::termine
::texte
::links
::kontakt
|
Januar 2005
Rassismus und Dealerparanoia - eine mörderische Mischung
Zur Tötung von Laye-Alama Conde
Der Tod von Laye-Alama Conde, verursacht von einem Polizeiarzt, ist ein erneuter zynischer Beweis dafür, dass die deutsche Drogenpolitik Todesopfer schafft und nicht verhindert. Die herrschende Drogenpolitik erweist sich einerseits durch das Diktum der Drogenverbote als tödlich für die DrogenkonsumentInnen und andererseits durch die repressive, rassistische und paranoide Dealerhatz als potentiell tödlich für die angeblichen und wirklichen HändlerInnen illegaler Drogen.
Die Hatz auf potentielle Kokain-Dealer geht in Bremen und vielen anderen deutschen Großstädten so weit, dass es für Schwarzafrikaner schon ausreicht, sich an bestimmten Orten, die als Drogenumschlagsplatz gelten, aufzuhalten, um der ständigen Drangsalierung und Schikanierung durch die Polizei ausgesetzt zu sein. Dieses bedeutet im besten Fall, dass sich z.B. Afrikaner im Bremer Viertel nicht entspannt bewegen können und im schlimmsten Fall den Tod für diese. Laye-Alama Condes Tod ist hierfür nicht das erste Beispiel und es ist zu befürchten, dass es nicht das letzte war.
Schwarz = Dealer
Bei ihrer Jagd nach Drogenhändlern gilt im rassistischen Blick der Polizei die schwarze Hautfarbe in Verbindung mit einem bestimmten Aufenthaltsort (Bahnhof oder Viertel) als ausreichendes Verdachtsmoment. Dies bedeutet, dass Schwarze in diesen Gegenden - zusätzlich zum „normalen“ rassistischen Alltag - auch noch der ständigen Drangsalierung durch die Drogenfahndung ausgesetzt sind: Tagtägliche grundlose Passkontrollen, brutale Leibesvisitationen, schikanöse verbale Behandlung, lange Aufenthalte auf der Polizeiwache und nicht selten folterähnliche Behandlung mit Brechmitteln. Dass Schwarze in bestimmten Gegenden grundsätzlich einem Generalverdacht ausgesetzt sind, bedeutet im Kern eine Umkehrung der liberalen Unschuldsvermutung: Die Polizei weist nicht mehr nach, dass die Person mit Drogen handelt, sondern die Schwarzen müssen nachweisen, dass sie es nicht tun.
Natürlich gibt es auch MigrantInnen, die sich mit illegalem Drogenhandel den Lebensunterhalt verdienen. Ein Blick auf die Lebensumstände, in die sie gezwungen werden, zeigt jedoch, wie zynisch es ist, in diesen Fällen von missbrauchtem „Gastrecht“ zu schwafeln. Was das Asylbewerberleistungsgesetz ihnen zubilligt liegt weit unter dem sogenannten Existenzminimum; dazu verwehrt ihnen der deutsche Staat die Möglichkeit eines legalen Gelderwerbs. So sind viele MigrantInnen schlicht darauf angewiesen, sich durch illegale Tätigkeiten ihr Überleben zu sichern. Im Zusammentreffen von Anti-Drogen-Wahn und Rassismus interessiert dann auch niemanden mehr, dass Drogenhändler lediglich eine bestehende Nachfrage befriedigen.
Dealerparanoia
Nach dem Terroristen fürchten die BürgerInnen wohl kaum eine Person mehr als den Dealer. Niemand wird derart verfemt und moralisch verdammt wie die Händler illegaler Drogen. Geht es um sie, so wollen die StaatsbürgerInnen Bescheid wissen: Sie seien verschlagen, geldgierig und rücksichtslos. Sie mutieren zu Erscheinungsformen der sogenannten „organisierten Kriminalität“, die sich hinter so vielen Übeln dieser Gesellschaft verberge und aus den geheimen Schaltzentralen der Macht operiere, um Menschen und Regierungen ihrem immer hemmungsloserem Streben nach Macht und Einfluss zu unterwerfen.
Der Drogendiskurs der letzten Jahre hat sich gewandelt. Immer weniger zielt er auf Verfolgung der KonsumentInnen. Sie sind nicht mehr - wie noch in den 80ern - die Kriminellen, sondern gelten heute als unmündige Kranke, die der Kontrolle von Methadonprogramm und Zwangstherapie unterstellt gehören. Von der Kriminalisierung der KonsumentInnen ist man zur immer hemmungsloseren Verfolgung jener übergegangen, die mit Drogen handeln.
Dabei entstand ein kompaktes Feindbild, welches mit der Realität des Drogenhandels und der wahren Lebenswelt der Händler wenig gemein hat. Das Feindbild Dealer ist von Rassismus geprägt, wovon die Verfolgungspraxis gegen Schwarzafrikaner und in der Drogenpolitik üblicherweise verwendete Begriffe wie „Asyldealer“ zeugen. Die wahren Ursachen des Drogenelends werden verdrängt und dieses stattdessen dem bösen Wesen ausländischer Drogendealer zugeschrieben, welche aus Profitgier die Verelendung und den Tod ihrer Opfer billigend in Kauf nähmen. Diese Denkweise funktioniert analog zu jener Vorstellung, welche die Arbeitslosigkeit nicht in dem im Kapitalismus üblichen Auftreten von Krisen verortet, sondern der „Flut von Ausländern“ zuschreibt „uns“ die Arbeitsplätze wegzunehmen.
Dealer und Killerdrogen
Der wahnhafte Blick auf Dealer korrespondiert mit der Dämonisierung von illegalisierten psychoaktiven Substanzen und verkennt dabei den wahren Grund der Drogenmisere. Dieser liegt nämlich nicht in den Drogen selber begründet, sondern in den vom Drogenverbot erzwungenen Bedingungen, unter denen sie konsumiert werden müssen. Beispielsweise ist der „Killerdroge“ Heroin mitnichten immanent, was dem durchschnittlichen Junkie von heute widerfährt. Schlechte Stoffqualität, überhöhte Preise und miese hygienische Bedingungen auf der Scene sind wesentlich Wirkung des Verbots; der „Glücksbringer“ Heroin avanciert erst durch die staatliche Ächtung real zum Todesengel. So zwingt nur das Spritzentauschverbot im Knast die Inhaftierten, sich durch den Gebrauch verdreckter Spritzen dem Risiko von Aids und Hepatitis auszusetzen.
Auch die grausamen Gefahren, die vom Dealer ausgehen sollen, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Hirngespinst. Beliebter Mythos, zum Beweis der Perfidie und Verschlagenheit von Dealern angeführt, ist das sogenannte „Anfixen“: Ahnungslosen DiscobesucherInnen werde heimlich LSD ins Getränk geträufelt oder Schulkinder zwänge man unter Androhung von Gewalt zum Heroindruck. Wie das Ressentiment gegen Dealer in seiner Gesamtheit entbehrt auch diese Teilbehauptung jeglicher Plausibilität: Weder könnte es sich jemand leisten, Drogen zu solchen Werbezwecken massenhaft zu verschenken, noch haben Drogen die Wirkungsmacht, die ihnen hier unterstellt wird, nämlich nach einmaligem (noch dazu erzwungenem) Konsum das Verlangen beim Konsumenten nach weiterer Einnahme zu produzieren.
Und doch: Weder die Tatsache, dass die Differenz zwischen Alkohol- und Drogenhändler lediglich in der fehlenden Deckung durch das staatliche Gewaltmonopol für letzteren besteht, noch ein Blick auf die Realität des Drogenhandels können der Hatz Grenzen setzen.
Hass und Projektion
Verständlich wird der Hass und die Energie, mit der die Verfolgung von Drogenhändlern betrieben wird, erst, wenn man die psychischen Mechanismen betrachtet, die dahinter stehen.
Im Volkskollektiv des postfaschistischen Deutschlands verbinden sich Staatsbürger und Staat zur symbiotischen Einheit. Dieser wird von jenen als Sicherheit gebender Vater glorifiziert und der Geborgenheit gebende Mutterschoß ist das herbeihalluzinierte eigene Volk. Wird diese harmonische Ordnung gestört, wie etwa durch massenhafte Arbeitslosigkeit oder Drogenelend, so muss die Bedrohung von außen kommen. Die Staatsbürger ordnen sich der Herrschaft blind unter und machen statt des eigentlichem Übel, der kapitalistischen Vergesellschaftung, jene für ihr Leiden verantwortlich, die es gar nicht sind: Dealer, „Sozialschmarotzer“ oder Ausländer.
Ihr Ressentiment gegen diese angeblich Verantwortlichen ist eine projektive Konstruktion, die ihr eigenes Wesen ausdrückt. Die auf Kosten der Herrschaftsunterwerfung unterdrückten Wünsche und Sehnsüchte erscheinen im Objekt der Projektion. Der große Hass, welchen der Dealer auf sich zieht, entspringt aus der Verheißung der Droge, mit der er handelt; ihre verführerische Wirkung liegt in der Verlockung des ungehemmten Genießens, die sie verspricht und welche sich die Menschen unter der Herrschaft des Kapitals nicht leisten dürfen. Sie sind reduziert auf rein automatisiertes Funktionieren, der rastlosen Selbstverwertung des Werts unterworfen. Im Abscheu vor den Dealern und in der Verdammung der Drogen, wird das eigene verdrängte Verlangen in den Dealer projiziert, und so erscheint er als verschlagener Verführer.
Ebenso sagt der Vorwurf der über Leichen gehenden Profitgier wenig über die realen Drogenhändler aus, sondern verweist auf die Wünsche der Projizierenden: Das Hoffen auf Glück. Auch die sexuellen Ausschweifungen und die übergroße Potenz, die Rassisten den Schwarzen so häufig unterstellen, künden von ihren eigenen verdrängten Wünschen. Je weniger sich die Bürger diese Wünsche zugestehen dürfen, desto unerbittlicher müssen sie jene hassen, auf die sie ihr eigenes Verlangen projizieren.
Tretet der wahnhaften Dealerhatz entgegen!
Sofortiger Stopp der Vergabe von Brechmitteln und der rassistischen Übergriffe durch die Polizei!
Abschaffung aller Drogenverbote!
Gegen Staat, Nation und Kapital!
Für den Kommunismus!
::Antinationale Gruppe Bremen
|