Die Spaltung der Antifaschisten nach 1945
 

Gründung und Arbeit der VVN

In Hamburg begann die Geschichte der VVN mit einer Besprechung in der Sozialbehörde am 19.5.1945 (übrigens unter der Leitung von Sozialsenator Oskar Martini, der schon im Faschismus diesen Posten bekleidet hatte). Man sprach über den Umgang mit zurückkehrenden KZ-Häftlingen, die überprüft werden sollten – um zu vermeiden, daß Nazis oder Kriminelle sich als solche ausgaben – und die verpflegt, ärztlich betreut und untergebracht werden mußten. Die ehemaligen Gefangenen sollten sich bei der Kripo in der Drehbahn 36 melden. Zur Prüfung der Ankömmlinge wurde eine Stelle eingerichtet, in der ehemalige KZ-Häftlinge die Anmeldungen bearbeiteten. Der anerkannte Häftling erhielt einen Ausweis sowie Lebensmittel- und Bekleidungsgutscheine. Bevor diese Stelle am 23.5. ihre Arbeit aufnahm, hatten Gestapo-Beamte die Ausweise ausgegeben!
 Die Prüfstelle erhielt rasch halbamtlichen Charakter, im Juli wurde sie in die Maria-Louisen-Str. 132 verlegt – hier sollte die spätere VVN mehrere Jahre untergebracht sein. Betreuungsaufgaben wurden von dieser Stelle ebenfalls zunehmend übernommen. Die selbstgestellten Aufgaben griffen aber rasch über die des "Erkennungsdienstes" und der sozialen Betreuung hinaus: Man wollte daran mitwirken, daß Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden, das Ziel war die Vernichtung von Nationalsozialismus und Militarismus. Dazu sollten die Sammlung der demokratischen Kräfte unter antifaschistischen Vorzeichen und eine Erziehung zur Demokratie dienen.
 Die Vielfalt und der politische Charakter der anstehenden Aufgaben ließen schnell den Wunsch nach Bildung einer Organisation reifen. Das Selbstverständnis als Vertretung der politischen Gefangenen, d.h. jener, die aus weltanschaulichen, rassischen oder religiösen Gründen von den Nazis verfolgt worden waren, spiegelte sich in dem Namen "Komitee der ehemaligen politischen Gefangenen" wider, den man sich im September 1945 gab. Das Komitee arbeitete nicht nur mit staatlichen Stellen zusammen, sondern begab sich, wo es zugelassen wurde, auch selbst in solche Ämter. Erwartet wurde, daß der Widerstand, den die Antifaschisten geleistet hatten, anerkannt werde und Widerstandskämpfer aufgrund dieser moralischen Qualifikation massiven Einfluß auf die neue Gesellschaft würden nehmen können. Man mußte aber rasch erkennen, daß dies nicht der Fall war. Bereits Anfang 1947 war Ernüchterung über den Gang der erhofften demokratischen Erneuerung eingetreten: "Vor 11/2 Jahren glaubten wir, ein wirklicher Aufbau Deutschlands von unten her auf demokratischer Grundlage sei möglich, bei dem diejenigen Menschen, die sich im Widerstand am besten bewährt hatten, auch diejenigen Kräfte stellen, die den deutschen Aufbau leiten können. Wir wissen, daß dies eine schmerzliche Illusion war."
 Das Komitee benannte sich in Hamburg am 1./2. Februar 1947 in "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) um, zu einem Zeitpunkt also, an dem es deutschlandweit noch keine gemeinsame Organisation der Verfolgten gab, wohl aber in fast allen größeren Orten Gruppierungen analog dem Hamburger Komitee. Deren organisatorische Zusammenfassung und Vereinheitlichung unter dem Namen VVN erfolgte noch im gleichen Jahr. Vom 15.–17.3.1947 fand in Frankfurt a.M. die erste interzonale Länderkonferenz der VVN statt, faktisch ihre Gründung als deutschlandweite Organisation. Zuvor existierten Landesverbände u.a. in Württemberg-Baden, Nordrhein-Westfalen und der Pfalz. Formell bestand die VVN weiterhin aus voneinander unabhängigen Landesverbänden, da eine deutschlandweite, zum Teil sogar eine zoneneinheitliche Organisation von den Westalliierten untersagt worden war. Interzonensekretariat und interzonaler Beirat waren daher beratschlagende Gremien und als Leitungen von den Besatzungsbehörden zunächst nicht anerkannt. In Frankfurt versammelten sich 69 Delegierte und 62 Gäste aus 21 Ländern. Das Präsidum der Konferenz setzte sich aus Vertretern aller vier Zonen zusammen. Redner waren unter anderem der Kommentator des Frankfurter Rundfunks, Hans Mayer, und Eugen Kogon, der durch sein Buch "Der SS-Staat" für Aufsehen im Nachkriegsdeutschland gesorgt hatte. Gewählt wurde ein Rat der VVN und Sekretäre für die einzelnen Zonen, darunter aus Hamburg Hans Schwarz für die Britische Zone.
 Voraussetzung der gemeinsamen Organisierung aller politischen Gefangenen – unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung – sollte ein Pluralismus sein, der alle Positionen, soweit sie nur antifaschistisch bestimmt waren, einschloß und zur Vereinbarung führte, nur Forderungen aufzustellen, die alle Verfolgten tragen konnten. Diese Meinungsvielfalt wurde wieder und wieder betont: "Die VVN ist eine überparteiliche, an keine Partei gebundene Organisation der Verfolgten des Naziregimes. [...] Eine Darstellung, als ob die VVN eine parteipolitisch gebundene Organisation sei, würde in ihrer Wirkung nur auf Zersplitterung der positivsten Aufbaukräfte des deutschen Volkes hinzielen und damit einem neuzuschaffenden, wahrhaft demokratischen Deutschland, in dem die Verfolgten des Naziregimes und insbesondere die Mitglieder der Widerstandsbewegung die entscheidenden Träger sein müssen, in den Arm fallen." (Geäußert auf einer Zonenkonferenz am 24.4.1947 in Hamburg.) Der Pluralismus kommt in der Zusammensetzung der VVN-Gremein zum Ausdruck. Ende 1947 hatte der VVN-Vorstand der britischen Zone drei Vorsitzende – Franz Heitgres (KPD), Peter Lütsches (CDU) und Leo Radtke (SPD). In Hamburg erbrachten die Wahlen der 1948er Delegiertenversammlung folgende Zusammensetzung des Vorstands: 1. Vorsitzender Franz Heitgres (KPD), 2. Vorsitzender Walter Schmedemann (SPD), Schriftführer und Sekretär Hans Schwarz (SPD), die Beisitzer setzten sich aus drei SPDlern, vier KPDlern, je einem CDU- und FDP-Mitglied, einer Vertreterin der Frauenorganisation, zwei rassisch und einem religiös Verfolgten zusammen. Es fällt einerseits der verhältnismäßig geringe Anteil der aus sog. rassischen Gründen Verfolgten im Vorstand auf, andererseits aber auch das Bemühen um eine gleichberechtigte politische Zusammensetzung, insbesondere bei der Aufteilung zwischen SPD und KPD.
 Eine solche Konzeption wurde 1945/46 durchaus breit gebilligt; wer kann sich heute noch vorstellen, daß Konrad Adenauer die Bildung von Verfolgtenorganisationen guthieß: "Ich begrüße die Bildung von Vereinigungen der Verfolgten des Nazi-Regimes, wenn sie ihre Mission in der Pflege der Kameradschaft sehen, die die ehemaligen politischen Gefangenen in den Konzentrationslagern verband, wenn sie sich einmütig in den Dienst des Wiederaufbaus unseres zerstörten Vaterlandes stellen, wenn sie überparteilichen Charakter tragen, ihre Vorstände überparteilich bilden und ihre Hauptaufgabe in der Überbrückung der Gegensätze sehen, die kaum ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Hitlerschen Gewaltherrschaft in einer Form zum Ausdruck kommen, die den Gedanken der Demokratie und eines gedeihlichen Zusammenwirkens aller aufbauwilligen Kräfte durchaus abträglich sind." Adenauer begrüßte natürlich nicht eine Verfolgtenorganisation an und für sich, sondern eine, die, wie er hoffte, sich den Erfordernissen des neuen deutschen Staats anzupassen bereit sein würde, die z.B. der Reputation im Ausland dienen sollte, indem mit ehemaligen Widerständlern für Deutschlands Läuterung geworben werden könnte.
 1948 wurde auf einer Delegiertenversammlung der VVN Hamburg der organisatorisch unbefriedigende Zustand debattiert. Die VVN sei "noch schwach und nicht ganz einheitlich". Gemessen an heutigen Verhältnissen hatte die VVN jedoch großen Einfluß in Gesellschaft und Politik, wie die Teilnehmerliste einer Feierstunde im Februar 1948 dokumentiert: Presse und Rundfunk waren selbstverständlich zugegen, neben Heitgres sprach Senator Friedrich Dettmann als Vertreter für Bürgermeister Max Brauer. Der Jahresbericht 1947 der VVN zeichnet eine Organisation in Hamburg von nicht unbeträchtlicher Größe mit immerhin 8300 Mitgliedern. Es existierten 42 Stadtteil- und 16 Betriebskomitees.
 Allerdings nahmen die Angriffe auf die VVN zu. Häufig bediente man sich des Vorwurfs, die KPD dominiere die VVN. Man habe immer wieder festellen müssen, "daß derartige aus parteipoltischer Gebundenheit heraus erfolgende Übergriffe tatsächlich stattfinden". Allerdings nicht nur von Seiten der KPD, nur stehe sie besonders im Rampenlicht, so Karl Kühne. Albern sei die "Diffamierung, die VVN sei eine im Schlepptauch der KPD funktionierende Organisation, eine Verleumdung, die heute höchstens noch ein paar törichte Trottel im Namen parteiegoistischer Bestrebungen oder verantwortungsfeige Schreiber aus verstaubter Zimmerenge daher plappern [...]". (Franz Heitgres)
 

Die Parteien zur antifaschistischen Einheit

Ein solch politisch breites Bündnis, wie es die frühe VVN darstellte, konnte nur Zustandekommen und Beisammenbleiben, solange die politischen Parteien, deren Mitglieder an der VVN beteiligt waren, dies zuließen bzw. die Differenzen zwischen den Parteien geringer wogen als die Gemeinsamkeiten. Daher ist ein Blick auf die drei bedeutendsten Parteien des Nachkriegsdeutschlands notwendig.
 

KPD

Die KPD setzte für die unmittelbare Nachkriegszeit auf einen demokratischen – durchaus bürgerlichen – Staatsumbau ("Aufrichtung eines antifaschistisch-demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik"). Militarismus und Reste des Feudalismus sollten vernichtet werden, die Abschaffung des Kapitalismus war zuerst nicht beabsichtigt, lediglich die Überführung von Betrieben lebenswichtiger, öffentlicher Branchen in Staats- oder Gemeindeeigentum wurde gefordert. Um eine "dritte Wiederholung der imperialistischen Katastrophenpolitik" unmöglich zu machen, hieß es in einem ersten ZK-Aufruf vom 11.6.1945, müsse "der reaktionäre Schutt aus der Vergangenheit" weggeräumt werden. Die "bürgerlich-demokratische[] Umbildung" sei zunächst "zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und [der] reaktionäre[] altpreußische[] Militarismus mit all seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten". "Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland." Die Forderungen der KPD zur Lösung der unmittelbar drängendsten Probleme entsprachen diesem Programm: Liquidierung des Nazismus, Enteignung des Vermögens der Nazifunktionäre und Kriegsverbrecher, Liquidierung des Großgrundbesitzes; Unterstützung der Opfer des Faschismus; friedliches Zusammenleben mit allen Völkern, Wiedergutmachung der ihnen angetanen Schäden; Bekämpfung des Hungers, der Arbeits- und Obdachlosigkeit durch "ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums", Überführung lebenswichtiger Betriebe in öffentliches Eigentum; demokratische Rechte, freie Gewerkschaften und antifaschistische, demokratische Parteien, Betriebsvertretungen der Arbeitnehmer, Tarifverträge; Selbstverwaltungsorgane; Einheit der antifaschistisch-demokratischen Parteien.
 Dies folgt durchaus Lenin, der lehrte, daß es verschiedener Etappen gesellschaftlicher Entwicklung bedürfe, bis die Situation so reif geworden sei und die Arbeiterklasse sich so weit entwickelt habe, daß sie die Macht erobern könne (Feudalismus, Kapitalismus mit bürgerlicher Demokratie, Sozialismus mit proletarischer Demokratie). Die antifaschistisch-demokratische Ordnung biete der Arbeiterklasse die Möglichkeit, sich zu einigen, die fortschrittlichen Kräfte stärker werden zu lassen und den Nazismus auszurotten (immerhin war die NS-Herrschaft gerade erst beendigt worden, seine Ideologie war noch virulent). Mit der SPD gelte es sich zusammenzuschließen, dies bedürfe aber einiger Voraussetzungen, eines Zusammenwachsens, auch deshalb, weil während des Nationalsozialismus "das Klassenbewußtsein der Arbeiter weitgehend verschüttet wurde". Zunächst seien also beide Partei wieder aufzubauen, um erst dann den Zusammenschluß betreiben zu können.
 Wenn es dazu deutschlandweit überhaupt eine Chance gegeben haben sollte, so war sie unmittelbar nach der Befreiung gegeben, als die Parteimitglieder der SPD in ihrer überwältigenden Mehrzahl bereit waren, die alten Streitereien hintanzustellen, aus der Erkenntnis, daß die Spaltung der Arbeiterklasse den Faschismus erst möglich gemacht hat. Hierfür sprechen zahlreiche regionale Zusammenschlüsse. Gegner der Arbeitereinheit konnten sich erst langsam wieder behaupten. Hätte die KPD zu diesem Zeitpunkt die Einheit konkret angestrebt, wäre sie eventuell möglich gewesen. Allein die KPD war in ihrer Ideologie verfangen, die davon ausging, daß die Parteien erst über längere gemeinsame Praxis zusammenwachsen könnten, daß also zunächst einmal SPD und KPD wieder aufzubauen seien. Zusätzlich führten ihr Zentralismus und das Dogma, das politische Entwicklungen nur reichseinheitlich in Institutionen gegossen werden dürften, dazu, daß Zusammenschlüsse von unten von der KPD-Führung mißachtet wurden.
 Kohärenter scheint demgegenüber die Einschätzung der KPD, daß in Deutschland 1945 ein Sozialismus nicht möglich gewesen sei, denn Sozialismus setzt als emanzipative Gesellschaftsform die Zustimmung großer Bevölkerungsteile voraus. Emanzipation kann nicht gegen den Willen der Betroffenen administriert werden, und die Einführung eines Sowjetsystems wäre nur mit Zwang möglich gewesen. Die KPD-Losung, nach der die Deutschen zunächst einmal eine bürgerliche Demokratie leben müßten und auch die Arbeiterklasse noch nicht "sozialismusreif" sei, ist konsequent.
 

SPD

Die Berliner SPD-Zentrale, der sogenannte Zentralausschuß, trat für eine Arbeitereinheit ein. Kurt Schumacher vom Vorstand der westlichen SPD-Verbände in Hannover und Erich Ollenhauer vom Londoner Exilvorstand standen dagegen.
 Der Zentralausschuß begrüßte explizit den KPD-Aufruf vom 11.6. Zielsetzung sei "Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft". Bedeutendster Exponent dieses SPD-Flügels war Otto Grotewohl, der die Vereinigung von SPD und KPD vorantrieb, und der, als dies deutschlandweit nicht mehr erreichbar war, die Gründung der SED mit vorbereitete.
 Eine der wesentlichen Lehren der Vergangenheit liege darin, so Grotewohl, daß die künftige Demokratie kraftvoll sein "und unnachsichtig alle niederschlagen [müsse], welche die Demokratie nur nutzen, um sie zu schmähen und zu zertrümmern". "Auch die Freiheit der Meinungsäußerung in Wort, Schrift und Bild hat vor den Selbsterhaltungsinteressen des Staates und vor der Ehre und Achtung des einzelnen Staatsbürgers haltzumachen." Dies könne nur gewährleistet werden, wenn die Arbeiterklasse die Trägerin des "neuen Staatsgedankens" würde. Dies könne die Arbeiterklasse wiederum nur leisten, wenn sie geeint wäre. Weder die Kommunisten noch die Sozialdemokraten seien die gleichen Parteien wie 1932. Von der KPD erwartete Grotewohl, die Einsicht in die Notwendigkeit der Demokratie. "Wir verkennen die Schwierigkeiten nicht, die unsere Freunde aus dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei haben, um den letzten Mann und die letzte Frau davon zu überzeugen, daß die Erkenntnis von der Anwendung der Demokratie eine geschichtliche Notwendigkeit geworden ist."
 Wurde insbesondere den Kommunisten, damit aber auch den mit ihnen verbündeten Sozialdemokraten von Schumacher Demokratiefeindlichkeit vorgeworfen, antwortete Grotewohl, dies beruhe auf der Verabsolutierung einer Art der Demokratie, der formalen. "Die formale Demokratie begnügt sich im großen und ganzen mit der Rechtsgleichheit, der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Der soziale Aufstiegswille eines jeden soll die gleiche Ausgangschance haben. Keiner soll sich auf ein gesetzlich fundiertes Vorrecht berufen dürfen. Diese formale Demokratie schließt Unterdrückung und Ausbeutung der Schwachen nicht aus. Privateigentum schafft in dieser formalen Demokratie eine private Machtsphäre, die um so weiter reicht, je größer das Privateigentum ist." Anders die reale Demokratie: "Sie ist tief von der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt [...] durchdrungen. Die Wohlfahrt aller, die Sache des Gemeinwohls ist ihr oberstes Anliegen." Die echte Demokratie "verneint keineswegs das Recht der freien Persönlichkeit, vergewaltigt in keiner Weise irgendeine persönliche Freiheit. Sie schafft vielmehr für jeden erst den notwendigen Lebensraum, auf dessen Boden sich überhaupt erst die freie Persönlichkeit zu entwickeln und zu entfalten vermag."
 Anhänger des Grotewohl-Flügels beziehungsweise einer Vereinigung mit der Kommunistischen Partei gab es auch in den westlichen SPD-Verbänden. Sie wurden jedoch nach und nach aus ihren Stellungen verdrängt, oder aber sie wechselten unter dem Eindruck der Ereignisse (die Vereinigung zur SED galt im Westen auch unter linken Sozialdemokraten als Zwangsvereinigung) oder auch unter mehr oder weniger sanftem Druck aus Hannover die Position.

Der andere Flügel, der gegen die Vereinigung der Arbeiterparteien intervenierte und die Sowjetunion ablehnte, wurde von Kurt Schumacher angeführt. Schumacher hatte ab Juli 1945 Vollmachten von elf westdeutschen Parteibezirken zur organisatorischen Leitung der SPD; zum Parteivorsitzenden wurde er im Mai 1946 gewählt.
 Mit dem Nationalsozialismus sei "auch das System zusammengebrochen, das den Nazismus als politischen Willensvollstrecker gebraucht hat: der Kapitalismus", daher gelte es, nicht einen Wiederaufbau, sondern einen Neubau zu beginnen "mit den Methoden und auf der Grundlage eines völligen sozialen Strukturwandels". Nach diesem Plädoyer für einen – nicht näher präzisierten – Sozialismus folgte stets der Frontalangriff auf die KPD. Sie sei überflüssig und stehe "sehr weit rechts von der Sozialdemokratischen Partei". Der Wille zur Vereinigung der Arbeiterbewegung, der "aus dem Osten [...] zu uns herüberstrahlt", sei "ein außerordentlich brutaler Versuch der Eroberung der Sozialdemokratischen Partei durch die kommunistische Führung".
 Schon sehr früh hatte Schumacher die Front zur KPD abgesteckt. Zuerst noch nicht so aggressiv wie später, nichts desto trotz war seine Ablehnung einer gemeinsamen Partei eindeutig. Jeder Sozialdemokrat habe den Wunsch, so sagte er bereits am 6.5.1945, "daß die starken Spannungen aus der Zeit vor 1933 nicht wiederkehren mögen". Eine Einigung der beiden Arbeiterparteien sei indes nicht möglich "kraft der machtpolitischen Gegebenheiten und der außenpolitischen Bindungen", womit die Unterstützung und Abhängigkeit der KPD für und von der Sowjetunion gemeint war. Die andere wesentliche Differenz zu den Kommunisten behauptete Schumacher in – man höre und staune – der angeblich prokapitalistischen Einstellung der KPD zu erkennen: "Es trennen uns aber von den Kommunisten neben anderen vor allem zwei Punkte. Ihr freudiges Bekenntnis zum freien Unternehmertum, zur freien Wirtschaft und zum Privateigentum kann von einem Sozialisten nicht unterschrieben werden. [...] Schließlich sind die Kommunisten die einzige Partei in Deutschland, die sich zu der Schuld des gesamten deutschen Volkes am Nazismus und damit am Kriege bekennt."
 Der Anspruch der SPD wurde mit fortschreitender Zeit deutlicher formuliert: "Die einzig für die politische Sache der Arbeitenden mögliche Form der sozialdemokratisch-kommunistischen Annäherung wäre die völlige Sozialdemokratisierung der kommunistischen Anhänger, und diese steht noch weit im Felde." (August 1948) Mit anderen Parteien müsse einstweilen aber die politische Macht geteilt werden: "Darum kann die Parole unserer Partei nur heißen: Zusammenarbeit unter sozialdemokratischer Führung!"  Die KPD sei überflüssig, ihr Konzept liege daher in der Einheitspartei, die bezwecke, der SPD eine "kommunistische Führung aufzuzwingen". Dennoch sei man zur Zusammenarbeit mit der KPD wie mit allen anderen demokratisch anerkannten Parteien in allen praktischen Fragen bereit. Die Kooperation mit anderen Parteien als gleichberechtigten Partnern wurde von Schumacher zunehmend verneint. Er betrachtete die SPD als einzige Partei, die Antworten auf die aktuellen deutschen Probleme habe und als einzige moralisch gerechtfertigt aus dem Nationalsozialismus hervorgegangen sei. Mit Schmerz müsse er feststellen, "daß heute in Deutschland die Demokratie noch nicht sehr viel stärker ist als die Sozialdemokratische Partei".
 Daß ein Zusammenschluß der SPD mit der KPD nicht in Frage kam, war für Schumacher von Anfang an klar. Allerdings war er in der Lage, seine Argumentation der Stimmungslage an der Basis anzupassen. Es gelang ihm im Zuge des Wiederaufbaus der Partei, den Antikommunismus zu reaktivieren. Letzten Endes wurde die vereinigungswillige Parteibasis in der West-SPD völlig zurückgedrängt.
 

CDU

Die CDU hatte einen christlich-sozialistischen Flügel um Jakob Kaiser (Berlin), der allmählich vom bürgerlichen Flügel um Konrad Adenauer zurückgedrängt wurde.
 Jakob Kaiser vertrat einen aus der christlichen Soziallehre erwachsenen Sozialismus: Die bürgerliche Gesellschaftsordnung habe sich überlebt, der Nazismus sei der letzte Ausdruck dafür. "Mitten in diesem umwälzenden Ablauf der letzten Jahrzehnte suchte das Bürgertum noch einmal verzweifelt Rettung. Es suchte sie in geradezu grotesker Weise bei einem Abenteurer, der mit hohler Phraseologie diese Rettung versprach. Und es ist bezeichnend und erschütternd zugleich, daß nicht nur der Mann des Mittelstandes ihm verfiel, weil er glaubte, bei ihm Rettung und Hilfe zu finden, Rettung und Hilfe in wirtschaftlicher Not und schließlich auch vor dem Ansturm einer heraufdrängenden jungen Schicht, der Arbeiterschaft. Es verfielen ihm auch der arbeitslose Angestellte und vor allem die Kreise der Finanz und Wirtschaft. Mehr aber noch die letzteren zogen ihn groß, um ihn zur Rettung der bürgerlichen Ordnung einsetzen zu können." An die Stelle der bürgerlichen Gesellschaft, an die des Kapitalismus, müsse etwas Neues treten, ein Konglomerat aus westlichen und östlichen Gesellschaftsvorstellungen: "Mir scheint nach allem für Deutschland die große Aufgabe gegeben, im Ringen der europäischen Nationen die Synthese zwischen östlichen und westlichen Ideen zu finden. Wir haben Brücke zu sein zwischen Ost und West."
 Kaiser war zur Zusammenarbeit mit Marxisten bereit. Sein Sozialismus unterschied sich von der kapitalistischen Wirtschaftsverfassung wie auch von dem Sozialismus, wie ihn die SED begriff. Vom Kapitalismus durch das Postulat der Unterordnung der Wirtschaft unter die Lebensbedürfnisse der Bevölkerung, durchgesetzt mittels "weise[r] vorausschauende[r] Wirtschaftslenkung". Das Großkapital sollte eingeschränkt, wichtige Wirtschaftszweige vergemeinschaftet werden. Der Mittelstand aber sollte nicht nur erhalten bleiben, sondern auch nach Kräften gefördert werden. Es müsse genug Raum bestehen, "in dem der gewerbliche Mittelstand, das Handwerk und andere vergleichbare Stände und Berufe ihre gesellschaftlich und wirtschaftlich unentbehrlichen Funktionen auszuüben vermögen". Seine Mittelstandspolitik bot Kaiser genug Spielraum in Richtung des rechten CDU-Flügels, um in der gemeinsamen Partei zu bleiben. Im Grunde genommen war Kaisers Wirtschaftsordnung eher eine soziale Marktwirtschaft mit einem stärkeren Eingreifen des Staates (verglichen etwa mit Ludwig Erhard) als ein wirklichlicher Sozialismus. Bei der geschilderten Programmatik ist es aber kein Wunder, daß die CDU der SBZ beziehungsweise Berlins reichsweit nicht als Parteiführung anerkannt wurde und ihr vielmehr mit Mißtrauen begegnet wurde.
 Allmählich jedoch entfremdete Kaiser sich von der politischen Landschaft in der SBZ, in der die Ereignisse zunehmend von der russischen Besatzungsmacht und der SED bestimmt wurden. Kaiser kritisiert besonders die alles vereinnahmenden Einheitsbestrebungen der späteren Staatspartei (Block der Parteien, Einheits-Jugend- und -Frauen-Organisation, Gewerkschaften auf SED-Linie). Dennoch sprach Kaiser sich für ein weiteres Wirken in der SBZ aus und verfocht weiterhin seine Idee einer Synthese zwischen Ost und West. Aber der Ton wurde spürbar kritischer. Im September 1947 hieß es, die SED vertrete einen "dogmatische[n] Marxismus mit seinem totalitären Willen", den die Mehrheit ablehne. Ab 1948 hielt sich Kaiser im Westen auf. Rückblickend schildert er die sich verschärfende CDU-Krise: Man habe die Zusammenarbeit "bis an die Grenze des Möglichen" geübt.

Die Ideen der christlichen Sozialisten fanden auch im Westen Anhänger, das Ahlener Programm war von ihnen beeinflußt, die "Adenauer-Linie" hatte nicht von vornherein die dominierende Position inne. Im Vorläufigen Entwurf zu einem Programm der Christlichen Demokraten vom Juni 1945 etwa hieß es: "So vertreten wir einen wahren christlichen Sozialismus, der nichts gemein hat mit falschen kollektivistischen Zielsetzungen, die dem Wesen des Menschen von Grund aus widersprechen." "Die Vorherrschaft des Großkapitals, der privaten Monopole u. Konzerne" sollte gebrochen, Bank- und Versicherungswesen staatlich kontrolliert und wichtige Wirtschaftszweige als öffentlicher Dienst geführt werden. Zugleich heißt es auch: "Das Recht auf Eigentum wird gewährleistet. [...] Privatinitiative u. Eigenverantwortlichkeit werden erhalten. Mittel- und Kleingewerbe werden gefördert und vermehrt." Eine soziale Lohngestaltung führe zu Eigentum. Dieses vorläufige Programm war eines von mehreren; die CDU-Vorläufer-Gruppierungen bildeten sich an verschiedenen Orten jeweils für ihre Zone. Am 26.6. gründete sich eine CDU Berlin, die sich als Keimzelle einer reichsweiten CDUD verstand. Ein Frankfurter Gründungstreffen verstand die kommende Partei als "sozialistische Volkspartei". In der Britischen Zone wurde am 2.9. in Köln die rheinische und in Bochum die westfälische CDP gegründet. In Hamburg gründete sich die CDU am 1.10.1945. Auf dem ersten überzonalen vereinheitlichenden Treffen (14.–16.12.1945 in Bad Godesberg) wurde der Name CDU angenommen, in der "Entschließung Nr. 2" forderte man einen "Sozialismus aus christlicher Verantwortung".
 "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden", lautet der erste Satz des CDU-Programms für Nordrhein-Westfalen (das sogenannten Ahlener Programm vom 3.2.1947). An die Stelle des Kapitalismus gelte es, "eine gemeinwirtschaftliche Ordnung" zu setzen. "Die neue Struktur der deutschen Wirtschaft muß davon ausgehen, daß die Zeit der unumschränkten Herrschaft des privaten Kapitalismus vorbei ist. Es muß aber ebenso vermieden werden, daß der private Kapitalismus durch den Staatskapitalismus ersetzt wird [...]." Konzerne sollten entflochten und in Einzelunternehmen überführt werden, soweit dies technisch und ökonomisch möglich war. Durch Kartellgesetze sollte "das machtverteilende Prinzip" gegen "Unternehmungen monopolartigen Charakters" durchgesetzt, Arbeitnehmer und öffentliche Körperschaften an diesen Großunternehmungen beteiligt, der private Aktienbesitz eingeschränkt, Bergwerksbetriebe und die eisenschaffende Großindustrie vergesellschaftet und Geld-, Bank- und Versicherungswesen stärker kontrolliert werden. Ansonsten aber sei rechtmäßig erworbenes Eigentum zu achten. Klein- und Mittelbetriebe sollten gefördert, das Genossenschaftswesen ausgebaut werden. Auf lange Zeit erwartete die CDU, daß die Wirtschaft in erheblichem Umfang staatlich geplant und gelenkt werden müsse.

Adenauers Position war antisozialistisch, dennoch konnte er sich mit dem Ahlener Programm anfreunden, sei es aus taktischen Gründen, sei es, weil dieses Programm auch seine Position integrierte. Aus "Ahlen" konnte ein sozialistisch-christliches Programm herausgelesen werden – indem man die antimonopolistischen Elemente betonte –, es konnte aber auch als kapitalistisches Programm aufgefaßt werden – indem man die Garantie des Privateigentums sowie die Förderung des Klein- und Mittelbesitzes in den Vordergrund rückte. Adenauer jedenfalls sprach bezüglich "Ahlens" von "einmütigen Beschlüssen". Neben den integrativen Möglichkeiten, die das "Ahlener Programm" bot, ist zu vermuten, daß Adenauer sich auch aus taktischen Gründen hinter die Programmforderungen stellte, denn zu diesem frühen Zeitpunkt wäre ein offener Angriff auf die antikapitalistischen Elemente in der Partei erfolglos geblieben. Erst allmählich vermochten sich die nicht-sozialistischen Kräfte in der CDU durchzusetzen, als Indikator für diesen Richtungswechsel gilt die Wahl Erhards im März 1948 zum Direktor für Wirtschaft. Die Düsseldorfer Leitsätze vom 15.7.1949 schrieben die neue Positionierung fest, die CDU bezog sich jetzt positiv auf "marktwirtschaftliche[] Grundsätze" und bekannte sich zur "soziale[n] Marktwirtschaft". Bis dahin war es aber noch ein langer Weg.
 In einer Grundsatzrede im März 1946 führte Adenauer unter anderem aus: Da die Wirtschaft der Bedarfsdeckung des Volkes zu dienen habe, seien "vernünftige Planung und Lenkung der Wirtschaft", Selbstverwaltungskörperschaften von Arbeitgebern und -nehmern sowie eine Beteiligung der Arbeiterschaft auch an großen Kapitalgesellschaften nötig. "Wir wollen weiter Beteiligung der Arbeiterschaft am Ertrag, gerechten Ausgleich zwischen Unternehmer und Arbeiter." Eine "Zusammenballung wirtschaftlicher Macht an einzelnen Stellen" verbiete sich sowohl in der Privat- als auch in der öffentlichen Wirtschaft. Verstaatlichung von Produktionsmitteln bedeute aber eine solche Machtkonzentration (nämlich in staatlicher Hand), sie sei daher "nicht unbedingt mit sozialem Fortschritt gleichzusetzen".
 Adenauer wandte sich gegen den Führungsanspruch der Berliner CDU: "Unsere Berliner Freunde haben sich 'Reichsleitung der CDU' genannt. Wir haben dem nicht widersprochen, um nicht durch diesen Widerspruch die Autorität unserer Freunde im russisch besetzten Gebiet zu beeinträchtigen. Wir haben aber diese sogenannte Reichsleitung nicht anerkannt und werden sie auch nicht anerkennen." Die inhaltlichen Spannungen verschärften sich erwartungsgemäß. "Gewisse Vorgänge", so Adenauer Ende 1946, in der CDU Berlin sowie Äußerungen Kaisers, "wirken auf die Union der britischen Zone geradezu wie Sprengpulver. [...] Aber gerade Äußerungen von Herrn Kaiser über die Synthese Ost-West, über den sozialen Wind aus Osten, der nach Westen wehen müsse, seine vorbehaltlose Zustimmung zu den Verstaatlichungsplänen der Engländer [...] drohen eine Spaltung in unserer Partei herbeizuführen." Man achte zwar die "Mannhaftigkeit" mit der Kaiser in Ostberlin wirke, könne sich jedoch mit verschiedenen seiner Aussagen und mit in Berlin herausgegebenem CDU-Material nicht einverstanden erklären, insonderheit nicht mit den Thesen "1) auf deutschem Boden bezw. in Berlin müsse ein Synthese zwischen Ost und West erfolgen, 2) die bürgerliche Epoche sei zu Ende, 3) das kommunistische Manifest sei eine Großtat".
 Die Fraktion um Adenauer war auf Dauer erfolgreich. Je mehr sich das alte, auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln basierende Wirtschaftssystem in den Westzonen unter Aufsicht der Alliierten re-etablierte, um so leichter konnten sozialistische Positionen zurückgedrängt werden. Das hatte auch in der CDU Auswirkungen; der marktwirtschaftliche Flügel erstarkte zusehends, und der Einfluß des Theoretikers der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, nahm zu. Die Düsseldorfer Leitsätze von 1949 markieren den Endpunkt einer Entwicklung in der CDU, die von einer anfänglichen Mehrheit des christlich-sozialistischen Flügels zu dessen vollständiger Marginalisierung und zur Durchsetzung Konrad Adenauers und der mit seinem und Erhards Namen verbundenen marktorientierten Wirtschaftspolitik führte.

Die Gegensätze zwischen den Parteien, aber auch in den Parteien verschärften sich. Einzig die KPD war davon wenig betroffen. Sie strebte ein Bündnis der Arbeiterparteien an, wollte aber auch mit den bürgerlichen Parteien im antifaschistisch-demokratischen Sinne kooperieren. Durch ihre eindeutige Positionierung zugunsten der sowjetischen Besatzungsmacht geriet sie jedoch mit potentiellen Bündnispartnern leicht in Konflikt, so daß Antikommunisten in SPD und CDU es vergleichsweise leicht gemacht wurde, ihren jeweils opponierenden Parteiflügel zur Raison zu bringen, jedenfalls soweit es die Westzonen betraf. Sowohl West-SPD als auch -CDU hatten anfangs sozialistische Flügel, die im Laufe der Entwicklung zunehmend marginalisiert werden konnten. Die wachsende Stärke der restaurativen Kräfte in SPD und CDU ist aber nicht allein mit der Stabilisierung des Kapitalismus oder dem herausgehobenen Einfluß Schumachers und Adenauers auf ihre Parteien zu erklären. Es darf keineswegs außer acht bleiben, daß die drei westlichen Besatzungsmächte als kapitalistische Staaten durchaus an einer nichtkommunistischen Entwicklung interessiert waren. Mit beginnendem Kaltem Krieg verlor der Antifaschismus, der bislang Anhänger unterschiedlicher Gesellschaftsvorstellungen zusammenbrachte, an Bindekraft, die Positionierung zwischen den entstehenden Blöcken begann das Denken und Handeln zu beherrschen. Das Ergebnis war der eigenständige Weg in der SBZ, mit der Gründung der SED und der letztendlichen Einführung eines nichtkapitalistischen Systems, aber auch einem eigenständigen Weg in den Westzonen, der die Rehabilitierung des Kapitalismus bedeutete. Unabhängig von sozialistischen Phrasen Schumachers akzeptierten alle Parteien, außer der KPD, den Kapitalismus als soziale Marktwirtschaft spätestens ab 1949.
 Unter diesen Umständen mußten sich die Antifaschisten auseinanderdividieren. Die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, die anfangs die verschiedenen Hitler-Gegner zusammenbrachte (solange, bis sichergestellt war, daß der Faschismus in seiner vormaligen Form nicht wiederkehren würde), wurde überwölbt von den Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Es ging um die gesellschaftlichen und politischen Optionen für die Zukunft. Antifaschisten hätten sich einzig auf die Aufarbeitung des Faschismus, die Verfolgung einstiger Nazis und die Entschädigung der Opfer konzentrieren müssen, damit eine Einheit hätte erhalten werden können. Da sich Antifaschisten aber seit je (und zu Recht) als politische Bewegung begriffen, da auch (und ebenfalls zu Recht) die aktuellen politischen Entwicklungen durchaus als in Zusammenhang mit antifaschistischen Fragen betrachtet wurden (Kriegsfrage, Rehabilitierung von NS-Unterstützern aus Wirtschaft und Militär), konnte die VVN nicht wie bisher weiterbestehen. Wir werden sehen, wie diese Entwicklungen auf die VVN zurückwirkten und die Organisation im bisherigen Verständnis als breiter Volksbewegung aller Antifaschisten zerstören mußte.
 

Abspaltung der SPD

Der Parteivorstand der West-SPD, der vom antikommunistischen Flügel um Kurt Schumacher dominiert wurde, wollte die VVN bereits in ihrer Gründungsphase nicht unterstützen. Allererster Grund dafür war die Ablehnung der KPD; eine Vereinigung aber auch eine bloße Zusammenarbeit mit ihr lehnte schon der 1946er Parteitag ab. Im November 1946 empfahl der Vorstand die sich bildende VVN abzulehnen und Mitgliedschaft und Mitarbeit zu verweigern. Die Betreuung der einst Verfolgten sei Sache der Behörden, alles andere Aufgabe der politischen Parteien. Zunächst fand der SPD-Parteivorstand für seine Ablehnung der VVN allerdings keine Mehrheiten. Die Hamburger SPD-Landesorganisation forderte ihre Funktionsträger auf, sich bei den Wahlen des Komitees ehemaliger politischer Gefangener aufstellen zu lassen: "Es ist unbedingt erforderlich, dass wir in diesen Leitungen vertreten sind." Auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg vom 29.6.–2.7.1947 konnte der Vorstand seine Position nicht durchsetzen, eine Vorlage zur Abgrenzung von der VVN wurde abgelehnt.
 Auf einer Sonderkonferenz zu diesem Thema im September 1947 erläuterte Fritz Heine die Vorstandsposition: "Die VVN zeichnet sich besonders dadurch aus, daß sie vielfältige und zum Teil sich widersprechende Programmpunkte aufstellt, die den Hintermännern dieser Organisation die Möglichkeit geben, von Fall zu Fall zu lavieren und den gerade passenden Gesichtspunkt hervorzukehren. [...] Es ist unverkennbar, daß die VVN nach dem Willen der KP/SED-Leitung mehr und mehr zur politischen Partei verkommen soll. Daß diese 'Partei' gegen die Sozialdemokratie gerichtet ist, unterliegt keinem Zweifel. [...] Es werden dann im KP-Stil diese politischen Aufgaben im einzelnen charakterisiert; sie reichen vom Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung über die Entmilitarisierung zur Entmachtung der Junker usw. Es liegt auf der Hand, daß solche Aufgaben weit über den Rahmen der Kz-Opfer-Vereinigung hinausgehen." Es fällt auf, welche Aufgaben der VVN nach SPD-Meinung nicht zustanden: Einsatz für demokratische Selbstverwaltung, für Entmilitarisierung und Enteigung der Junker, die von Antifaschisten als eine der hauptursächlichen gesellschaftlichen Schichten bei der Errichtung der NS-Herrschaft betrachtet wurden. U.a. zur Durchsetzung dieser drei Essentials war die VVN gegründet worden, man wollte politisch eingreifen und sich nicht mit der Versorgung der NS-Verfolgten begnügen.
 Die Hamburger SPD rief die ehemals verfolgten Sozialdemokraten am 22.10.1947 zu einer Versammlung; die 300 Teilnehmer verlangten die Unabhängigkeit der VVN der Britischen Zone von der der SBZ, die VVN dürfe nicht zu einer Art politischer Partei werden, sondern habe ihre Aufgaben "auf dem Gebiet der Interessenvertretung der Opfer des Nationalsozialismus". Aber im Gegensatz zum Parteivorstand sprachen sich die Versammelten für eine weitere Mitarbeit in der VVN aus: "Wir sind bereit weiterhin unsere Loyalität dem Hamburger Komitee ehemaliger politischer Gefangener und der VVN gegenüber unter Beweis zu stellen."
 Die Abspaltung der Sozialdemokraten wurde am 6.5.1948 mit einem Vorstandsbeschluß eingeleitet, der eine Partei- mit einer VVN-Mitgliedschaft für unvereinbar erklärte und die Bildung einer eigenen Verfolgtenorganisation anschob: "In seiner Sitzung vom 6. Mai 1948 beschloß der Parteivorstand der SPD, entsprechend dem Vorschlag einer Konferenz von Vertretern ehemals politisch verfolgter Sozialdemokraten – die aus allen Bezirken der SPD beschickt war – eine Zentralstelle für politisch verfolgte Sozialdemokraten zu errichten. [...] Der Parteivorstand stellte fest, daß die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) von den Kommunisten als eine ihrer Hilfsorganisationen mißbraucht wird. Die VVN hat besonders in den letzten Monaten durch ihre politische Stellungnahme zu vielen Fragen die kommunistische Politik eindeutig unterstützt. Der Parteivorstand beschloß, entsprechend dem Vorschlag der Bezirks-Vertrauensleute politisch verfolgter Sozialdemokraten: Die Mitgliedschaft in der VVN ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SPD."
 Die in diesem Beschluß angekündigte partei-eigene Verfolgtenorganisation sollte es den Sozialdemokraten erleichtern, die VVN zu verlassen. Jedoch waren die Lehren aus dem Faschismus, die Notwendigkeit der Solidarität aller Antifaschisten und die Unverzichtbarkeit der Einheit der Arbeiterklasse, noch nicht ganz vergessen. Zahlreiche SPDler verweigerten dem Parteibeschluß die Gefolgschaft und arbeiteten weiterhin, auch in exponierten Positionen, in der VVN mit. Die Folge waren zahlreiche Parteiausschlüsse.
 In Hamburg führte der Beschluß zu heftigen Auseinandersetzungen und Unsicherheiten über die künftige Gestaltung der VVN. Der VVN-Vorstand versuchte, die Auswirkungen möglichst gering zu halten. Die Angriffe seitens des SPD-Vorstands seien zwar nicht zu verhindern, könnten die VVN jedoch nicht erschüttern. "Austritte sind tatsächlich an einer Hand abzuzählen [...]."  Laut Zonenvorstand seien "Spannungen" von außen in die VVN getragen worden. Auf der Zonen-Delegiertenkonferenz in Hamburg unmittelbar nach dem Unvereinbarkeitsbeschluß am 8./9.5.1948 erklärten Sozialdemokraten die Einstellung ihrer weiteren Mitarbeit. Die CDUler wollten noch Rücksprache mit ihrer Partei halten. Die SPD-Mitglieder verblieben dann doch auf der Konferenz, weil sie auf einen korrigierten Beschluß ihrer Partei hofften; sie standen aber nicht mehr für Vorstandsposten zur Verfügung. Im neugewählten Zonen-Vorstand wurden der SPD Plätze freigehalten. Die verfolgten Sozialdemokraten Hamburgs beschlossen am 29.7.1948 mit 308 zu 98 Stimmen ihren VVN-Austritt. Daraufhin legten verschiedene SPDler ihre Mandate in der VVN nieder.
 Der SPD-Vorstandsbeschluß vom 6.5. wurde auf dem Düsseldorfer Parteitag (11.–14.9.1948) bestätigt und damit verbindlich für alle Mitglieder gemacht: "Die Sozialdemokratische Partei stellt fest, daß die Mitgliedschaft in der VVN unvereinbar ist mit der Mitgliedschaft in der SPD. Hieraus ergibt sich für die SPD als politische Organisation die Verpflichtung, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und der in Vorbereitung befindlichen Gesetze einer Wiedergutmachung gegenüber Antinationalsozialisten das Wort zu reden, die den berechtigten Ansprüchen und der Verpflichtung des Volkes gegenüber den Vorkämpfern der Freiheit in weitestem Maße gerecht wird." In der Debatte wurde dieser gegen nur 21 Stimmen gefaßte Beschluß mit der angeblichen Dominanz der KPD in der VVN und besonders mit den Entwicklungen in der SBZ, wo die VVN nach Meinung des SPD-Vorstands eine Tarnorganisation der um Unterstützung aus der Bevölkerung ringenden SED sei, begründet.
 Sehr emotional wurden diese Vorwürfe von Jeanette Wolff vorgebracht, die am 7.6.1948 von ihrem Posten als 2. stellvertretenden Vorsitzenden der Berliner VVN zurück- und aus der VVN ausgetreten war. In Berlin wisse man, so Wolff, "daß die ganze Arbeit der VVN nichts weiter ist als die Arbeit einer neuen Auffangorganisation für die tagtäglich ihre Plattform mehr verlierende SED, und wir wissen auch heute, daß die Gründung dieser VVN eine befohlene Angelegenheit der SMA war". Auch die VVN sei gebildet worden, "um dem verstopften Quell [der SED-Unterstützer] wieder neuen Zustrom zuzuführen". Aber Wolff ging noch weiter. Die Bemühungen der SED um Integration ehemaliger Nationalsozialisten, die umkehren wollten, durch die Gründung einer "Nationaldemokratischen Partei", die in den Parteienblock der SED einbezogen werden sollte, lastete sie ebenfalls der VVN mit an. Daß es gerade in der VVN der SBZ erheblichen Unmut über diese Politik gab, daß gerade hier die Verfolgten organisiert waren, die sich eine Kooperation mit ihren ehemaligen Verfolgern nicht vorstellen mochten, verschweigt sie. Ferner habe die VVN niemals protestiert, obwohl "die KZs existieren in der Ostzone". LDP- oder CDU-Vertreter in VVN-Gremien seien lediglich Feigenblätter der kommunistischen Politik, sie verbürgten keineswegs ein Engagement dieser Organisation für die Demokratie. "Ich glaube, wir als Sozialdemokraten können für uns allein in Anspruch nehmen, daß wir ein wirklich demokratisches Deutschland wollen."
 Etliche Redner warfen der VVN vor, eine KPD-Vorfeldorganisation zu sein, deren Aufgabe darin bestehe, Sozialdemokraten kommunistische Politik aufzudrängen. In diesem Sinne äußerten sich u.a. Egon Franke für den geschäftsführenden Vorstand, Herbert Wehner oder Carlo Schmid.
 Die Stimmen auf dem Parteitag  zugunsten der VVN waren nicht zahlreich – aber es gab sie. Arthur Hauck (Düsseldorf) sah sich durch den Parteivorstandsbeschluß in seinen Rechten beschränkt. Innerhalb seines Düsseldorfer Bezirks bestehe keine Neigung, die VVN zu verlassen. Die KPD dominiere die VVN keineswegs. Als Beispiel für den Einfluß von nicht-KPDlern in der VVN nannte er den Redakteur der VVN-Zeitung (Peter Lütsches), der nicht zur KPD, sondern zur CDU gehörte. Mit der antifaschistischen Vergangenheit der VVN-Mitglieder sowie mit der starken Beteiligung von Sozialdemokraten an ihr, argumentierte Heinrich Schroth, dessen Solinger SPD-Verband einen Antrag zugunsten der VVN eingebracht hatte, der dem Vorstand das Recht absprach, einen Unvereinbarkeitsbeschluß zu treffen. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch Arthur Arzt, Wiesbaden, sprach davon, daß der Vorstand mit dem Unvereinbarkeitsbeschluß seine Kompetenzen überschritten habe. Der Parteitag solle seinen Beschluß zur VVN nicht nur aufgrund der Ereignisse in der SBZ und Ostberlin fassen, sondern die eigenständige Rolle der VVN im Westen in Rechnung stellen. Die VVN sei hier demokratisch verfaßt, was eine Einflußnahme im sozialdemokratischen Sinne ermögliche. "Wenn nämlich im Westsektor Beschlüsse gefaßt sein sollten, die der Sozialdemokratie nicht passen, dann läge das an der Schlafmützigkeit und Inaktivität unserer eigenen Parteigenossen."  Das Phänomen "Schlafmützigkeit" scheint etlichen Delegierten bekannt gewesen zu sein, das Protokoll vermerkt hier jedenfalls Beifall.
 Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß nicht ausschließlich ideologische Befangenheit Sozialdemokraten die Mitarbeit in der VVN quittieren ließ, vielmehr gab es in der VVN ständige Auseinandersetzungen um Minderheitenschutz und paritätische Beteiligungen von Mitgliedern anderer Parteien als der KPD. Weniger auf den oberen Leitungsebenen, sondern eher in Kreisgruppen, in denen sich bemerkbar machte, daß nicht alle Kommunisten von der Notwendigkeit einer gleichberechtigten Zusammenarbeit aller Antifaschisten überzeugt waren, sondern daß man seine Mehrheit auch ausnutzte, wodurch die Gemeinsamkeit aufs Spiel gesetzt wurde. Beispielsweise beklagte sich Friedrich Börth von der Organisationsabteilung der SPD im Auftrage sozialdemokratischer VVN-Mitglieder im Unterkomitee Harvestehude-Rotherbaum bei Heitgres über die Vorstandswahlen bei diesem Unterkomitee. Der vormalige Vorstand habe eine Kandidatenliste vorgelegt, auf der keine Sozialdemokraten standen und eine Debatte darüber nicht zugelassen. Begründet worden sei das damit, daß die VVN bereits in ihrer Organisationsspitze paritätisch besetzt sei. Heitgres erwiderte, die SPDler hätten auf der Versammlung anfang 1948 leider keine Vorschläge unterbreitet, die Unterkomitee-Leitung würde Vorschläge aber begrüßen. Die SPD benannte nun eine Person für den Vorstand des Unterkomitees, nicht jedoch ohne auf Schwierigkeiten in der Kooperation hinzuweisen. Er wünsche, daß von SPD-Mitgliedern nicht mehr behauptet wird, sie seien lediglich um persönlicher Vorteile willen in der VVN. Die Auseinandersetzung um die Zusammensetzung des Vorstands, so ließ Börth durchblicken, mache es den VVN-Anhängern in der SPD schwer: "Ich weiss, dass dieses 'Überfahrenwerden' in unserer Hamburger V.V.N. eine Ausnahme ist, aber ein Vorgehen wie im Falle Harvestehude-Rotherbaum erschwert uns die Arbeit, Sozialdemokraten als Mitarbeiter zu gewinnen."
   Als Ergebnis der Vorschläge des SPD-Vorstands zur Bildung einer eigenen sozialdemokratischen Verfolgtenorganisation wurde die "Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten" (AvS) gebildet. An prominenter Stelle wirkte das ehemalige Zonenvorstandsmitglied der VVN, Leo Radtke, mit. In Hamburg kamen die SPD-Funktionäre rasch zu Sache. Bereits im Oktober 1948 gab es einen "Ausschuß für OdF. [Opfer des Faschismus, F] der SPD", die Vorgruppe der AvS. Man wollte künftig ein Ausschuß in der Partei sein, keine eigenständige Organisation. Nach einem ersten Treffen Hamburger sozialdemokratischer Verfolgter am 8.10. schrieb Albert Blankenfeld: "Genossen! Nach dem Parteibeschluss über den Austritt unserer Genossen aus der VVN erwächst uns die höchste Pflicht, uns um die OdF zu kümmern." In Hamburg leitete der formalige VVN-Funktionär Blankenfeld die AvS, die es bis Ende 1949 auf über 1000 Mitglieder brachte. Die Bedeutung der AvS war dennoch stets gering. Breitenwirkung hat sie nie erlangen können, aber wohl auch gar nicht angestrebt.
 Dem Rückzug der SPD schloß sich der Hamburger DGB mit Beschluß vom 28.3.1949 an, als man seine Vertreter aus dem VVN-Landesvorstand zurückzog.
 

Streit um das Ehrenmal für die Opfer des Naziterrors

Die Initiative zu diesem Mahnmal ging von Franz Heitgres aus; im Sommer 1946 gab es noch eine weitreichende Gemeinsamkeit zwischen den in der Bürgerschaft vertretenen Parteien. Ursprünglich sollte es ein allgemeines Mahnmal im Stadtzentrum werden für alle Kriegstoten, die Soldaten und Bombenopfer, und für die ermordeten Häftlinge und Widerstandskämpfer. Das Ehrenmal, entworfen von Heinz Jürgen Ruscheweyh, das letztendlich am Eingang des Ohlsdorfer Friedhofs umgesetzt wurde, ehrte dann aber die Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie. Ruscheweyhs Ehrenmal besteht aus einer etwa 16 Meter hohen Säule, in die 105 Fächer mit Urnen eingelassen sind. Jede Urne symbolisiert eines der nationalsozialistischen Vernichtungslager.
 Vor der Einweihung des Denkmals kam es zum offenen Streit zwischen Senat und VVN, der darin gipfelte, daß die Stadt am 3.5.1949 eine Einweihungsfeier durchführte und die VVN am 8.5. Ursprünglich hatte die VVN beabsichtigt, die Eröffnung des Ehrenmals mit dem Befreiungstag des Jahres 1949 zu verbinden (1947 fand der Befreiungstag in Dachau, 1948 in Weimar statt) und in Hamburg eine Großveranstaltung unter Schirmherrschaft des Senats zu organisieren. Der Senat unter Max Brauer lehnte aber eine gemeinsame Ausrichtung der Feierlichkeit mit der VVN genauso ab, wie die Übernahme einer Schirmherrschaft über den Befreiungstag, weil die VVN diese Gelegenheit für "kommunistische Zwecke" mißbrauchen wolle, wofür Delegationen "aus den Oststaaten", die die VVN eingeladen hatte, als Beweis herhalten mußten. Die VVN sei, wie die Staatliche Pressestelle in einer Erklärung am 20.4. behauptete, im Zuge dieser Auseinandersetzung nicht zimperlich in ihrer Wortwahl gewesen. Sie habe, so immer laut der Pressemitteilung, einen Brief an Thomas Mann geschrieben, "der schwere Angriffe gegen den Senat und den Ersten Bürgermeister enthält und nicht anders als verantwortungslos bezeichnet werden kann [...]. Der Senat lehnt es aber ab, sich für kommunistische Zwecke mißbrauchen zu lassen, wie es leider bei vielen gutgläubigen Mitgliedern der VVN der Fall ist, die sich nicht bewußt sind, daß hier aus einer Hilfsorganisation ein kommunistisches Instrument gemacht wird."
 Senator Paul Nevermann (SPD, Bausenator, von 1961–65 Bürgermeister) begründete die Senatsentscheidung, ohne die VVN das Ehrenmal einzuweihen, in einer Bürgerschaftsdebatte am 4.5. damit, die VVN säße "mit denen in einem Verein [...], die drüben unsere Leute in die KZs werfen." Nevermann ging soweit, zu behaupten, die SPD habe den einzig wahren antifaschistischen Widerstand geleistet. "Die Lauheit, Waschlappigkeit, der Mangel an Entschlußkraft des Bürgertums sei das, was die Sozialdemokratie damals veranlaßt hat, alleine den Kampf gegen die Diktatur zu kämpfen." Heute kämpfe man abermals allein gegen jede Diktatur. Der Grund für Nevermanns Beschimpfung auch der bürgerlichen Parteien bestand darin, daß aus ihren Reihen das Senatsvorgehen bezüglich des 3. und 8.5. kritisiert wurde.
 Zu diesem Zeitpunkt war die SPD auf offenen Konfrontationskurs mit der VVN gegangen, andere nichtkommunistische Kräfte hatten diesen Schritt noch nicht vollzogen. So verwahrten sich zwei FDPler, die in der VVN waren, Martin Klat und Edgar Engelhard, in einem Leserbrief gegen den Vorwurf, VVN-Mitglieder ließen sich von den Kommunisten mißbrauchen. In der erwähnten Bürgerschaftsdebatte argumentierte der Freie Demokrat Willi Max Rademacher, die Kommunisten hätten die größte Zahl der Widerstandskämpfer im "Dritten Reich" gestellt, was nicht dazu führen dürfe, "daß man sich deswegen von dieser Bewegung zurückzieht, weil man [...] nun aufgrund dieses gegebenen Zahlenmaterials innerhalb dieser Organisation, wie es sonst üblich ist, nicht die erste Geige spielen kann. [...] Die Zusammensetzung des Vorstandes der VVN ist heute so, daß die Kommunisten innerhalb dieses Vorstandes in der Minderheit sind." Diese Konstellation – die Mitgliedschaft bürgerlicher Kräfte, ihre überproportionale Repräsentanz in den Gremien als auch der Wille, die Sozialdemokraten für die VVN zurückzugewinnen, dürfte die Erklärung für den VVN-Vorschlag sein, sich auch an der Feier am 3.5. zu beteiligen, wenn der Senat nur die Schirmherrschaft über das 8. Mai-Treffen übernähme. Bürgermeister Brauer lehnte ab.
 Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung waren die zwei getrennten Einweihungsfeiern. Am 3.5. sprachen unter anderem Ida Ehre und Max Brauer zu den etwa 2000 Teilnehmern. Brauer sprach bezüglich des Nationalsozialismus vom "Verrat aller Menschlichkeit und Gesittung", vom "Bösen in der Welt", das von den "Kräfte[n] des Guten" bekämpft werden müsse, von einem Hitler, der "das deutsche Volk niemals mit demokratischen Mitteln für seine dämonischen Zwecke gewonnen [hat]. Er hat die Gewalt, die er über unser Volk und auch über Europa gewann, mit brutaler Gewalt in einem Staatsstreich, der vor keiner Scheußlichkeit zurückschreckte, an sich gerissen." Von der großen Unterstützung, die die NSDAP immer wieder erhalten hat, ist keine Rede, aber von einer "politischen Krankheit, deren Opfer nach dem italienischen auch das deutsche Volk geworden ist [und die] sich auch über andere Länder ausgebreitet hat". Daß sich diese anderen Völker dagegen nicht zu wehren vermochten, könne ihnen niemand vorwerfen. Dann aber dürfe auch niemand gegen das deutsche Volk diesen Vorwurf erheben. Beim Nationalsozialismus schienen irgendwelche Abstracta miteinander gerungen zu haben. Die Täter jedenfalls wurden aus dem Blickfeld gerückt.
 Das Befreiungstreffen hatte für die VVN auch eine ganz besondere Bedeutung, weil erstmals Kameradinnen und Kameraden der "Fédération Internationale des Anciens Prisonniers Politiques" (internationale Föderation ehemaliger politischer Gefangener, FIAPP, Februar 1946 in Warschau gegründet) erwartet wurden, in die man erst Ende Mai 1948 aufgenommen worden war.
 Die VVN hatte sich zahlreicher staatlicher Behinderungen ihrer Feier zu erwehren; so mußte sie das Treffen nicht nur eigenständig finanzieren, sondern es fand auch eine Hausdurchsuchung im VVN-Gebäude statt, bei der Spendenmarken zur Finanzierung des Befreiungstreffens beschlagnahmt wurden (auf Grundlage des Sammlungsgesetzes von 1934!). Daneben gab es kleine Nadelstiche der Hamburger Verwaltung: Werbepylone wurden vom Rathausplatz zweimal entfernt und dann in die Mönckebergstraße verbannt. Zugleich verlief die Mobilisierung nicht ganz so, wie die VVN es sich vorgestellt hatte, Heitgres beklagte, daß nicht einmal die KPD "alle Kräfte mobilisiert [habe], um diesem ersten internationalen Aufmarsch in Hamburg größte Unterstützung zuteil werden zu lassen". Dennoch konnte man eine umfassende Werbekampagne organisieren u.a. mit Plakaten in Bahnen oder Hinweisen in Kinos. Über 3000 Quartiere konnten in Hamburg bereitgestellt werden, für die z.B. mit Handzetteln geworben wurde: "An die Eppendorfer Bevölkerung! Zur Feier anläßlich des internationalen Befreiungs-Treffens der V.V.N. in Hamburg am 7. und 8. Mai 1949 erwarten wir 5000 Gäste aus sämtlichen Zonen Deutschlands und 18 Ländern Europas. Für die Hamburger ist es eine Ehrenpflicht, die Gäste würdig zu empfangen und unterzubringen. Darum wenden sich die unterzeichneten Organisationen an ihre Eppendorfer. Helft mit, schafft uns Quartiere für 3 Nächte!" Unterschrieben war dieser Aufruf von CDU, FDP, KPD und VVN.
 Das Befreiungstreffen wurde mit einer Tagung der Arbeitsgemeinschaften der verschiedenen Konzentrationslager und Zuchthäuser sowie mit einem Kongreß der Widerstandskämpfer in der Universität verbunden. Für die auswärtigen Gäste wurde ein aufwendiges Kulturprogramm organisiert, u.a. mit einer Stadt- und Hafenrundfahrt, einer Theateraufführung und einem Konzert des Hamburger Symphonie-Orchesters. In einem Programm für die Gäste ging man sogar noch davon aus, der Senat würde für die ausländischen ehemaligen Verfolgten einen Empfang im Rathaus veranstalten – die aber wurden zu einem Großteil am 8.5. gar nicht erst in die Stadt gelassen. Den Höhepunkt sollte dann eine Kundgebung am Ehrenmal auf dem Ohlsdorfer Friedhof darstellen. "Eine Ehrenpflicht des antifaschistischen Hamburg ist es, so zahlreich wie möglich zu dieser Kundgebung zu erscheinen. Kein Antifaschist mit seinen Angehörigen darf am Sonntag, dem 8. Mai, am Ehrenmal Ohlsdorf fehlen." Nach der Kundgebung fuhren verschiedene Delegationen zu Totenehrungen und Kranzniederlegungen nach Timmendorferstrand und Neustadt ("Cap Arcona"), Bergen-Belsen, Neuengamme und auf den Bergedorfer Friedhof.
 Dank des großen Engagements der VVN-Mitglieder und trotz der zahlreichen Behinderungen fand die VVN-Kundgebung vor 10000 Menschen statt. Die Teilnehmer kamen aus allen vier Besatzungszonen, den meisten ausländischen Delegationen war allerdings eine Einreise durch die Militärregierung verboten worden; einer belgischen Delegation, die sich auf der Durchreise nach Dänemark befand, wurde der Besuch Neuengammes untersagt.
 Der Streit mit dem Senat um die Gestaltung der Einweihungsfeier, sicherlich aber auch das Auseinanderdriften der verschiedenen Verfolgtengruppen im Zeichen des Kalten Krieges, hatten auch auf VVN-Seite Emotionen freigesetzt, die zu unbedachten Äußerungen auf der Kundgebung führten, die dem Anspruch der VVN auf parteipolitische Neutralität schadeten. Walter Bartel vom Buchenwalder Lagerkomitee griff Max Brauer scharf an, sein Name werde, im Gegensatz zu jenem Ernst Thälmanns, bald nur noch Schall und Rauch sein. Aus VVN-Reihen gab es gegen diese einseitige Positionierung, aber auch gegen die zahlreichen roten Fahnen, heftige Proteste, einige bürgerliche Antifaschisten verließen erbost die Veranstaltung.
 

Abspaltung bürgerlicher Kräfte

In der sich verhärtenden Ost-West-Konfrontation, genauer gesagt, in der ständig aggressiver werdenden Frontstellung der westlichen imperialistischen Staaten gegen die Sowjetunion, wurden die Bedingungen für eine antifaschistische Kooperation der unterschiedlichen politischen Richtungen in der VVN schwieriger. Aus christdemokratischer Sicht – der von Günter Beaugrand, der an der Seite Peter Lütsches' zuerst an VVN- und später an BVN-Zeitungen mitgearbeitet hatte – entwickelte sich der Konflikt folgendermaßen: "Je mehr jedoch die VVN in der sowjetischen Zone zum ideologischen Sachwalter des 'Antifaschismus' nach kommunistisch-stalinistischen Maßstäben wurde, um so stärker entwickelten sich auch in der Westzonen-VVN im Zusammenhang mit den sich zuspitzenden Gegensätzen zwischen Ost und West die Bestrebungen, die VVN im Sinne der kommunistischen Ideologie zu unterwandern."
 Diese einseitige Stellungnahme übersieht, daß der eskalierende Richtungsstreit von (mindestens) zwei Seiten vorangetrieben wurde. Dem entgegen traten immer wieder Personen mit dem Versuch, die Gemeinsamkeiten der Verfolgten in den Vordergrund zu stellen und damit eine Weiterarbeit der VVN zu ermöglichen. Diese Position wurde nach und nach in den Hintergrund gedrängt; die Spaltung der Organisation war aufgrund der internationalen Entwicklungen letzten Endes wohl unvermeidlich. Dies beschreibt auch Eugen Kogon, der bereits 1949 die VVN verlassen hatte: "Hätte es überhaupt anders kommen können? Die Gegner des Dritten Reiches verband so gut wie nichts als die Feindschaft mit ihm. Das gilt für die Staaten wie für die Verbände und Gruppen. Nicht einmal die gemeinsame Auffassung von Demokratie vereinte die Regime und Regimenter von Ost und West gegen die rebellische Mitte. Man erweist dem Westen geradezu einen Dienst, wenn man die propagandistische Selbsttäuschung von damals angesichts der Folgen heute nachsichtig unerwähnt läßt. Was verband sie denn dann? Eben nichts als der Gegner!"
 Der bürgerliche Einfluß auf die VVN-Zeitungen, v.a. auf die "VVN-Nachrichten. Überparteiliche Wochenzeitung" (Vorgängerin der "Tat") war durchaus beträchtlich, nicht zuletzt war Peter Lütsches (CDU) Redakteur der VVN-Nachrichten. Er versuchte von dieser Position aus, die VVN in antikommunistisches Fahrwasser zu lenken, insbesondere aber, eine Gegnerschaft zur Sowjetunion zu verankern. In der Ausgabe 9/49 schrieb er unter dem Titel "Eine offene Frage: Warum schweigt man zu den Verhältnissen im Osten?": "Warum schweigen wir über die Konzentrationslager in der sowjetischen Zone? Sind alle Berichte über diese Zustände gelogen? Oder weiß die VVN von diesen Zuständen heute ebenso wenig wie einst die Nazis in Deutschland über die KZ-Praxis?" Die Richtung, die dieser Flügel der VVN einschlug, wurde schon aus der Leichtigkeit erkennbar, mit der Lütsches das Wort "Konzentrationslager" für sowjetische Internierungslager über die Lippen ging. Nicht zufällig lag der Schwerpunkt der Tätigkeit des späteren "Bundes der Verfolgten des Naziregimes" (BVN) nicht bei den sozialen Interessen der ehemaligen Verfolgten, sondern in der Bekämpfung der Sowjetunion und der westdeutschen Kommunisten. Von einem beherrschenden Einfluß der KPD in der VVN konnte zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein, sonst wäre dieser Artikel kaum erschienen – genauso wenig wie ein Artikel in der Ausgabe 15/49 "Half die Sowjetunion den Nazis? – Tatsachen, die man nicht einfach beiseite schieben kann".
  Daß solch ein Artikel in den VVN-Nachrichten überhaupt erscheinen konnte, deutet auf einen Pluralismus in der Organisation hin, Einverständnis bedeutet es allerdings nicht. Der Rat der VVN habe solche Artikel scharf kritisiert, berichtet Beaugrand, muß aber hinzufügen, daß mit Ernst Saalwächter und Franz Heitgres zwei KPDler an der Zeitung mitarbeiteten. Offenbar wurde eine Neuregelung des VVN-Pressewesens angestrebt. In Hamburg hieß es, man solle die VVN-Nachrichten nicht abbestellen, Lütsches aber durchaus seine Meinung sagen.
 Beaugrand berichtet, daß die Spannungen in der VVN sich von 1948 an rasant verschärften (Berlin-Blockade, Juni 1948). Im November 1948 beschloß die CDU Württemberg-Badens ihre Verbindung zur VVN zu lösen, und sie forderte ihre Mitglieder auf, aus der VVN auszutreten, weil diese die "KZ-Methoden" in der SBZ nicht kritisiere. Die VVN Bayern zog ihre Vertreter aus dem deutschlandweiten Rat der VVN am 19.3.1949 zurück: "Die VVN Bayern erhebt schärfsten Protest gegen die Errichtung und Beibehaltung von Konzentrationslagern, wo immer solche bestehen. Sie verurteilt insbesondere die Inhaftierung aus politischen Gründen. Sie verlangt schärfste Aburteilung aller Verbrecher gegen die Menschlichkeit."
 Einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Spaltung stellte die sogenannte "Düsseldorfer Resolution" (8.6.1949) dar, in der  25 nicht-kommunistische Mitglieder von der VVN Überparteilichkeit verlangten, was für sie bedeutete, keine Stellungnahme zu aktuellen politischen Ereignisse abzugeben. Im Resolutionstext war von "weiser Beschränkung auf diejenigen Aufgaben [...], die von allen Mitgliedern ohne Unterschied des Standes, der Religion und der Weltanschauung akzeptiert werden können", die Rede. Was so hübsch klingt, hätte faktisch die Entpolitisierung der VVN bedeutet, denn hätte sich die Mitgliedschaft auf mehr als die Versorgung der Opfer des NS-Regimes verständigen können? Zugleich sollte ein westdeutscher Rat der VVN gebildet werden, d.h., man wollte sich von der SED-dominierten Ost-VVN abkoppeln. Die Resolution wurde in der Presse veröffentlicht, noch bevor die VVN-Mitglieder überhaupt Gelegenheit erhielten, darüber zu diskutieren. Das war durchaus einkalkuliert, denn letztlich war allen Beteiligten klar, daß die "25" für ihre Forderungen niemals eine Mehrheit in der VVN würden erreichen können.
 Ein halbes Jahr später wurde der Bund der Verfolgten des Naziregimes, wesentlich von Peter Lütsches inspiriert und vorangetrieben, aus der Taufe gehoben. Aus seinem ersten Aufruf: "Am 4. Februar 1950 wurde der Bund der Verfolgten des Naziregimes mit dem Sitz in Bonn gegründet. Diese Gründung ist zwingend notwendig, weil sich die VVN immer mehr parteikommunistischem Druck unterwarf und damit ihren überparteilichen Charakter verlor. Die ehemals politisch, rassisch und religiös Verfolgten haben als Vorkämpfer für Freiheit und Recht nicht Leib und Leben eingesetzt, um heute Schrittmacher für ein neues totalitäres System zu werden. Wer sich zur Bundesrepublik Deutschland bekennt und ihre Verfassung achtet und ehrt, der trete ein in unsere Reihen und bekämpfe mit ihnen alle Gefahren, die unserer jungen, werdenden Demokratie drohen: Neo-Nazismus, Neo-Antisemitismus, Militarismus und Totalitarismus jedweder Prägung. Wir bekennen uns zum deutschen Volke, wir fordern die demokratische Sicherung seines staatlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens. Wir fordern seine auf der Würde des Menschen begründete staatliche Wiedervereinigung, seine Befriedung im Innern, den baldigen Abschluß eines wahrhaft gerechten Friedensvertrages und eine erlösende Versöhnung aller Völker im Rahmen der Vereinten Nationen."
 In Hamburg trat mit Gründung des BVN der Hamburger VVN-Vorsitzende, Martin Plat, Mitglied der FDP, wegen kommunistischer Tendenzen aus und forderte die VVN-Mitglieder auf, ebenfalls dem BVN beizutreten. Noch eineinhalb Jahre zuvor hatten die Freidemokraten in der VVN beschlossen, ihre Mitarbeit zu intensivieren. Bis zum 9.2.1950, also lediglich eine Woche nach der Gründung, hatte der BVN bereits sechs Ortsgruppen, in Düsseldorf, Remscheid, Goslar, Euskirchen, Bonn sowie in Hamburg. Eine weitere Woche später erklärten die Frankfurter Gemeinschaft der von den Nürnberger Gesetzen Verfolgten und der Berliner Verband der Opfer des Nazismus ihren Beitritt. Außerdem lag eine Zustimmungserklärung zum BVN von dem bekannten Hamburger Antifaschisten und Publizisten Axel Eggebrecht sowie des bayerischen Ministerpräsidenten Hans Ehard vor. Der DGB-Vorsitzende Hans Böckler übernahm ein "Ehrenprotektorat". Der Hamburger Landesverband des BVN gründete sich offiziell am 5. März 1950. Im Vorstand saßen Martin Plat, Franz Glienke und Lothar-Walter Beyer (FDP).
 Aus Hamburg ist eine Übertrittserklärung des Verlagsbuchhändlers Carl Thinius von der VVN in den BVN erhalten. Sein Schreiben richtet sich an alle "noch in der VVN stehenden, nicht der KPD angehörenden Kameraden, zur Mahnung": "Erinnern wir uns nur. In der braunen Not waren wir alle, Sozialisten, Kommunisten, Demokraten, Bibelforscher und Freigeister, eine eng verschworene Schar und wir hatten in unserer Losung, wie dem Weltübel zu steuern sei, keinen Meinungsstreit. Heute in der zurückerlangten Freiheitswelt ist die Kampfverbundenheit zerflattert, ist die Lehre der KZ-Zeit: Seid einig, einig! vergessen, steht bei vielen Kameraden in der Anteilnahme zum Weltgeschehen die Parteidisziplin erstrangiger als Vernunftgründe. Der Kumpelgeist wurde verraten! [...] Am engstirnigsten ist wohl die KPD, sie ist, die letzten Jahre haben es erschreckend gezeigt, die übelste Quelle der Volkszersplitterung und zu ihr kann kein Überbrückungskompromiß mehr gefunden werden." Die VVN habe "sich ausgeweitet zu einer Hilfsorganisation des Kommunismus und des Stalinismus [...] Der Osten [...] überschlägt sich fast in seinem Friedenssäuseln und – es ist blutiger Hohn – huldigt der Gewalt, dem Terror und der Diktatur. [...] Die VVN ist nimmermehr ein Hort der guten Geister, die hervorgehobene 'Unparteilichkeit' auf ihrem Bannerschild ist nur noch eine Farce." Die "Ostlenkung" der VVN spitze sich zu. Widerstandskämpfer dürften nicht zu einem KPD-Hilfstrupp werden; die KPDler in der VVN seien Wölfe in Schafspelzen; die KPD diene der "Versklavung" des Volkes, sie ist "die Nachfolgerin eines Rattenfängers in einem neugetakelten Gewande [...] Wir Widerstandskämpfer haßten die braune Farbe, wir hassen in gleicher Stärke das östliche Rot und das westliche Schwarz-weiß-rot. [...] Wir begrüßen den BVN als Friedenshort!"
 Diese und andere vergleichbare Äußerungen legen die Vermutung nahe, daß es in der VVN Probleme gab, die nicht ausschließlich auf objektive Entwicklungen oder Verleumdungen durch Antikommunisten zurückzuführen sind. Vielmehr scheint es, daß auch die KPDler mit ihrem Verhalten zu einer Entzweiung beigetragen haben, durch Dominanzstreben oder Durchboxen von Positionen, die den westorientierten VVNlern nicht passen konnten. Allerdings betraf Thinius' Vorwurf mangelnder Überparteilichkeit nicht nur die VVN, sondern auch im BVN scheinen Parteiinteressen eine Rolle gespielt zu haben, so daß jene, denen die Überparteilichkeit nicht lediglich wohlfeiles Argument gegen die VVN war, auch hier unzufrieden waren. Thinius hat sein Exemplar dieses Schreibens später mit einem undatierten Nachtrag versehen: "Eine abermalige Enttäuschung! Auch der BVN hat den Kumpelgeist verraten, er trägt Scheuklappen. Blindwütig nach Osten ausgerichtet übersieht er die Gefahren des Westens und findet dort alles gut und sauber. Der Wehrbeitrag ist aller Ehren wert. Es ist noch ein Nekrolog zu schreiben."
 Aber nicht alle Christ- oder Freidemokraten traten aus der VVN aus, auch dann nicht, als ihre Partei Druck auf sie auszuüben versuchte. Eine VVNlerin wehrte sich gegen ein entsprechendes Ansinnen des hamburgischen FDP-Landesverbandes: "Mit Ihrem Schreiben vom 3. Okt.d.J. fragen Sie mich, ob ich aus der VVN inzwischen ausgeschieden bin. Diese Frage möchte ich entrüstet zurückweisen. [...] Der Verein [VVN] hat mir stets in allen meinen Nöten tatkräftig zur Seite gestanden. [...] Von einem kommunistischen Vorspann habe ich nichts bemerkt, im Gegenteil, der Vorsitzende hat, ich möchte wohl sagen, in jeder Versammlung gesagt, daß wir ein überparteilicher Verein wären. [...] Ich finde es dreist undemokratisch, diese Forderung an mich zu stellen, sie hat, was ich besonders bitter empfinde, einen zu nazistischen Beigeschmack. Den Verein als kommunistisch zu bezeichnen, möchte ich mir doch verbitten, da ich mich von Ihnen nicht ohne weiteres zum Feind der demokratischen Ordnung stempeln lasse."
 Der BVN setzte sich vorwiegend aus Widerständlern aus bürgerlichen und christlichen Kreisen zusammen. Die VVN verlor weniger an Mitgliedern – der BVN war nicht sonderlich erfolgreich –, aber an politischer Breite. Der BVN arbeitete zusammen mit der "Internationalen Kommission gegen das KZ-Regime", hervorgegangen aus einer Tagung "nichtstalinistischer Widerstandskämpfer" am 20./21.10.1950 in Brüssel. Mit KZ-Regime war nicht das nationalsozialistische Deutschland gemeint, sondern die Sowjetunion! Weiterhin war ein Interessenschwerpunkt des BVN die Freilassung der Kriegsgefangenen. Zum "Tag der deutschen Kriegsgefangenen" titelte das "Freie Wort": "Hinter Stacheldraht lebendig begraben".
 

Kalter Krieg, Spaltung der Antifaschisten und VVN-Verbot

Die Polarisierung zwischen West und Ost, die Etablierung des Antikommunismus als westdeutscher Staatsideologie trieb auch die einst verbündeten Antifaschisten auseinander. Dabei hatte die Zusammenarbeit aller Antifaschisten, speziell aber der beiden Arbeiterparteien auch in Hamburg hoffnungsvoll begonnen. Es wurde ein gemeinsames Aktionsprogramm von SPD und KPD verfaßt (6.7.1945), dessen erklärtes Ziel die "organisatorische Einheit" der beiden Parteien war, und es wurde eine "Sozialistische Freie Gewerkschaft" (SFG) gegründet (11.5.1945). Doch die Einigkeit verflog rasch: Die SPD ließ die Kooperation mit der KPD erst einschlafen und ging dann allmählich auf Konfrontationskurs, die SFG wurde durch Intrigen der alten Gewerkschaftsfunktionäre schon am 20.6.1945 auf massiven Druck der Militärregierung wieder aufgelöst.
 Die Ursachen, die zur erneuten Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung, aber auch zum Streit unter Antifaschisten und damit der VVN führten, haben sämtlichst mit der Ausbildung des Kalten Krieges und der Integration der drei westlichen Besatzungszonen in den imperialistischen Block, der sich später als NATO konstituierte, zu tun. Die Konkurrenz zwischen der Sowjetunion auf der einen, den westlichen Alliierten auf der anderen Seite, der Streit der Gesellschaftsformen, bildete sich rasch nach dem Sieg über das "Dritte Reich" aus. Herausgegriffen seien hier die drei Ereignisse, die für den Streit in der VVN von besonderer Bedeutung waren: Der Marshall-Plan, die Berlin-Blockade und die Volkskongreßbewegung. Daneben gab es ein Ereignis, das für viel böses Blut sorgte, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kalten Krieg stand: die Gründung der "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) am 21./22.4.1946. Die SED wurde insbesondere unter den Sozialdemokraten der Westzonen als Zwangsvereinigung unter sowjetischem Druck betrachtet. Hier ist nicht der Ort, den realen Verlauf der Parteibildung zu analysieren; für die Vorgänge im Westen, für die Abspaltung der SPD von der VVN, hatte sie große Bedeutung, da sie als Beweis galt, daß die KPD keine ehrliche, gleichberechtigte Zusammenarbeit anstrebte, sondern die Okkupation der SPD. Dies wurde dem antikommunistischen Flügel um Schumacher zu einem seiner beliebtesten Argumente, das auch bei Sozialdemokraten Wirkung zeigte, die keine Antikommunisten waren.
 Das am 5.6.1947 installierte "Europäische Wiederaufbauprogramm", nach dem US-Außenminister Marshall-Plan genannt, brachte Rohstoffe, Waren und Kapital auf Basis von Krediten und Zuschüssen nach Westeuropa. Da mit dieser Wirtschaftshilfe ökonomische Präjudize verknüpft waren (Marktwirtschaft, sprich Kapitalismus), lehnten die von der Sowjetunion beeinflußten Staaten und auch die SBZ dieses "Instrument des Dollarimperialismus" ab. Historiker schätzen, daß die politische Bedeutung, die Einbindung Westdeutschlands in das anhebende westliche Bündnissystem, größer war als die tatsächliche ökonomische Hilfe.
 Die Blockade Westberlins war eine Folge der Herausbildung des westdeutschen Staats (Januar 1947: Zusammenschluß der Amerikanischen und der Britischen Zone, Frankreich schloß sich später an; Juni 1947: Marshallplan; Februar 1948: Beschluß für einen westdeutschen Teilstaat durch die Londoner 6-Mächte-Konferenz; Juni 1948: Währungsreform im Westen). "Moskau" reagierte mit der Blockade Berlins (Verkehrssperre, Einstellung aller Warenlieferungen aus der SBZ) und der Bildung eines Magistrats für den Ostteil der Stadt (November 1948). Diese hilflos anmutende "reaktive Mechanik der Konflikteskalation" (Kleßmann) zielte darauf, die deutsche Einheit, unter der Voraussetzung der Neutralität, zu erhalten. Erst als das scheiterte und die Gründung der BRD nicht mehr aufzuhalten war, ging man in der SBZ ebenfalls zur Staatsgründung über. Im Mai 1949 wurde die Blockade aufgehoben.
 Die Einheit Deutschlands war der SED lange Zeit ein wesentliches Anliegen. Diesem sollte auch die "Volkskongreßbewegung" dienen, die einem Aufruf der SED vom 26.11.1947 folgte. In dieser "Bewegung" waren alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen der SBZ vertreten; nicht immer ganz aus freien Stücken, die Führung der Ost-CDU wurde beispielsweise von der Militärregierung ausgetauscht, weil sie ihre Mitwirkung verweigerte. Im Westen gelang eine Anhangbildung kaum, lediglich die KPD beteiligte sich.
 Die jeweiligen Stellungnahmen zu den erwähnten drei Ereignissen trieb die Widersprüche in der VVN voran. Die KPD lehnte als einzige Westpartei den Marshall-Plan ab, sie verteidigte die Blockade Berlins und warb für die Volkskongreßbewegung. Die Vertreter der anderen an der West-VVN beteiligten Parteien verfochten den gegenteiligen Standpunkt, sie begrüßten den Marshallplan, kritisierten die Blockade Berlins und lehnten eine Beteiligung am Volkskongreß ab. D.h., in wesentlichen Auseinandersetzungen um die gesellschaftliche Zukunft und die nationale Einheit Deutschlands war man sich uneins. Wollte sich die VVN also nicht einzig auf die Vertretung der sozialen Interessen der Verfolgten und die Entnazifizierung der einstigen Verfolger beschränken, sondern verstand sie sich als Bündnis aller Antifaschisten, die davon ausgingen, daß für das "Nie wieder" in die aktuellen politischen Debatten eingegriffen werden müsse, so war die Organisationsspaltung wohl in der Tat unausweichlich. Der geschilderte Austritt vieler sozialdemokratischer und bürgerlicher Antifaschisten war die Folge.

Die abhanden gekommene, breit gefächerte politische Unterstützung war die Grundlage dafür, daß der Staat die VVN zunehmend in ihrer Arbeit behindern und schließlich verbieten konnte. Die Repression begann mit Berufsverboten durch einen Erlaß Adenauers vom 19.9.1950: 13 Organisationen wurden aufgeführt, darunter neben der KPD auch die VVN, deren Mitgliedschaft  "mit den Dienstpflichten unvereinbar" sei.
 Am 26.7.1951 folgte ein bundesweites VVN-Verbot: "1. Die Tätigkeit des 'Rates der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes' (VVN) stellt einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes dar. Der 'Rat der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes' (VVN) ist daher gemäß Art. 9 Abs. 2 GG kraft Gesetzes verboten."  Die Landesregierungen wurden aufgefordert dieses Verbot umzusetzen. Zur Begründung wurde in erster Linie auf die Mitarbeit der VVN bei der Volksbefragung gegen Remilitarisierung hingewiesen, die am 24.4.1951 verboten worden war, aber fortgeführt wurde. Der angegebene Grundgesetz-Artikel lautet: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten." Der Einsatz gegen die Wiederbewaffnung, das Wirken für antifaschistische Grundsätze verstießen demnach gegen Strafgesetze, richteten sich gegen die Verfassung und widersprachen dem Gedanken der Völkerverständigung. Das restaurative Klima, für das die "Ära Adenauer" steht, hatte einen weiteren Höhepunkt erreicht.
 Am 2.8.1951 schloß die Frankfurter Polizei das Büro des Rates der VVN. Die Mitglieder gingen bei weiterer Tätigkeit für die VVN u.a. das Risiko ein, ihren Status als Opfer des Faschismus einzubüßen, einst Verfolgten konnte dieser Status aberkannt werden. In einem Schreiben des Senators für Sozialwesen Westberlins heißt es: "Nach § 7 Ziffer 1b ist die Übernahme der OdF-Anerkennung als politisch Verfolgter nicht möglich, bzw. muss eine Anerkennung zurückgenommen werden, wenn der Anerkannte Handlungen begeht, die eine Anerkennung nicht mehr als tragbar erscheinen lassen. Wie festgestellt worden ist, sind Sie wegen Sammelns von Unterschriften zur Ächtung der Atombombe bestraft worden. [...] Aus diesen Gründen erscheint Ihre Anerkennung nicht mehr als tragbar, so dass Ihr Antrag abgelehnt werden musste."
 Gerichtliche Einsprüche erlaubten der VVN allerdings die (eingeschränkte) Weiterführung ihrer Arbeit. Am 2.4.1954 wurde das Verbotsverfahren gegen die VVN Niedersachsen eingestellt, am 25.5.1955 erklärte das Verwaltungsgericht Regensburg, die VVN sei weder verfassungsfeindlich noch verboten. Länger hielten allerdings die Verbote in Rheinland-Pfalz und Hamburg stand.
 Auch die hamburgische Landesregierung ging zügig gegen die VVN vor. Schon am 1.8.1951 verfügte Polizeisenator Danner (SPD) Verbot und Auflösung der VVN und ihrer Unterkomitees. Die Geschäftsstelle wurde geschlossen, das Vereinsvermögen beschlagnahmt. Um dennoch die Arbeit fortsetzen zu können, wurde eine "Freie Beratungsstelle für die Opfer des Faschismus und Krieges" als Ersatzorganisation gegründet. Erst 1967 gab es einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, daß die 1958 als Nachfolger der VVN gebildete "Vereinigte Arbeitsgemeinschaft der Naziverfolgten" (VAN) bestätigte und zwei Urteile gegen die VVN Hamburg aufhob. 1979 nahm die VVN dann ihren ursprünglichen Namen wieder an.
 

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