Antinationale Gruppe Bremen [ANG]
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Frühjahr 2005
Filmseminar der Antinationalen Gruppe Bremen mit Tobias Ebbrecht (Berlin)




Gute Deutsche, böse Nazis
Die Darstellung von Nazitätern im Spielfilm

Sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges erobert der Führer, vorbereitet von einer Geschichtsoffensive im deutschen Fernsehen – beginnend mit den Dokumentationen des Fernsehhistorikers Guido Knopp über die „Entdeckung“ historischer Farbaufnahmen bis zu Dokumentationen über die nächsten Mitarbeiter Hitlers, die Leinwände.

Die Frage nach der Darstellung der nationalsozialistischen Täter im Film ist nach dem von Bernd Eichinger produzierten und von den Forschungen des Hitlerbiografen Joachim Fest inspirierten Film Der Untergang neu entbrannt. In den letzten Jahren – insbesondere nach Steven Spielbergs Schindlers Liste und Roberto Benignis La Vita Et Bella stand die Frage nach der filmischen Repräsentierbarkeit des Holocaust im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ähnlich den gesellschaftlichen Debatten über die nationalsozialistische Vergangenheit verlagert sich nun der Blick zunehmend von den Opfern auf die Täter. Stand zunächst das Bedürfnis im Vordergrund, sich in der Einfühlung mit den Opfern auf der Leinwand der eigenen Schuld zu entledigen, ist nun der Weg frei zur versöhnenden Einfühlung in die deutschen Täter als Opfer.

Zum Verständnis der gesellschaftlichen, ideologischen und psychologischen Antriebskräfte von „Hitlers willigen Vollstreckern“ (Daniel Goldhagen) kann es hilfreich sein, sich deren Abbilder auf der Leinwand genauer anzuschauen. Anders als in der historisierenden „Täterforschung“ und dem oft entschuldigenden „Familiengespräch“ personifizieren die SS-Männer, Wehrmachtssoldaten und NSDAP-Kader im Film nicht nur die historischen und politischen Dimensionen des Nationalsozialismus, sondern auch die unterschiedlichen Geschichtsversionen, Legenden, Stereotypisierungen und Entschuldungsgesten der jeweiligen Zeit- und Produktionsumstände. Hitler und Co. sind nicht erst seit Knopp und Eichinger im Film präsent. Schon die Anti-Nazi Filme Hollywoods aus den 40er Jahren brachten die deutschen Täter (oft gespielt von Emigranten aus Deutschland) auf die Leinwand. Bereits kurz nach 1945 versuchten Überlebende des Holocaust ihre schrecklichen Erfahrungen mit den brutalen KZ-Aufsehern und SS-Schergen filmisch zu verarbeiten, genauso wie sich im bundesdeutschen Nachkriegsfilm der 50er ein verharmlosendes Bild der Wehrmachtsoffiziere und deutschen Landser präsentierte.

In den 60er und 70er Jahren waren es die Vertreter des Neuen Deutschen Films, die eine sogenannte „Hitler-Welle“ lostraten. Von Syberberg bis Fassbinder war die schaurig-faszinierende Aura des Nationalsozialismus Thema im Kino. Und zur gleichen Zeit jagte Indiana Jones stereotypen Klischeenazis archäologische Schätze ab und rückte mit seiner Version von Hollywood-Nazis vielleicht näher an die historischen Realitäten als die Kinder und Enkel im Land der Täter.

Das Seminar „Gute Deutsche, böse Nazis“ will die verschiedenen Darstellungsformen von Nazis im Spielfilm untersuchen und auf die filmischen wie gesellschaftspolitischen Debatten der Gegenwart beziehen. Eingebettet in philosophische Reflexionen über die deutschen Täter sollen Filme aus verschiedenen Zeiten und Ländern im Hinblick auf die Fragen diskutiert werden, wie sich der Nationalsozialismus und seine Täter und Handlanger im Film darstellen lassen, welche Geschichts- und Täterbilder im (populären) Kino präsent waren und sind und in welchem Verhältnis diese zu den geschichtspolitischen Debatten in Deutschland und Europa über den Nationalsozialismus 60 Jahre nach dem Holocaust stehen.

 


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