Seit vielen Jahren nun schon geistert das Schlagwort "Definitionsmacht" durch die linksradikalen Debatten um den Umgang mit sexueller Gewalt. Das Konzept der Definitionsmacht erlaubt der autonomen Szene ein Verfahren unter Berufung auf subjektive Bestimmung einzelner Frauen, was als Vergewaltiger bzw. Vergewaltigung gelte, umstandslos in ein szeneinternes Urteil umzuwandeln. Diese willkürliche Praxis zieht nicht selten die Forderung nach ‚lebenslangen Ausschlüssen aus allen Zusammenhängen’ nach sich. Wer das nicht mittragen will, der offenbare, so die landläufige Meinung, "nur zu deutlich die Interessenslage potentieller Vergewaltiger" (Berliner Antisexismusbündnis). Denn jede andere Umgangsweise lande zwangsläufig beim frauenfeindlichen Procedere gerichtlicher Vergewaltigungsprozesse Opfer peinlich genau nach Rocklänge und Flirtverhalten zu befragen; und überhaupt stelle jeder Versuch, über das Geschehene zu sprechen, nur eine erneute Traumatisierung für die Betroffene dar. Im Verlauf zahlloser Szene-Kampagnen wird selbst eine Einladung zum Geschlechtsverkehr schon als Vergewaltigung skandalisiert. In diesem linksradikalem Umgang mit Sexualität und sexueller Gewalt wird nicht allein die Unschuldsvermutung gegenüber Beschuldigten aufgehoben, sondern der Opferstatus von Frauen im Modus des wortlosen Treu und Glaubens nur noch einmal affirmiert. Zu diskutieren wird daher sein:
Warum die Freiheit, der Möglichkeit nach alles, was einem oder einer Unbehagen bereitet, als Vergewaltigung zu definieren, einen unverschämten Affront denen gegenüber darstellt, die in der Tat erzwungene Penetration erlitten haben / Warum das in der autonomen Linken vorherrschende Bild von der Sexualität als vermintem Gelände, in dem nichts als Gefahrvolles und patriarchaler Machtwillen lauerten, dem zeitgemäßen Rückzug aufs sichere Terrain der Einer- oder Dauerzweierbeziehung das Wort redet / Warum es dabei alles andere als Zufall ist, dass das linksradikale Verlangen, mit Sexualdelinquenten ‚ganz ohne täterschützende Unschuldsvermutung’ kurzen Prozess zu machen, dem des deutschen Mainstreams bis in die Wortwahl gleicht / Warum also, die Definitionsmacht das, was sie anzugreifen vorgibt, die starre Ordnung der Geschlechter, in Wirklichkeit fortschreibt und zementiert.