden der armen Länder gestrichen werden. Knipping: Wenn Sie sich Statistiken ansehen, dann wird sehr deutlich, dass gerade durch die Globalisierung und das freie Unternehmertum zwar reiche Länder reicher geworden sind, aber gleichzeitig die Wachstumsrate in armen Ländern die Wachstumsrate wesentlich höher war als in Industrieländern. Das ist in Entwicklungsländern und auch in Transformationsländern, in ganz Osteuropa zum Beispiel, der Fall. Auch sind die Lebenserwartung, das Wirtschaftswachstum und das Pro-Kopf-Einkommen gestiegen. Statistiken zufolge haben die Länder, die am wenigsten frei sind, ein Pro-Kopf-Einkommen von etwa 2210 US-Dollar. Die reichsten Länder, das sind gleichzeitig auch die freiesten (mit den freiesten Wirtschaftssystemen), haben dagegen ein Pro-Kopf-Einkommen von 19.846 US-Dollar. Es gibt also eine Korrelation zwischen Freiheit, also unternehmerischer und individueller Freiheit, und Wohlstand und Wachstum. Regulierung oder freier Markt? tagesschau.de: Unternehmerische Freiheit oder staatliches Eingreifen was kann das Wohl einer Gemeinschaft besser gewährleisten? Giegold: Das ist eine falsche Alternative. Es geht nicht um Entweder-Oder. Unternehmerische Freiheit ist zum Beispiel gut, um das Schuhe-Verkaufen in der Republik zu organisieren. Auch viele andere wirtschaftliche Funktionen können durch den Markt vernünftig erfüllt werden. Aber wenn es darum geht, das Überleben auf unserem Planeten zu sichern, im Umweltbereich Maßnahmen durchzuführen, dafür zu sorgen, dass Wohlstand gleichmäßig verteilt ist, dass Menschen in vernünftigen Arbeitsbedingungen arbeiten und ein Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet ist: Das kann der Markt aus sich heraus nicht generieren. Dafür braucht man Regulierung. Das haben wir gelernt seit dem "Manchester-Kapitalismus". Damit Kapitalismus nicht tyrannisch wird, braucht man eine starke Regulierung in verschiedenen Bereichen. Es geht um eine intelligente Kombination. Genau diese Kombination ist in Zeiten der Globalisierung aber in Gefahr, weil es dabei immer schwieriger wird, staatliche Regulierung noch aufrechtzuhalten. Das Kapital kann immer sagen: Dann gehen wir eben woanders hin. Knipping: Das Wohl einer Gesellschaft kann natürlich nur individuelle und unternehmerische Freiheit garantieren. Der Staat das sagte schon Friedrich August von Hajek, der große liberale Ökonom und Nobelpreisträger kann einfach nicht planen. Es ist nicht möglich zentralplanerisch zu planen, weil der Staat einfach kein wirtschaftliches Optimum vorherbestimmen kann. Das geht nur durch individuelle und marktliche Entscheidung. Der Markt ist ein Suchmechanismus. Man könnte ihn auch als Entdeckungsverfahren bezeichnen, wie Hajek das gemacht hat. Und nur der führt zur optimalen Lösung, nicht irgendwelche staatlichen Interventionen, allein schon auf Grund mangelnden Wissens. Regulierung ist von Interessen geprägt tagesschau.de: Was halten Sie von einer weltweiten wirtschaftspolitischen Steuerung durch Organisationen? Giegold: Wir brauchen stärkere globale wirtschaftliche Institutionen. Es gibt einen Mangel an Regulierung auf der internationalen Ebene. Auf der anderen Seite hängt es natürlich entscheidend davon ab, in wessen Interesse dort reguliert wird. Zur Zeit gibt es in wichtigen Feldern wie zum Beispiel der Fiskalpolitik viel zuwenig internationale Kooperationen. Dagegen gibt es in Bereichen, in denen es um die Durchsetzung harter ökonomischer Interessen geht, sehr erfolgreiche Regulierung. Sie operiert allerdings im Interesse einer kleinen Minderheit. Ich zitiere den Internationalen Währungsfonds oder auch die Welthandelsorganisation. Dort wird ganz bewusst in einer Weise Globalisierung gestaltet, die nur wenigen nützt und nicht der Mehrheit, insbesondere den Ländern des Südens nicht. Knipping: Eine weltweite wirtschaftspolitische Steuerung ist erstens nicht möglich, weil einzelne Länder ausscheren würden. Zweitens halte ich es für kompletten Unsinn, eine weltweite wirtschaftspolitische Steuerung zu machen und auch weltweite wirtschaftspolitische Steuern zu implementieren. Man kann kein Optimum planen. Das hat die gesamte Sowjetunion versucht, das versuchte China jahrelang, das versuchte Nord-Korea. Schauen Sie sich Nord- und Süd-Korea an und überlegen Sie, wo Sie selbst lieber leben würden: In einem zentralgeplanten Staat, der bettelarm ist oder in Süd-Korea, das mittlerweile zu den zehn größten Wirtschaftsnationen gehört und in den sechziger Jahren ein Niveau hatte wie Bangladesch. Freiheit bringt Wachstum und Wohlstand für die Bevölkerung, eine längere Lebenserwartung und geringere Säuglingssterblichkeits-Raten. "Globalisierung und Krieg" tagesschau.de: Die Abschlusskundgebung des Europäischen Sozialforums in Florenz richtet sich sowohl gegen Globalisierung als auch gegen einen möglichen Irak-Krieg und zieht eine klare Verbindung zwischen beiden. Besteht diese? Giegold: Man muss einfach feststellen, dass wir parallel zu der laufenden Globalisierung auch eine neue Qualität des Militärischen haben. Vor allem die Vereinigten Staaten, aber auch andere Länder in deren Schlepptau, sind bereit, in Fällen zu intervenieren, wo früher eigentlich klar war, dass das nicht legal ist. Das Völkerrecht verbietet schlichtweg Interventionen, wie wir sie jetzt in Afghanistan gesehen haben, aber auch im Kosovo und im Irak. Es gibt also auch eine Aufweichung internationalen Rechts durch die mächtigsten Länder dieser Welt. Zum zweiten ist es auch klar, dass es angesichts knapper werdender Ressourcen einfach strategische Interessen gibt, sich gerade den Raum um den persischen Golf herum zu sichern. Knipping: Ein Zusammenhang zwischen Globalisierung und Krieg ist völliger Unsinn. Mc Donald's gilt ja oft als "das ganz böse Symbol des Kapitalismus". Es gibt den sogenannten "Pax Mc Donald's": Es hat noch nie einen Krieg zwischen zwei Ländern gegeben, die beide einen Mc Donald's haben, das nur so als kleine Anekdote nebenbei. Ich denke nicht, dass es da irgendeinen weiteren Zusammenhang zwischen Globalisierung und Krieg gibt. Ich denke, dass der Irak, ob er nun Taliban schützt oder nicht, ein Unrechtsregime ist, das eine menschenverachtende Politik macht. Aber ich werde mich weder für noch gegen einen Krieg aussprechen. Sozialforum - Raum für ernste Diskussion oder "Klön-Runde"? tagesschau.de: Beim Europäischen Sozialforum in Florenz gibt es weder Beschlüsse noch Abschlusspapiere. Was ist von diesem Treffen zu erwarten? Giegold: Beschlüsse und Abschlusspapiere gibt es nicht, weil das Forum ein Lern- und Diskussionsraum ist. Wir möchten uns nicht damit belasten, Formulierungsentscheidungen diskutieren zu müssen. Hier geht es darum, dass aktive Bürgerinnen und Bürger aus verschiedenen Teilen Europas zusammenkommen und gemeinsam konkrete Themen und Lösungen diskutieren. Ich bin zum Beispiel ich beteiligt an der Gründung eines europäischen Netzwerkes zur Eindämmung von Steuerkonkurrenz und Steuerflucht. Es gibt sind sehr spannende inhaltliche Diskussionen, die parallel in Dutzenden von Seminaren und Workshops stattfinden. Das ist der gute Teil der Globalisierung. Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt kommen zusammen und tauschen sich aus. Sie diskutieren über Alternativen und bringen diese Inspiration wieder zurück in ihre eigenen Länder. Knipping: Auf dem Sozialforum gibt es wahrscheinlich eine nette Klön-Runde, es wird ein bisschen diskutiert und geschimpft, dass Sozialpolitik und eine weltweite Koordinierung sehr wichtig seien - auch Solidarität sei sehr wichtig. Das sind alles Begriffe, mit denen man sehr gerne herumwirft, die aber dabei undefiniert bleiben. Solidarität ist zum Beispiel für mich etwas sehr Freiwilliges, ein übrigens auch sehr liberales Konzept. Dieser Begriff wird von den Globalisierungsgegnern und Sozialisten (dafür halte ich auch sehr viele der Teilnehmer von Florenz) permanent ausgehöhlt. Die Beschlüsse, die dort getroffen werden das ist eine nette Talkshow, ein schöner Klüngel und man bestätigt sich selbst, dass der Sozialismus doch besser sei. Wenn gesagt wird, man wolle eine gerechte Gestaltung, dann riecht das für mich nach Sozialismus. Umsetzung und Interviews: Andrea Kaeser, tagesschau.de © 2002 tagesschau.de
Quelle: Märkische Allgemeine, 11.11.2002 Friedliche Demonstration in Florenz 500 000 protestieren gegen Irak-Krieg FLORENZ Mehr als 500 000 Menschen haben am Samstag in Florenz beim Europäischen Sozialforum gegen einen Krieg im Irak demonstriert. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl beim Marsch am Rande der Innenstadt mit fast 500 000 an, während die Veranstalter von einer Million Demonstranten sprachen. Die Großdemonstration mit einem anschließenden Konzert war das Ende des dreieinhalbtägigen Forums von Globalisierungegnern. Bis zu 40 000 Menschen hatten sich unter dem Motto "Ein anderes Europa ist möglich" an den Versammlungen, Seminaren und Workshops beteiligt. Damit wurden die Erwartungen von Veranstaltern und Behörden weit übertroffen. Nach dem Weltsozialforum von Porto Alegre war es die erste derartige europäische Versammlung. Mit Slogans gegen den Krieg und westliche Regierungen zogen die Demonstranten unter dem Schutz von 3500 gewerkschaftlichen Ordnungswächtern weitgehend ohne Zwischenfälle durch die Stadt. Ein massives Polizeiaufgebot von 7000 Beamten hielt sich für die Demonstranten weitgehend unsichtbar in den umliegenden Straßen bereit. Ministerpräsident Silvio Berlusconi betonte: "Die Regierung hat unter schwierigen Bedingungen das Prinzip der Demonstrationsfreiheit garantiert." Wenige Tage zuvor hatte er das Forum als "Wahnsinn" verurteilt und ein Verbot gefordert. epd
Frankfurter Rundschau Europa, mal anders Nach dem Sozialforum protestierten Globalisierungskritiker in Florenz gegen einen Irak-Krieg Von Roman Arens (Florenz) Eine ältere Dame klebte handbeschriebene Zettel an die Holzverschalungen, die die Schaufenster der feinen Geschäfte rund um den Dom von Florenz schützen sollten. Auf den Zetteln stand: "Chiusura mentale". Das lässt sich mit "geistiger Ruhetag" übersetzen, oder frei: "Brett vor dem Kopf". Während die Dame die Zettel anbrachte, zogen Friedensdemonstranten durch die Stadt am Arno: Mindestens 500 000 Menschen schlossen sich dem Protestzug an, die Veranstalter sprachen später gar von einer Million Demonstranten, die auf die Straße gingen, um sich gegen einen bevorstehenden Krieg gegen Irak zu stellen und einen Tag nach der entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrats ihren Unmut über die Entschließung kundzutun. Die Demonstration markierte zugleich den einstweiligen Schlusspunkt der globalisierungskritischen Beratungen beim europäischen Sozialforum. Für den 15. Februar kündigten die Organisatoren "einen europäischen Tag gegen den Irak-Krieg" an. Die Demonstration am Samstag war zunächst eine der größten Anti-Kriegs-Proteste seit vielen Jahren in Europa. Wochen zuvor hatte die Regierung Berlusconi bereits dagegen gewettert, hatte davor gewarnt, dass Kunstwerke in Gefahr geraten könnten und es sicherlich Verwüstungen geben werde, hatte geradezu beschworen, Randale werde sich wohl kaum vermeiden lassen. Die Polizei riegelte zwar die Innenstadt von Florenz nicht ab, brachte aber an jeder Straßenecke Beamte in Stellung und leitete den Demonstrationszug an der historischen Altstadt vorbei. Rund hundert Zellen im Gefängnis hielten die Ordnungskräfte vor, die Museen und der Dom wurden geschlossen. Doch nach der Großkundgebung blieb dem Ministerpräsidenten nicht mehr, als sich bei den Sicherheitskräften zu bedanken. Unter ausgesprochen schwierigen Bedingungen habe die Regierung das in der Verfassung verankerte Demonstrationsrecht garantieren können. Am Tag nach dem Protestzug durch Florenz rieben sich viele Bürger nur verwundert die Augen: Wovor, fragten sie sich, haben wir eigentlich Angst gehabt? Schließlich hatten Gegner des Sozialforums über Monate hinweg die Angst vor Ausschreitungen wie im Sommer 2001 in Genua geschürt. Von Mittwoch an kamen Globalisierungskritiker und Umweltbewegte in Florenz zusammen. Sie wollten über die Verantwortung der Weltbank und des Neoliberalismus für den Raubbau an der Erde reden. Unzählige Seminare befassten sich mit diesen Themen, die zum Wochenende hin mit 60 000 Teilnehmern eine enorme Resonanz fanden. Sie sorgten sich über den Lauf der Welt, befürchteten die Konsequenzen eines Krieges gegen Irak für die gesamte Region und klagten die Einhaltung der Menschenrechte ein. Neben linken und grünen Gruppierungen schlossen sich verstärkt christlich motivierte und auch bürgerliche Menschen der Bewegung gegen die Globalisierung an. Zugleich näherten sich jetzt Gewerkschaften wie auch sozialdemokratische Parteien an, die in Genua noch ausgesprochen misstrauisch beiseite gestanden hatten. Schon kräuseln einige Gruppen und Parteien am linken Rand des Spektrums, die in den neuen sozialen Bewegungen ihr eigenes Fischbecken sehen, skeptisch und eifersüchtig die Stirn. "Reformisten" werden natürlich von den Antiglobalisierern nicht mit offenen Armen erwartet. Mit einzelnen Ausnahmen. Etwa Claudio Martini, Linksdemokrat von der DS und Präsident der Region Toskana. Der befasst sich schon lange mit den Zukunftsfragen in Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen. Er, der in Genua als einziger führender DS-Prominenter offiziell dabei gewesen ist, hatte zwar nicht mit der Polizei Ärger, aber danach in seinem Regionalparlament. "Die Bewegungen und die politischen Institutionen sind zwei verschiedene Dinge. Das eine wird niemals das andere sein", markierte Martini in einer von mehr als tausend Menschen verfolgten Diskussion die Unterschiede. Er forderte die Bewegungen auf, die Institutionen zu kritisieren und anzustacheln, sie aber nicht abzulehnen. Jedesmal, wenn die Institutionen geschwächt seien, werde die Hegemonie von Finanzen und Ökonomie gestärkt, meinte der Präsident der Region, der zu dieser Zusammenkunft nach Florenz eingeladen hatte. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele empfahl einen ähnlichen Kurs: Es bedürfe dringend einer stärkeren Zusammenarbeit der etablierten Parteien mit den Globalisierungskritikern. Diese Gruppen dürften dabei nicht ihre Unabhängigkeit verlieren und vereinnahmt werden, setzte Ströbele hinzu. Aber: "Ohne den Druck der Straße haben die Parteien nicht die Kraft, die Globalisierung in eine gerechte Globalisierung umzuwandeln", betonte der Grüne vor nahezu 5000 Teilnehmern eines Forums. "Sollen wir oder sollen wir nicht?" Die Frage bewegte America Vera-Zavala. Sie gehörte zu den Globalisierungskritikern von Attac in Schweden. Also: Sollen sich die außerparlamentarische Bewegungen auf den Dialog mit den Parteien einlassen? "Ja, manchmal, um die Unterschiede zu erkennen", formulierte Vera-Zavala ihre kühle Antwort; denn "die notwendigen Veränderungen kommen nicht von den Institutionen, sie kommen von uns". Einen strengeren Kurs empfahl hingegen Ana Drago vom Bloco de Ezquerda aus Portugal. Sie will "ein neues politisches Subjekt" und wünscht sich: "Die Institutionen sollen uns fürchten lernen." Also doch eine neue Partei? "Wir werden niemals eine Partei", bremste Vittorio Agnoletto: "Eine Bewegung weitet sich aus", betonte der Sprecher des Genoa Social Forums, "eine Partei dagegen bestimmt Grenzen und legt fest, wer drinnen und wer draußen steht." Bei früheren Treffen hatten die Globalisierungskritiker einen konkreten Gegner vor Augen. Etwa bei Zusammenkünften des Internationalen Währungsfonds oder des Weltwirtschaftsforums. In Florenz jedoch gab es keinen Kontrahenten. So gerieten Fragen von Organisationsformen und Programm ins Zentrum vieler Debatten. Einige künftige Schwerpunkte der "Bewegung der Bewegungen", so die Selbsteinschätzung, zeichneten sich ab: Die Gegnerschaft gegen jeglichen Krieg, der Einsatz für die Tobin-Steuer, das Engagement für den freien Personenverkehr und gegen die Privatisierung von Ressourcen wie Wasser. Zugleich nahmen die Kritiker auch die von der Europäischen Union angestrebte gemeinsame Konvention unter die Lupe, schließlich, darauf beharren sie, sei durchaus "ein anderes Europa möglich". Patrick Braouzec verabschiedete sich guter Dinge aus Florenz. Beruhigt kann der Bürgermeister von St. Denis in seine französische Heimat zurückkehren - und erzählen, dass die Geschäfte offen bleiben können, wenn das zweite europäische Sozialforum nach St. Denis kommt. Copyright Frankfurter Rundschau 2002 Dokument erstellt am 10.11.2002 um 21:05:25 Uhr Erscheinungsdatum 11.11.2002
TAGBLATT.ch Montag, 11. November 2002 Friedlicher Protest in Florenz Europäisches Sozialforum: Demonstration gegen Krieg und Globalisierung Mit einer friedlichen Großdemonstration haben in Florenz 450 000 Menschen gegen jede Form von Krieg protestiert. Die Kundgebung war der Höhepunkt des ersten europäischen Sozialforums. SABINE SEEGER/FLORENZ Am Samstag war nichts mehr zu spüren von der aggressiven Spannung, die vor gut einem Jahr beim Weltwirtschaftsgipfel über Genua lag. Keine Spur von Gewalt, keine aggressiven Gipfel-Hooligans, keine brutalen Ausschreitungen, stattdessen Jazzmusik und folkloristische Klänge. Friedlich marschierten die Antiglobalisierer unter einem Meer von Spruchbändern durch die Stadt. « No alla guerra » stand auf den Transparenten. « Nein zum Krieg ». Sieben Kilometer zog sich der Marsch, weit am Stadtzentrum vorbei durch ruhige Wohn- und Geschäftsviertel. Entgegen düsterer Prognosen waren die Florentiner in ihrer Stadt geblieben. Sie wollten ganz offensichtlich mit dabei sein und suchten allenthalben das Gespräch. 450 000 Teilnehmer zählten die Behörden, eine Million die Organisatoren. Es war die grösste Anti-Kriegsdemonstration, die Italien seit Jahren gesehen hat. Am 15. Februar soll es weitergehen, mit einem europäischen Tag gegen den möglichen Irak-Feldzug des US-Präsidenten George W.Bush. Genehmigung kurzfristig erteilt Regierungschef Silvio Berlusconi bedankte sich bei den Sicherheitskräften für ihren Einsatz. Unter « schwierigen Bedingungen » habe seine Regierung das Demonstrationsrecht wahren können. Nur wenige Tage vor Beginn dieses ersten Sozialforums in Europa hatte sich sein Kabinett zur dessen Genehmigung durchringen können. Auf dem Forum zeigte sich, dass die No-Global-Bewegung aus ihren Kinderschuhen herauswächst. Aus ablehnenden Gegnern sind nachdenkliche Kritiker geworden. Drei Tage setzten sie sich auf Konferenzen, Seminaren und Workshops mit Strategien auseinander, wie man die ungehemmte Globalisierung eindämmen könnte. Die dürfe nicht auf Kosten der Dritten Welt fortdauern, so das Credo der unterschiedlichsten Gruppen, die sich unter dem Dach « No Global » zusammenfanden. An Breite gewonnen Antikapitalistische Bewegungen, Umweltschützer, Nord-Süd-Initiativen, Menschenrechtsaktivisten sowie neuerdings Gewerkschaften, linksdemokratische Parteien und kirchliches Establishment: Mit Florenz ist die Bewegung breiter und « bürgerlicher » geworden - und interessant auch für politische Führer. Nur wenige Kilometer nördlich von Florenz meinte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in seiner Heimatstadt Bologna: « Wir brauchen frische Stimmen und innovative Ansätze. » Copyright © St.Galler Tagblatt AG www.tagblatt.ch
2002-11-11-stuttgarter_zeitung
Original-Artikel: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/311672 Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 11.11.2002 Die 3. Seite Hunderttausende demonstrieren in Florenz gegen einen Krieg im Irak Die Barbaren rühren die Leonardos nicht an Manche in Florenz haben sich Sorgen gemacht, dass die Globalisierungsgegner ihre schöne Renaissancestadt kurz und klein schlagen würden. Doch statt einer Gewaltorgie erleben sie die größte Friedensdemonstration in Europa seit Jahren. Von Christopher Ziedler, Florenz Die Wartezeit beträgt null Minuten. In den berühmten Uffizien, wo sonst nur langes Anstehen zur Kunst führt, verlieren sich die Betrachter zwischen den großen Meistern. Vor Botticellis "Incoronazione della Vergine" sitzt Cathérine aus Paris. Sie wusste vom Europäischen Sozialforum der Globalisierungsgegner, vom großen Demonstrationstag in Florenz, von den befürchteten Ausschreitungen in der historischen Innenstadt. Trotzdem zieht sie ihr Reiseprogramm durch, das schließlich lange im Voraus gebucht war. Sie genießt es, dass sie die Galerie fast für sich hat. "Ich bin aber schon enttäuscht, dass so viele Geschäfte und Cafés in der Stadt geschlossen haben", klagt die 52-Jährige. Das ist eine Untertreibung. Halb Florenz ist an diesem Samstagnachmittag vernagelt oder fest verschlossen. Die politische Zerrissenheit Italiens spiegelt sich darin wider. Die Geschäftsleute und Anwohner, die den Horrorszenarien der Regierung in Rom geglaubt und eine Gewaltorgie wie während des Weltwirtschaftsgipfels in Genua befürchtet hatten, haben Häuser und Läden verbarrikadiert. Jene, die den beschwichtigenden Worten ihres Bürgermeisters und bekennenden Globalisierungskritikers Leonardo Domenici vertraut haben, lassen die Geschäfte geöffnet und stellen ein blaues Schild ins Schaufenster. "Florenz - offene Stadt" steht darauf. Schuld am touristischen Ausnahmezustand in der Renaissancestadt sind unter anderem Dario, Furio und Michele, die im Ausstellungsraum 15 die Werke von Leonardo da Vinci studieren. Die drei 17-jährigen Schulfreunde aus Turin tragen den Teilnehmerpass des Europäischen Sozialforums um den Hals, der ihnen - so hat es Bürgermeister Domenici durchgesetzt - freien Eintritt in die Uffizien gewährt. "Berlusconi sagt, wir sind Barbaren. Aber wir werden weder die Leonardos hier noch sonst etwas zerstören", sagt Michele und verabschiedet sich Richtung Fortezza da Basso, wo die große Antikriegsdemonstration den Höhepunkt des fünftägigen Sozialforums bilden soll. Michele behält Recht. Anders als in Genua vor gut anderthalb Jahren bleibt alles friedlich, und das, obwohl noch mehr Menschen gekommen sind als damals. Die Behörden sprechen von einer halben, die Organisatoren von einer ganzen Million Teilnehmern, die gegen den drohenden Irak-Krieg und die Globalisierung protestieren. Kilometerlang schlängelt sich der Demonstrationszug durch die Außenbezirke von Florenz. Als es bereits dunkel wird, hat dessen Ende noch immer nicht das Stadion erreicht, den Ort der Abschlusskundgebung. Es ist eine bunte und laute Peace-Parade. Auf dem Wagen der Gewerkschaftsjugend spielt eine Musikcombo. Die Kommunisten schwenken ihre roten Fahnen und singen. Über den christlichen Friedensfreunden von Pax Christi schweben Dutzende von Luftballons. Englische Sozialisten tragen Plakate mit der Losung "Don"t attack Iraq" vor sich her. Die französische Sektion des Netzwerks Attac fordert auf riesigen Transparenten noch immer die Einführung der Tobinsteuer, um der Dritten Welt zu helfen. Italienische Pfadfinder trotzen der Kälte in kurzen Hosen, und Greenpeace-Aktivisten tanzen zu den Klängen eines Discjockeys, der die Straße mit schnellen Beats beschallt. Gestört wird das Happening auch nicht durch die 6000 Beamten der italienischen Sicherheitskräfte, die sich in Genua als brutale Prügler in Verruf gebracht hatten. Sie beweisen, dass sie sich auch auf Deeskalationsstrategien verstehen. Stattdessen trüben antiamerikanische und antisemitische Parolen einiger Demonstranten das sonst so friedliche Bild. Auf einer US-Fahne sind die Sterne durch Hakenkreuze ersetzt, palästinensische Abordnungen verkünden Fahnen schwingend den Sieg über Israel. Und vom Lautsprecherwagen einer kommunistischen Splittergruppe aus Italien skandiert eine Frau "I-I-Intifada". Die offene Unterstützung für terroristische Selbstmordbomber lässt Silvia Brunelli erschaudern. Die Verlegerin des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo steht am Straßenrand und kann nicht fassen, dass "hier alle möglichen Opfer zur Sprache kommen, nur die israelischen nicht". Das gilt übrigens auch für das Forum selbst, wo offenbar kaum jemand daran Anstoß nimmt, dass an pro-palästinensischen Infoständen der Terror gegen israelische Zivilisten gerechtfertigt wird. Es sind nicht allzu viele, die derart ausfällig werden, aber genug, um das Sozialforum und die Antikriegsdemo in Misskredit zu bringen. Einer, der schon in Genua dabei gewesen war und dort verletzte und inhaftierte Globalisierungsgegner aus Deutschland in Krankenhäusern und Gefängnissen besucht hatte, ist wieder vor Ort. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele marschiert vorneweg. Er sei hier, weil "politische Parteien und soziale Bewegungen gemeinsam aufgerufen sind, diesen Krieg zu verhindern", verkündet er auf einer Podiumsdiskussion. Und auch sonst versucht der Altlinke den zumeist jungen Globalisierungsgegnern zu schmeicheln. Das Europäische Sozialforum, auf dem 35 000 von ihnen in den vergangenen Tagen in hunderten von Workshops über den Internationalen Währungsfonds, Privatisierungen im sozialen Bereich, den Nahostkonflikt oder die Macht der großen Konzerne diskutiert haben, sei ein "Aufbruchskongress", lobt Ströbele. Außerdem habe die Globalisierungskritik eine neue Sensibilität für die Ungerechtigkeiten in der Welt bewirkt, ein Teil der Forderungen finde sich jetzt sogar im rot-grünen Koalitionsvertrag wieder: "Ohne euch gäbe es das alles nicht", ruft er in den Saal, der solche Huldigungen begeistert aufnimmt. Der Vater dieser Bewegung sitzt neben Ströbele auf dem Podium. Der Franzose Bernard Cassen ist Herausgeber von "Le Monde diplomatique", jener Zeitung, in der vor fünf Jahren ein Artikel mit "Entwaffnet die Märkte" überschrieben war. Die gewaltige Leserresonanz führte zur Gründung von Attac, dem größten Netzwerk innerhalb der Antiglobalisierungsbewegung mit 10 000 Mitgliedern allein in Deutschland. Cassen, der auch das erste Weltsozialforum in Porto Alegre mitinitiiert hat, spricht von einem "überwältigenden Erfolg" der Idee. Das unübersichtliche Chaos auf dem Kongress, den eine italienische Radioreporterin mit "una bella confusione" beschreibt, erklärt der französische Politikprofessor zum Programm: "Wir wollen keine gemeinsamen Forderungen verabschieden, es geht darum, uns auszutauschen und Kräfte zu bündeln." Oder darum, schwedische Schüler weiterzubilden. Die Lehrerin Susanne Hedman aus Göteborg ist mit ihrer ganzen Klasse hier, weil sie sich im Unterricht intensiv mit der Globalisierung befasst hatten und ihr Wissen noch vertiefen wollten. Auf die große Demo aber hat Susanne Hedman keine Lust. Sie will lieber noch durch die verlassenen Uffizien schlendern und Michelangelo studieren. Wann hat man schließlich schon die Chance, dort ungestört mit ihm allein zu sein? 11.11.2002 - aktualisiert: 11.11.2002, 06:06 Uhr © 2002 Stuttgarter Zeitung online, Stuttgart Internet Regional GmbH
Süddeutsche Zeitung Montag, 11.11.2002 Florentiner Friede 500000 Teilnehmer am Europäischen Sozialforum protestieren gewaltlos und dürfen zur Belohnung gratis Museen besuchen Am Ende wollten sie alle die Väter des Sieges sein. »Florenz hat gewonnen?, gab sich Leonardo Domenici, der Bürgermeister der toskanischen Metropole, vor Hunderttausenden von Demonstranten erleichtert: »Und natürlich auch Ihr, ragazzi?, fügte er hinzu. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hingegen lobte das besonnene Vorgehen seiner Regierung: Es sei »unter schwierigen Bedingungen gelungen, das Prinzip der Demonstrationsfreiheit zu garantieren?. Er dankte den 5000 Ordnungskräften, die im Einsatz waren. Nach wochenlangen Diskussionen um mögliche Gewaltexzesse während des Anti-Globalisierungstreffens in Florenz waren am Samstag etwa 500000 Demonstranten friedlich durch die alte Kunststadt gezogen - »die Angst hat eine Partie verloren?, kommentierte die linksgerichtete Zeitung La Repubblica. Mittags gegen ein Uhr hatte sich der Demonstrationszug in Bewegung gesetzt, zwei Stunden früher als geplant. Zu diesem Zeitpunkt waren rund um die Fortezza da Basso, jene alte Festung beim Bahnhof, die seit Donnerstagabend das erste »Europäische Sozialforum« beherbergte, schon so viele Menschen erschienen, dass die Organisatoren nicht länger warten konnten. Während im historischen Zentrum viele Geschäfte zunächst geschlossen hatten, öffneten im Lauf der Demonstration immer mehr Florentiner ihre Fenster: Manche winkten den Protestlern zu, applaudierten oder hängten zum Zeichen der Sympathie weiße Bettlaken heraus, andere schenkten Tee aus oder verteilten gratis toskanisches Brot. Für ein »anderes Europa« marschierten die Demonstranten und gegen den drohenden Krieg. Sie geißelten »Neoliberalismus« und wirtschaftlichen Wildwuchs oder demonstrierten für den Schutz der Umwelt. Auch italienische Themen wurden behandelt. So protestierten einige gegen Verkehrsprojekte wie die geplante Brücke von Messina, andere verlangten die völlige Unabhängigkeit Sardiniens. Und immer wieder erschienen zwei Namen als Feindbilder auf den Spruchbändern: der amerikanische Präsident George W. Bush und der italienische Regierungschef Berlusconi. Es war die vierte Massendemonstration in diesem Jahr in Italien, die sich mit der Regierungspolitik auseinander setzte. Freilich hatte sich diesmal ein bunter Haufen unterschiedlichster politischer Strömungen zusammengefunden: Da wanderten Lesben neben Anhängern des Islamismus, Pfadfindergruppen liefen Hand in Hand mit Punks, Fiat-Arbeiter wurden von bunt maskierten Clowns kontrastiert. Den Sicherheitsdienst hatten knapp 2000 Freiwillige der Gewerkschaft CGIL übernommen. Sie drängten gleich zu Beginn eine Gruppe von Vermummten aus dem Zug und informierten diskret die Polizei - eine der wenigen kritischen Situationen dieser fünfstündigen Demonstration der Friedlichkeit. Als Held des Tages erschien der in Ruhestand getretene, bisherige CGIL- Chef Sergio Cofferati, der als einer der wenigen Linkspolitiker von den Demonstranten gefeiert wurde. Politisch gestärkt aber fühlten sich auch Bürgermeister Domencini sowie Regionspräsident Claudio Martini. »Wir müssen zu diesen jungen Leuten Kontakt knüpfen?, erklärte Martini abends in einer Fernsehsendung: »Es ist nicht alles falsch, was sie meinen, und gegen den Krieg sind wir doch schließlich auch.« Am Ende des Spektakels öffneten sogar die Museen ihre Pforten: Alle Teilnehmer des Protest-Kongresses bekamen freien Eintritt. Christiane Kohl Copyright © sueddeutsche.de GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Tagesspiegel 11.11.2002 »Florenz war Basisdemokratie« Wie der Grüne Ströbele das Europäische Sozialforum erlebte Herr Ströbele, 40 000 Menschen beim Europäischen Sozialform in Florenz, 500 000 bei der Abschlussdemonstration. Wie lautet Ihr Resümee? Die Teilnehmerzahl war überwältigend. Das ist für ähnliche Veranstaltungen in Deutschland kaum vorstellbar. Es waren vor allem junge, engagierte Leute. Da organisiert sich eine europaweite Basisdemokratie, die sich die Politiker immer gewünscht haben. Welches Signal geht von Florenz aus? Ganz unterschiedliche Gruppen wie Attac und Vertreter politischer Parteien haben gemeinsam eine klare Haltung demonstriert: Kein Krieg gegen den Irak! Sie haben von den europäischen Regierungen gefordert, in dieser Frage nicht zu wanken. Und dann ist in Florenz die Forderung nach globaler sozialer Gerechtigkeit unterstrichen worden. Ich gehe davon aus, dass die Bewegung der Gegner dieser Globalisierung weiter wachsen wird, auch in Deutschland. Sie muss auch in Zukunft die Politik unter Druck setzen, in die richtige Richtung zu gehen. Haben Sie Anti-Amerikanismus gespürt? Natürlich haben einige Bush angegriffen. Aber die Stimmung war nicht gegen das amerikanische Volk gerichtet. Kritisiert wurde, dass es bei dem geplanten Krieg gegen Irak um Ressourcen wie Öl und strategische Positionen der USA im Nahen Osten geht. Entgegen den Befürchtungen der italienischen Regierung blieben Ausschreitungen aus? Es war offenbar große Angst geschürt worden. Verbarrikadierte Geschäfte, in der Innenstadt war alles geschlossen. Aber weil die Polizei sich zurückgehalten hat - sie war so gut wie nicht zu sehen -, habe ich nicht einmal einen Versuch von Gewalt beobachtet. Das Gespräch führte Sven Lemkemeyer. 2002 © Verlag Der Tagesspiegel GmbH
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0095.nf/text tageszeitung taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 11, 116 TAZ-Bericht MICHAEL BRAUN Friedliche Invasion statt Untergang Allen Hetzkampagnen und düsteren Prophezeiungen zum Trotz verläuft die Demonstration des Europäischen Sozialforums in Florenz ohne gewalttätige Zwischenfälle. Auch viele Florentiner Bürger bekunden ihre Solidarität mit den Protestierenden Einigermaßen enttäuschend verlief am Samstag die Demonstration des Europäischen Sozialforums in Florenz - enttäuschend für alle, die in einer wochenlangen Hetzkampagne den Untergang der Kunststadt am Arno herbeigeredet hatten. "Gewalttätige Horden" waren angekündigt, stattdessen erlebte Florenz die friedliche Invasion hunderttausender Menschen - die Polizei meldete 500.000, das ESF eine Million -, die mit einem Marsch gegen den geplanten Krieg im Irak protestierten. Um 15 Uhr sollte es losgehen, doch schon zwei Stunden vorher startete die Spitze des Zuges, um Platz für die ständig vom Bahnhof Herbeiströmenden zu machen. Den "Ehrenplatz" ganz vorn hatte das ESF Fiat-Arbeitern aus Turin und dem sizilianischen Termini Imerese eingeräumt, die zur Zeit um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Ihnen folgten die Blocks der ausländischen Teilnehmer, des "Greek Social Forum", der Franzosen von der CGT und von Attac, der Deutschen, der Briten von Globalise Resistance, der Österreicher, Polen, Portugiesen mit ihrem Nein zum Krieg. Dann das Gros der Demo aus Italien. Katholische Boy-Scouts, die "präventiven Frieden" forderten, Anarchisten hinter dem Transparent "Der Krieg braucht dich - du brauchst den Krieg nicht", die "Ungehorsamen" der Autonomen Zentren, der Block von Rifondazione Comunista, die Basisgewerkschaften, die Social Forums aus Genua, aus Florenz, Gruppen von Oberschülern und Studenten - und am Schluss der Gewerkschaftsbund CGIL, der 200.000 Leute mobilisiert hatte. Statt sauberer Trennung zwischen den Zugsegmenten herrschte aber dann doch ein Durcheinander. Bei den Jungs und Mädchen von den "Ungehorsamen" marschierten angegraute Mittfünfziger von der CGIL mit - und in den Reihen der Gewerkschafter waren jede Menge Kids unterwegs. Sie alle zeigten nicht zuletzt, dass die Hasskampagne gegen das ESF zum Flop geworden war. "Sichere Verwüstungen" hatte Silvio Berlusconi angekündigt, seine TV-Stationen und Zeitungen, aber auch der liberal-konservative Corriere della Sera hatten vorher ein Trommelfeuer entfacht, das zum Auftakt des ESF in einem Brandbrief Oriana Fallacis an die Florentiner Bürger gipfelte. Wie die Faschisten 1922, wie die deutschen Besatzer 1944 seien die Leute vom ESF - "sie respektieren Saddam Hussein, sie lieben Bin Laden"-, so Fallaci. Die Stadt solle mit Totalschließung reagieren. Viele Ladeninhaber hatten ihre Geschäfte tatsächlich mit Spanplatten verrammelt. Für sie gab es ironische Repliken per Filzstiftinschrift. "Wegen Dummheit geschlossen" stand da, oder - bei einer Kneipe - "Depp, du hättest heute mindestens 1.000 Biere verkaufen können." Aber bei der Demo zeigte sich auch das andere Florenz: Der Zeitungskioskbesitzer, der mit der Begründung "Alle zur Demo!" seinen Stand zugesperrt hatte, der Bäcker, der blecheweise Brot und Pizza an die Demonstranten verschenkte, jede Menge Anwohner längs des Zugwegs, die Mineralwasser spendierten und mit weißen Bettlaken am Fenster ihre Solidarität bekundeten. Und die nicht zuletzt zwei Mitlaufenden applaudierten: Leonardo Domenici, dem Bürgermeister von Florenz, und Claudio Martini, dem Präsidenten der Region Toskana. Sie hatten in den letzten Wochen als vermeintliche Komplizen des Black Bloc am Pranger gestanden - und sie reagierten am Samstag mit der Forderung, einige hätten sich nun bei der Stadt Florenz genauso wie beim ESF zu entschuldigen. © Contrapress media GmbH
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0046.nf/text tageszeitung taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 1, 85 Kommentar MICHAEL BRAUN, Leitartikel Super- statt Gegengipfel Was ist nicht alles gesagt worden über die Globalisierungskritiker! Eine bloße Negativbewegung habe sich da zusammengefunden, geeint allein durch eine sich aus unterschiedlichsten, ja gegensätzlichen Quellen speisende Gegnerschaft gegen die Mächtigen der Welt. Eine Koalition, die nur bei "Gegen"-Gipfeln, in Protesten gegen G-8- und EU-Gipfel, gegen IWF- und WTO-Versammlungen, zum Leben erwache. Ein Bündnis, das sich anlässlich dieser Events allein durch Randale Sichtbarkeit verschaffen könne. Eine reine Verhinderungsallianz, die spätestens dann zum Niedergang bestimmt sei, wenn sich die Gipfel-Protestiererei erst einmal in der ewigen Wiederholungsschleife totgelaufen habe. Manche Beobachter glaubten gar, diesen Wendepunkt bereits benennen zu können: 300.000 Menschen hatten im Juli 2001 in Genua zu den Anti-G-8-Demos eingefunden - und in den Medien fand sich nur Kriegsberichterstattung über Straßenschlachten, die mit einem Toten und hunderten Verletzten endeten. Doch jetzt wurde Florenz zum Beweis dafür, dass von einem Zerbröseln der Bewegung keine Rede sein kann. Über 60.000 Menschen trafen sich ganze drei Tage lang auf dem Europäischen Sozialforum, bis zu eine Million demonstrierten gegen einen Irakkrieg. Statt eines Gegengipfels gab es diesmal also einen Supergipfel der europäischen Globalisierungskritiker. Die fanden schnell heraus, dass sie bei allen weiter bestehenden - und gar nicht als störend empfundenen - Unterschieden einen ansehnlichen Bestand an Gemeinsamkeiten haben. Sie einigten sich auf eine eigene Agenda fern der Regierungsgipfel und auf europaweite Kampagnen gegen Krieg, gegen Rassismus und gegen die Privatisierung sozialer Dienste. Und zeigten bei ihrer Demo auch gleich, wie sie sich das vorstellen. Die Massen von Florenz belegen zweifelsfrei, dass sich die Globalisierungskritiker der Genua-Falle erfolgreich entzogen haben. Wer meinte, mit Repression Angst erzeugen und die Leute zum Daheimbleiben bewegen zu können, wurde eines Besseren belehrt. Wer glaubte, die Globalisierungskritiker würden sich ihrerseits in die Repression-Gewalt-Spirale fügen und sich so selbst diskreditieren, wurde gleich doppelt enttäuscht: Nach Florenz kamen doppelt so viele Menschen wie nach Genua. Und mit ihrem friedlich-fröhlichen Marsch verweigerten sie Italiens Premier Silvio Berlusconi zudem den Gefallen, die Aufmerksamkeit von ihren Themen auf das Thema Randale umzulenken. © Contrapress media GmbH
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/11/a0034.nf/text tageszeitung taz Nr. 6901 vom 11.11.2002, Seite 1, 71 TAZ-Bericht MB Bush macht mobil Nach Massendemonstration in Florenz will Europas Friedensbewegung im Februar 10 Millionen Menschen auf die Straße bringen. US-Präsident will bis zu 250.000 Soldaten mobilisieren ROM/BAGDAD taz/dpa · Europas Kriegsgegner machen mobil. Nach der erfolgreichen Demonstration von bis zu einer Million Menschen in Florenz gegen einen drohenden Irakkrieg am Samstag beschloss die Abschlussversammlung des Europäischen Sozialforums gestern eine europaweite Ausweitung der Proteste. Ziel ist es, am 15. Februar in allen europäischen Hauptstädten 10 Millionen Menschen auf die Straße zu bringen. Für den Fall eines Kriegsausbruchs vor diesem Datum einigten sich die 5.000 Teilnehmer der "Versammlung der Bewegungen", auf der von Friedensgruppen über Globalisierungskritiker bis zu Gewerkschaften alle Mitglieder des Sozialforums vertreten waren, auf europaweite Protestaktionen, die auf den ersten Samstag nach Beginn der Kampfhandlungen fallen sollen. Dies sei nicht davon abhängig, ob ein eventueller US-Angriff einseitig erfolgt oder ob er durch UN-Beschlüsse abgedeckt ist. "Unser Nein zum Krieg erfolgt ohne Wenn und ohne Aber", erklärte der frühere Pressesprecher des Genua-Sozialforums, Vittorio Agnoletto, der im Einklang mit mehreren anderen Rednern im Kriegsfall einen europaweiten Generalstreik forderte. Die New York Times meldete unterdessen, US-Präsident George W. Bush habe detaillierten Angriffsplänen der USA gegen den Irak bereits zugestimmmt. An der Operation sollen 200- bis 250.000 US-Soldaten teilnehmen. Iraks Präsident Saddam Hussein forderte gestern das irakische Parlament zu einer Sondersitzung auf, bei der mit einer Annahme der neuesten UN-Resolution gerechnet wird. Nach dem neuen UN-Zeitplan hat Saddam Hussein bis Freitag Zeit, sich zur "vollen Befolgung" der Bedingungen und zur Zusammenarbeit mit den UN-Waffeninspekteuren bereit zu erklären. Dann folgt eine 30-Tage-Frist, in der er eine vollständige Liste seines Waffenarsenals vorlegen muss. Spätestens am 23. Dezember sollen die UN-Kontrollen vor Ort beginnen. Verstöße des Irak sollen unverzüglich dem Sicherheitsrat gemeldet werden. MB report SEITE 4, ausland SEITE 11, meinung SEITE 13 © Contrapress media GmbH
Quelle: http://www.jungewelt.de/2002/11-11/001.php junge Welt vom 11.11.2002 Megaprotest gegen Irak-Krieg Italien: Hunderttausende bei Friedensmanifestation Georg Dacher / Wolfgang Pomrehn, Florenz Hunderttausende Menschen aus ganz Europa haben in Florenz gegen den drohenden US-Angriff auf Irak demonstriert. Die bis dato größte europäische Manifestation gegen einen neuerlichen Golfkrieg bildete am Samstag den Höhepunkt des Europäischen Sozialforums (ESF) gegen Krieg, Neoliberalismus und Rassismus. Die Polizei und der gewerkschaftliche Ordnerdienst sprachen von 500000 Teilnehmern, die Veranstalter gar von einer Million. So oder so wurden sämtliche Erwartungen übertroffen. Mit 200 000 hatten die Organisatoren ursprünglich gerechnet. Wie schon beim Forum hatten sie ihre eigene Mobilisierungskraft unterschätzt. Statt der 30 000, auf die man bei der mehrtägigen Konferenz eingestellt war, kamen schließlich seit vergangenem Mittwoch über 60 000 aus allen Ländern Europas, darunter auch über tausend Teilnehmer aus Deutschland und Österreich. Die Demonstration am Samstag war unterdessen von Antikriegstransparenten geprägt. Auf vielen wurde der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi wegen seiner Unterstützung für Washingtons geplanten Angriff auf den Irak attackiert. Neben den roten Fahnen des linken Gewerkschaftsverbandes CGIL, der Koordination der Gewerkschaftlichen Basiskomitees COBAS und der Rifondazione Comunista dominierten Regenbogenfahnen mit der Aufschrift »Pace« (Frieden) das Bild. Daneben waren vor allem die Fiat-Arbeiter in den Blöcken verschiedener Gewerkschaften zahlreich vertreten. Das Management des italienischen Autoherstellers hatte vergangene Woche Massenentlassungen und die Schließung des Werks Termini Imerese bei Palermo angekündigt. Fiat ist eines der wichtigsten Industrieunternehmen des Landes. Hinzu kommt, daß vor allem auf Sizilien die Arbeiter kaum eine Chance haben werden, eine neue Arbeit zu finden. Entsprechend forderte der CGIL-Bezirk Palermo auf einem Transparent in Florenz den Generalstreik gegen die Massenentlassungen. Auch auf einem Podium des ESF hatten Vertreter von CGIL und COBAS davon gesprochen, daß die gesamte italienische Arbeiterbewegung auf die Fiat-Krise reagieren müsse. Starke ausländische Gruppen waren vor allem aus Frankreich und Griechenland auf den Straßen von Florenz zu sehen. Die Französische Kommunistische Partei hatte sogar ihre Führung eingeflogen. Selbst Noch-Parteichef Robert Hue war trotz des aktuellen internen Konflikts gekommen, und so gehörte die deutsche PDS zu den wenigen westeuropäischen Linksparteien, die in der Metropole der Toskana nicht präsent waren. Auch von den italienischen Linksdemokraten (PDS) war wenig zu sehen, sieht man einmal von ihrem Jugendverband ab, der zahlreich vertreten war. Die florentinischen Studenten hatten einen eigenen Block organisiert, der allein etwa 10000 bis 15000 Menschen umfaßte. Die deutschen Teilnehmer gingen hingegen in der Riesendemo vollkommen unter. Nur einige wenige Fahnen der IG Metall und ein einsames ver.di-Banner waren zu sehen. Auffallend hingegen über alle Blöcke verstreut die palästinensichen und kubanischen Fahnen sowie die obligatorischen Flaggen mit dem Konterfei Che Guevaras. Nach der friedlichen Großdemonstration in Florenz haben die Organisatoren des Europäischen Sozialforums für den 15. Februar »einen europäischen Tag gegen den Irak-Krieg« angekündigt. Diesem Aktionstag sollen Mitte Dezember und Mitte Januar zwei europaweite Antikriegsdemonstrationen vorangehen. © http://www.jungewelt.de
Neue Züricher Zeitung NZZ 11.11.02 Der Antikriegs-Aufmarsch in Florenz ohne Zwischenfälle Ein paar hunderttausend Manifestanten auf den Beinen - Vorwürfe gegen Berlusconi Zum Abschluss des « Europäischen Sozialforums » haben in Florenz ein paar hunderttausend Demonstranten an einem Friedensmarsch teilgenommen. Der Protestzug der Globalisierungsgegner verlief entgegen den Befürchtungen, die Stadt werde in Ausschreitungen und Gewalt versinken, ohne Zwischenfälle. sdl. Florenz, 10. November. Nicht bloss 200 000 Demonstranten, wie sich die Organisatoren aus den Reihen des « Europäischen Sozialforums » erhofft hatten, sondern gegen eine halbe Million haben sich am Samstag in Florenz laut polizeilichen Angaben an einem Friedensmarsch beteiligt. Andere Stimmen des Forums sprachen gar von einer Million Demonstranten an diesem Aufmarsch gegen die Kriege in aller Welt. Als Absage an Kriege allgemein war die Veranstaltung zwar geplant, doch aus aktuellem Anlass richtete sie sich am Tag nach der jüngsten Irak-Resolution des Uno-Sicherheitsrates in erster Linie gegen den drohenden Krieg im Irak. Dazu gesellten sich als Nebenthemen die Situation im Nahen Osten und die Politik Israels gegen die Palästinenser. Geschmacklose Vergleiche Entgegen der Angst und den Befürchtungen, wonach Florenz in Ausschreitungen und Gewalt versinken werde, ist der Anlass ohne Zwischenfälle verlaufen. Laut dem italienischen Innenminister Pisanu gebührt der Dank dafür all jenen, die sich im Vorfeld des Demonstrationszuges um einen friedlichen Verlauf bemüht hatten, den Teilnehmern ebenso wie den Ordnungskräften und den lokalen Behörden. Wie oft, wenn er redet, liess sich dagegen Ministerpräsident Berlusconi am Wochenende mit einer eher einfältig anmutenden Äusserung vernehmen. Er erklärte, das Land gewinne immer, wenn die Opposition mit der Regierung einen korrekten und verantwortungsbewussten Umgang pflege und sich nicht bloss auf Polemik beschränke. Zuvor hatte der Regierungschef allerdings zu jenen gehört, welche die Panik anheizten und Ausschreitungen geradezu beschworen. Der Präsident der Region Toskana, Martini, meinte, dass sich nun einige Leute für ihr Verhalten entschuldigen müssten, beispielsweise beim Bürgermeister von Florenz, Domenici. Beide Politiker gehören dem oppositionellen Ulivo an; sie setzten sich seit langem für die Durchführung des « Europäischen Sozialforums » in Florenz ein und waren der Meinung, dass der Stadt auch der « Friedensmarsch » zugemutet werden könne. Dieser Meinung waren auch ein paar Florentiner, die da und dort Plakate in die Höhe hielten, auf denen sie kundtaten, sie seien stolz auf ihre Stadt, weil sie den Anti-Kriegs-Aktivisten Gastrecht gewährt habe. Diese Bürger oder solche, die den Demonstranten entlang der Marschroute Tee aus der Thermosflasche ausschenkten, stellten allerdings die Ausnahme und nicht die Regel dar. Im Zentrum und an den Straßen, durch die sich der « Friedensmarsch » wie ein bunter, nicht enden wollender Tatzelwurm vorwärts bewegte, blieben die meisten Geschäfte geschlossen, die Fensterläden waren verriegelt, und in vielen Gassen und Strässchen waren kaum Leute unterwegs. Die rund 6000 Mann Ordnungs- und Sicherheitskräfte, die im Einsatz standen, hielten sich für alle Fälle zwar bereit, doch in der Nähe der Manifestanten fiel ihre Präsenz kaum auf. Auf eines der zugesperrten Schaufenster hatte ein Witzbold den Spruch gekritzelt: « Wir haben im Lotto gewonnen, aber ihr hindert uns daran, unser Geld auszugeben. » Eine Frau gab sich mit einem Spruchband als « Mutter der Hunnen » zu erkennen. Sie spielte damit auf eine Passage in einem langen, eher geschmacklosen und wenig intelligenten Artikel der Publizistin Oriana Fallaci im « Corriere della Sera » an. Fallaci hatte die zumeist jugendlichen Teilnehmer des Sozialforums mit den Hunnen verglichen und davon geschrieben, dass sie in Florenz Zerstörung und Verderben anrichten würden. Die Bewohner ihrer Geburtsstadt hatte sie aufgerufen, sich gegenüber den Teilnehmern am « Sozialforum » und am « Friedensmarsch » zu verhalten wie das Lager des Widerstandes gegen die Faschisten Mussolinis oder die deutschen Besatzungstruppen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Abwesenheit der Politiker Neben den unzähligen Gruppen und Grüppchen aus der Großfamilie der « No-globals », christlichen Aktivisten und Pazifisten, Friedens- und Solidaritätskomitees, Anhängern von Aktionen zivilen Ungehorsams, dazu Anarchisten, orthodoxen Marxisten und Neo- beziehungsweise Postkommunisten waren die Vertreter der etablierten italienischen Linksparteien am Marsch von Florenz nur schwach vertreten. Darin widerspiegelt sich unter anderem ihr schwieriges Verhältnis zum Lager der Anti-Globalisierer und zu den anderen Kräften der Protestszene. Von den bekannten Gesichtern waren der Chef der Gewerkschaftszentrale CGIL, Epifani, sowie sein Vorgänger Cofferati auszumachen, dazu Bertinotti von der Rifondazione Comunista, prominente Grüne sowie « progressive » Kräfte der Linksdemokraten. Diese Stimmen gehören zum Chor jener, die engere Bande der parlamentarischen Opposition gegen Berlusconi mit der informellen Protestszene fordern. Demgegenüber verlangen ihre Gegenspieler, dass sich die « reformistischen » Kräfte nicht nur klar gegen das « No global »-Volk abgrenzen müssten, sondern auch gegen die Kollegen in den eigenen Reihen, die mit der nicht-parlamentarischen Opposition zusammenspannen wollen. Vertreter der Linksdemokraten warnen allerdings davor, dass ihre Partei nicht ungestraft von Ereignissen fernbleiben könne, bei denen Themen wie die Friedenserhaltung oder die soziale Gerechtigkeit erörtert würden.
Quelle: http://www.agenziaitalia.it/english/news.pl?doc=200211111357-0064-RT1-POL-0-NF82&page=0&id=agionline-eng.italyonline
Agenzia Italia (AGI) TERRORISM: PISANU, CAUTION AND ATTENTION AFTER BLAIR'S WARNING (AGI) - Rome, Italy, Nov 11 - "We will evaluate with caution and attention every report, also those that arrive from the UK" said the Minister for the Interior, Giuseppe Pisanu, regarding the warnings of terrorist attacks launched by British premier Tony Blair, attacks that are supposedly being planned by Al Qaeda for the run-up to Christmas. Pisanu, who was speaking at the inauguration ceremony of the academic year at the Pontifical Lateranese University, did not want to go into further detail about what "caution and attention" might mean preferring to underline on several occasions only this aspect, that is of a further assessment. No reply however as regards the arrival of 5000 violent subjects, as reported by the Italian Intelligence Services on the occasion of the Social Forum, something which then never occurred. Pisanu preferred not to comment. (AGI) 111357 NOV 02
Quelle: http://www.guardian.co.uk/guardianpolitics/story/0,3605,837564,00.html Comment Florence builds a bridge to a brave new social paradise Anti-globalisation is not a nine-day wonder that ended on September 11 John Vidal Monday November 11, 2002 The Guardian In 1425, the powerful wool merchants' guild of Florence commissioned the artist Lorenzo Ghiberti to construct a door for the baptistry of St John in the city. He was to "do whatsoever he desired and designed so that it should be the most perfect and most beautiful imaginable". Ghiberti took 27 years and did not disappoint. His doors were described by Michelangelo as worthy of being called the "gates of paradise". Last week in Florence, a similar kind of open-ended brief, to imagine and construct a European social edifice worthy of being one day called a 21st-century paradise, was entrusted to the institutions, politicians and people of Europe. It came from 40,000 intellectuals, students, ecological and social activists, people representing the poorest and most marginalised, radical economists, concerned individuals, humanitarians, artists, culturalists, churches, scientists and land workers from a bewildering array of non-government groups and grassroots social movements. With the title, Another Europe is Possible, and under the banner of the European Social Forum, the many social movements and groups that have demonstrated in Seattle, Genoa, Prague, London and a dozen other cities over the past three years - against world leaders and organisations such as the Interna-tional Monetary Fund or the World Trade Organisation - set out to show that they could actually propose change and not simply oppose what is happening around the world. This was no ordinary political gathering; indeed many called it "the new politics". Seemingly without form, issuing no final communique, inadequately translated, often chaotic, the four-day meeting drew people from every corner of Europe and 80 other countries. No conclusions were reached or consensus sought, for this was more a laboratory of ideas and debate than a rally to conceive a new party or constitution, but for the first time it is possible to disentangle the broad threads of a genuine new vision for Europe from the 400 passionately debated overflowing meetings, often attended by 3,000 people or more. Top of the list, they sought a demilitarised Europe at peace with itself and the world, an ethical continent that takes a high moral stance against US imperialism. High on the list too was a radical rethink, or complete rejection, of the predatory capitalism the continent now knows. They imagined a Europe that rejected crude market ideology, made institutions fully accountable, put people before profit, and where big business was not allowed to dominate the political or consumer agendas. There were specifics: Europe, they said, should have open borders, and all people within it should have the right to work and to have a home; it should have a Tobin tax on financial markets and regulation of corporations; there should be no GM foods or pollution; no privati sation of public services; the media should be in the hands of the many not the few; and racism should be driven out. There was almost complete consensus on three issues: that "neo-liberalism" - the free-market ideas espoused by the IMF and G7 - is a violent political and economic doctrine; that trade with poor countries should be fair; and that one vote every four years given to political parties run by self-serving elites is no way to run modern, complex democracies in a globalised economy. The talk over, and with none of the violence that the Italian government and media had widely predicted, the 40,000 mainly young people at the meeting were joined by 250,000 trade unionists, socialists, peaceniks and others from across Europe in a massive peace march through the most beautiful city in Europe. It was, said Claudio Martini, the president of Tuscany, who had thrown open the doors of the city, "an historic day for the state, the city and the social-forum movement". He did not have to say it was also one in the eye for the right. Many at the forum detected something exciting and very fresh emerging. With the left in Europe dominated for so long by inter-factional fight ing, sclerotic parties, narrow visions, and ignorance of others' concerns, traditions or cultures, hoary old communists, unionists, ecologists and fringe groups were all saying they were astonished by the passion for profound change, and the engagement of a new generation. The Florence meeting is important, they said, but as yet we do not quite understand why. Several things are apparent. Clearly, anti-globalisation, anti-capitalism, pro-democracy - or whatever tag people want to put on this movement of movements - is not a nine-day wonder that started in Seattle and ended promptly on September 11 (as so many US and British commentators have crowed). What was first given expression at the world trade meeting in Seattle may be said to be maturing in fits and starts into a very broad social justice movement, and shedding its TV-inspired image of grungy anarchists smashing symbols they do not like. Clearly, too, it is based not just on emotionalism but on growing political theory and analysis, and is becoming popular enough to draw in many on the left who had given up hope that change was possible. Second, many believe they are witnessing the globalisation of opposition to neo- liberalism, in direct parallel to the globalisation of capital and economic policies around the world. Out of this, the theory goes, an all-embracing populist agenda based on the experience of the grassroots is emerging. Moreover, for the first time in recent history, the agenda for change is being driven by the grassroots. The European social forum is itself an idea picked up from the World Social Forum, based in Porto Alegre, Brazil, where each year tens of thousands meet in opposition to the World Economic Forum, the annual talking shop in Davos. The social forums' loose structures, emphasising debate and information-sharing, only go as far as to encourage people to return to their communities to effect change. This participatory system is completely different to the established organising of political ideas. But how far might this mushrooming of concern influence real power, as displayed in governments, at the EU or in global institutions like the WTO? The answer, of course, is not much yet, but groundswells have a habit of developing rapidly and, post-Florence, no politician should, like Tony Blair, be able to suggest that all demonstrations against world leaders or institutions are "spurious". In the short term, the belief held by many in Florence is that meetings like this will draw together unlikely partners and refresh thinking both on the left and among the millions disenchanted by establishment politics. That's not going to construct the gates to a beautiful new European social paradise, but it may be the foundations for a bridge leading towards it. John Vidal is the Guardian's environment editor Guardian Unlimited © Guardian Newspapers Limited 2002
FAZ vom 12. November 2002 Die Botschaft der Hunderttausende Das "Social Forum" in Florenz - mehr als die Aufzählung von Mißständen Von Heinz-Joachim Fischer FLORENZ, 11. November Das Ereignis wird man sich merken müssen: Florenz, November 2002. Unter dem Namen "Social Forum" versammeln sich rund 20 000 Personen fünf Tage lang, von Mittwoch bis Sonntag. Sie treffen sich in der alten Stadtfestung Fortezza da Basso zu einem Gedankenaustausch. Am Samstag stoßen Hunderttausende dazu, und rund eine halbe Million zieht von der mächtigen Bastion in der Nähe des Hauptbahnhofs in einem friedlichen Marsch zum Stadion, um das Ganze in einem freundlichen Konzert mit Tanzen und Singen ausklingen zu lassen. Die Befürchtungen, ein solches Protesttreffen werde unweigerlich von Gewaltaktionen begleitet sein, so daß die Florentiner Geschäftsleute gut daran getan hätten, ihre Läden, Banken, Tankstellen zu schließen und zu verbarrikadieren, bewahrheiteten sich nicht. Gerade deshalb muß man sich "Florenz November 2002" merken. Denn nicht mehr der Ausbruch oder die Drohung mit Gewalt steht im Vordergrund, sondern eine politische Botschaft von scheinbar Unpolitischen an Politiker, Parteien und Gewerkschaften, an gesellschaftliche Institutionen. Die halbe Million von Florenz - eine ganze nach Angaben der Organisatoren - war nicht von einer Partei oder Gewerkschaft auf die Beine gebracht, sondern allein von einer gemeinsamen Überzeugung: So wie die Welt ist, so wie die Gesellschaft konstruiert und funktioniert, stimmt etwas nicht. So wie alles ist, kann, darf es nicht bleiben. Man sah in den Debatten zuerst gar nicht das Neue; die einzelnen Argumente erschienen bekannt. Da waren Pazifisten, die mit ihrem Nein zum Krieg im allgemeinen und zu dem möglichen gegen den Irak im besonderen ein universales Ziel formulierten. Und so ging es weiter bei jeder Gruppe. Jedes Anliegen erschien irgendwie gerechtfertigt. Die Umweltschützer wollen die Natur bewahren und Schaden von unserem Planeten abwenden. Linkskatholiken streiten für soziale Gerechtigkeit. Kommunisten sagen, man dürfe die kleinen Leute nicht einfach auf die Straße setzen, während die Manager die Wirtschaft ruinieren, aber dicke Gehälter einstreichen. Globalisierungsgegner befürchten, daß die weltweite unbarmherzige Konkurrenz alle sozialen Errungenschaften beseitigt. Weltwirtschaftsreformer sind gegen die gegenwärtige Verteilung in Produktion und Handel zwischen reichen Industrienationen und armen Ländern. Lebensmittelwächter wehren sich gegen die Manipulation unserer Nahrungsmittel. Arbeitslose, Teilzeitarbeiter, Migranten aus unterentwickelten Staaten streiten für ihre Anliegen. Altachtundsechziger weinen den alten Idealen nach und haben doch keine besseren gefunden. Und dann sind da noch diejenigen, die gegen jede Form von Fremdenhaß und Rassismus kämpfen - bleibt da etwa nichts mehr zu tun? Aber es ging nicht nur um ein Sammelsurium aller Mißstände dieser Welt. Der Protest in Florenz brach sich gerade abseits der traditionellen Parteien Bahn. Einige linksradikale Politiker wie Bertinotti von den Kommunisten oder der linksdemokratische Gewerkschaftsführer Cofferati waren dabei, aber als Mitläufer, nicht als Gestalter. Neu ist, daß sich Menschen aus mehr als 100 Ländern und von mehr als 400 unterschiedlichen Gruppen in der Ablehnung des Bestehenden zusammenfanden. Aus den vielen Flicken der Auflehnung ist plötzlich eine bunte Decke von Hunderttausenden geworden. Und Fortsetzung folgt. Die Organisatoren des "Social Forum" haben angekündigt, sie würden auch zehn Millionen Menschen auf die Straße bringen können. Beim nächsten europäischen Ministertreffen im süditalienischen Lecce soll es weitergehen. Das Signal aus Florenz haben die italienischen Politiker als Alarmzeichen verstanden. Der Politische Sekretär der Linksdemokraten, Fassino, meldete sich in der Turiner Zeitung "La Stampa" zu Wort. Daraus sprach jedoch mehr die Ratlosigkeit, warum sich eine solch starke Bewegung außerhalb seiner Partei, immerhin der stärksten Kraft in der parlamentarischen Linksopposition, hat entwickeln können. Der Präsident der Abgeordnetenkammer, Casini, fand freundliche Worte für die Anliegen, die in Florenz vorgetragen wurden. Ihm, einem in der Wolle gefärbten Christlichen Demokraten der Mitte, geht es darum, diese außerparlamentarische Opposition, vornehmlich von relativ jungen Leuten getragen, in die Demokratie und ihre Spielregeln einzubinden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2002, Nr. 263 / Seite 12
Adresse: http://www.jungewelt.de/2002/11-12/017.php junge Welt vom 12.11.2002 Interview Europäisches Sozialforum: Markt der Möglichkeiten? jW fragte Luca Casarini, Sprecher der italienischen Disobbedienti (Ungehorsamen) Interview: Dario Azzellini * Die Disobbedienti (Ungehorsamen) sind nach den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua aus den »Tute Bianche«, den »Giovani Comunisti« (Jugendorganisation der Rifondacione Comunista) und weiteren linken Netzwerken und Gruppen hervorgegangen. Während des Europäischen Sozialforums (ESF) am Wochenende in Florenz haben Studierendenkollektive, die sich zu den Disobbedienti zählen, die Verlegervereinigung Italiens besetzt, um gegen Copyright zu protestieren. Gleichzeitig drangen fast 100 Disobbedienti in die bei Florenz gelegene Caterpillar-Baggerfabrik ein und besudelten alles mit roter Farbe, da Caterpillar Bagger an die israelische Armee liefert, die eingesetzt werden, um palästinensische Häuser und Siedlungen niederzureißen. F: Welche Einschätzung haben Sie vom ESF? Wir hatten zuvor darüber diskutiert, wie dieses ESF von uns »durchquert« werden kann. Das ESF ist ein komplizierter Raum, öffentlich, aber nicht einfach. Denn es besteht die Gefahr, vom babelartigen Reichtum an Sprachen, Kulturen und Ansätzen in die Armut des Supermarkts zu verfallen. Ein Supermarkt mit Minigruppen, die sich teilweise sogar auf Stalin oder bin Laden beziehen und eine große Marketingaktion in völliger Beliebigkeit durchziehen. Unser Anliegen war zu sehen, wie wir in dieser Multitude sein können; und auf der Demonstration war sichtbar, daß es uns gelungen ist. F: Die Disobbedienti haben versucht, das Bild des ESF mit direkten Aktionen zu beeinflussen. Es war schwer, einerseits den Kriminalisierungsversuchen der Regierung etwas entgegenzusetzen und andererseits diese Multitude zu durchqueren und Botschaften zu senden. Das ist der Knoten. Wir haben uns etwas allein gefühlt, weil wir die einzigen waren, die immer wieder gesagt haben, daß es wichtig ist, das Element des Ungehorsams, der direkten Aktion und der Nichtkompatibilität zu erhalten. Das bedeutet aber eben auch nicht, sich von den Leuten abzusetzen. Es war unglaublich, wie die Menschenmassen auf der Demonstration geklatscht haben, als wir vorbeiliefen. Wir wurden hervorragend aufgenommen! Und niemand kann behaupten die Menschen wüßten nicht, was wir gesagt haben. Das kann man vielleicht bei anderen Strömungen sagen, aber wir haben immer wieder deutlich gesagt, was wir denken und mit welcher Haltung wir zum ESF kommen. Viele Leute teilen unsere Einschätzung, daß es weitergehen muß mit Aktionen. F: Das ESF als Markt der Möglichkeiten kam ja bei vielen gut an, und viele, bis hin zu Berlusconi, haben sich gefreut... Wenn demnächst der Krieg beginnt, werden diese Ansätze weggespült, denn dann wird über konkrete Aktionen geredet werden müssen und nicht über Theorien und Politmarketing. Als »Ungehorsame« konnten wir feststellen, daß diese Bewegung mittlerweile riesig ist. Selbst unser Disobbedienti-Block war eine Multitude an sich riesig, bunt, vielfältig und auch nicht eingrenzbar. Wir haben aber jetzt ein anderes Problem, nämlich die direkte Aktion, den Konflikt wieder anzuschieben. Einen Konflikt, der zusammen mit einem politischen Projekt zur Seele der Bewegung wird. Berlusconi hat gesagt: Das, was gewesen ist, sei die Art, Opposition zu machen. Aber wenn Berlusconi und der Innenminister das sagen, sollten wir uns dem Problem stellen. Denn wenn sie kein Problem haben, dann haben wir ein Problem. Deswegen bin ich nicht für etwas, bei dem man sagen kann »Alle haben gewonnen« - wir müssen gewinnen! Also diejenigen, die sich dem Krieg entgegen stellen, jene die eine wirkliche soziale Opposition wollen, die der Regierung und den Mächtigen Probleme bereitet! F: Was bedeutet das konkret? Das europäische Netzwerk der »Ungehorsamen« hat sich vorgenommen, innerhalb der ersten 24 Stunden nach Kriegsbeginn Aktionen des Ungehorsams durchzuführen und nicht nur zu sagen, daß der Krieg nicht in Ordnung ist. Das haben wir mit einer Million Menschen gesagt. Jetzt muß es darum gehen, wie man ihn aufhält oder zumindest nicht zum bloßen Zeugen wird. Die richtige Welt beginnt nach dem ESF. * Infos: www.altremappe.org und www.sherwood.it © http://www.jungewelt.de
Quelle: http://www.haaretzdaily.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=228618 Ha'aretz, Israel Tuesday, November 12, 2002 Kislev 7, 5763 Israel Time: 06:28 (GMT+2) Last update - 20:03 09/11/2002 European anti-war rally streams through Florence By Reuters FLORENCE, Italy - More than 450,000 anti-war protesters from across Europe marched through Florence on Saturday, denouncing any U.S. plans to attack Iraq. Fired with anti-American sentiment and angered by a tough new UN resolution to disarm Iraq, European activists joined forces in a carnival atmosphere and marched together singing Communist anthems and blowing shrill whistles. "Take your war and go to hell," one of the colorful banners read. "No to war," said another. The rally marked the climax of the first European Social Forum, which brought together anti-globalization campaigners from across the continent for four days of talks and concerts. The forum was planned months ago, with tens of thousands of participants from dozens of countries stretching from Portugal to Russia. Delegates discussed topics from debt-reduction to support for the Palestinian uprising. But organizers said the march was given added relevance by Friday's unanimous vote in the UN Security Council, which gave Iraq a last chance to disarm or face almost certain war. Authorities estimated more than 450,000 protesters were on the streets, and people were still streaming in from a fleet of buses and trains hired for the occasion. Organizers said the crowd could swell to more than a million people, making it one of the biggest rallies ever seen in Italy. "The atmosphere here is wonderful. Absolutely perfect. It shows that a new young left is emerging," said Stavos Valsamis, a 27-year-old Greek activist from Athens. Protesters clambered up scaffolding around arches near the city center to get a better view of the massed throngs. The march was bigger than a protest at a G8 summit in Genoa last year, when 300,000 demonstrators took to the streets and an orgy of violence left one protester dead and hundreds injured. Some 7,000 police were on call but security forces kept a low profile, with most held in reserve some distance from the seven-km (4.5 mile) rally route. The rest of Florence was a ghost town with most shops in the art-rich historical center pulling down the shutters for fear of violence. The city's famed museums were open and offered free entry to the few tourists around. "We no longer have any illusions about institutions like the United Nations and their ability to help humanity," said Alain Krivine, a far-left French politician. He was convinced the United States had already made up its mind to attack Iraq. "Marches alone won't stop wars, but this is quite literally a first step," he said. While Friday's UN resolution gives the Security Council a central role in assessing the new arms' inspection program for Iraq, it does not require the United States to seek council authorization for war in the case of violations.
Quelle: http://de.news.yahoo.com/021115/286/32jde.html AFP Freitag 15. November 2002, 10:19 Uhr Italienische Polizei nimmt rund 20 Globalisierungskritiker fest (AFP) Die italienische Polizei hat in der Nacht zum Freitag etwa 20 Globalisierungskritiker festgenommen. Die Staatsanwaltschaft von Cosenza in der südlichen Region Kalabrien habe die Festnahmen wegen des Verdachts auf Bildung einer "zersetzende Vereinigung" angeordnet, sagte ein Justizmitarbeiter. Unter den Gefangenen sei auch der Chef der in Neapel ansässigen Gruppe "no global", Francesco Caruso. Der junge Mann werde wie zwei weitere Anführer im Gefängnis von Trani festgehalten. Alle drei seien Teil eines "südlichen Rebellennetzwerkes", sagte der Justizmitarbeiter weiter. Ihre Organisation habe absichtlich beim Gipfeltreffen der G-8-Staaten im Juli 2001 in Genua Zwischenfälle provoziert. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen von Globalisierungkritikern mit der Polizei waren damals ein Mensch getötet und Hunderte verletzt worden.
Quelle: http://derstandard.at/?id=1132764 15. Nov, 2002 19:18 MEZ Verhaftungswelle unter führenden Globalisierungskritikern in Italien 20 Personen wegen "umstürzlerischer Aktivitäten" festgenommen - Landesweite Proteste gegen Inhaftierungen Rom - Rund 20 führende Globalisierungskritiker sind in der Nacht auf Freitag in Süditalien festgenommen worden. Wegen umstürzlerischer Aktivitäten und Verwicklung in die Krawalle am Rand des G8-Gipfles in Genua im Juli 2001 wurde in Salerno der Chef der neapolitanischen No Global-Aktivisten Francesco Caruso verhaftet. Er wird beschuldigt, mit einigen Gleichgesinnten die umstürzlerische Organisation "Netz des rebellischen Süden" aufgebaut zu haben. Die Organisation soll bei internationalen Treffen wie dem G8-Gipfel in Genua und dem Global-Forum im März 2001 in Neapel für Krawalle und Verwüstungen gesorgt haben. Sie habe außerdem Demonstranten zum Widerstand gegen die Polizei und zur Straßenrevolte aufgehetzt, betonten die Staatsanwälte. In den Sog der Ermittlungen seien insgesamt 42 Personen geraten, berichtete das italienische Staatsfernsehen RAI. Durchsuchungen wurden in mehreren italienischen Städten durchgeführt. Die Verhafteten wurden sofort nach der Festnahme in das Mafiakillern und Terroristen vorbehaltene Hochsicherheitsgefängnis von Trani gebracht, ohne vorher die Möglichkeit gehabt zu haben, mit ihrem Anwalt Kontakt aufnehmen zu können. Die Festnahmebegründung ist 360 Seiten lang. Hauptanklagepunkt Laut den Tageszeitungen "La Repubblica" und "L'unita" lautet der Hauptanklagepunkt "subversive Tätigkeit zum Umsturz der ökonomischen Ordnung des Staates", ein, den Zeitungen nach, Gesetz aus der Mussolinizeit. Der konservative "Corriere" wiederum interpretiert den Anklagepunkt so, dass damit der wirtschaftliche Schaden, der aus den "Verwüstungen und Ausschreitungen" in Neapel und Genua und in der Folge Image-Verlust Italiens als Fremdenverkehrsland, sicherer Standort etc. hervorgegangen ist, gemeint sein soll. "Provokation gegen die ganze Bewegung" Die von der Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Cosenza geführte Ermittlung gegen die Chefs der No Global-Bewegung in Italien löste hitzige Reaktionen aus. "Die Festnahmen sind eine Provokation gegen die ganze Bewegung. Caruso und seine Kollegen sind wegen ihrer politischen Tätigkeit festgenommen worden. Es ist kein Zufall, dass die Festnahmen eine Woche nach der erfolgreichen Friedensdemo in Florenz stattfinden", so der Sprecher der italienischen Globalisierungskritiker, Luca Casarini. Für die italienischen No Global-Aktivisten ist die Festnahmewelle in Süditalien ein harter Schlag. Die Globalisierungskritiker hatten vergangene Woche den Erfolg des Europäischen Sozialforums in Florenz vergangene Woche gefeiert. An der Großdemonstration gegen einen Militärangriff auf den Irak, der größten Friedensdemonstration Europas der letzten Jahre, hatten sich über eine halbe Million Personen beteiligt. Proteste gegen Festnahmen von No Global-Aktivisten Die Festnahme von 20 führenden Globalisierungsaktivisten schlägt hohe Wellen. Spontane Solidaritätsdemonstrationen mit den Festgenommenen fanden in mehreren italienischen Städten statt. In Bologna besetzten einige Aktivisten der No Global-Bewegung einige Stunden lang den zentralen Polizeisitz. In Florenz wurden Sit-ins organisiert. Metallarbeiter, die am Freitag auf den Straßen gegen die massive Streichung von Arbeitsplätzen beim Turiner Autokonzern Fiat protestierten, solidarisierten sich mit den Festgenommenen. Weitere Solidaritätskundgebungen sind für morgigen Samstag in ganz Italien geplant. Solidarisch mit den Festgenommenen erklärte sich auch der französische Bauernführer Jose Bove. "Die Justizbehörden wollen unsere Bewegung in Verruf bringen", sagte Bove, der vergangene Woche den Protestzug des Europäischen Sozialforums in Florenz geführt hatte. "Diese Festnahmen haben eine politische Bedeutung", fügte er hinzu. (APA/red)
Quelle: http://www.news.ch/detail.asp?ID=124124 news.ch Samstag, 16. November 2002 / 18:12:29 Italiens Opposition vermutet hinter Festnahmen Komplott Rom - Nach der Verhaftung von 20 führenden Globalisierungsgegnern in Italien vermutet die Opposition ein politisches Komplott. In mehreren Städten wurden Proteste gegen die Festnahmen organisiert. Die am Freitag Festgenommenen sollen nach Behördenangaben bei internationalen Treffen wie dem G8-Gipfel in Genua und dem Global-Forum im März 2001 in Neapel für Krawalle und Verwüstungen gesorgt haben. Sie hätten ausserdem Demonstranten zum Widerstand gegen die Polizei und zur Straßenrevolte aufgehetzt, behaupten die Staatsanwälte. Die Verhaftungswelle scheint das Resultat eines politischen Kalküls zu sein, sagte hingegen Ex-Gewerkschaftschef Sergio Cofferati am Samstag. Der Vorsitzende der Linksdemokraten, Piero Fassino, erklärte sich angesichts der Initiative der Staatsanwälte der süditalienischen Stadt Cosenza sprachlos. Die Festnahmewelle erscheine ihm eine Racheaktion nach dem Erfolg der Friedensdemonstration in Florenz, sagte Fassino. An der Großdemonstration gegen einen Militärangriff auf Irak, der grössten Friedensdemonstration Europas der letzten Jahre, hatten sich über eine halbe Million Personen beteiligt. Heftig attackiert wurden die Ermittler auch von den Grünen, die zu den aktivsten Sympathisanten der No Global-Bewegung zählen. Altkommunisten-Chef Fausto Bertinotti sprach von einer skandalösen Kriminalisierungskampagne gegen die No Global-Aktivisten. Spontane Solidaritäts-Initiativen mit den Verhafteten wurden am Samstag in mehreren italienischen Städten organisiert. Vor der Strafanstalt der Stadt Trani, in der der Chef der süditalienischen Globalisierungskritiker Francesco Caruso inhaftiert ist, demonstrierten Hunderte von Freunden, die mit ihm vergangene Woche den Protestzug durch die Straßen von Florenz geleitet hatten. fest (Quelle: sda)
Quelle: http://www.jungewelt.de/2002/11-16/001.php junge Welt vom 16.11.2002 Berlusconi buchtet ein Repressionswelle in Italien: 20 Aktivisten der »no-global«-Bewegung festgenommen / Damiano Valgolio Die italienische Regierung schwingt gegen ihre Kritiker die Repressionskeule. In der Nacht zum Freitag sind 20 Vertreter der globalisierungskritischen Bewegung festgenommen worden. Unter den Verhafteten befinden sich auch die beiden Sprecher des süditalienischen »no global«-Netzwerkes, Francesco Caruso und Giuseppe Fonzino. Insgesamt wird gegen 41 Personen in ganz Italien ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, die »Zersetzung der demokratischen Ordnung« betrieben zu haben. Von den Verhafteten sind noch am Freitag 13 in das Gefängnis von Trani gebracht worden, die übrigen sieben wurden unter Hausarrest gestellt. Die offenbar lange vorbereitete Aktion der Staatsanwaltschaft von Cosenza fand knapp eine Woche nach Abschluß des Europäischen Sozialforums von Florenz statt. Die meisten Inhaftierten gehörten zu den Organisatoren des Forums, das am vergangen Samstag mit einer Demonstration gegen Neoliberalismus und Krieg endete. Weit über eine halbe Million Menschen hatten sich an der seit langem größten Antikriegsdemonstration in Europa beteiligt. Vertreter der italienischen Linken bezeichneten die Verhaftungen am Freitag als »unglaubliche Provokation«. Bereits am Mittag kam es im ganzen Land zu Protesten. Unter anderem in Rom und in Mailand demonstrierten mehrere tausend Menschen für die sofortige Freilassung aller Inhaftierten. In Bologna besetzte eine Gruppe der »disobbedienti«, einer Bewegung aus autonomen Gruppen und der Kommunistischen Jugend, das Gebäude der Staatsanwaltschaft. Für den heutigen Nachmittag haben die »disobbedienti« eine Großdemonstration in Neapel angekündigt, der Heimatstadt der meisten Inhaftierten. Fausto Bertinotti, Vorsitzender der »Rifondazione Comunista« (PRC), äußerte gestern in einer Stellungnahme zu den nächtlichen Verhaftungen »große Besorgnis und Wut«. Er bezeichnete die Repressionsmaßnahmen der Berlusconi-Regierung als durchsichtiges Manöver, »um die gesamte soziale Bewegung zu treffen und einen Schock zu erzeugen«. Tatsächlich werden den Verhafteten keine Gewalttaten vorgeworfen, sondern Aktionen, die seit Jahren im Rahmen des zivilen Ungehorsams praktiziert werden. Der Paragraph 270/2, mit dem Caruso und die übrigen »no global«-Aktvisten kriminalisiert werden sollen, bezieht sich unter anderem auf das Besetzen von Gebäuden oder das Blockieren von Straßen. In den letzten 30 Jahren ist dieser Paragraph in keinem Strafverfahren angewendet worden. Wichtige Vertreter der globalisierungskritischen Bewegung, wie der katholische Pfarrer Don Vitaliano, haben angekündigt sich aus Solidarität selbst anzuzeigen. Am Freitag protestierten auch die streikenden Arbeiter des italienischen Autoherstellers FIAT mit Blockaden gegen geplante Massenentlassungen. Diese Aktionen, die sie »sozialen Ungehorsam« nennen, hatte die Gewerkschaft FIOM gemeinsam mit dem »no global«-Netzwerk vorbereitet. Offenbar war diese Zusammenarbeit ein weiterer Grund für die Verhaftungen in der Nacht vor den Protesten. »Die Regierung will die Bewegung gerade jetzt kriminalisieren, wo ihre Positionen und Aktionsformen immer größeren Anklang bei der Bevölkerung und den Gewerkschaften finden. Ich habe gerade Widerspruch eingelegt und eine gerichtliche Überprüfung beantragt«, sagte Rechtsanwalt Malinconico, der den Inhaftierten Caruso vertritt, im Gespräch mit jW. Die Metallarbeitergewerkschaft FIOM hat unterdessen ihre Solidarität mit den Verhafteten erklärt.
Quelle: http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politik/.html/194142.html
Berliner Zeitung Politik Montag, 18. November 2002 Proteste gegen Verhaftungswelle in Italien 20 Globalisierungsgegner festgenommen Thomas Götz ROM, 17. November. Die Festnahme von 20 Globalisierungskritikern in Italien hat am Wochenende im ganzen Land Demonstrationen provoziert. In Rom protestierten 10 000 Menschen gegen die Verhaftungen. Die Polizei trat mit Helmen, Schlagstöcken und Tränengaspistolen gegen die Demonstranten an. Der offenbar befürchtete Sturm auf den Regierungssitz Palazzo Chigi blieb jedoch aus. Die 20 Globalisierungsgegner waren am Freitag bei Razzien in ganz Italien festgenommen worden. Ihnen werden politische Verschwörung, Subversion, aufrührerische Propaganda, Angriff auf die Verfassung und Eindringen in öffentliche Gebäude vorgeworfen, wie die Polizei erklärte. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Regierungstreffen im März vergangenen Jahres in Neapel und den G-8-Gipfel in Genua im Juli. Die Demonstranten warfen der Regierung vor, sie versuche, eine friedliche Bewegung zu zerschlagen. Angebliche Umsturzpläne Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft von Cosenza stieß bei der Opposition auf Unverständnis. Der Anklagetext bezieht sich auf einen Paragrafen des "Codice Rocco" aus den dreißiger Jahren, ein Gesetz, das dem faschistischen Regime die Verhaftung politischer Gegner ermöglichte. Die Inhaftierten hätten den "Umsturz der staatlichen Ordnung" vorbereitet und sich "verschworen, um die Arbeit der Regierung zu behindern", wirft der Ankläger den vorwiegend jugendlichen Häftlingen vor. Einige der Beschuldigten hätten Kontakte mit nach Frankreich geflüchteten ehemaligen Terroristen, behauptet die Anklageschrift. Sie wurde am 4. November unterzeichnet, also vor dem "Europäischen Sozialforum" in Florenz, das vergangene Woche ohne die befürchteten Zwischenfälle zu Ende gegangen war. Gegen den verhafteten Francesco Caruso, der die Globalisierungskritiker in Neapel anführt, sprechen Aufnahmen von den Unruhen in Neapel im Vorjahr. Caruso wurde in der Nähe einer Gruppe fotografiert, die gerade Schlagstöcke für den Kampf gegen die Polizei verteilt. Andere Angeklagte waren als Zeugen in Verfahren gegen Polizisten aufgetreten, denen Gewaltanwendung gegenüber Demonstranten vorgeworfen wird. Staatsanwalt Domenico Fiordalisi, der Autor der Anklageschrift, stand bereits einmal wegen seines forschen Vorgehens in der Kritik. 1991 ließ der junge Jurist im süditalienischen Ort Paola den christdemokratischen Bürgermeister und Gemeinderäte des Städtchens verhaften. Das Justizministerium schickte eine Untersuchungskommission nach Paola, die dem Juristen kein gutes Zeugnis ausstellte. Linke Oppositionspolitiker erklärten, die Regierung schüre bewusst die Spannung, um Globalisierungskritiker und jegliche Opposition kriminalisieren zu können. Die Globalisierungskritiker wollen am Dienstag in Rom entscheiden, wie sie künftig vorgehen wollen. Sie kündigten weitere Protestmärsche an, bis die Inhaftierten wieder frei wären. Die Anwälte beantragten ein Haftprüfungsverfahren. (mit dpa)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2002/11/18/a0055.nf/text taz Nr. 6907 vom 18.11.2002, Seite 2, 84 TAZ-Bericht MICHAEL BRAUN Proteste in Italien Die in Italien festgenommenen Globalisierungskritiker werden weiter verhört. Schwache Beweislage, bizarre Methoden, heftige Proteste ROM taz · Die 20 Globalisierungskritiker, die in Italien unter dem Vorwurf staatsfeindlichen Verhaltens festgenommen worden sind, haben alle Anschuldigungen zurückgewiesen. "Die Handschellen werden unseren Kampf nicht stoppen", schrieb der inhaftierte Vorsitzende der Globalisierungsgegner von Neapel, Francesco Caruso, gestern. Er und 19 weitere Aktivisten waren am Freitag auf Antrag der Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Cosenza in Untersuchungshaft genommen worden. Seit Samstag werden sie von den Staatsanwälten vernommen. Die Staatsanwaltschaft Cosenza erhebt im Haftbefehl schwerste Anschuldigungen: Mittels Bildung der Vereinigung "Sud Ribelle" habe die Gruppierung politische Konspiration betrieben, um die Regierung an der Ausübung ihrer Funktionen zu hindern, um "subversive Propaganda" zu treiben und gewaltsam die wirtschaftliche Ordnung des Landes umzustürzen. Am Haftbefehl fällt aber nicht nur auf, dass als eines der Ziele der Vereinigung die Verhinderung der internationalen Gipfel in Neapel (März 2001) und Genua (Juli 2001) genannt, die Gründung des subversiven Clubs jedoch auf den Mai 2001 datiert wird - der Verein hätte es damit geschafft, schon vor seiner Bildung aktiv zu werden. Auch sonst bietet der Haftbefehl keinen einzigen Beweis. Das braucht er auch nicht. Die "Konspiration" - ein im Faschismus geschaffener Straftatbestand - liegt nicht erst bei Taten, sondern schon bei Absichten vor. Und diese "dokumentieren" die Staatsanwälte in bizarrer Manier. So wird einer Verhafteten vorgehalten, sie sei in Genua als Reporterin von Radio GAP unterwegs gewesen. GAP steht für Global Audio Project, der Staatsanwalt jedoch erinnert sich, dass auch die terroristische Gruppe des 1972 umgekommenen Giangiacomo Feltrinelli sich GAP nannte - und unterstellt den Angeklagten schlicht wegen des Kürzels umstürzlerische Absichten. So schwach die Beweislage, so dramatisch war die Inszenierung. Alle Verhafteten wurden in Hochsicherheitsgefängnisse gebracht, die gewöhnlich Mafiosi und Terroristen vorbehalten sind. Die Bewegung der Globalisierungskritiker, aber auch der Gewerkschaftsbund CGIL und die Partei der Linksdemokraten reagierten mit scharfer Kritik auf die Verhaftungswelle, und schon am Samstag demonstrierten in Rom, Neapel und zahlreichen anderen Städten zehntausende unter dem Slogan "Wir sind alle subversiv" für die Freilassung der Globalisierungsgegner. MICHAEL BRAUN