Schill rastet aus und gibt sich zu erkennen
600 Menschen haben gegen die Schill-Partei
demonstriert, und das, obwohl in der Linken häufiger fatalistische
Parolen zu hören waren, daß Aktivitäten gegen Schill nutzlos
seien, da sowieso nichts erreicht werden könne. Mitglieder der Partei,
ihre WählerInnen und SympathisantInnen ließen sich von Argumenten
und Aktionen ohnehin nicht beeindrucken.
Nun zeigt sich bereits nach der ersten
größeren Anti-Schill-Aktion, daß diese statische Betrachtungsweise
nicht aufrechtzuerhalten ist. Gewiß hat der Richter BefürworterInnen,
die bedingungslos an ihm festhalten. Sie dürften sich im wesentlichen
aus jenen 8 % Stimmanteilen speisen, die bei den letzten Bürgerschaftswahlen
REPs und DVU einsammelten — bei diesen WählerInnen liegt ein weitgehend
geschlossenes Weltbild vor, und sie haben wiederholt bewiesen, daß
sie gegen die öffentliche Ächtung ihrer Wahlentscheidung immun
sind. Es gibt aber auch die "gutbürgerlichen" Schill-AnhängerInnen,
die eine "harte Hand" in der Innenpolitik wollen, die aber offen faschistische
Parolen nicht mittragen würden und für die die Reputation einer
Partei eine Rolle spielt. Beide Spektren bindet Schill ein, indem er für
die einen die radikale Position antönt, so daß sie verstanden
wird, für die anderen aber in seinen Formulierungen noch so zurückhaltend
bleibt, daß die Grenze zum Rechtsextremismus nicht überschritten
wird. Bei seinen ausländerpolitischen Aussagen wird diese Taktik besonders
anschaulich: Einerseits stellt er Forderungen nach verschärften Abschiebungen
und schreibt ethnischen Gruppen kriminelle Eigenheiten zu, andererseits
aber, um dem Vorwurf der "Ausländerfeindlichkeit" begegnen zu können,
folgt stets wiederkehrend das Versprechen, gesetzestreue und steuerzahlende
MigrantInnen zu akzeptieren.
Aktionen sollten der Bindekraft der Partei
für unterschiedliche politische Spektren schaden, indem Schill durch
Konfrontation mit massiver Kritik zu eindeutigeren Bekundungen verleitet
wird, die dann seine Wählbarkeit für das bürgerlichere Lager
fragwürdig machen würden. Im Hamburg-Haus ist diese Rechnung
aufgegangen. Schill hatte sich nicht "im Griff". Das hat Wirkung gezeigt.
Das Hamburger Abendblatt (12.10.)
brachte aufgrund von Schills Ausbrüchen (siehe nebenstehenden Kasten)
einen kritischen Artikel — gerade das HA, das zwischen den Zeilen stets
Sympathien für den rechten Richter erkennen ließ und keine Gelegenheit
verpaßte, Schill zu Wort kommen zu lassen, gilt es doch Rot-Grün
durch einen Bürgerblock abzulösen.
Wir zitieren den Artikel von Peter U.
Meyer hier etwas ausführlicher: "Aber sein Umgang mit den Störern
lässt doch arg Souveränität vermissen. Schill verbeißt
sich in seine Kontrahenten, belegt sie mit stets neuen Beleidigungen. (...)
Es ist die Herabsetzung der Gegner, ein bisweilen menschenverachtender
Zynismus, der irritiert. Vielleicht ist es auch Hass. Störungen sind
nicht schön, aber man muss auch nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen
schießen. Der Mann ist Richter und belegt Menschen mit Vorurteilen
dem äußeren Anschein nach. Wie soll er da ohne Ansehen der Person
Recht sprechen können? (...) poltert Schill, der Gefallen an Verschwörungstheorien
findet. (...) Was passiert eigentlich mit Polizeiführern, die einem
Innensenator Schill gegenüber den Mund aufmachen würden? Es ist
auch schwer vorstellbar, dass sich dieser Politiker in eine Koalition einzufügen
vermag. Kompromisse, der politische Alltag sind ihm ein Zeichen der Schwäche.
Sehr demokratisch wirkt das alles nicht."
Nicht nur Empörung des Journalisten
ist herauszuhören, sein Erstaunen über einen Mann, den er zuvor
ganz anders eingeschätzt hatte, ist förmlich greifbar. Schill
hat an diesem Abend einen Anhänger verloren!
Schill zu seinen GegnerInnen (laut HA vom
12.10.):
— gewalttätiges kriminelles Pack
— Gewaltbereite linke Chaoten, die bedenkenlos
zum Mittel der Lüge greifen.
— das Pack
— Eine Minderheit erhebt sich gegen eine
Mehrheit.
— In drei Monaten wird damit Schluß
sein. So lange habt ihr noch Zeit, kriminell zu sein und die Bevölkerung
zu terrorisieren.
— Man muss euch nur ansehen, um zu sehen,
in welch verheerendem Zustand dieses Land ist!
— Falls Sie in der Lage sind, Ihren Namen
zu schreiben.
— mangelhafte Gehirne wie eure
Schills Gesellschaftsentwurf:
Gegen Werteverfall und "68er"
Roland Schill hat bis heute das Image,
Chef einer Einpunktpartei zu sein. Die Medien trugen ihren Teil dazu bei,
indem sie ihre Berichterstattung nahezu ausschließlich auf Schills
Vorschläge zur Kriminalitätsbekämpfung konzentrierten. Das
nützt der Schill-Partei, denn solange sie ihre gesellschaftspolitischen
Ideen nicht offenzulegen braucht, ist sie für Kritik weniger angreifbar.
Es scheint dann so, als könne eigentlich jede/r ihn wählen, der
oder die sich gesetzestreu verhält. Der Wirklichkeit entspricht dies
keineswegs, wie auch schon öfters in dieser Zeitung belegt wurde.
Eine Analyse des Parteiprogramms
und der Äußerungen Schills läßt erkennen, daß
es sich in der Tat nicht bloß um die Aneinanderreihung mehr oder
weniger zufällig zusammengewürfelter Parolen handelt. Es gibt
eine Klammer, die die Einzelaspekte der Programmatik zu einem rückwärtsgewandten
Gesellschaftsmodell zusammenfaßt: Die "guten alten Werte" sollen
wiederhergestellt werden, GegnerInnen sind dabei die "68er", die, laut
Schill, den Verfall dieses Wert- und Tugendkanons bewirkt haben.
Auf jeder seiner Veranstaltungen
reißt Schill dieses Thema an. Angesprochen werden damit Gefühle
und Ängste der Anwesenden vor Veränderungen — z.B. Relativierung
des Patriarchats, Selbständigkeit Jugendlicher, Widerspruch generell,
eigene Anschauungen statt Autoritätshörigkeit usw. —, die ihnen
ihre Zukunft ungesichert erscheinen lassen, sie fürchten den Verlust
der traditionellen Bahnen, in denen ihr Leben verläuft, und das beunruhigt
sie. Dieser aufgerufenen Angst hält Schill stets den autoritären
Obrigkeitsstaat entgegen.
Das Programm hält sich zu solchen
Fragen weitgehend bedeckt. Gegen die "68er" richtet es sich in den Abschnitten
zu Polizei und zu Schule. "Polizei und Justiz", heißt es da, seien
der
"Hauptfeind" der "68er", die nach "ihrem Marsch durch die Institutionen"
inzwischen verantwortliche Positionen bekleideten. "Die Polizei ist Inbegriff
des von dieser Generation gehassten 'Obrigkeitsstaates'."
In der Schulpolitik stellt Schill
den gleichen GegnerInnen — unter der antiegalitären Prämisse,
daß nichts "so ungerecht ist wie die gleiche Behandlung Ungleicher"
— ein Programm von Zucht und Unterordnung, Leistung und Eliteförderung
gegenüber: Ein "pädagogisch verantwortetes Leistungsprinzip"
mit "vielfältige(r) Leistungsmessung" braucht LehrerInnen, die keinen
Widerspruch dulden. Deren Autorität soll gestärkt werden, denn
"Kinder ... brauchen Struktur und Orientierung", es gelte "altersangemessene
Grenzen zu setzen und gesellschaftlich relevante Werte zu vermitteln".
Deswegen sollen auch "Kopfnoten" für Arbeits- und Sozialverhalten
in den Zeugnissen eingeführt werden. Da das aber nicht ausreichen
dürfte, sollen dem Lehrpersonal nicht näher benannte "umfangreichere
Maßnahmen als bisher zur Disziplinierung an die Hand gegeben" werden.
Falls das immer noch nicht zum gewünschten SchülerInnenverhalten
führt, wird es in jeder Schule einen "Ansprechpartner von Seiten der
Polizei" geben.
Das mag zur Charakterisierung dessen
reichen, was Schill meint, wenn er über Werteverfall lamentiert und
die "68er" attackiert. Bezeichnenderweise findet sich diese Argumentationsfigur
häufig in den Publikationen der Neuen Rechten oder der Wertkonservativen
wieder, bei einem Spektrum also, das vom rechten Flügel von CDU und
FDP bis nach ganz rechts reicht. An deren Ideologiebestand knüpft
Schill an, deswegen folgt ein kurzer Blick auf einen typischen Vertreter
dieses Spektrums und auf seine Argumentationskette.
Rainer Zitelmann verfaßte
"Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs", womit er der
"einflußreichste Revisionist in sozialpolitikgeschichtlichen Fragen
der NS-Diktatur" (K. H. Roth) wurde. Zwischenzeitlich arbeitete er bei
der Welt, für den Ullstein-Verlag, schrieb für die junge Freiheit
und wurde FDP-Mitglied, als der nationalliberale Berliner Parteiflügel
um Alexander von Stahl die Parteiübernahme anstrebte.
1994 erschien von Zitelmann "Wohin
treibt unsere Republik?", das in einer krassen Verzeichnung der Wirklichkeit
in allen Facetten der BRD-Gesellschaft die "68er" nachhaltig am Werk sieht
— sogar in der CDU. Bei "1968" müsse von einer "Revolution von radikaler
Durchschlagskraft und Veränderungspotenz" gesprochen werden (29).
Die "68er" hätten die gesellschaftliche Hegemonie erreicht, besonders
sei es ihnen gelungen mit folgender "Argumentationstypologie" die Debatten
zu dominieren: "Wer nicht links ist, ist Nazi, ist Faschist." (33) "Wie
feiner Staub, der mit hohem Druck durch alle Ritzen und undichten Stellen
der Gesellschaft gepreßt wird, hat sich die Ideologie der 68er heute
in allen Bereichen der Gesellschaft festgesetzt." (37)
Was ist nun der Inhalt dieser "Revolution"?
Worum geht's? "Wer für 'law and order' eintritt, gilt mindestens als
finsterer Reaktionär und 'Ewiggestriger'." Demokratie werde heute
mit "plebiszitären Vorstellungen" identifiziert. "Der Begriff der
'Freiheit' hat sich von den Voraussetzungen, an die er geknüpft ist
— Verantwortung und Bindung an moralische Werte — weitgehend gelöst
und wird im Sinne schrankenloser 'Selbstverwirklichung' ausgelegt. Konservative
Begriffe hingegen — Autorität, Ordnung, Pflichterfüllung — haben
einen negativen Beiklang ('Sekundärtugenden') und werden, wie einst
von den 68ern, weithin 'kritisch hinterfragt'." Die Werte, denen Zitelmann
& Co. nachtrauern, sind genannt: Autoritätshörigkeit, Unterordnung,
unhinterfragte Pflichterfüllung.
In Deutschland sei dieser Werteverfall
— und hier wird kein einziger Rechter widersprechen — besonders ausgeprägt.
Unter Bezug auf eine "internationale Wertstudie" von 1981/82, von E. Noelle-Neumann
und R. Köcher veröffentlicht, behauptet Zitelmann, Autorität
unterliege in Deutschland einem ungleich größeren Mißtrauen
als in allen anderen Ländern. Nur 44 % der Deutschen hielten die "Stärkung
von Autorität" für wünschenswert, nur 15 % betrachteten
Gehorsam als ein wichtiges Erziehungsziel, aber 51 % knüpften ihre
Bereitschaft, Autorität von Vorgesetzten zu akzeptieren, an die Bedingung,
daß eine Anordnung begründet werde. "Ist ein überzeugenderer
Beleg für den Sieg der antiautoritären Revolte denkbar?" (39/40)
Zitelmann stört, daß
seine, daß traditionelle konservative Werte in den letzten Jahren
zurückgedrängt worden seien und daß reaktionäre Positionen
mit scharfer Kritik zu rechnen hätten. Dieser kurze Exkurs zu einem
der prominenteren Bindeglieder zwischen CDU und Rechtsextremismus macht
deutlich, was mit den Phrasen von den angeblich so überaus einflußreichen
"68ern" und dem Beklagen des Werteverlustes gemeint ist: Man will zurück
zu einer Gesellschaft, in der den Autoritäten unhinterfragt und widerspruchslos
gefolgt wird, wofür Unterordnung und Gehorsam nötig sind. Genau
die "Tugenden", auf die Schill auch zurückgreifen möchte, und
zu deren Einübung schon in der Kindheit seine schulpolitischen Planungen
dienen. Da wo die Verankerung dieser "Werte" in der Bevölkerung nicht
gelungen ist, soll die "law and order"-Politik greifen, die "deutschen
Tugenden" sollen in diesem Falle gewaltsam erzwungen werden. Man muß
die "68er" nicht durchgängig gutheißen, man muß schon
gar nicht annehmen, daß ihre Auswirkungen tatsächlich so durchgreifend
sind wie Zitelmann es darstellt, um zu erkennen, daß diese Konzeption
Teil des Ringens der Rechten um die gesellschaftliche Hegemoniefähigkeit
ihrer Politik ist. Das ist zu bekämpfen!
Wenig Neues von der Schill-Partei
März 2001. - Weil sich die Programmatik der Schill-Partei mit Ausnahme der Kriminalitätsbekämpfung noch nicht zugespitzt hatte und sie weitgehend Einpunktpartei geblieben war, konzentrierte sich antifaschistische Kritik mehr oder weniger allgemein auf die "Generallinie" und versuchte Kontakte zu ausgewiesenen Rechtsextremisten nachzuweisen (s. LB 1/01). Seitdem ist ein wenig Zeit ins Land gegangen, und hier sollen die eher mageren Ergebnisse der Beobachtung von Schills Treiben präsentiert werden.
Es ergeben sich zahlreiche Anhaltspunkte
dafür, daß die Partei, die sich jetzt "Schill" nennt, eine Führerpartei
ist und zwar nicht nur aufgrund der herausragenden Stellung ihres Vorsitzenden:
— Auf dem 1. Parteitag am 26.11.00 in
Wilhelmsburg schlug die Marketing-Leiterin der Partei, Peggy Rasch, vor,
den Vorstand von 5 auf 7 Mitglieder zu vergrößern, da, wenn
Schill, seine damalige Freundin Katrin Freund und Mario Mettbach sich einig
sind, was der Regelfall sei, sie immer die Mehrheit haben. Dieser Vorschlag
wurde auf einen späteren Parteitag verwiesen, die Insubordination
aber Anfang Januar geahndet: Unter dem Vorwand, die Bezirksvorsitzenden
der Partei müßten in den Vorstand, wurden Rasch und andere ausgebootet.
Auf dem Februar-Parteitag wurde der dissidente Vorschlag dann endgültig
zu den Akten gelegt.
— Widerspruch gegen Vorschläge des
Vorstands werden mit Drohungen beantwortet. Auf dem 3. Parteitag am 17./18.2.01
im Café Seeterassen griff ein Wolfgang West die Kandidatin Freund
an, sie habe ihren Hauptwohnsitz nicht in Hamburg. Schill schildert selbst,
wie er West in einem 6-Augen-Gespräch (plus Bodyguard) zurechtwies
(laut Mopo, 19.2.): "Ich hab' ihn gefragt, ob das sein mußte. Ein
gut gemeinter Ratschlag an ihn, damit er hier nicht in Ungnade fällt."
— Aber auch Verschwörungstheorien
mit leicht psychopathischem Touch führten zur Abkanzelung von Aktivisten.
Auf dem 2. Parteitag am 28.1.01 in Langenhorn wurden Rasch und Björn
Neumann (ein junger Politstreber aus der CDU) zum Verlassen von Veranstaltung
und Partei aufgefordert. Der eigentümliche Hintergrund: Die beiden
hätten sich mit Franz-Joseph Underberg getroffen (der ausgeschlossen
worden ist, weil er in Waffengeschäfte verwickelt war), um gegen Schill
zu konspirieren. Im Auftrag von Bolko Hoffmann (ein Millionär, dem
die Partei "Pro DM" gehört) habe man versucht, die PRO zu schwächen.
Hoffmann habe die StattPartei übernehmen, Jürgen Hunke ab- und
dafür Schill als deren Galeonsfigur einsetzen wollen. Schill: "Verrat,
unverzeihlich und komplottartig."
Programmatisch hat sich hingegen nicht
viel getan, einzig die Wirtschaftspolitik wurde auf eine an Unternehmensinteressen
orientierte Politik hin profiliert. Man propagiert nunmehr
— die intensive Förderung kleinerer
und mittlerer Unternehmen, von Existenzgründungen und der Neuansiedlung
von Betrieben,
— die Bekämpfung der Schwarzarbeit,
— die Senkung der Lohnnebenkosten, d.h.
die Absicherung der ArbeitnehmerInnen soll verstärkt ihre eigene Sache
sein, nicht mehr die der Unternehmen,
— die Absenkung der Mehrwertsteuer für
Handwerksbetriebe auf 7 %.
Dies wurde auf einer Klausurtagung der
Parteiführung Anfang Januar beschlossen, d.h. hierzu wurde die Mitgliedschaft
nicht befragt; sie wird das Programm irgendwann lediglich abzunicken haben.
Auf dem Parteitag Mitte Februar wurden unterdes die für die Zukunft erwarteten Pfründe vergeben, man kürte die Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl: 1. Schill, 2. Mettbach (Ex-CDU, Ex-Statt), 3. Norbert Frühauf (Ex-CDU, Schwerpunkt: Mittelstandsförderung), 4. Freund (Bildungspolitik), 5. Dirk Nockemann (Ex-SPD, "Arbeitskreis Ausländerrecht" der Partei), 6. Manfred Silberbach (Ex-SPD, Ex-Statt). Ferner wurden weitere 44 Kandidaten für die folgenden Plätze gewählt. Ein Mitglied (laut MoPo vom 27.2.): "Für einige Namen auf der Liste muss man sich wirklich schämen. Keiner will Schill schaden, aber einigen geht es nur darum, einmal in der Bürgerschaft zu sitzen."
Trotz weiterhin fehlender umfassender Programmatik
und trotz fehlender innerparteilicher Demokratie, trotz ständigen
internen Querelen, die stets zur Abhalfterung einstiger "bewährter
Kräfte" führt, und trotz einer Kandidatenliste, auf der offenkundige
Politkarrieristen überwiegen, sind die WählerInnen begeistert.
Nachdem von Beust (CDU) angekündigt hatte, gegebenenfalls mit Schill
& Co. in Hamburg eine Koalition eingehen zu wollen, ist an die Ächtung
der Partei als außerhalb des "Konsenses der Demokraten" angesiedelt
gar nicht mehr zu denken. Ergebnis: die Umfrage-Ergebnisse schnellen hoch;
laut Hamburger Abendblatt stand Schill Anfang Februar bei rund 9 %. Das
läßt vermuten, man braucht derzeit nur einen Kartoffelsack 'rauszuhängen,
"Schill" draufzuschreiben, und der "Lautsprecher des organisierten Ressentiments"
(A. Speit in jungle world) würde gewählt.
Wenn Ungemach droht, dann viel eher
aus den eigenen Reihen. Ein nicht genanntes Mitglied hat die Kanididatenkür
beim Landeswahlamt angefocht. Grund: Laut Satzung ist man erst nach sechs
Monaten Probezeit stimmberechtigtes Mitglied. An den Abstimmungen am 17.
und 18. Februar hätten sich jedoch zahlreiche Mitglieder beteiligt,
die noch nicht wahlberechtigt waren. Mal sehen, was dabei herauskommt!
Dezember 2000. - Ronald Schills
"Partei rechtsstaatlicher Offensive" – die PRO – ist ein erneuter Versuch,
eine Gruppierung zwischen dem rechten Rand der CDU und dem offenen Neonazismus
zu etablieren. Vorangegangene Formationen dieser Art sind mehr oder weniger
fehlgeschlagen: die REPs sind zerstritten und erhalten kaum noch Wählerzuspruch,
der "Bund Freier Bürger" löst sich auf, weil er pleite ist, die
"Konservative Aktion" tritt schon lange nicht mehr in Erscheinung.
Jedesmal sollte eine Partei gebildet
werden, die zentrale faschistische Inhalte vertritt – Sozialdarwinismus,
völkischer Nationalismus und Rassismus –, dabei aber noch soviel Reputation
behält, daß sie für bürgerliche Kreise wählbar
bleibt. Das ist in schöner Regelmäßigkeit gescheitert –
wegen interner Machtkämpfe, aber auch weil es AntifaschistInnen immer
wieder aufzudecken gelang, daß es sich um Sammelbecken des rechten
Rands handelte.
Die Schill-Partei wird von Faschisten
begeistert begrüßt. So lobt die Rechtspostille "Junge Freiheit"
den "deutschen Haider" überschwenglich, die PRO sei eine "wählbare
Alternative".
Die PRO-Veranstaltungen weisen typische
Merkmale rechter Sammlungsparteien auf. Einerseits ist man sehr darum bemüht,
keine Kritik an der Parteiführung aufkommen zu lassen. Auf einer Wahlveranstaltung
in Bergedorf wurde ein Kritiker, der es gewagt hatte, Fragen zum Konzept
zu stellen, aus dem Saal geschmissen und verprügelt. Andererseits
gibt man sich einen bürgerlich-biederen Anstrich und versucht zu verhindern,
daß die verklausuliert vorgetragenen Positionen auf den Punkt gebracht
werden – deshalb werden die Mitglieder von Journalisten abgeschirmt, da
sie das wirklich Gemeinte ausplappern könnten – wie auf dem Gründungsparteitag
vor 2 Wochen, als ein Delegierter sich versprach und als Parteinamen vorschlug:
"Partei rechtsradikaler Offensive".
In dem Wissen, daß man als
offen faschistische Partei kaum eine Chance haben wird, ist das Parteiprogramm
vage gehalten. Dennoch kommt das typische Inventar rechter Politik vor
(so daß jeder, der es will, schon versteht, was gemeint ist),
wird aber kaum einmal näher ausgeführt, damit der PRO ihre Rechtsaußenpolitik
schwerer nachzuweisen ist. Trotzdem lassen sich einige Eckpfeiler jeder
rechtspopulistischen Programmatik herausfiltern: Schills Programm richtet
sich durchgehend gegen alle die, die "ganz unten" in dieser Gesellschaft
stehen. Positiv bezieht sich Schill auf den einstigen "Obrigkeitsstaat"
und steht konsequenterweise auf Seiten der Gutverdiener. Verklammert wird
das Ganze durch das Schüren der Angst vor Kriminalität. Nur so
gelingt es, um die PRO sowohl Arbeiter und Arbeitslose als auch auf der
anderen Seite der gesellschaftlichen Hierarchien ansässige Manager,
Unternehmer und mindestens einen Richter zu sammeln.
Bei näherem Hinsehen entpuppen
sich die Vorschläge zur Kriminalitätsbekämpfung als das
Verlangen nach Friedhofsruhe und bedingungsloser Unterordnung: Die Angriffe
richten sich gegen die Armen und nicht gegen die Armut; gegen die Drogenabhängigen
und nicht gegen die unmenschlichen Umstände des Drogenkonsums; gegen
straffällige Jugendliche und nicht gegen die sozialen Ursachen von
Kriminalität.
Um sein Programm der Unterordnung,
Ausgrenzung und Verfolgung plausibel zu machen, schürt Schill die
Angst vor Kriminalität und steigert sie ins Irreale, wenn er sagt:
"Wir leben, und das meine ich nicht polemisch, in Hamburg heute wie in
Palermo oder im Chicago der 20er Jahre."
Straftaten werden ausschließlich
Gewaltmaßnahmen als Allheilmittel entgegengehalten. Das geht bis
zu absurden Heilsversprechungen wie der, schon ein einziges "geschlossenes
Jugendheim" würde die Verbrechensrate Jugendlicher "sofort auf einen
Bruchteil sinken lassen", und bereits nach 100 Tagen als Innensenator werde
er, Schill, die Kriminalitätsrate halbiert haben.
Neben dem Thema "Verbrechensbekämpfung"
handelt das Programm noch einige andere Punkte in erstaunlicher Kürze
ab. Man beabsichtigt, Minderheiten bei der politischen Willensbildung auszugrenzen;
andere als die üblichen Lebensformen (genannt wird das Wohnen in Bauwagen)
müssen verschwinden.
Und, wenig überraschend: Die
PRO ist rassistisch! Man ist gegen das Asylrecht in seiner jetzigen Form,
man hält jede Kritik an nachgewiesener Polizeigewalt und -diskriminierung
gegen Nichtdeutsche für eine "Schmutzkampagne". Schill behauptet,
Kriminalität liege in der Mentalität der Ausländer, Kosovo-Albaner
seien schießwütig. Er bemüht sich, den sowieso bestehenden
staatlichen Rassismus noch zu verschärfen, und trägt dazu bei,
die deutsche Bevölkerung gegen die ohne deutschen Paß aufzuwiegeln.
Zur Wirtschaftspolitik äußert
sich die PRO kaum, eine Prämisse ist aber unübersehbar: Die Reichen
sollen bestimmen, in welche Richtung sich Gesellschaft und Wirtschaft entwickeln.
Die Armen sollen ihren Mund halten und nicht stören. Für Langzeitarbeitslose
und Sozialhilfeempfänger ist Zwangsarbeit vorgesehen, den Unternehmen
soll demgegenüber die Gewerbesteuer erlassen werden.
Um Schill als Führerfigur soll
eine neue Rechtspartei aufgebaut werden. Das Kriminalitätsgeschwätz
ist dabei der Kitt, der den Laden zusammenhält. Die PRO ist wie ihre
Vorgänger eine rassistische und sozialdarwinistische Sammlungsbewegung.
Kein Wunder also, daß Schill in der extremen Rechten Zuspruch erhält.
Und Grund genug, diese Neupartei auf's Schärfste zu bekämpfen.