Kein Frieden mit Deutschland
Ob mit Nazis oder ohne

Am 4.11. will die NPD in Bremen demonstrieren. Diese Partei, ihre Anhänger und Sympathisanten, insbesondere auch die als „freie Kameradschaften“ bekannten Schlägertrupps sind nicht nur in ihren politischen Forderungen ekelhaft, sie setzen sie auch jeden Tag aufs Neue in die Tat um. Von ihnen geht eine sehr reale Bedrohung für Leib und Leben aus, im Besonderen für MigrantInnen, Jüdinnen und Juden, Obdachlose, Homosexuelle und Linke. Für ihren Aufmarsch haben sich die Nazis mit Gröpelingen und Walle Bremer Stadtteile mit hohen MigrantInnen-Quoten ausgesucht. Ihre anfänglich geplante Demoroute entlang der Fatih-Moschee und einem ehemaligen jüdischen Altenheim zeigt, dass die hinter dem Aufmarsch stehende Absicht ist, ein Bedrohungsszenario zu errichten. Das darf den Nazis auf keinen Fall gelingen.

Wenn nun aber der Aufmarsch zum Anlass genommen wird, im Gegenzug das „vorbildliche Zusammenleben zwischen Migranten und Deutschen“ (Stadtamt Gröpelingen) zu loben, ist dies zynisch angesichts eines alltäglichen Rassismus und einer Politik, die z.B. vielen MigrantInnen den Aufenthalt hier nur auf Grundlage von Duldungen erlaubt, die Monat um Monat neu erbettelt werden müssen, und so ständig die Abschiebung droht. Im Übrigen überführt sich das Gröpelinger Ortsamt selbst der Lüge, wenn es befürchtet, das ach so tolle Zusammenleben könne durch einen einzigen Nazi-Aufmarsch „nachhaltig gestört“ werden. Entweder das Zusammenleben ist „vorbildlich“, dann wird es das auch hinterher sein – oder es ist so fragil, dass zu befürchten ist, dass die NPD im ganz normalen Durchschnittsdeutschen etwas „Gestörtes“ erwecken könnte, was dann sowieso schon da wäre.

Auch Staat und Parteien mögen in der Regel die Nazis nicht, schließlich sind es Verfassungsfeinde, die es noch dazu schaffen, durch öffentlichkeitswirksame Aufmärsche und Gewalttaten das Ansehen des Standorts Deutschland zu beschädigen. Die berühmten Lichterketten als Reaktion auf die Pogrome Anfang der Neunziger lagen in ihrer Intention und Aussage genau auf dieser Linie: Der Welt zeigen, wie Deutschland inzwischen tatsächlich sei – geläutert, antifaschistisch, friedfertig. Und wer bei der Forderung „Nazis Raus!“ stehen bleibt, sich zusammen mit dem bürgerlichen Lager auf eine Wagenburg-Mentalität zur Bekämpfung der braunen Gefahr einlässt, wie auch Teile des antifaschistischen Spektrums in Bremen, lässt sich, ob gewollt oder nicht, als Schmierstoff für den Standort einspannen, heißt er nun Bremen oder Deutschland. Die Forderung nach einem Deutschland ohne Nazis ist so irreführend wie illusorisch. Abgesehen davon, wäre auch dies noch weit entfernt von einer „Welt, in der man ohne Angst verschieden sein kann“ (Th.W. Adorno), sprich einer Welt ohne Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Sexismus, Homophobie... Noch immer gilt: „Nazis morden – der Staat schiebt ab.“ „Ausländerpolitik,“ inklusive Abschiebeknästen und dergleichen sind keine oberflächlichen Beigaben, ohne die ein Staat zu machen wäre. So lange es Nationalstaaten gibt, gibt es auch eine eindeutige Grenzziehung zwischen denen, die darin eingeschlossen sind, und denen, die es eben nicht sind – mit allen Konsequenzen.

Die Nazis von der NPD sind ganz offensichtlich keine Freunde vieler Worte. Das wenige, was man ihrem mit „Arbeitsplätze statt Kriegseinsätze“ betiteltem Demo-Aufruf entnehmen kann, ist ihre Opposition gegen Bundeswehreinsätze, bei denen deutsche Soldaten und deutsches Geld für „fremde Interessen“ benutzt würden. Dies solle doch besser „daheim“ zur Schaffung von Arbeitsplätzen ausgegeben werden. Ihr Nationalismus äußert sich auch darin, dass sie eine deutsche Beteiligung am „Krieg gegen den Terror“ u.a. deshalb ablehnen, weil Deutschland dadurch verstärkt Ziel von Terroranschlägen werden könnte. Eine Argumentation, die vor kurzem von Oskar Lafontaine in identischer Weise geführt wurde. Auch sonst setzt sich hier fort, was die NPD und andere Nazis seit einigen Jahren verstärkt betreiben: Die Besetzung von angeblich linken Themenfeldern und Argumentationen. Dabei tun sie nicht bloß so, als wären sie auf einmal für Frieden und sozialen Ausgleich, sie können diese Forderung stellen und dabei bleiben, was sie sind – Nazis.

Auch wenn es zunächst merkwürdig anmutet, dass ausgerechnet Nazis gegen militärische Interventionen sind. Hier nehmen sie den unter Rot-Grün etablierten staatstragenden Nationalismus beim Wort, der Deutschland als „Friedensmacht“ inszeniert, und sie gehen über diesen hinaus, wenn sie auch so genannte Frieden schaffende Militäreinsätze ablehnen, weil dadurch fremden Interessen gedient werde. Worin sie irren. Die Bereitschaft der Bundesregierung „Verantwortung in der Welt zu übernehmen“, ist ihrem ureigenen Interesse geschuldet. Der Status Deutschlands und der EU als Weltmacht will gesichert und ausgebaut werden. Für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ist der Einsatz im Libanon schon jetzt ein willkommenes Argument. Dass deutsche PolitikerInnen den Einsatz mit einer besonderen, weil historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel begründen, wird von den Nazis wiederum ernst genommen – und umgedreht. Keine fremden Interessen soll hier heißen: kein Geld, keine Soldaten für Israel. Ausdrücklich fremde Interessen sehen sie überdies verwirklicht, wenn Deutschland sich am von den USA „entfesselten“ „Krieg gegen den Terror“ beteiligt. Was die Bundesregierung dazu bringen soll, dem eigenen Interesse angeblich zuwider zu handeln, wird nicht erklärt. Allerdings zeichnet sich hier die Annahme ab, dass die deutsche Politik noch immer von der Hörigkeit gegenüber der ehemaligen Besatzungsmacht bestimmt sei. Für jeden guten Deutschen selbstverständlich ein Unding, aber auch darauf hat die NPD kein Monopol: Schlussstrich, Ende der Nachkriegszeit auch im Hinblick auf die Außenpolitik sind nichts, was nicht auch andere demokratische NationalistInnen fordern würden. Was die NPD von ihnen unterscheidet, ist das Fehlen der Beteuerung, aus der Geschichte gelernt zu haben.

„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, der sollte auch vom Faschismus schweigen.“ (M. Horkheimer) - Nazis heute wie gestern waren und sind Antisemiten, davon kündet nicht zuletzt die Wahl des Datums, fünf Tage vor dem Jahrestag der Reichspogromnacht. Wer jedoch Antisemitismus alleine im rechtsradikalen Spektrum und dem der Neo-NationalsozialistInnen der NPD verortet, verkennt, dass Antisemitismus schon allgemein ein Phänomen des Kapitalismus ist.

Und obwohl es zum Programm der neuen wie der alten Nazis gehört, den Kapitalismus zu kritisieren, um ihn, wie es in ihrem Jargon heißt, „national“ zu reformieren, halten sie an basalen Kategorien kapitalistischer Vergesellschaftung wie Lohnarbeit, Eigentum und Konkurrenz fest. Darin unterscheidet sich die NPD nicht von ihren historischen Vorgängern: den Nationalsozialisten. Diese hatten die antisemitische Unterscheidung zwischen einem angeblich deutschen schaffenden und einem angeblich jüdischen raffenden Kapital geprägt
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In dieser zerfällt der Kapitalismus in einen guten, produktiven Bereich wie z.B. Handwerk oder Industrie und den bösen des parasitären, ausbeutenden Finanzkapitals. Eine Vorstellung, die sich als eine Form der verkürzten Kapitalismuskritik bezeichnen lässt (die bis in das Bewusstsein der Linken hineinreicht). Wird das Spekulantentum, welches für so manches Übel in der kapitalistischen Gesellschaft verantwortlich erscheint, mit „dem Juden“ identifiziert, wird diese Vorstellung manifest antisemitisch. In dieser Personalisierung zeigt sich die ideologische Verkennung der Struktur kapitalistischer Ausbeutung. Während die Gewinne des „spekulierenden“ Geldkapitalisten als Bereicherung auf Kosten anderer erscheinen, scheint allein der Unternehmergewinn „Frucht ehrlicher Arbeit“ zu sein. „Die Zinsnahme wird einerseits dem „produktiven“ Kapitalverhältnis gegenüber gestellt und moralisch kritisiert, als Einkommen, das nicht auf eigener Leistung beruhe. Andererseits wird die Existenz des Zinses zur Ursache aller gesellschaftlichen Übel erklärt: die ganze Gesellschaft werde direkt oder indirekt geknechtet, nur um letzten Endes den Geldbesitzern Zins zahlen zu können.“ (M. Heinrich) Negiert wird dabei, dass die Voraussetzung für die Rückzahlung des Zinses die Verwendung des geliehenen Geldes als produktives Kapital im Produktionsprozess ist. Der Produktionsprozess selbst ist es, dessen Maßgabe der Kapitalakkumulation voraussetzt, dass der Wert, den die ArbeiterInnen während ihrer Arbeitszeit schaffen, höher ist als der Wert ihrer Arbeitskraft. „Im Verhältnis des Lohns zu den Preisen erst drückt sich aus, was den Arbeitern vorenthalten wird. (...) Die Verantwortlichkeit der Zirkulationssphäre für die Ausbeutung ist gesellschaftlich notwendiger Schein.“ (M. Horkheimer/Th.W. Adorno) Die Identifizierung von Juden mit Geld hat eine lange Tradition im europäischen Antisemitismus, einer der Gründe, warum gerade die Juden als die Verantwortlichen für das Schlechte im Kapitalismus auserkoren wurden, was schließlich in die Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden im NS mündete. Der Antisemitismus ist eine konformistische Revolte gegen den Kapitalismus auf Basis des Kapitalismus. Antisemitismuskritik ist ohne Kapitalismuskritik obsolet. Zugleich muss nach `45 eine Kritik des Kapitalismus Auschwitz zum Bezugspunkt des Denkens nehmen.

Offen richtet sich der Antisemitismus der NPD gegen die Jüdinnen und Juden als Opfer der Shoa. Wenn die Nazis von heute den Holocaust nicht von vornherein leugnen, behaupten sie, die Verbrechen würden maßlos übertrieben und den Deutschen heute zu unrecht vorgehalten. Auch würde angeblich der Verweis auf die Verbrechen dazu genutzt, Deutschland zu diskreditieren und immer wieder viel zu hohe Entschädigungszahlungen abzupressen. Nicht trotz, sondern wegen Auschwitz richtet sich der Hass gegen die Jüdinnen und Juden. Nicht ganz so offen, aber mit dem gleichen Ziel, als Deutsche „wieder wer zu sein“, standen auch die Reden von Hohmann und Walser im Zeichen dieses sekundären Antisemitismus.

Die NPD paart ihre verkürzte Kapitalismuskritik mit Rassismus, und macht die angeblich unbegrenzte Flut von Ausländern für Elend und Arbeitslosigkeit verantwortlich: Auf der einen Seite stehen die raffenden Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern oder billige ausländische Arbeitskräfte beschäftigen, um ihre Kosten zu senken. Auf der anderen Seite steht das schaffende deutsche Kapital, welches deutsche Arbeitskräfte beschäftigt und seine Gewinne im Heimatland reinvestiert.

Während also die Neonazis die „Wiedereinführung einer deutschen Volkswirtschaft“ fordern, dürfen für Mainstream-NationalistInnen hingegen auch „integrierte Ausländer“ dazu beitragen, den Standort Deutschland im Sinne Münteferings gegen Heuschreckenschwärme zu verteidigen.


Weg mit Deutschland, her mit dem Kommunismus!
Gegen Antisemitismus, Rassismus und Kapitalismus!



Antinationale Gruppe Bremen